Wurtzit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Wurtzit-Struktur)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Wurtzit
Wurtzit in hexagonaler, tafeliger Ausbildung aus der Yaogangxian Mine, Hunan, China
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Wur[1]

Andere Namen

β-Zinksulfid (β-ZnS)

Chemische Formel ZnS
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide, Sulfosalze
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/C.13
II/C.13-010

2.CB.45
02.08.07.01
Ähnliche Minerale Sphalerit, Matrait, Greenockit, Rambergit, Cadmoselit
Kristallographische Daten
Kristallsystem hexagonal[2]
Kristallklasse; Symbol dihexagonal-pyramidal; 6mm
Raumgruppe P63mc (Nr. 186)Vorlage:Raumgruppe/186[2]
Gitterparameter a = 3,82 Å; b = 3,82 Å; c = 6,26 Å[2]
Formeleinheiten Z = 2[2]
Häufige Kristallflächen Pyramiden: {5052}, {1010}, (0001)
tafelförmige Kristalle: (0001)
Zwillingsbildung sehr selten
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5 bis 4
Dichte (g/cm3) 3,98 bis 4,08
Spaltbarkeit vollkommen nach {1010}
deutlich nach (0001)
Bruch; Tenazität uneben
Farbe schwarz, braun, braunrot
Strichfarbe hellbraun
Transparenz transluzent
Glanz Diamantglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 2,356[3]
nε = 2,378[3]
Doppelbrechung δ = 0,022[3]
Optischer Charakter einachsig positiv
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten nahezu unlöslich in Wasser
Besondere Merkmale piezoelektrisch, unter langwelligem UV-Licht orangerot fluoreszierend

Wurtzit, auch als Beta-Zinksulfid (β-ZnS) bezeichnet, ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“. Es kristallisiert im hexagonalen Kristallsystem und ist die metastabile Hochtemperatur-Modifikation des kubischen Sphalerits. Wurtzit bildet meist radialstrahlige Aggregate aus nadelförmigen Kristallen oder pyramidale Einkristalle (seltener auch tafelförmig) mit schwarzer bis braunroter Farbe.

Etymologie und Geschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Charles Adolphe Wurtz, ca. 1870

Die Erstbeschreibung des Wurtzits stammt von dem französischen Chemiker und Mineralogen Charles Friedel (1832–1899) aus dem Jahr 1861. Er benannte das Mineral nach seinem Lehrer Charles Adolphe Wurtz (1817–1884), in Anerkennung dessen wissenschaftlicher Verdienste. Die von Friedel untersuchten Proben wurden in der San José Mine nahe der Stadt Oruro in den bolivianischen Anden gefunden, die bis in das 20. Jahrhundert ein bedeutender Bergbauort war, vor allem durch den Abbau von Zinn. Oruro ist noch heute die Typlokalität des Wurtzits.

Seit der Gründung der International Mineralogical Association ist Wurtzit der international anerkannte Mineralname für das hexagonal kristallisierende Zinksulfid beziehungsweise β-ZnS.

In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Wurtzit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Schwefel, Selen, Tellur = 1 : 1“, wo er zusammen mit Cadmoselit, Greenockit, Rambergit und Wurtzit-2H eine eigenständige Gruppe bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Wurtzit ebenfalls in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Metallsulfide mit dem Stoffmengenverhältnis M : S = 1 : 1 (und ähnliche)“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „mit Zink (Zn), Eisen (Fe), Kupfer (Cu), Silber (Ag) usw.“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Wurtzitgruppe“ mit der System-Nr. 2.CB.45 und den weiteren Mitgliedern Cadmoselit, Greenockit, Hypercinnabarit und Rambergit bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Wurtzit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“ ein. Hier ist er ebenfalls als Namensgeber der „Wurtzitgruppe (Hexagonal: P63mc)“ mit der System-Nr. 02.08.07 und den weiteren Mitgliedern Greenockit, Cadmoselit und Rambergit innerhalb der Unterabteilung der „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n):p=1:1“ zu finden.

Kristallstruktur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kristallographische Daten[2]
Kristallstruktur von Wurtzit
Wurtzit-Struktur
Kristallsystem hexagonal
Raumgruppe P63mc
Gitterparameter
(Elementarzelle)
a (= b) = 3,82 Å
c = 6,26 Å
Zahl (Z) der
Formeleinheiten
Z = 2

Wurtzit kristallisiert im hexagonalen Kristallsystem in der Raumgruppe P63mc (Raumgruppen-Nr. 186)Vorlage:Raumgruppe/186 mit den Gitterparametern a = 3,82 Å und c = 6,26 Å sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle; (Pearson-Symbol hP4, Strukturbericht-Bezeichnung B4). Der Aufbau der Kristallstruktur lässt sich von der des Lonsdaleit, des hexagonalen Diamanten, ableiten. Dies steht in Analogie zur Zinkblende-Struktur des Sphalerit, die sich vom normalen kubischen Diamanten ableiten lässt.

Die nach ihm benannte „Wurtzit-Struktur“ besteht aus einer hexagonal dichtesten Kugelpackung (Stapelfolge … ABAB … in Richtung der kristallographischen c-Achse) aus Schwefelatomen, deren Tetraederlücken zur Hälfte mit Zinkatomen besetzt sind. Da es in einer dichtesten Kugelpackung doppelt so viele Tetraederlücken wie Packungsteilchen (in diesem Fall Schwefel) gibt und nur jede zweite Lücke mit Zink besetzt ist, ergibt sich ein Schwefel-Zink-Verhältnis von 1:1 und damit die chemische Formel ZnS.

Die Struktur des Wurtzits kann auch umgekehrt beschrieben werden, d. h., die Zinkatome bilden die hexagonal dichteste Kugelpackung mit den Schwefelatomen in der Hälfte der Tetraederlücken, Schwefel und Zink bilden kommutative Teilgitter. Beide Atomsorten haben jeweils eine Koordinationszahl von 4, als Koordinationspolyeder ergibt sich in beiden Fällen ein unverzerrtes Tetraeder.

Mit Hilfe der Niggli-Schreibweise kann die Struktur wie folgt dargestellt werden:

Die Wurtzit-Struktur zählt zu den wichtigsten Kristallstrukturtypen, zahlreiche auch technisch wichtige Verbindungen kristallisieren isotyp zu Wurtzit (d. h. mit der gleichen Kristallstruktur), darunter Zinkoxid (ZnO), Cadmiumsulfid (CdS), Cadmiumselenid (CdSe), Galliumnitrid (GaN) und Silberiodid (Jodargyrit, AgI).

Die Wurtzit-Struktur steht in Konkurrenz zur kubischen Zinkblende-Struktur, was für die Halbleiter-Physik wichtig ist: So kristallisiert z. B. das System Galliumarsenid (GaAs) im Gegensatz zu Galliumnitrid (GaN) nicht in der hexagonalen Wurtzit-Struktur, sondern in der Zinkblende-Struktur.

Beim Erhitzen mit Sauerstoff (Rösten) zerfällt Wurtzit ebenso wie Sphalerit zu Zinkoxid. Dieser Zerfall wurde früher unter anderem zum qualitativen Zinknachweis verwendet: Auf Kohle vor dem Lötrohr scheidet sich sublimiertes Zinkoxid ab. Dieses ist im heißen Zustand zitronengelb (siehe auch Zinksuboxide) und nimmt erst im abgekühlten Zustand die typisch weiße Farbe des Zinkoxides an.

Wurtzit tritt häufig als radialstrahlige Aggregate aus mehreren nadel- bis säulenförmigen Kristallen zusammen mit Sphalerit in der sogenannten Schalenblende auf. Die Wurtzit-Aggregate ähneln dabei in ihrer Form denen von Stibnit (Sb2S3). Seltener sind isolierte Einkristalle als meist unvollkommene Pyramiden ausgebildet. Die Form solcher Kristalle wird in der Mineralogie auch als hemimorph („halbgestaltig“) bezeichnet, da die beiden Enden des Kristalls sich in ihrem Erscheinungsbild stark unterscheiden (Basisfläche an der einen, Spitze der Pyramide an der anderen Seite). Sehr selten können auch tafelförmige Kristalle beobachtet werden, deren obere und untere Begrenzungsflächen parallel zur Pyramidenbasisfläche verlaufen, die Pyramidenflächen sind in diesem Fall nicht ausgebildet.

Modifikationen und Varietäten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Voltzin aus Sterling Mine, Sterling Hill, Ogdensburg, Franklin Mining District, Sussex County (New Jersey), USA

Als Voltzin wird ein Gemenge aus Wurtzit und organischer Substanz bezeichnet.[4]

Bildung und Fundorte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wurtzit (braun) und Galenit (silbrig) aus Potosí, Bolivien (Größe 9,2 cm × 8,6 cm × 3,5 cm)

Wurtzit entsteht wie die meisten Sulfide in der Regel durch Fällung aus hydrothermalen Lösungen. Natürlich gebildeter Wurtzit enthält meist Spuren von Eisen, Mangan und Cadmium. Vor allem hohe Cadmium-Gehalte begünstigen die Bildung von Wurtzit gegenüber Sphalerit (α-ZnS). Begleitende Minerale (Paragenesen) von Wurtzit sind gewöhnlich Sphalerit und Galenit (PbS) sowie andere, häufig eisenreiche Sulfide und Disulfide wie Pyrit (FeS2), Markasit (FeS2) und Chalkopyrit (CuFeS2).

Insgesamt konnte Wurtzit bisher (Stand: 2011) an mehr als 300 Fundorten nachgewiesen werden.[3] Außer an seiner Typlokalität „San José Mine“ nahe der Stadt Oruro trat das Mineral in Bolivien noch in den Minen bei Huanuni (Provinz Pantaleón Dalence), Callipampa (Provinz Poopó), Municipio Pazña und Municipio Poopó in Oruro; Provinz Ayopaya in Cochabamba; Berenguela in der Provinz Pacajes (La Paz) sowie bei Potosí und an mehreren Orten in der Provinz Antonio Quijarro, im Municipio Chayanta, in der Provinz Rafael Bustillo und der Provinz Sur Chichas im Departamento Potosí. In Bolivien wurden auch die bisher besten und größten Wurtzitkristalle mit bis zu vier Zentimetern Durchmesser (Animas) gefunden.

In Deutschland fand man Wurtzit am Hornbühl bei Waldkirch, in den Gruben „Silbereckle“ und „Michael“ bei Reichenbach (Lahr) und „Segen Gottes“ bei Wiesloch in Baden-Württemberg; bei Muglhof (Weiden in der Oberpfalz) in Bayern; bei Rachelshausen in Hessen; an mehreren Orten von Stolberg und Hellenthal sowie bei Wirtenbach und Marl-Hüls in Nordrhein-Westfalen; in der Grube „Einheit“ bei Elbingerode in Sachsen-Anhalt; an mehreren Orten im sächsischen Erzgebirge und in der thüringischen Gemeinde Niedersachswerfen.

In Österreich konnte das Mineral unter anderem in den Gruben „Rudolph“ und „Stephanie“ bei Bad Bleiberg, „Franz Josef“ bei Heiligengeist und „Max“ bei Kreuth in Kärnten; am Semmering-Pass in Niederösterreich sowie am Tschirgant und im Karwendelgebirge in Tirol nachgewiesen werden.

In der Schweiz fand sich Wurtzit bisher nur bei Biel/Bienne im Kanton Bern und der Grube Lengenbach im Binntal im Kanton Wallis.

Erwähnenswert aufgrund außergewöhnlicher Wurtzitfunde ist unter anderem auch Talnach (Talnakh) in Sibirien (Russland), wo gut entwickelte Kristalle von bis zu drei Zentimetern gefunden wurden.

Weitere Fundorte sind Afghanistan, Argentinien, Australien, Bulgarien, China, Frankreich, Griechenland, Kanada, Kasachstan, Kirgisistan, Indien, der Iran, Irland, Italien, Japan, Mexiko, Marokko, Namibia, die Niederlande, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Sambia, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Südafrika, Tadschikistan, Tschechien, die Ukraine, Ungarn, das Vereinigte Königreich (Großbritannien) und die Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[5]

Auch in Gesteinsproben vom Mittelatlantischen Rücken, vom Roten Meer, der Bismarcksee und vom Ostpazifischen Rücken sowie außerhalb der Erde auf dem Mond, genauer in der Nähe der Luna-24-Landestelle im Mare Crisium, konnte Wurtzit nachgewiesen werden.[5]

Commons: Wurtzit – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. a b c d E. H. Kisi, M. M. Elcombe: U parameters for the wurtzite structure of ZnS and ZnO using powder neutron diffraction. In: Acta Crystallographica. Nr. C45, 1989, S. 1867–1870
  3. a b c d Wurtzit bei mindat.org (englisch)
  4. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. 6. vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2014, ISBN 978-3-921656-80-8.
  5. a b Fundortliste für Wurtzit beim Mineralienatlas und bei Mindat