Zeche Holland
Zeche Holland | |||
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Allgemeine Informationen zum Bergwerk | |||
Blick vom Fördergerüst auf das Zechengelände (2007) | |||
Förderung/Jahr | bis ca. 1,7 Mio. t | ||
Informationen zum Bergwerksunternehmen | |||
Beschäftigte | ca. 3000 | ||
Betriebsbeginn | 1860 | ||
Betriebsende | 1974 | ||
Nachfolgenutzung | Wohn-, Gewerbe- und Grünflächen | ||
Geförderte Rohstoffe | |||
Abbau von | Steinkohle | ||
Geographische Lage | |||
Koordinaten | 51° 29′ 1″ N, 7° 7′ 35″ O | ||
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Standort | Ückendorf / Wattenscheid | ||
Gemeinde | Gelsenkirchen, Bochum | ||
Kreisfreie Stadt (NUTS3) | Gelsenkirchen, Bochum | ||
Land | Land Nordrhein-Westfalen | ||
Staat | Deutschland | ||
Revier | Ruhrrevier |
Die Zeche Holland war ein Steinkohlenbergwerk mit Schächten in Ückendorf, seit 1903 ein Stadtteil von Gelsenkirchen, und in Wattenscheid, seit 1975 ein Stadtbezirk von Bochum.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erschließung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Holländische Kapitalgeber gründeten 1855 die Bergbau-Aktiengesellschaft Holland,[1] um die Grubenfelder Carl Reinhard, Adelbert, Hain, Anton Ernst und Wupperthal in den Gemeinden Ueckendorf und Wattenscheid zu erschließen. Die Konsolidation der Grubenfelder unter dem Namen Holland erfolgte 1861. Der Schacht I in Ückendorf wurde Ende 1856 auf eine Teufe von 68 m ins Karbon abgeteuft und war bis 1963 in Betrieb, Schacht II folgte ebenfalls mit 68 m im selben Jahr und wurde 1958 aufgelassen. Der Förderbeginn war 1860 auf Schacht I.[2] Die gemeinsam mit den Zechen Vereinigte Carolinenglück, Hannover und Rheinelbe errichtete Anschlussbahn zum Bahnhof Gelsenkirchen der Cöln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft (CME) wurde am 12. März 1859 in Betrieb genommen. Gleisanschlüsse zur Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft (RhE) zu den Bahnhöfen Ückendorf (Inbetriebnahme 1867) und Wattenscheid (Inbetriebnahme 28. November 1876) folgten.[3]
Betrieb
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Wattenscheider Schächte III, IV, V und VI wurden 1873, 1898, 1907 und 1921 abgeteuft. Sie stammen aus der zweiten großen Gründungsphase des Bergbaus nach dem Deutsch-Französischen Krieg. Hier wurde auch 1882 eine Kokerei mit der ersten Nebenproduktengewinnungsanlage zur Separation von Ammoniak und Teer in Deutschland errichtet. Eine architektonische Besonderheit sind die 1921 errichteten Kauen- und Verwaltungsgebäude. Sie sind das noch älteste erhaltene Werk der bedeutenden Industriearchitekten Fritz Schupp und Martin Kremmer, die auch die Schachtanlage Zollverein 12 in Essen entwarfen. Sie gruppierten die Backsteinbauten als dreiflügelige Anlage um einen Hof und gestalteten die Gebäude in der Tradition des Neoklassizismus.[4]
Bei einer Schlagwetter / Kohlenstaubexplosion im September 1915 waren auf der Anlage III/IV 14 Todesopfer zu beklagen.[1] Am 31. Oktober 1925 ereignete sich auf der Zeche eine Schlagwetterexplosion, die 18 Tote und 5 Verletzte forderte. Dies war das größte Grubenunglück auf dem Wattenscheider Stadtgebiet.[5] Zu diesen Explosionen kamen über 20 weiter erfasste Unglücke hinzu mit über 80 Toten und 80 Verletzten.[6]
Zeit des Nationalsozialismus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Ruhrbergbau gab es im Zweiten Weltkrieg starken Einsatz von Zwangsarbeitern, so auch auf der Zeche Holland. Mitarbeiter des Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete besuchten Ende des Jahres 1942 das Ruhrgebiet, um sich über den Einsatz sowjetischer Zivilarbeiter ein Bild zu machen. Über die Verhältnisse auf der Wattenscheider Zeche existiert in dem Bericht eine Passage: „Zeche Holland in Wattenscheid: Betriebsführer und Lagerführung keinerlei Verständnis, ja sogar Widerstand. Revierstube und Krankenverhältnisse unerfreulich. Baracken und Essraum kalt, unordentlich, schmutzig. Küche an Italiener verpachtet. Das warme Essen wird stehen gelassen. Die gesamten Lagerverhältnisse sind unter aller Kritik. […]“[7]
Die letzten Jahre
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Zeche Bonifacius in Essen wurde 1966 mit Holland vereinigt.[1] Die höchste Kohleförderung der Zeche Holland erfolgte im Jahr 1969 (als die meisten Schächte schon aufgegeben waren) mit 1,7 Millionen Tonnen bei einer Belegschaft von knapp 3000 Beschäftigten.[2] 1973 erfolgte eine unterirdische Verbindung (Durchschlag) mit der Zeche Zollverein. Mit dieser wurde die Zeche Holland zu einem Verbundbergwerk zusammengelegt. Am 15. Januar 1974 erfolgte die Stilllegung des Betriebes in Wattenscheid.[2] Die noch offenen Schächte dienten als Seilfahrts- und Wetterschachtanlage, wobei der Landabsatz, auch nach Beendigung des Betriebes, weiter bedient wurde. Ab Ende 1975 wurden die meisten Tagesanlagen auf Holland III/IV/VI abgebrochen. Am 29. Dezember 1983 wurde dann auf Schacht IV der letzte symbolische Kohlewagen zu Tage gebracht.[8] 1988 wurde die Wasserhaltung stillgelegt und die Schächte IV und VI verfüllt.[2]
Wie auch viele andere Industriebauten im Ruhrgebiet wurden die Anlagen der Zeche Holland von den Fotografen Bernd und Hilla Becher dokumentiert.
Gegenwart
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Fördertürme der Zeche Holland I/II in Gelsenkirchen sind Malakowtürme (erbaut 1856–1860) und bis heute erhalten. Bereits 1986 wurden sie in die Denkmalliste eingetragen.[1] Es handelt sich um die einzige in Europa erhaltene Doppelmalakowturmanlage. Heute sind in den Türmen Wohnungen untergebracht.
Das 22 Hektar große Betriebsgelände der Schächte III/IV/VI an der Lyrenstraße/Lohrheidestraße westlich der Wattenscheider Innenstadt wurde von 1991 bis 1993 aufwändig saniert und wird seitdem als kombinierte Wohn-, Gewerbe- und Grünfläche genutzt. Der denkmalgeschützte Komplex der Lohnhalle wurde im Rahmen der IBA-Emscher-Park renoviert und ausgebaut.[9] Die Lohnhalle selbst wird seit 1998 als Veranstaltungszentrum genutzt, auf der angrenzenden Bürofläche wurde ein Technologiezentrum eingerichtet. Das vom Unternehmer Klaus Steilmann initiierte Zentrum wurde zunächst als „Technologiezentrum Eco Textil“[10] vermarktet. Unter anderem hatte hier die Firma Phenomedia ihren Sitz. Nun firmiert es als TGW (Technologie- und Gründerzentrum Wattenscheid). Es war 2012 mit 32 Unternehmen (162 Beschäftigte) bei einer vermieteten Fläche von 3.835 m² zu 97 % ausgelastet und erwirtschaftete erstmals einen Überschuss.[11]
Seit Mitte 2002 wurden die auch die Gelsenkirchener Anlagen der Zeche Holland Schacht I/II von privat restauriert und umgebaut. Dort entstanden Wohn- und Bürogebäude sowie ein Restaurant und ein Weinhandel, der Mitte Juni 2006 in Betrieb genommen wurde.
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Doppel-Malakow-Turmanlage Holland I/II
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Schachtanlage I/II (Ueckendorf) um 1910
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Schachtanlage III/IV (Wattenscheid) um 1910
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Fördergerüst Zeche Holland Schacht IV im März 2022
Fördergerüst Schacht IV
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Fördergerüst über Schacht IV (ein Deutsches Strebgerüst)[1] ist erhalten. Es ist eins von zehn erhaltenen Fördergerüsten in Bochum.[12] Ursprünglich wurde es ebenfalls von Schupp und Kremmer 1927 über Schacht IV der Zeche Zollverein errichtet[1] und ist 1962 zu der Zeche Holland versetzt worden. Der Namenszug „Holland“ stammt von dem 1976 abgebrochenen Gerüst über Schacht VI.[1]
Im Jahr 2011 erwarb die Entwicklungsgesellschaft Ruhr (heute: WirtschaftsEntwicklungsGesellschaft Bochum mbH) das Fördergerüst vom Land Nordrhein-Westfalen. Das Gerüst sollte saniert und als Höhepunkt des auf dem ehemaligen Zechenareal entstehenden Gewerbekomplexes mit einer Aussichtsplattform versehen werden. Aufgrund von Bedenken zur Standsicherheit erfolgten Untersuchungen des Gerüsts, die einen höheren Sanierungsaufwand als ursprünglich angenommen ergaben.[13] Die für die Sanierung notwendigen Kosten in Höhe von 2,8 Mio. Euro konnten mit Mitteln der Städtebauförderung sowie Eigenanteilen der WirtschaftsEntwicklungsGesellschaft Bochum sowie der Stadt Bochum gedeckt werden.[14]
Nachdem bereits im Januar 2015 die Schachthalle von Schacht IV rückgebaut wurde, erfolgte die Sanierung des Förderturms. Diese ist seit Mitte 2019 abgeschlossen.[14] Anschließend wurde das Außengelände rund um den Förderturm als Aufenthaltsort und Treffpunkt neugestaltet. Die Arbeiten hierzu waren im Juni 2021 abgeschlossen.[15] Im Oktober 2021 eröffnete der Gastronomiebetrieb „Kumpeltreff“ auf der Fläche an der Zeche Holland.[16]
Die Planungen zur Zeche Holland wurden von einem regen bürgerschaftlichen Engagement begleitet. Aus einer Facebook-Initiative[17] entwickelte sich die Bürgerinitiative „Wir in Wattenscheid - Schacht IV“, welche sich gegenüber dem Eigentümer, der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Bochum (WEG), sowie der Stadtverwaltung Bochum für den Erhalt und einer Nachnutzung des Fördergerüsts einsetzte.[18]
Seit seiner Eröffnung wird der Platz am Hollandturm zunehmend als Veranstaltungsort genutzt, u. a. für die Wattenscheider Kulturnacht[19] oder dem Street-Art-Projekt Urbanatix[20]. Zudem kam es bereits während sowie nach der Sanierung zu künstlerischen Lichtinstallationen am Fördergerüst.[21] Bochum Marketing bietet geführte Touren an, in deren Rahmen das sanierte Fördergerüst bestiegen werden kann.[22]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gerhard Gebhardt: Ruhrbergbau. Geschichte, Aufbau und Verflechtung seiner Gesellschaften und Organisationen, unter Mitwirkung der Gesellschaften des Ruhrbergbaus. Glückauf, Essen 1957.
- Wilhelm Hermann, Gertrude Hermann: Die alten Zechen an der Ruhr. In: Die Blauen Bücher. 6., um einen Exkurs nach S. 216 erweiterte und in energiepolitischen Teilen aktualisierte Auflage 2008 der 5., völlig neu bearb. u. erweiterten. Verlag Langewiesche, Königstein im Taunus 2008, ISBN 978-3-7845-6994-9.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dietmar Bleidick: Bochum: Industriekultur im Herzen des Reviers. In: route.industriekultur.ruhr. Regionalverband Ruhrgebiet, 2021 .
- IBA-Projekt Gewerbepark Zeche Holland
- Filmreportage über die Zeche Holland
- Bericht die Stadtgestalter zur Zeche Holland aus dem Jahr 2018
- Bilder von der Zeche Holland, in „Zechen in Bochum“, Flickr Album der Stadt Bochum
- Regional bedeutsamer Kulturlandschaftsbereich 299 Zeche Holland 3/4/6 in Wattenscheid (Bochum) bei LWL-GeodatenKultur des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e f g Wilhelm Hermann, Gertrude Hermann: Die alten Zechen an der Ruhr. In: Die Blauen Bücher. 6., um einen Exkurs nach S. 216 erweiterte und in energiepolitischen Teilen aktualisierte Auflage 2008 der 5., völlig neu bearb. u. erweiterten. Verlag Langewiesche, Königstein im Taunus 2008, ISBN 978-3-7845-6994-9, S. 155–157.
- ↑ a b c d Joachim Huske: Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier. Daten und Fakten von den Anfängen bis 2005, 3., überarb. und erw. Aufl. Selbstverlag Deutsches Bergbau-Museum, Bochum 2006, ISBN 3-937203-24-9, S. 508–511.
- ↑ Gerhard Knospe: Werkeisenbahnen im deutschen Steinkohlenbergbau und seine Dampflokomotiven, Teil 1 - Daten, Fakten, Quellen. 1. Auflage. Selbstverlag, Heiligenhaus 2018, ISBN 978-3-9819784-0-7, S. 548.
- ↑ Dietmar Bleidick: Bochum: Industriekultur im Herzen des Reviers. (PDF) In: route.industriekultur.ruhr. Regionalverband Ruhrgebiet, 2021, abgerufen am 16. Januar 2024.
- ↑ Evelyn Kroker, Michael Farrenkopf: Grubenunglücke im deutschsprachigen Raum - Katalog der Bergwerke, Opfer, Ursachen und Quellen. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Selbstverlag des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, Bochum 1999, ISBN 3-921533-68-6.
- ↑ Evelyn Kroker, Michael Farrenkopf: Grubenunglücke im deutschsprachigen Raum - Katalog der Bergwerke, Opfer, Ursachen und Quellen. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Selbstverlag des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, Bochum 1999, ISBN 3-921533-68-6.
- ↑ Abschrift von Abschrift im Bergbau-Archiv Bochum 8/383.
- ↑ Manfred Bähr: Bochumer Zechen. Datensammlung über die Bochumer Zechen seit Beginn 1620 bis zum Ende 1974. Hrsg.: Knappenverein Schlägel u. Eisen, Bochum-Stiepel/Dorf 1884. Selbstverlag, Bochum 2012, ISBN 978-3-9814680-6-9, S. 534.
- ↑ Seite der EGR Bochum zum TGZ Technologie- und Gründerzentrum Wattenscheid ( vom 4. November 2013 im Internet Archive) (Abgerufen am 2. Juni 2013)
- ↑ o. V.: Steilmann eröffnete Zentrum EcoTextil. In: TextilWirtschaft Nr. 40 vom 1. Oktober 1998, Seite 8.
- ↑ Technologie- und Gründerzentrenbetriebsgesellschaft Ruhr-Bochum mbH, Bochum: Lagebericht für das Geschäftsjahr 2012 im Ratsinformationssystem der Stadt Bochum
- ↑ Bilder der Fördergerüste im flickr Auftritt der Stadt BochumAlbum Zechen + Bergbau in Bochum. In: flickr.com. Stadt Bochum, abgerufen am 15. Januar 2024.
- ↑ Förderturm in Gefahr? - Experten von Weltruf sollen ihn begutachten - Wattenscheid. In: lokalkompass.de. Abgerufen am 28. November 2023.
- ↑ a b Der Hollandturm in Wattenscheid erstrahlt in neuem Glanz. In: waz.de. Abgerufen am 28. November 2023.
- ↑ Der letzte Schliff auf dem Wattenscheider Holland-Gelände. In: waz.de. Abgerufen am 28. November 2023.
- ↑ Wattenscheid: Neuer Biergarten auf Zeche Holland eröffnet. In: waz.de. Abgerufen am 28. November 2023.
- ↑ Turm der Zeche Holland - Wir entwickeln ein bürgernahes Zukunftskonzept. Abgerufen am 27. Februar 2022.
- ↑ Facebook-Initiative will Abriss von Wattenscheider Wahrzeichen verhindern. In: derwesten.de. Abgerufen am 28. November 2023.
- ↑ Bochum: Wattenscheider Kulturnacht kommt zur Zeche Holland. In: waz.de. Abgerufen am 28. November 2023.
- ↑ Bochum: Urbanatix feiert am Hollandturm Wattenscheid. In: waz.de. Abgerufen am 28. November 2023.
- ↑ Bochum: Wattenscheider Kulturnacht kommt zur Zeche Holland. In: waz.de. Abgerufen am 28. November 2023.
- ↑ Zeche Holland: Fördergerüst besteigen und Umfeld erkunden. In: waz.de. Abgerufen am 28. November 2023.