Absolut stetige Funktion
In der Analysis ist die absolute Stetigkeit einer Funktion eine Verschärfung der Eigenschaft der Stetigkeit. Der Begriff wurde 1905 von Giuseppe Vitali eingeführt[1][2] und erlaubt eine Charakterisierung von Lebesgue-Integralen.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es sei ein endliches reelles Intervall und eine komplexwertige Funktion auf .
Die Funktion heißt absolut stetig, falls es für jedes ein gibt, welches derart klein ist, dass für jede endliche Folge paarweise disjunkter Teilintervalle von , deren Gesamtlänge ist, gilt
Beziehung zu anderen Stetigkeitsbegriffen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Absolut stetige Funktionen sind gleichmäßig stetig und damit insbesondere stetig. Die Umkehrung gilt nicht, so ist die Cantor-Funktion stetig, aber nicht absolut stetig. Andererseits ist jede Lipschitz-stetige Funktion auch absolut stetig.
Absolute Stetigkeit von Maßen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von besonderer Bedeutung für die Maßtheorie sind die reellwertigen absolut stetigen Funktionen. Es bezeichne das Lebesgue-Maß. Für monoton steigende reellwertige Funktionen sind folgende Eigenschaften äquivalent:
- Die Funktion ist absolut stetig auf .
- Die Funktion bildet -Nullmengen wieder auf Nullmengen ab, d. h. für alle messbare Mengen gilt .
- Die Funktion ist -fast überall differenzierbar, die Ableitungsfunktion ist integrierbar und für alle gilt .
Daraus folgt ein enger Zusammenhang zwischen den absolut stetigen Funktionen und den absolut stetigen Maßen, dieser wird durch die Verteilungsfunktionen vermittelt.
- Ein Maß ist genau dann absolut stetig bzgl. , wenn jede Einschränkung der Verteilungsfunktion von auf ein endliches Intervall eine absolut stetige Funktion auf ist.
Zwei Maße nennt man äquivalent, wenn beide absolut stetig bezüglich einander sind
- .
Lebesgue-Integrale
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die absolut stetigen Funktionen finden auch Anwendung in der Integrationstheorie, sie dienen dort dazu den Fundamentalsatz der Analysis auf Lebesgue-Integrale auszudehnen. Jenseits der obigen Äquivalenz sind nämlich auch nicht-monotone absolut stetige Funktionen fast überall differenzierbar und es gilt . Außerdem ist schwach differenzierbar und die schwache Ableitung stimmt (fast überall) mit überein. Dies liefert tatsächlich eine Charakterisierung der Lebesgue-Integrierbarkeit, denn die folgende Umkehrung gilt ebenfalls für beliebige Funktionen:
- Besitzt eine Funktion eine integrierbare Ableitungsfunktion und gilt für alle , dass , so ist notwendig absolut stetig auf .
Optimale Steuerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Theorie der optimalen Steuerungen wird gefordert, dass die Lösungstrajektorien absolut stetig sind.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 4., korrigierte Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-21390-2.
- Walter Rudin: Real and Complex Analysis. 3. Auflage. McGraw-Hill, New York 1987 (englisch).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Giuseppe Vitali: Opere sull'analisi reale e complessa. Edizioni Cremonese, Bologna 1984
- ↑ Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 4., korrigierte Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-21390-2, S. 281.