Aerinit

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Aerinit
Aerinit aus Estopiñán del Castillo, Spanien
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1988 s.p.[1]

IMA-Symbol

Aer[2]

Andere Namen
Chemische Formel
  • (Ca,Na)6(Fe3+,Fe2+,Mg,Al)4(Al,Mg)6Si12O36(OH)12(CO3)·12H2O[1]
  • (Ca5,1Na0,5)(Fe3+AlFe2+1,7Mg0,3)(Al5,1Mg0,7)[Si12O36(OH)12H]·[(CO3)1,2(H2O)12]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Ketten- und Bandsilikate
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/F.32-020

9.DB.45
68.01.03.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol ditrigonal-pyramidal; 3m[5]
Raumgruppe P3c1 (Nr. 158)Vorlage:Raumgruppe/158[6]
Gitterparameter a = 16,87 Å; c = 5,23 Å[6]
Formeleinheiten Z = 1[6]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3
Dichte (g/cm3) 2,48
Spaltbarkeit Bitte ergänzen!
Farbe blau, himmelblau, blaugrün
Strichfarbe bläulichweiß
Transparenz durchscheinend
Glanz Glasglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,510[7]
nβ = 1,560[7]
nγ = 1,580[7]
Doppelbrechung δ = 0,070[7]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = gemessen: 63°; berechnet: 62°[7]
Pleochroismus stark: X = kräftig blau; Y = Z = hell beige

Das Mineral Aerinit (auch Aërinit) ist ein selten vorkommendes Kettensilikat aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und kristallisiert im trigonalen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung (Ca,Na)6(Fe3+,Fe2+,Mg,Al)4(Al,Mg)6Si12O36(OH)12(CO3)·12H2O[1].

Aerinit entwickelt meist massige Mineral-Aggregate und krustige Überzüge, seltener kleine, faserige Kristalle in himmelblauer bis blaugrüner Farbe bei blauweißer Strichfarbe.

Etymologie und Geschichte

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Das Wort Aerinit ist abgeleitet von altgriechisch ἀέρινος aérinos, deutsch ‚himmelblau‘, in Anlehnung an seine Farbe.

Erstmals entdeckt wurde Aerinit bei Caserras del Castillo in der spanischen Gemeinde Estopiñán del Castillo und beschrieben 1876 von Arnold von Lasaulx, dem das Mineral in der von seinem Vorgänger Martin Websky aufgebauten mineralogischen Sammlung der Universität Breslau aufgrund seiner lebhaften blauen Farbe auffiel. Als er das als „Vivianit aus Spanien“ gekennzeichnete Mineral näher untersuchte stellte er fest, dass es im Gegensatz zu diesem phosphorsäurefrei war. Weitere Untersuchungen stellten schließlich klar, dass es sich bei der Mineralprobe aus Spanien um ein neues, bisher unbekanntes Mineral handelte.

Die ursprünglich von Lasaulx gewählte Schreibweise Aërinit ist seit 2008 diskreditiert, da es sich bei dem Doppelpunkt über dem ‚e‘ (Trema) um ein, der Wortherkunft nach, überflüssiges diakritisches Zeichen handelt.[8]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz war Aerinit als blauer Ca-Leptochlorit (Orcel 1922) eingestuft. Diese gehörten zur „Chlorit-Gruppe“ mit der System-Nr. VIII/E.09 innerhalb der Abteilung „Schichtsilikate (Phyllosilikate)“. Aerinit wurde dort allerdings nicht als eigenständige Mineralart aufgeführt.[4]

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/F.32-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Ketten- und Bandsilikate“, wo Aerinit zusammen mit Alamosit die Gruppe der „Kettensilikate mit Zwölferketten [Si12O36]24-“ bildet (Stand 2018).[3]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[9] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Aerinit ebenfalls in die Abteilung der „Ketten- und Bandsilikate (Inosilikate)“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Struktur der Ketten, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Ketten- und Bandsilikate mit 2-periodischen Einfachketten Si2O6; mit zusätzlich O, OH, H2O Pyroxen-verwandte Minerale“ zu finden ist, wo als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 9.DB.45 bildet.

Die Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Aerinit ebenfalls in die Klasse der „Silikate und Germanate“, dort allerdings in die bereits feiner unterteilte Abteilung der „Kettensilikate: Strukturen mit Ketten verschiedener Breite“. Hier ist das Mineral als einziges Mitglied der unbenannten Gruppe 68.01.03 innerhalb der Unterabteilung „Kettensilikate: Strukturen mit Ketten verschiedener Breite“ zu finden.

Kristallstruktur

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Aerinit kristallisiert trigonal in der Raumgruppe P3c1 (Raumgruppen-Nr. 158)Vorlage:Raumgruppe/158 mit den Gitterparametern a = 16,87 Å und c = 5,23 Å sowie einer Formeleinheit pro Elementarzelle.[6]

Die Kristallstruktur ist in zweierlei Hinsicht interessant. Einerseits ist Aerinit eines der wenigen Kettensilikate, die CO3 als festen Bestandteil in ihre Struktur einbauen (Caysichit-(Y), Ashcroftin-(Y), Fukalith die anderen)[10]. Zum anderen enthält Aerinit flächenverknüpfte FeO-Oktaeder, bei denen sich die Fe-Kationen ungewöhnlich nahe kommen.

SiO4-Ketten
Zweier Einfach Silikatkette des Aerinit; Blick senkrecht zur c-Achse

Die Si4+-Kationen werden von 4 Sauerstoffen tetraedrisch umgeben. Diese SiO4 Tetraeder sind wie bei Pyroxenen über 2 Sauerstoffe zu Einfach-Ketten mit der Periodizität 2 verbunden. Die Ketten verlaufen parallel zur kristallographischen c-Achse.

Al(O|OH)6-Ketten
Al-Oktaederkette des Aerinit; Blick senkrecht zur c-Achse

Al3+ und Mg2+ sind von 2O2− und 4 OH-Gruppen oktaedrisch umgeben. Diese Oktaeder sind über je 2 gemeinsame Kanten zu Zickzack-Ketten verknüpft, die sich in Richtung der kristallographischen c-Achse erstrecken.

FeO6-Ketten
Fe-Oktaederkette des Aerinit; Blick senkrecht zur c-Achse

Die Fe2+ und Fe3+-Kationen sind oktaedrisch von sechs Sauerstoffen umgeben. Diese Oktaeder sind über je zwei Flächen in Richtung der c-Achse zu Ketten verbunden. In der Kette benachbarte Fe-Kationen unterschiedlicher Ladung tauschen durch die geteilte Oktaederfläche ihrer Koordinationspolyeder Elektronen aus und bilden ein delokalisiertes Elektronensystem über die Fe-Kationen einer Oktaederkette. Dies absorbiert Licht im gelben Wellenlängenbereich und färbt so den Aerinit blau. Die Ausrichtung der flächenverknüpften Fe-Oktaederketten und somit des delokalisierten Fe-Elektronensystems parallel zur c-Achse ist verantwortlich für die starke Richtungsabhängigkeit der Farbe des Aerinit (Pleochroismus).

Fe-Oktaederkette umgeben von Si-Tetraederketten: Blick entlang der c-Achse

Jede Fe-Oktaederkette ist mit drei Si-Tetraederketten verbunden, wobei die Sauerstoffe an den Ecken der Fe-Oktaeder auch zu den Spitzen der Koordinationstetraeder der Silikatketten gehören.

Kanäle mit H2O und CO3
H2O und CO3 in Kanälen des Aerinit; Blick entlang der c-Achse

Jeweils 6 Silikattetraederketten sind über 6 Al-Oktaederketten zu großen, 12-seitigen Kanälen verbunden, die die Aerinitstruktur parallel zur c-Achse durchziehen. An den Al-Oktaedern auf der Innenseite der Kanäle sitzen die Ca2+-Kationen, die zur Kanalmitte hin schwache ionische Bindungen mit den Sauerstoffen von zwei H2O-Molekülen ausbilden. Im Zentrum der Kanäle liegen die planaren CO3-Gruppen mit ihrer Ebene senkrecht zur c-Achse. Die Sauerstoffe der CO3-Gruppen sind über starke Wasserstoffbrückenbindungen mit drei H2O-Molekülen verbunden, die ihrerseits über die Ca2+-Ionen mit der Innenwand der Kanäle verbunden sind.

Struktur des Aerinit; Blick entlang der c-Achse

Jeder der H2O-CO3- Kanäle ist über die Al-Oktaederketten mit 6 weiteren H2O-CO3- Kanälen und über die Silikattetraederketten mit 6 Fe-Oktaederketten verbunden.

Quarz durch Aerinit-Einschlüsse bläulich gefärbt aus Andalusien, Spanien

Aerinit zählt zu den Pigmenten[11] und ist z. B. in der Lage, als Inklusion (Einschluss) in Quarz diesen bläulich zu färben.

Bildung und Fundorte

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Aerinit bildet sich hydrothermal bei relativ niedriger Temperatur unter anderem in Zeolith-Fazies. Begleitminerale sind unter anderem Prehnit, Skolezit und Mesolith.

Weltweit konnte Aerinit bisher (Stand: 2011) an weniger als 20 Fundorten nachgewiesen werden. Neben seiner Typlokalität Estopiñán del Castillo (Aragón) konnte das Mineral in Spanien noch in Olvera und Antequera in Andalusien, bei Tartareu in der katalanischen Gemeinde Les Avellanes i Santa Linya (Provinz Lleida) sowie bei Albatera, Los Serranos, Los Vives (nahe Orihuela, Provinz Alicante) und Los Arenales (Provinz Castellón) in Valencia gefunden werden.

Weitere Fundorte sind Saint-Pandelon im französischen Département Landes und Millington im US-amerikanischen Township Bernards (New Jersey).[7]

Aerinit fand wegen seiner intensiven Farbe regional begrenzt Verwendung als blaues Pigment für Wandmalereien. Typisch ist die Verwendung von Aerinit für sakrale Fresken in Nordspanien (Katalonien, Aragonien) und Albanien während des Mittelalters (11. bis 16. Jahrhundert).[12][13] Er verleiht den Wandmalereien der katalanischen Romanik ihre charakteristischen Blau- und Grün-Töne.

Außerhalb von Nordspanien konnte die Verwendung von Aerinit nur für mittelalterliche Fresken an zwei Orten in Frankreich nachgewiesen werden (Kloster von Moissac, 12. Jahrhundert und Stiftskirche Saint-Nicolas, Nogaro, 11. Jahrhundert). Dies wird als Indiz für den Austausch von Künstlern und Material über die Pyrenäen hinweg während des Mittelalters gewertet.[12]

  • A. von Lasaulx: Mineralogisch-krystallographische Notizen - XI. Aërinit, ein neues Mineral. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie. Band 175, 1876, S. 352–358 (rruff.info [PDF; 289 kB; abgerufen am 1. Februar 2020]).
  • Jordi Rius, Erik Elkaim, Xavier Torrelles: Structure determination of the blue mineral pigment aerinite from synchrotron powder diffraction data. The solution of an old riddle. In: European Journal of Mineralogy. Band 16, Nr. 1, 2004, S. 127–134, doi:10.1127/0935-1221/2004/0016-0127 (englisch).
  • Jordi Rius, Anna Crespi, Anna Roig, Joan Carles Melgarejo: Crystal-structure refinement of Fe3+-rich aerinite from synchrotron powder diffraction and Mössbauer data. In: European Journal of Mineralogy. Band 21, 2009, S. 233–240, doi:10.1127/0935-1221/2009/0021-1895 (englisch).
  • Floréal Daniel, B. Laborde, Aurélie Mounier, E. Coulon: Pigment aerinite as a sign of artist circulation through Pyreneas in the medival period. In: Conference: Actes du V Congresso Nazionale di Archeometria, « Scienza e Beni Culturali », Syracuse. 2008, S. 307–316 (englisch, online verfügbar bei researchgate.net [abgerufen am 2. Februar 2020]).
  • Jordi Ibáñez-Insa, Núria Oriols, Josep J. Elvira, Soledad Álvarez, Felicià Plana: Heat Alteration of the Blue Pigment Aerinite: Application to Sixena’s Romanesque Frescoes. In: Macla. Revista de la Sociedad Española de Mineralogía. Band 16, S. 46–47 (englisch, ehu.eus [PDF; 256 kB; abgerufen am 2. Februar 2020]).
Commons: Aerinite – Sammlung von Bildern
Wiktionary: Aerinit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. a b c Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  4. a b Karl Hugo Strunz, Christel Tennyson: Mineralogische Tabellen. 8. Auflage. Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig KG, Leipzig 1982, S. 449, 501.
  5. David Barthelmy: Aerinite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 2. Februar 2020 (englisch).
  6. a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 623 (englisch).
  7. a b c d e f Aerinite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 2. Februar 2020 (englisch).
  8. Ernst A.J. Burke: Tidying up Mineral Names: an IMA-CNMNC Scheme for Suffixes, Hyphens and Diacritical mark. In: Mineralogical Record. Band 39, Nr. 2, 2008 (englisch, rruff.info [PDF; 2,4 MB; abgerufen am 1. Februar 2020]).
  9. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  10. Mineralienatlas: Ketten- und Bandsilikate
  11. Jordi Rius, Erik Elkaim, Xavier Torrelles: Structure determination of the blue mineral pigment aerinite from synchrotron powder diffraction data. In: European Journal of Mineralogy. Band 16, Nr. 1, 2004, S. 127–134, doi:10.1127/0935-1221/2004/0016-0127 (englisch).
  12. a b F. Daniel et al. 2008: Pigment aerinite as a sign of artist circulation through Pyreneas in the medival period
  13. IBÁÑEZ-INSA et al. 2012: Heat Alteration of the Blue Pigment Aerinite: Application to Sixena’s Romanesque Frescoes