Antidiskriminierungsstelle des Bundes

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Antidiskriminierungsstelle des Bundes
— ADS —

Staatliche Ebene Bund
Stellung unabhängige Stelle
Aufsichtsbehörde Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(jedoch keine Fachaufsicht)
Hauptsitz Berlin Berlin
Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman
Haushaltsvolumen 5,1 Millionen Euro (2021)[1]
Netzauftritt antidiskriminierungsstelle.de

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ist eine unabhängige Stelle im deutschen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die im Jahr 2006 nach den Anforderungen des neu eingeführten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingerichtet wurde. Die Aufgabe der ADS ist der Schutz vor Diskriminierung von Personen aufgrund ethnischer Herkunft, Religion/Weltanschauung, Geschlecht oder Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Lebensalter oder Behinderung.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird von der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung geleitet. Seit 2022 ist dies Ferda Ataman.

Die Stelle ist verwaltungsorganisatorisch und personalrechtlich dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angegliedert, in der Beratung und ihrer fachlichen Arbeit allerdings weisungsunabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Der Haushalt wird in einem eigenen Kapitel ausgewiesen.[2] Dieser lag 2021 bei 5,1 Millionen Euro.[3]

Die Leitung der Antidiskriminierungsstelle wurde bis 2022 vom Bundesfamilienminister ernannt. Seit der Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im April 2022 wählt der Bundestag die Leitung.[4]

Bis 2018 hatte die Pädagogin und frühere Mitarbeiterin mehrerer Landesministerien Christine Lüders die Leitung inne. Seitdem war der Leitungsposten vakant, die Antidiskriminierungsstelle wurde kommissarisch von Bernhard Franke geleitet.[5] Zur Erfüllung ihrer Aufgaben steht der ADS ein Mitarbeiterstab von etwa 35 Personen zur Verfügung, die in vier Referaten organisiert sind: Presse und Politische Planung, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, Forschung und Grundsatzangelegenheiten sowie Beratung.[6] Seit 2007 ist die CDU-Politikerin Barbara John Vorsitzende des Beirats der Antidiskriminierungsstelle.[7]

Neben der Beratung und Unterstützung von Menschen, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, betreibt die ADS Öffentlichkeitsarbeit zur Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierungen. Weiterhin forscht sie in Zusammenarbeit mit Fachleuten zum Thema Diskriminierung und Gleichbehandlung. Alle vier Jahre legt die ADS dem Bundestag einen Bericht zu Benachteiligungen vor.

Die Stelle informiert über Ansprüche und die Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens, vermittelt Beratung durch andere Stellen und leitet, soweit Beauftragte der Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages zuständig sind, mit Zustimmung der Petentinnen oder Petenten an diese Beauftragten weiter. Auf Wunsch der Petenten strebt die ADS auch eine Vermittlung zwischen den Beteiligten an. Nach eigener Auskunft hat die ADS seit ihrem Bestehen in über 5600 Fällen Menschen beraten.

Öffentlichkeitsarbeit

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Die ADS hat eine Reihe von Publikationen herausgegeben, die die Menschen für das Thema Diskriminierung sensibilisieren, über Rechte aufklären und Arbeitgebern Hinweise zur Umsetzung des AGG geben sollen. Von November 2009 bis in den Januar 2010 hat die ADS eine erste deutschlandweite Kampagne unter dem Motto „Vielfalt statt Einfalt – Gemeinsam für Gleichbehandlung“ durchgeführt. Das Webangebot steht auf Deutsch und Englisch, grundlegende Informationen auch in weiteren Sprachen zur Verfügung. Alle Publikationen der ADS sind über die offizielle Webseite herunterladbar bzw. bestellbar.

Im Jahr 2007 hat die ADS die Studie „Diskriminierung im Alltag – Wahrnehmung von Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik in unserer Gesellschaft“, die Sinus Sociovision im Auftrag der ADS erstellt hatte, veröffentlicht. Die Studie gibt das erste Mal einen milieuspezifischen Einblick in die Einstellungen der Bevölkerung zu Antidiskriminierungspolitik und von Diskriminierung betroffenen Menschen in der Gesellschaft. Im Rahmen einer Expertisenreihe zur Schließung von Forschungslücken werden zahlreiche Rechtsexpertisen und Forschungsaufträge zum Beispiel im Zusammenhang mit Altersdiskriminierung und Grundsatzthemen wie mittelbare Diskriminierung, positive Maßnahmen, Mehrfach- und intersektionelle Diskriminierung oder strukturelle Diskriminierung durchgeführt.

Der Schutz von Arbeitssuchenden vor Diskriminierung bezieht sich nur auf die Ausschreibung einer Stelle, aber nicht auf die Einstellung. Wenn also ein Arbeitgeber, einschließlich des öffentlichen Dienstes, beispielsweise eine Hochschule, eine Stelle ohne Ausschreibung vergibt, ist die Antidiskriminierungsstelle bei Diskriminierung nicht zuständig, die Diskriminierung ist also rechtens.[8]

Christine Lüders (2010)
Ferda Ataman (2019)

Die Leitung („Unabhängige Bundesbeauftragte oder Unabhängiger Bundesbeauftragter für Antidiskriminierung“[9]) wurde bis 2022 auf Vorschlag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom Bundeskabinett berufen. Die Leitung der ADS steht in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, nicht jedoch in einem Beamtenverhältnis. Die Amtszeit der Leitung der ADS endete bis zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im April 2022 mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages. Seitdem wird die Leitung vom Bundestag gewählt. Die Amtszeit wurde auf die Dauer von fünf Jahren festgelegt, um sie von der vierjährigen Legislaturdauer zu entkoppeln und die Leitung von der Bundesregierung unabhängiger zu machen.[4] Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sieht für die Wahl die sogenannte Kanzlermehrheit vor, die Mehrheit aller Abgeordneten, nicht nur die Mehrheit der anwesenden Parlamentarier. Gewählt wird ohne vorhergehende Debatte.[10]

Nr. Bild Name Partei Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
1 Martina Köppen CDU 1. Februar 2007 27. Oktober 2009
2 Christine Lüders parteilos 8. Februar 2010 27. April 2018
- Bernhard Franke (kommissarisch) parteilos 1. Mai 2018 12. Juli 2022
3 Ferda Ataman parteilos 12. Juli 2022 im Amt

Von Februar 2007 bis zum Oktober 2009 leitete Martina Köppen (CDU) die Stelle. Sie war zuvor in Brüssel für die katholische Deutsche Bischofskonferenz tätig gewesen.[11]

Auf Köppen folgte von Februar 2010 bis Mai 2018 Christine Lüders.[5] Sie hatte zuvor unter anderem das Referat Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen geleitet. Zuletzt war Lüders Referatsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit und Beauftragte für Stiftungen im Kultusministerium in Hessen.

Mai 2018 bis 2022

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Von 2018 bis 2022 war die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes unbesetzt. Kommissarischer Leiter war Bernhard Franke.[12] Die Ernennung von Nancy Böhning zur Leiterin war wegen einer Klage einer Mitbewerberin ausgesetzt worden.[13]

Am 7. Juli 2022 wurde Ferda Ataman vom Bundestag zur Leiterin der Antidiskriminierungsstelle gewählt.[14][15]

Die Antidiskriminierungsstelle (ADS) verlor im Sommer 2024 in erster Instanz beim Landgericht Berlin und in zweiter Instanz beim Kammergericht ein Klageverfahren gegen Julian Reichelt, der auch den zum Internetportal Nius gehörenden YouTube-Kanal Achtung, Reichelt! betreibt. Nachdem eine Inhaberin eines Fitnessstudios für Frauen es abgelehnt hatte, eine Transfrau mit männlichen Geschlechtsmerkmalen dort trainieren zu lassen, sah Ataman darin eine Diskriminierung und schlug der Inhaberin vor, die Transfrau mit 1000,- Euro für die angeblich erlittene Persönlichkeitsverletzung zu entschädigen. Das Bundesjustizministerium erklärte auf Anfrage dazu: „Die ADS ist nicht befugt, Sanktionen wie Bußgelder o.ä. zu verhängen.“ Die ADS könne Vorschläge für gütliche Einigungen unterbreiten, die aber für Gerichte und andere Stellen nicht bindend seien.[16]

Nius sollte nun verboten werden, bestimmte Meldungen und Kommentare über das Vorgehen der ADS zu verbreiten.[17][18] Laut Ataman waren die Aussagen dazu geeignet, das Vertrauen der Bürger in die ADS, deren Leiterin und deren Funktionsfähigkeit zu gefährden. Das Kammergericht entschied, dass die Darstellung von Nius mit „jeweils skandalisierenden und auf den ersten Blick irreführenden Überschriften“ isoliert gesehen aber rechtlich keine maßgebliche Rolle gespielt habe. Die besondere Voraussetzung für einen Anspruch des Staates auf Unterlassung einer solchen Meinungsäußerung – nämlich die „Beeinträchtigung der Funktionsweise des Staates“ – sei im konkreten Fall „nicht einmal ansatzweise erfüllt“ gewesen. Laut der Legal Tribune Online zeigte sich Ataman nach der Urteilsverkündung uneinsichtig. Sie halte weiterhin an ihrer vom Gericht verworfenen Rechtsauffassung fest.[19]

Im Themenjahr gegen Rassismus 2014 waren folgende prominente Persönlichkeiten aus Medien, Sport und Film Botschafter_innen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Mola Adebisi, Mo Asumang, Patrice Bart-Williams, Jérôme Boateng, Marius Broening, Nazan Eckes, Zohre Esmaeli, Kübra Gümüşay, Steffi Jones, Arabella Kiesbauer, Sebastian Krumbiegel, Ilja Richter, Yasemin Şamdereli, Ferenc Snétberger und Francis Winter.[20]

Einzelnachweise

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  1. CHE: Beratung wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Abgerufen am 18. Juli 2022.
  2. https://dejure.org/gesetze/AGG/25.html
  3. CHE: Beratung wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Abgerufen am 18. Juli 2022.
  4. a b Andrea Dernbach: Die vielen Baustellen der Gleichstellungspolitik. In: Der Tagesspiegel. 15. Juni 2022, abgerufen am 20. Juni 2022.
  5. a b Valerie Höhne: Rassismus: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat seit Jahren keinen Leiter. In: Der Spiegel. Abgerufen am 10. Juni 2020.
  6. Organigramm der ADS (Memento des Originals vom 19. September 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.antidiskriminierungsstelle.de, abgerufen am 16. Juni 2017.
  7. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Beirat (Memento des Originals vom 9. Dezember 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.antidiskriminierungsstelle.de
  8. §11 AGG Abgerufen am 9. August 2021
  9. AGG
  10. Ferda Ataman zur Antidiskriminierungsbeauftragten gewählt. In: Die Zeit. 7. Juli 2022, abgerufen am 8. Juli 2022.
  11. Lüders soll Kampf gegen Diskriminierung leiten. In: Der Tagesspiegel. 11. November 2009, abgerufen am 8. Juli 2022.
  12. Leitung (Memento des Originals vom 8. Januar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.antidiskriminierungsstelle.de. Website der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, abgerufen am 8. Januar 2019.
  13. Keine neue Chefin in Sicht. In: tagesspiegel.de, 7. April 2019.
  14. Ataman wird Antidiskriminierungsbeauftragte. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 7. Juli 2022.
  15. Ferda Ataman zur neuen Antidiskriminierungsbeauftragten gewählt. In: www.bmfsfj.de. 7. Juli 2022, abgerufen am 7. Juli 2022.
  16. Fitnessstudio-Abfuhr für Transfrau könnte vor Gericht kommen, DPA-Meldung in Süddeutsche Zeitung vom 1. Juni 2024
  17. Die strittige Nachrichtenmeldung auf Nius vom 30. Mai 2024, gegen die Ferda Ataman geklagt hat, abgerufen am 27. Juli 2024
  18. Der strittige Kommentar von Birgit Kelle auf Nius vom 30. Mai 2024, gegen den Ferda Ataman geklagt hat, abgerufen am 27. Juli 2024
  19. Kevin Japalak und Felix W. Zimmermann, KG gibt Machtkritik den Vorrang: Ferda Ataman ver­liert vor Gericht gegen Nius, Legal Tribune Online vom 25. Juli 2024
  20. ADS Botschafter Themenjahr Rassismus (Memento des Originals vom 24. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.antidiskriminierungsstelle.de