Antidiskriminierungsstelle des Bundes

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Antidiskriminierungsstelle des Bundes
— ADS —

Staatliche Ebene Bund
Stellung unabhängige Stelle
Aufsichtsbehörde Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(jedoch keine Fachaufsicht)
Hauptsitz Berlin Berlin
Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman
Haushaltsvolumen 5,1 Millionen Euro (2021)[1]
Netzauftritt antidiskriminierungsstelle.de

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ist eine unabhängige Stelle im deutschen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die im Jahr 2006 nach §§ 25 ff. des neu eingeführten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingerichtet wurde. Die Aufgabe der ADS ist der Schutz vor Diskriminierung von Personen aufgrund ethnischer Herkunft, Religion/Weltanschauung, Geschlecht oder Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Lebensalter oder Behinderung (§§ 25 iVm 1 AGG).

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird von der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung geleitet. Seit 2022 ist dies Ferda Ataman.

Die Stelle ist verwaltungsorganisatorisch und personalrechtlich dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angegliedert, in der Beratung und ihrer fachlichen Arbeit allerdings weisungsunabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Der Haushalt wird in einem eigenen Kapitel ausgewiesen.[2] Dieser lag 2021 bei 5,1 Millionen Euro.[3]

Die Leitung der Antidiskriminierungsstelle wurde bis 2022 vom Bundesfamilienminister ernannt. Seit der Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im April 2022 wählt der Bundestag die Leitung.[4]

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben steht der ADS ein Mitarbeiterstab von etwa 35 Personen zur Verfügung, die in vier Referaten organisiert sind: Presse und Politische Planung, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, Forschung und Grundsatzangelegenheiten sowie Beratung.[5] Seit 2007 ist die CDU-Politikerin Barbara John Vorsitzende des Beirats der Antidiskriminierungsstelle.[6]

Neben der Beratung und Unterstützung von Menschen, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, betreibt die ADS Öffentlichkeitsarbeit zur Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierungen. Weiterhin forscht sie in Zusammenarbeit mit Fachleuten zum Thema Diskriminierung und Gleichbehandlung. Alle vier Jahre legt die ADS dem Bundestag einen Bericht zu Benachteiligungen vor. Sie kann sich um eine außergerichtliche Einigung zwischen Parteien bemühen. Sie darf keine Gleichberechtigungsklagen einreichen oder Kläger vor Gericht unterstützen oder Parteien zu einem bindenden Schlichtungsprozess bringen. Damit ist sie eine der schwächsten Gleichstellungsbehörden in Europa.[7]

Die Stelle informiert über Ansprüche und die Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens, vermittelt Beratung durch andere Stellen und leitet, soweit Beauftragte der Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages zuständig sind, mit Zustimmung der Petentinnen oder Petenten an diese Beauftragten weiter. Auf Wunsch der Petenten strebt die ADS auch eine Vermittlung zwischen den Beteiligten an. Nach eigener Auskunft hat die ADS seit ihrem Bestehen in über 5600 Fällen Menschen beraten.

Öffentlichkeitsarbeit

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Die ADS hat eine Reihe von Publikationen herausgegeben, die die Menschen für das Thema Diskriminierung sensibilisieren, über Rechte aufklären und Arbeitgebern Hinweise zur Umsetzung des AGG geben sollen. Von November 2009 bis in den Januar 2010 hat die ADS eine erste deutschlandweite Kampagne unter dem Motto „Vielfalt statt Einfalt – Gemeinsam für Gleichbehandlung“ durchgeführt. Das Webangebot steht auf Deutsch und Englisch, grundlegende Informationen auch in weiteren Sprachen zur Verfügung. Alle Publikationen der ADS sind über die offizielle Webseite herunterladbar bzw. bestellbar.

Im Jahr 2007 hat die ADS die Studie „Diskriminierung im Alltag – Wahrnehmung von Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik in unserer Gesellschaft“, die Sinus Sociovision im Auftrag der ADS erstellt hatte, veröffentlicht. Die Studie gibt das erste Mal einen milieuspezifischen Einblick in die Einstellungen der Bevölkerung zu Antidiskriminierungspolitik und von Diskriminierung betroffenen Menschen in der Gesellschaft. Im Rahmen einer Expertisenreihe zur Schließung von Forschungslücken werden zahlreiche Rechtsexpertisen und Forschungsaufträge zum Beispiel im Zusammenhang mit Altersdiskriminierung und Grundsatzthemen wie mittelbare Diskriminierung, positive Maßnahmen, Mehrfach- und intersektionelle Diskriminierung oder strukturelle Diskriminierung durchgeführt.

Der Schutz von Arbeitssuchenden vor Diskriminierung bezieht sich nur auf die Ausschreibung einer Stelle, aber nicht auf die Einstellung. Wenn also ein Arbeitgeber, einschließlich des öffentlichen Dienstes, beispielsweise eine Hochschule, eine Stelle ohne Ausschreibung vergibt, ist die Antidiskriminierungsstelle bei Diskriminierung nicht zuständig, die Diskriminierung ist also rechtens.[8]

Die Leitung („Unabhängige Bundesbeauftragte oder Unabhängiger Bundesbeauftragter für Antidiskriminierung“[9]) wurde bis 2022 auf Vorschlag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom Bundeskabinett berufen. Die Leitung der ADS steht in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, nicht jedoch in einem Beamtenverhältnis. Die Amtszeit der Leitung der ADS endete bis zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im April 2022 mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages. Seitdem wird die Leitung vom Bundestag gewählt. Die Amtszeit wurde auf die Dauer von fünf Jahren festgelegt, um sie von der vierjährigen Legislaturdauer zu entkoppeln und die Leitung von der Bundesregierung unabhängiger zu machen.[4] Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sieht für die Wahl die sogenannte Kanzlermehrheit vor, die Mehrheit aller Abgeordneten, nicht nur die Mehrheit der anwesenden Parlamentarier. Gewählt wird ohne vorhergehende Debatte.[10]

Nr. Bild Zur Person Partei Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
1 Martina Köppen
Sie war zuvor in Brüssel für die katholische Deutsche Bischofskonferenz tätig gewesen.[11]
CDU 1. Februar 2007 27. Oktober 2009
2 Christine Lüders[12]
Sie hatte zuvor unter anderem das Referat Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen geleitet. Zuletzt war Lüders Referatsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit und Beauftragte für Stiftungen im Kultusministerium in Hessen.
parteilos 8. Februar 2010 27. April 2018
- Bernhard Franke (kommissarisch)[13]
Die Ernennung von Nancy Böhning zur Leiterin war wegen einer Klage einer Mitbewerberin ausgesetzt worden.[14]
parteilos 1. Mai 2018 12. Juli 2022
3 Ferda Ataman[15][16] parteilos 12. Juli 2022 im Amt

Beratungsanfragen

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Die Anfragen wegen Diskriminierung stiegen von 4.247 im Jahr 2019 auf 10.772 im Jahr 2023. Insbesondere haben sich dreimal soviel Menschen an die ADS gewandt, die sich rassistisch diskriminiert fühlten. Ein Grund dafür wird im geschärften Bewusstsein nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau 2020 und der Black-Lives-Matter-Bewegung vermutet. Im Jahr 2023 verteilten sich die Beratungsanfragen auf die Kategorien: Rassismus und Antisemitismus 3.429, Behinderungen 2.039, Geschlecht 1.954, Alter 1.161, Religion und Weltanschauung 620 sowie sexuelle Identität 347 Vorgänge. Aus dem Arbeitsleben stammen 32 Prozent der Anfragen, die Diskriminierung bei Alltagsgeschäften (Restaurantbesuch, Einkauf, Verkehr) macht den zweitgrößten Block aus und ein Fünftel fällt in den Bereich der Ämter, Behörden, Polizei und Justiz.[17]

Polemik von Nius

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Nachdem Nius, ein rechtspopulistisches Portal[18][19], das mit irreführenden und skandalisierenden Überschriften Aufmerksamkeit erregen will, mit wahrheitswidrigen Überschriften wie "Regierung will 1000 Euro Bußgeld für Frauen-Fitnessstudio, weil es einen Mann nicht in Dusche lassen will" und "Frauen, die nicht mit Männern duschen wollen, sollen Strafe zahlen" über die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle berichtete, forderte die ADS vom Betreiber der kommerziellen Plattform, der von Frank Gotthardt finanzierten VIUS SE & Co. KGaA, Unterlassung. Es würde sich schlicht um Fake-News handeln. Die Antidiskriminierungsstelle (ADS) unterlag im Sommer 2024 in erster Instanz beim Landgericht Berlin und in zweiter Instanz beim Kammergericht. Hintergrund ist laut Felix W. Zimmermann von Legal Tribune Online, dass die hergebrachte Rechtsprechung davon ausgeht, dass der durchschnittliche Leser nicht nur Überschriften und Teaser, sondern den gesamten Artikel liest, was nicht unbedingt lebensnah sei. Eine „Beeinträchtigung der Funktionsweise des Staates“ die einen Eingriff in das besondere Schutzbedürfnis der Machtkritik am Staat erlaube, liege laut Richterspruch nicht einmal ansatzweise vor und so fehlten die Voraussetzungen für die Unterbindung solcher „Meinungsäußerungen“. Ataman erklärte für die ADS nach der Urteilsverkündung, sie „finde es bedenklich, dass unzutreffende, skandalisierende Behauptungen verbreitet werden können. Wir werden die Entscheidung prüfen und sind von unserer Rechtsposition weiterhin überzeugt“.[20][21]

Im Themenjahr gegen Rassismus 2014 waren folgende prominente Persönlichkeiten aus Medien, Sport und Film „Botschafterinnen und Botschafter im Themenjahr gegen Rassismus“: Mola Adebisi, Mo Asumang, Patrice Bart-Williams, Jérôme Boateng, Marius Broening, Nazan Eckes, Zohre Esmaeli, Kübra Gümüşay, Steffi Jones, Arabella Kiesbauer, Sebastian Krumbiegel, Ilja Richter, Yasemin Şamdereli, Ferenc Snétberger und Francis Winter.[22]

Einzelnachweise

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  1. CHE: Beratung wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Abgerufen am 18. Juli 2022.
  2. https://dejure.org/gesetze/AGG/25.html
  3. CHE: Beratung wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Abgerufen am 18. Juli 2022.
  4. a b Andrea Dernbach: Die vielen Baustellen der Gleichstellungspolitik. In: Der Tagesspiegel. 15. Juni 2022, abgerufen am 20. Juni 2022.
  5. Organigramm der ADS (Memento des Originals vom 19. September 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.antidiskriminierungsstelle.de, abgerufen am 16. Juni 2017.
  6. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Beirat (Memento des Originals vom 9. Dezember 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.antidiskriminierungsstelle.de
  7. Dunja Mijatović: Länderbericht der Menschenrechtskommissarin des Europarats. 2023, S. 7.
  8. §11 AGG Abgerufen am 9. August 2021
  9. AGG
  10. Ferda Ataman zur Antidiskriminierungsbeauftragten gewählt. In: Die Zeit. 7. Juli 2022, abgerufen am 8. Juli 2022.
  11. Lüders soll Kampf gegen Diskriminierung leiten. In: Der Tagesspiegel. 11. November 2009, abgerufen am 8. Juli 2022.
  12. Valerie Höhne: Rassismus: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat seit Jahren keinen Leiter. In: Der Spiegel. Abgerufen am 10. Juni 2020.
  13. Leitung (Memento des Originals vom 8. Januar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.antidiskriminierungsstelle.de. Website der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, abgerufen am 8. Januar 2019.
  14. Keine neue Chefin in Sicht. In: tagesspiegel.de, 7. April 2019.
  15. Ataman wird Antidiskriminierungsbeauftragte. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 7. Juli 2022.
  16. Ferda Ataman zur neuen Antidiskriminierungsbeauftragten gewählt. In: www.bmfsfj.de. 7. Juli 2022, abgerufen am 7. Juli 2022.
  17. Antidiskriminierungsstelle – So viele Anfragen wie nie. ARD, 25. Juni 2024, aufgerufen am 31. Juli 2024.
  18. Medienanstalt Berlin-Brandenburg prüft sieben Beschwerden gegen Reichelts Plattform FAZ.net, 15. Februar 2024, aufgerufen am 18. August 2024.
  19. Malene Gürgen: Grundprinzip verdrehte Fakten. TAZ, 18. Juli 2023, aufgerufen am 18. August 2024
  20. Lars Wienand: Streit um Überschriften – Trans Frau im Fitnessstudio: Reichelt darf in die Irre führen. t-online, 25. Juli 2025, aufgerufen am 2. August 2024.
  21. Kevin Japalak und Felix W. Zimmermann, KG gibt Machtkritik den Vorrang: Ferda Ataman verliert vor Gericht gegen Nius, Legal Tribune Online vom 25. Juli 2024
  22. ADS Botschafter Themenjahr Rassismus (Memento des Originals vom 24. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.antidiskriminierungsstelle.de