Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Arndt Freytag von Loringhoven (2020)

Arndt Burchard Ludwig Freiherr Freytag von Loringhoven (* 12. November 1956 in München)[1] ist ein deutscher Diplomat im Ruhestand. Von 2020 bis 2022 war er als deutscher Botschafter in Polen tätig.[2] Zuvor war er von 2007 bis 2010 Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes, von 2014 bis 2016 Botschafter in Tschechien und anschließend bis 2019 Beigeordneter Generalsekretär der NATO.

Freytag von Loringhovens Familie ist eine der baltischen Linien des ursprünglich westfälischen Adelsgeschlechts Frydag. Sein Vater Bernd Freytag von Loringhoven aus der Familie derer von Freytag von Loringhoven war Offizier und von Juli 1944 bis zum 30. April 1945 als Adjutant bei den täglichen militärischen Lagebesprechungen im Führerbunker in Berlin. Arndt stammt aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Ilse-Verna Kraul.

Freytag von Loringhoven studierte ab 1974 in Bonn und an der Freien Universität Berlin die Fächer Geschichtswissenschaft, Philosophie und Chemie. 1976 wechselte er an die Universität Oxford; ein Studium der Biochemie schloss er 1980 mit einem Master of Arts und der Promotion ab. Am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München nahm er 1984 eine Forschungstätigkeit auf.

Freytag von Loringhoven ist mit der Journalistin und Politologin Barbara von Ow[3] verheiratet und hat zwei Söhne und eine Tochter.

1986 begann Freytag von Loringhoven seine Laufbahn im höheren Auswärtigen Dienst des Auswärtigen Amtes. Ab 1989 war er Referent an der Deutschen Botschaft Paris und ab 1992 an der Deutschen Botschaft Moskau. Ab 1994 war er im Planungsstab des Auswärtigen Amtes und ab 1998 im Büro des Bundesministers des Auswärtigen tätig. 2002 kehrte er als Leiter der politischen Abteilung an die Botschaft in Moskau zurück. Ab 2005 wurde er in der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes eingesetzt. Von 2007 bis 2010 war er Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes und von August 2010 bis August 2014 stellvertretender Leiter der Europaabteilung im Auswärtigen Amt. Von August 2014 bis November 2016 war Freytag von Loringhoven Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Tschechischen Republik.[4][5] Vom 1. Dezember 2016 bis zum 2. Dezember 2019 hatte er das neu geschaffene Amt des Beigeordneten Generalsekretärs der NATO für Nachrichtenwesen und Sicherheit in Brüssel inne und leitete die Abteilung für Nachrichtenwesen im Internationalen Militärstab.[6] Sein Nachfolger wurde David Cattler aus den Vereinigten Staaten.

Ab dem 1. Juli 2020 sollte Freytag von Loringhoven als deutscher Botschafter in Warschau tätig sein, die polnische Regierung verweigerte ihm zunächst ohne inhaltliche Begründung das diplomatische Agrément.[7][8] Nach Einschätzung der konservativen polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita bestanden Vorbehalte aufgrund der Rolle seines Vaters im Zweiten Weltkrieg.[9] Nach einem Bericht der linksliberalen Gazeta Wyborcza sah es der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, Jarosław Kaczyński, als Provokation der Bundeskanzlerin Angela Merkel an, den Sohn eines Wehrmachtsoffiziers, der bis zum Schluss im Führerbunker Dienst getan habe, als Botschafter nach Warschau zu entsenden. Die Zeitung befand in einem Kommentar, dass Freytag als „einer der besten Diplomaten“ Berlins gelte und seine Entsendung nach Warschau die deutsch-polnischen Beziehungen aufwerte.[10] Am 1. September stimmte die polnische Regierung dem Amtsantritt zu,[11][12] und am 15. September überreichte er sein Beglaubigungsschreiben dem Präsidenten der Republik Polen, Andrzej Duda.[2] Er übergab die Amtsgeschäfte als Botschafter im Sommer 2022 an Thomas Bagger und trat in den Ruhestand.

In einem Interview für das polnische Internetportal Onet erklärte er 2023, die deutsche Russland-Politik unter Angela Merkel habe „in einer Katastrophe geendet“. Er warf der früheren Kanzlerin vor, trotz des russisch-ukrainischen Kriegs die Pipeline Nord Stream 2 vorangetrieben zu haben. Auch kritisierte er die aus dem Zweiten Weltkrieg herrührenden polnischen Reparationsforderungen, in Warschau seien die gewaltigen Territorialverluste Deutschlands nach dem Krieg zugunsten Polens überhaupt nicht thematisiert worden.[13] Im selben Jahr erschien in Warschau in Buchform unter dem Titel „Wir bauen nicht das IV. Reich“ ein 350 Seiten umfassendes Interview mit Freytag von Loringhoven.

Commons: Arndt Freytag von Loringhoven – Sammlung von Bildern
  • Lebenslauf. In: Webseite der Deutschen Vertretungen in Polen. Archiviert vom Original am 28. November 2021; abgerufen am 25. Oktober 2020.
  • Assistant Secretary General for Intelligence and Security 2016. Nato, 8. Februar 2017;.
  • Lebenslauf des Vizepräsidenten Dr. Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven. Webseite des BND; ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar);
  • Nato-Geheimdienst: Die Nummer Drei der Nato – tagesspiegel.de

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Eintrag Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven (Memento vom 25. September 2010 im Internet Archive) in der Personendatenbank des höheren Adels von Herbert Stoyan.
  2. a b Meldung im Bundesanzeiger: BAnz AT 05.10.2020 S1
  3. Eintrag Barbara v. Ow-Wachendorf (Memento vom 25. September 2010 im Internet Archive) in der Personendatenbank des höheren Adels von Herbert Stoyan
  4. Webseite der Deutschen Botschaft Prag (Memento vom 4. September 2014 im Internet Archive)
  5. Webseite der Deutschen Botschaft Prag (Memento vom 28. Januar 2017 im Internet Archive)
  6. Arndt Freytag von Loringhoven: Deutscher wird erster Geheimdienst-Chef der Nato. (handelsblatt.com [abgerufen am 22. Oktober 2016]).
  7. Monika Sieradzka: Diplomatische Verwirrungen: Warum es in Warschau seit Wochen keinen deutschen Botschafter gibt. In: mdr.de. 25. August 2020, abgerufen am 25. August 2020.
  8. Christoph von Marschall: Polen lässt deutschen Botschafter nicht ins Land. Tagesspiegel, 28. August 2020, abgerufen am 28. August 2020.
  9. Polen verweigert Botschafter die Zustimmung – angeblich wegen NS-Vergangenheit des Vaters, Handelsblatt, 26. August 2020
  10. Bartosz T. Wieliński, Kolejna antyniemiecka kampania PiS, in: Gazeta Wyborcza, 28. August 2020, S. 4
  11. Polen akzeptiert deutschen Botschafter nach langer Wartezeit. Abgerufen am 30. März 2023.
  12. William Echikson: Germany overcame its history. Why can’t Poland? In: Politico. Politico, 8. Oktober 2020, abgerufen am 10. Oktober 2020 (englisch).
  13. Były ambasador Niemiec: wstrzymywanie zgody na mój przyjazd było osobistą decyzją Kaczyńskiego onet.pl, 29. Oktober 2023.
VorgängerAmtNachfolger
Detlef LingemannDeutscher Botschafter in Tschechien
2014 – 2016
Hansjörg Haber
Rolf NikelDeutscher Botschafter in Polen
2020 – 2022
Thomas Bagger