Kernkraftwerk Emsland

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Atomkraftwerk Emsland)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kernkraftwerk Emsland
Kernkraftwerk Emsland
Kernkraftwerk Emsland
Lage

Kernkraftwerk Emsland (Niedersachsen)
Kernkraftwerk Emsland (Niedersachsen)
Koordinaten 52° 28′ 27″ N, 7° 19′ 4″ OKoordinaten: 52° 28′ 27″ N, 7° 19′ 4″ O
Land Deutschland Deutschland
Ort Lingen (Ems)
Daten

Eigentümer 100 % RWE Power
Betreiber Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH
Projektbeginn 1982
Betriebsaufnahme 20. Juni 1988
Stilllegung 15. April 2023
Stillgelegte Reaktoren (Brutto) 1  (1.406 MW)
Eingespeiste Energie 2018 10.915,03 GWh
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme 328.920 GWh
Website RWE
Stand 15. April 2023
Luftbild des Kraftwerkstandorts (2018)
Luftbild des Kraftwerkstandorts (2018)

Luftbild des Kraftwerkstandorts (2018)

f2
f2

Das stillgelegte Kernkraftwerk Emsland (KKE) befindet sich in Lingen im Landkreis Emsland, Niedersachsen.

Das Kraftwerk wurde als Ersatz für das 1977 stillgelegte Kernkraftwerk Lingen geplant und ab Anfang der 1980er Jahre gebaut. Der Kernreaktor wurde am 14. April 1988 zum ersten Mal kritisch und nahm am 20. Juni 1988 den kommerziellen Betrieb auf. Er hat einen Druckwasserreaktor vom Typ Konvoi, der 4. und modernsten Druckwasserreaktor-Generation in Deutschland. Nachfolger dieses Baumusters ist der EPR (European Pressurized Water Reactor) von Framatome. Im Reaktor befanden sich 193 Brennelemente mit einer Schwermetallmasse von insgesamt 103 Tonnen. Das Kraftwerk hatte eine elektrische Leistung von 1.406 MW (brutto). Abzüglich des Eigenbedarfes von 71 MW ergab sich eine Leistung von 1.335 MW (netto). Das Kraftwerk hat einen 152 Meter hohen Naturzug-Nasskühlturm, der im Rückkühlbetrieb oder im Ablaufbetrieb betrieben werden konnte.

Nördlich des Kraftwerks befinden sich das stillgelegte Kernkraftwerk Lingen und das Erdgaskraftwerk Emsland.

Im Dezember 2002 wurde auf dem Gelände des Kernkraftwerks das Standortzwischenlager Lingen (SZL) (jetzt: Brennelemente-Zwischenlager Lingen; BZL) in Betrieb genommen. Dort werden die verbrauchten Brennelemente in Castor-Behältern zwischengelagert, bis diese in ein Endlager, das die Bundesregierung bis spätestens 2030 bereitstellen muss, gebracht werden können.[1] In diesem Zwischenlager befinden sich 130 Lagerplätze für Behälter mit einer Schwermetallmasse von 1.250 Tonnen.[2] Das BZL hat zum Schutz vor äußeren Einwirkungen, wie Erdbeben, Explosionen oder Flugzeugabstürzen, ein 1,30 Meter dickes Betondach und 1,20 Meter dicke Betonwände.

Das nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011 novellierte Atomgesetz legte fest, dass das Kernkraftwerk Emsland spätestens am 31. Dezember 2022 die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verliert, also abgeschaltet werden muss (§ 7 Abs. 1a AtG). Bundeskanzler Olaf Scholz entschied im Oktober 2022 aufgrund der Energiekrise per Richtlinienkompetenz, alle drei verbliebenen Kernkraftwerke bis zum 15. April 2023 in Betrieb zu lassen.[3] Eine diesbezügliche erforderliche Änderung des Atomgesetzes erfolgte. Es folgte nun innerhalb der Betriebsgenehmigung die Nachbetriebsphase. Eine Stilllegung erfolgte nach Erteilung einer Stilllegungsgenehmigung auf Antrag. Eine frühere Abschaltung hätte sich ergeben können, falls die Reststrommenge von 230,07 TWh ab 1. Januar 2000 erzeugt gewesen (Anlage 3 AtG) und keine Elektrizitätsmengen auf das Kernkraftwerk Emsland übertragen worden wäre.

2019 wurde der Anteil der Preussenelektra von 25 % auf die RWE übertragen.

Am 15. April 2023 wurden die drei verbliebenen Reaktoren Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 endgültig abgeschaltet, damit hatte Deutschland den Atomausstieg vollzogen.[4]

Der Netzanschluss erfolgte auf der 380-kV-Höchstspannungsebene in die Umspannanlage Hanekenfähr des Übertragungsnetzbetreibers Amprion.[5]

Modell des Reaktorgebäudes mit Maschinenhaus

Betriebsstörungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 24. Juli 2009 wurde durch eine Störung der Kategorie N (Normal) im Stufenschalter eines Maschinentransformators das Kraftwerk vom Netz getrennt und in der Folge eine Reaktorschnellabschaltung noch in der Nacht veranlasst.[6] Im Quartalsbericht 3/2009 des Bundesamtes für Strahlenschutz ist dieses Ereignis aufgelistet als „24. Juli 2009, KKE, Ausfall der Blockeinspeisung mit nachfolgender Reaktorschnellabschaltung über niedrigen Dampferzeugerfüllstand, 09/072, N, 0.“[7] In der Systematik der internationalen Bewertungsskala (INES) hat der Zwischenfall unter der Betrachtung des dritten Aspekts, der Beeinträchtigung der Sicherheitsvorkehrungen, keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung (INES 0).

Am 3. April 2015 wurde das Kernkraftwerk wegen einer Leckage kurzfristig vom Netz genommen.[8]

Im November 2017 wurde bei Wartungsarbeiten ein Leck im Nebenkühlwassersystem des Kernkraftwerks gefunden. Dieses Ereignis hatte laut dem niedersächsischen Umweltministerium keine bzw. sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung.[9]

2019 wurden Risse in Rohrleitungen entdeckt. Das Anti-Atom-Bündnis „AgiEL“, der BUND Niedersachsen und der Verein „.ausgestrahlt“ protestierten gegen den Weiterbetrieb.[10]

Im Rahmen von Inspektionsarbeiten gelangte am 7. Mai 2024 aufgrund fehlerhaft remontierter Rückschlagventile aus einer Abwasserleitung eine geringe Menge radioaktiven Abwassers in einen Raum im Kontrollbereich. Dieser wurde umgehend gereinigt und die Ventile ordnungsgemäß montiert. Das Ereignis (INES 0) hatte laut RWE keine Auswirkungen auf das Personal, die Umgebung und den bestimmungsgemäßen Nachbetrieb der abgeschalteten Anlage.[11][12]

Wie auch andere Kernkraftwerke war das Kraftwerk grundsätzlich für den Lastfolgebetrieb geeignet. Der Betreiber RWE gab 2014 an, das Kraftwerk werde bei Bedarf auch im Lastfolgebetrieb gefahren. Hierzu wurde bei niedriger Stromnachfrage und hoher Windenergieeinspeisung die Leistung gedrosselt. Das KKW könne in rund 60 Minuten die Leistung um bis zu 850 Megawatt reduzieren.[13]

Daten des Reaktorblocks

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kernkraftwerk Emsland hat einen Kraftwerksblock:

Reaktorblock[14] Reaktortyp Baulinie elektrische-
Leistung
thermische-
Reaktorleistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Stilllegung
Netto Brutto
Emsland (KKE) Druckwasserreaktor KWU-Baulinie '80 (Konvoi) 1.335 MW 1.406 MW 3.850 MW 10. Aug. 1982 19. Apr. 1988 20. Juni 1988 15. Apr. 2023
Commons: Kernkraftwerk Emsland – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Bundesamt für Strahlenschutz: Dezentrale Zwischenlager (Memento vom 11. Januar 2012 im Internet Archive)
  2. Deutsches Atomforum e. V.: Kernenergie – Aktuell 2007, Kapitel Zwischenlager/Transporte. Berlin, September 2007.
  3. Ampel-Streit: Scholz will Betrieb von drei AKW verlängern. In: tagesschau.de. 17. Oktober 2022, abgerufen am 17. Oktober 2022.
  4. Ende einer Ära: RWE hat ihr letztes Kernkraftwerk vom Netz genommen. RWE AG, 15. April 2023, abgerufen am 15. April 2023.
  5. Kraftwerksliste. Bundesnetzagentur, 11. November 2019, abgerufen am 11. Dezember 2019.
  6. Reaktor-Schnellabschaltung nach Zwischenfall. In: Spiegel Online. 24. Juli 2009, abgerufen am 23. Januar 2020.
  7. Bundesamt für Strahlenschutz: Quartalsbericht 3/2009 zu Meldepflichtigen Ereignissen in Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen in der Bundesrepublik Deutschland (Memento vom 29. März 2010 im Internet Archive)
  8. Unfall im Atomkraftwerk Emsland. Nur ein kleines Leck. In: taz.de. 3. April 2015, abgerufen am 23. Januar 2020.
  9. Störfall In Lingen: Kleines Leck am Atomkraftwerk entdeckt. In: Nordwest-Zeitung. 16. November 2017, abgerufen am 7. Juli 2019.
  10. Nordtour. In: ausgestrahlt-magazin. Band 55, S. 12.
  11. Geringfügige Leckage an einer Abwasserleitung. In: RWE. Abgerufen am 21. Mai 2024.
  12. Zwischenfall im Kernkraftwerk in Niedersachsen: Stufe INES 0 ausgerufen. In: Kreiszeitung. 17. Mai 2024, abgerufen am 21. Mai 2024.
  13. Große Flexibilität macht Kernkraftwerk Emsland zum zuverlässigen Partner der erneuerbaren Energien. (RTF) In: RWE-Pressemeldung. 15. August 2014, archiviert vom Original am 13. Mai 2016; abgerufen am 23. Januar 2020.
  14. Power Reactor Information System der IAEO: „Germany: Nuclear Power Reactors“ (englisch)