Aurelius Arcadius
Aurelius Arcadius (qui et[1] Charisius) war ein nachklassischer römischer Jurist. Er wirkte um die Wende des 3. zum 4. Jahrhundert n. Chr. unter den Kaisern Diokletian und Konstantin.
Bekannt ist Arcadius vornehmlich aus sechs Fragmenten dreier monografischer Schriften, die allesamt Eingang in die justinianischen Digesten fanden.[2] Aus den Digesten geht hervor, dass Arcadius zum Zeitpunkt der Kompilation keine einheitliche Namensbezeichnung beigelegt werden konnte. In seinem Werk De officio praefecti praetorio liber singularis nannte sich der Autor „Aurelius Arcadius Charisius“ und er war – was in der juristischen Literaturgeschichte einmalig bleiben sollte – mit Amtsbezeichnung aufgeführt, magister libellorum.[3] Dem Einbänder De testibus liber singularis ist der Name Arcadius qui et Charisius zu entnehmen[4] und in De muneribus civilibus liber singularis nannte er sich Arcadius Charisius.[5] Charisius ist ein Agnomen, dessen Verwendung sich ab dem 2./3. Jahrhundert häufte. Vornehmlich betraf das Personen, die dem griechischen Kulturbereich entstammten.[6][2]
Inhaltlich widmete er sich in seinen Schriften privatrechtlichen Fragen, vorzugsweise dabei den persönlichen Dienstleistungsverpflichtungen und Kreditierungsgeschäften. Öffentlich-rechtlicher Natur waren die von ihm aufgeworfenen Steuerfragen (De muneribus civilibus), also der fiskalische Rechtsbereich. Im Prozessrecht thematisierte er die Verwendung von Beweismitteln vor Gericht (De testibus). Bereits dem Titel De officio praefecti praetorio kann entnommen werden, dass sich der Autor mit der Rolle[7] des Prätorianerpräfekten im Zeitalter der Spätantike auseinandersetzte. Insbesondere war die Frage der Anfechtbarkeit von Urteilen des Präfekten von Belang. Seit Kaiser Septimius Severus war den Prätorianerpräfekten die richterliche Zuständigkeit zugewiesen.[2]
Die Schrift De officio praefecti praetorio gilt als wichtige Quelle für den archaisierenden Schriftsteller Johannes Lydos. Der hatte sich im 6. Jahrhundert, vornehmlich in De magistratibus („Über die Ämter des römischen Staates“), intensiv mit dem kaiserlichen Verwaltungsapparat und der Veränderung der Rolle des Prätorianerpräfekten in der Spätantike auseinandergesetzt.[8] Die Texte Arcadius' und seine Rechtsauskünfte gelten als pragmatisch und stilistisch ansprechend formuliert, da ihm nach Auffassung der Forschung ein Hang zu dogmatischem Sendungsbewusstsein nicht nachempfunden werden könne. Sein Schreibstil sei überdies rhetorisch geschliffen.[9]
In Anlehnung an die von Tony Honoré erstellte Liste von Libellsekretären, hier könnte Arcadius bei bestehender Restunsicherheit die Nr. 19 repräsentieren,[10] datiert Detlef Liebs das Wirken von Arcadius in die Zeit ab Mitte der 280er Jahre. In der Zeit entstanden die bedeutsamen juristischen Werke zweier anderer Mitarbeiter Diokletians, die Kodizes Gregorianus und Hermogenianus. In Anlehnung an Franz Wieacker, schließt sich Liebs der Vermutung an, dass Arcadius noch ein Schüler Modestins gewesen sein könnte.[2]
Die Schriften und Privatreskripte der drei Juristen Arcadius qui et Charisius, Gregorius(?) und Hermogenian dürften die letzten personalisierten Werke ihrer Art gewesen sein. In deren Zeit bereits beginnend, ging man dazu über, die Autoren – als heute Unbekannte – namentlich hinter ihren Rechtsbeiträgen zurücktreten zu lassen. In einer Übergangszeit wurden nachklassische Schriften noch Klassikern wie Paulus, Ulpian und Gaius einfach zugeschrieben, um Autorität zu vermitteln (vgl. etwa die pseudopaulinischen Sentenzen).[11]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gustav von Hugo: LehrBuch der Digesten, mehr nach Drittheilen und Partes als nach Büchern und Titeln und des ConstitutionenCodex, Siebenter Band, welcher die Digesten enthält, Berlin 1828.
- Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n. Chr.), Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 21–30.
- Detlef Liebs: Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, München 2010, C. H. Beck, ISBN 978-3-7696-1654-5, Arcadius Charisius.
- Daniele Vittorio Piacente: Aurelio Arcadio Carisio un giurista tardoantico, Epipuglia 2012.
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Qui et verweist in der römischen Sozialstruktur in die unteren Ränge der Aristokratie: Selbst die Führung der Libellkanzlei, als hohe Amtsausübung, wurde von Männern des zweiten Ranges ausgeübt, regelmäßig dem Ritterstand.
- ↑ a b c d Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n. Chr.), Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 21–30.
- ↑ Digesten 1, 11, 1.
- ↑ Digesten 22, 5, 1; 21; 25; und 48, 18, 10.
- ↑ Digesten 50, 4, 18.
- ↑ Iiro Kajanto: Supernomina, Helsinki 1966.
- ↑ So war den Prätorianerpräfekten die Hoheit über militärische Aufgaben entzogen worden, die sich bei magistri equitum beziehungsweise magistri peditum wiederfanden.
- ↑ Thomas Francis Carney (Übers.): John the Lydian, De Magistratibus. On the Magistracies of the Roman Constitution. Coronado Press 1971; Anastasius C. Bandy (Hrsg.): Ioannes Lydus on powers, or: The magistracies of the Roman state. introduction, critical text, translation, commentary, and indices. Philadelphia 1983.
- ↑ Detlef Liebs: Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, München 2010, C. H. Beck, ISBN 978-3-7696-1654-5, Arcadius Charisius.
- ↑ Tony Honoré: Emperors and Lawyers, Duckworth, 1981, S. 115–119.
- ↑ Detlef Liebs: Rechtsliteratur. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, S. 193–221, hier S. 215 (Rn. 49).
Personendaten | |
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NAME | Aurelius Arcadius |
ALTERNATIVNAMEN | Arcadius qui et Charisius |
KURZBESCHREIBUNG | römischer Jurist |
GEBURTSDATUM | 3. Jahrhundert oder 4. Jahrhundert |
STERBEDATUM | 3. Jahrhundert oder 4. Jahrhundert |