Awan (Elam)

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Die Königsliste von Susa mit den Dynastien von Awan und Schimanski, Louvre SB 17729[1]
Transliteration der Königsliste von Susa von Jean-Vincent Scheil[2]

Awan ist der antike Name einer Region im Westen Irans, der aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. überliefert ist. Es handelt sich dabei mit ziemlicher Sicherheit um ein einheimisches Synonym von Elam.

Awan war mit ziemlicher Sicherheit der einheimische Name einer der Unterregionen östlich von Mesopotamien. Die Unterregion wurde von den sumerischen Schreibern unter dem Begriff Elam zusammengefasst.[3] Mit einem Nachweis aus der Zeit von Sargon von Akkad ist Awan der älteste unter den einheimischen Begriffen aus dem Iranischen Hochland.[4] Der Standort ist ungewiss. Spätere elamische Könige führten ihre Ursprünge auf Awan zurück, was auf eine Lage im Hochland hindeutet.[5] Die externe Bezeichnung Elam umfasste in den Quellen des 3. Jahrtausend v. Chr. das Iranische Hochland mit verschiedenen ethnischen Gruppierungen mit der Ausnahme von Khuzestan. In der Frühdynastischen Zeit wurde Elam auch als breiter Begriff für den gesamten östlichen Bereich vom südlichen Mesopotamien verwendet.[6]

Die sumerische Königsliste markiert den Beginn eines dokumentierten Musters von Antagonismus, Handelsaustausch und Allianzen zwischen Mesopotamien und den mit Elam verbundenen Ländern des Zagros, die Jahrtausende andauern sollten.[7] Gemäß dieser Liste wurde die 1. Dynastie von Ur, die ungefähr 2500 v. Chr. von Mesanepada gegründet wurde, von einer Dynastie von Awan gestürzt, die in der Folge 356 Jahre dauerte. Die drei aufgeführten Namen der Könige von Awan, die zu dieser Zeit einen Teil von Mesopotamien beherrschten, sind nicht überliefert.[8] Der historische Wert der sumerischen Königslisten ist fragwürdig. In Bezug auf Awan würden die Angaben auf den Beginn der Herrschaft zwischen 2500 und 2400 weisen.[9]

Die Königsliste von Susa ist von einer einzigen Kopie überliefert. Es handelt sich dabei um eine Liste von 12 Königen von Awan, von denen sprachwissenschaftlich zwei elamische Namen tragen.[10] Der letzte König von Awan ist Puzur-Inšušinak. Von ihm stammen die einzigen zeitgenössischen Inschriften aus dem Südwesten Irans, die Awan in den königlichen Rangbezeichnungen aufführen.[11]

Ein unveröffentlichter mesopotamischer Text in sumerischer und akkadischer Sprache trägt den Hinweis, dass Puzur-Inšušinak ein Zeitgenosse von Ur-Nammu aus Ur gewesen ist.[12] Der letzte Herrscher von Awan eroberte Susa und Anschan und integrierte die Städte in das Königtum von Awan. Puzur-Inšušinak eroberte mehr als 70 iranische Städte, überfiel babylonische Siedlungen im Norden, um die Kontrolle über die Große Chorasan-Straße und das Königreich Šimaški im Iranischen Hochland zu erhalten.[13]

In den administrativen Texten der 3. Dynastie von Ur ist Awan verdächtig abwesend. Vom letzten Herrscher der Dynastie, Ibbi-Sin, ist lediglich eine Jahresformel überliefert.[14]

Alle bekannten Texte enthalten kaum Informationen über die tatsächliche politische Rolle von Awan zu irgendeinem Zeitpunkt. Die Königslisten betrachten Awan rückblickend als dauerhaften dynastischen Sitz des herausragenden westiranischen Staates in frühdynastischer und altakkadischer Zeit. Alte akkadische Inschriften betrachten die Könige dieses Staates als die Herrscher von Elam, aber sie nennen Awan nur als einen von mehreren besiegten Orten, ohne einen Hinweis auf eine politische Vormachtstellung.[15]

Die Rekonstruktion der frühesten Geschichte von Elam basiert auf sumerischen und akkadischen Quellen in Keilschrift, weil keine wesentlichen Überlieferungen aus Iran existieren.[16] Die älteste Erwähnung von Awan stammt aus der Sumerischen Königsliste. Die Dynastie von Awan ist auf der Liste zwischen der 1. Dynastie von Ur und der 2. Dynastie von Kiš geschoben.[17]

“Ur wurde mit der Waffe geschlagen, das Königtum ging über auf Awan. In Awan war … König, er herrschte ...Jahre (…). 3 Könige herrschten 356 Jahre.”

Sumerische Königsliste iv, 5–16.[18]

In der darauffolgenden Sequenz wird Awan ein zweites Mal erwähnt.

“Awan wurde mit der Waffe geschlagen und das Königtum ging über auf Kiš.”

Sumerische Königsliste iv, 17–35.[19]

Die Liste von Susa erwähnt zwölf Könige von Awan.[20] Die einzige Kopie, die überliefert ist, wird zwischen 1800 und 1600 v. Chr. datiert. Das Datum der effektiven Zusammenstellung ist unbekannt.[21]

In einer akkadischen Votivinschrift werden militärische Erfolge des Königs Sargon aufgezählt. Die Inschrift ist über eine babylonische Kopie erhalten. Darin wird der Name Luḫḫi-iššan, der auch einer der zwölf Könige von Susa ist, aufgeführt. In der Inschrift ist er der Sohn des Hisibrasini, des König von Elams, und befindet sich unter den geschlagenen Feinden. Im gleichen Text wird Awan als Stadt erwähnt, von der Sargon Beute weggeführt hatte.[22] Bei seinem Vater ist nicht klar, ob es sich um eine grammatikalische oder orthographische Variante des neunten Königs handelt, der auf der Liste von Susa aufgeführt ist.[23]

Von Rimuš, der über Akkad von 2283 bis 2274 v. Chr. herrschte, ist über babylonische Abschriften die Gefangennahme gegnerischer Führer zwischen Awan und Susa am mittleren Fluss überliefert.[24][25]

Vom König Puzur-Inšušinak, dessen Herrschaft auf ungefähr 2100 v. Chr. datiert ist, sind insgesamt zwölf Inschriften aus Susa überliefert. Zwei Fragmente einer Treppe bezeichnen ihn als „den mächtigen, König von Awan“.[26]

Aus der Herrschaft des letzten Herrschers der 3. Dynastie von Ur, Ibbi-Sin, ist eine Jahresformel überliefert, die Awan erwähnt. Sie lautet: „Im Jahr, in dem Ibbi-Sin von Ur wie ein Sturm über Susa, Adamdum und das Land Awan fegte und sie an einem einzigen Tag unterwarf und ihre Herren gefangen nahm.“[27] Der gleiche Inhalt ist auf zwei Votivinschriften des gleichen Herrschers überliefert.[28]

In der Mitte des dritten Jahrtausends v. Chr. konkurrierte ein Staat mit dem Zentrum Awan politisch und militärisch mit den mesopotamischen Stadtstaaten. Awan war so erfolgreich, dass er einen Platz in der sumerischen Königsliste erhielt. Möglicherweise war Awan auch im späteren dritten Jahrtausend noch das politische Zentrum führender elamischer Herrscher. Spätere Herrscher, die in der Liste von Susa genannt werden, waren Gegenspieler von Sargon von Akkad und seinen Nachkommen. Es war wahrscheinlich immer noch ein König von Awan, der mit Naram-Sin von Akkad einen Vertrag und ein loses Bündnis einging. In der Zeit der zwischenstaatlichen Kämpfe, die der Hegemonie von Ur in Mesopotamien und Teilen des westlichen Irans vorausgingen, brachte der letzte der überlieferten Könige von Awan, Puzur-Inšušinak, Susa unter seine Kontrolle. Danach verschwand Awan von der politischen Bildfläche. Es wurde vermutlich durch den Staat und die Dynastie der Šimaški absorbiert. Die Verwendung des Toponyms durch Ibbi-Sin ist rein geografisch und wahrscheinlich bereits archaisch.[29] Die Tatsache, dass Awan und Elam im Allgemeinen getrennt erwähnt werden, dass zwei der Könige von Awan elamische Namen trugen und dass spätere elamische Könige ihre politische (und kulturelle) Identität auf awanische Herrscher zurückführten, legt nahe, dass Awan und Elam möglicherweise deckungsgleich waren oder, was wahrscheinlicher ist, dass Awan ein Teil des elamischen Territoriums war.[30]

Einzelnachweise

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  1. Königsliste von Susa. Abgerufen am 19. Dezember 2024.
  2. Jean-Vincent Scheil: Dynasties Élamites d´Awan et de Simaš (=Revue d’Assyriologie et d’archéologie orientale. Band 28, Nr. 1). Paris 1931, S. 1–8. (jstor.org)
  3. Daniel T. Potts: The archaeology of Elam. Formation and Transformation of an Ancient Iranian State. 2. Auflage, Cambridge 2016, ISBN 978-1107094697, S. 82.
  4. Piotr Steinkeller: The Birth of Elam in History. In: Gian Petro Basello, Javier Alvarez-Mon, Yasmina Wicks (Hrsg.): The Elamite World. Routledge, London/New York 2018. ISBN 978-1-138-99989-3, S. 177–202, hier S. 177.
  5. Roger Matthews, Hassan Fazeli Nashli: The Archaeology of Iran from the Palaeolithic to the Achaemenid Empire. Routledge London/New York 2022, S. 352.
  6. Piotr Steinkeller: The Birth of Elam in History. In: Gian Petro Basello, Javier Alvarez-Mon, Yasmina Wicks (Hrsg.): The Elamite World. Routledge, London/New York 2018. ISBN 978-1-138-99989-3, S. 177–202, hier S. 177.
  7. Javier Alvarez-Mon: Elam: Iran's First Empire. In: Daniel T. Potts: A Companion to the Archaeology of the Ancient Near East. Wiley-Blackwell, Hoboken 2012. ISBN 978-1-4051-8988-0, S. 740–757, hier S. 744.
  8. Daniel T. Potts: The archaeology of Elam. Formation and Transformation of an Ancient Iranian State. 2. Auflage, Cambridge 2016, ISBN 978-1107094697, S. 82.
  9. Matthew W. Stolper: Awan. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 11. August 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 16. Dezember 2024] mit Literaturangaben).
  10. Daniel T. Potts: The archaeology of Elam. Formation and Transformation of an Ancient Iranian State. 2. Auflage, Cambridge 2016, ISBN 978-1107094697, S. 82.
  11. Matthew W. Stolper: Awan. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 11. August 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 16. Dezember 2024] mit Literaturangaben).
  12. Matthew W. Stolper: Awan. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 11. August 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 16. Dezember 2024] mit Literaturangaben).
  13. Javier Alvarez-Mon: Elam: Iran's First Empire. In: Daniel T. Potts: A Companion to the Archaeology of the Ancient Near East. Wiley-Blackwell, Hoboken 2012. ISBN 978-1-4051-8988-0, S. 740–757, hier S. 745.
  14. Matthew W. Stolper: Awan. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 11. August 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 16. Dezember 2024] mit Literaturangaben).
  15. Matthew W. Stolper: Awan. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 11. August 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 16. Dezember 2024] mit Literaturangaben).
  16. Piotr Steinkeller: The Birth of Elam in History. In: Gian Petro Basello, Javier Alvarez-Mon, Yasmina Wicks (Hrsg.): The Elamite World. Routledge, London/New York 2018. ISBN 978-1-138-99989-3, S. 177–202, hier S. 177.
  17. Piotr Steinkeller: The Birth of Elam in History. In: Gian Petro Basello, Javier Alvarez-Mon, Yasmina Wicks (Hrsg.): The Elamite World. Routledge, London/New York 2018. ISBN 978-1-138-99989-3, S. 177–202, hier S. 181.
  18. Jörg Kaula: „Nachdem das Königtum vom Himmel herabgekommen war …“. Untersuchungen zur Sumerischen Königsliste. Cuneiform Digital Library Initiative, 2016, S. 47. (cdli.mpiwg-berlin.mpg.de
  19. Jörg Kaula: „Nachdem das Königtum vom Himmel herabgekommen war …“. Untersuchungen zur Sumerischen Königsliste. Cuneiform Digital Library Initiative, 2016, S. 47. (cdli.mpiwg-berlin.mpg.de
  20. Jean-Vincent Scheil: Dynasties Élamites d´Awan et de Simaš (=Revue d’Assyriologie et d’archéologie orientale. Band 28, Nr. 1). Paris 1931, S. 1–8. (jstor.org)
  21. Daniel T. Potts: The archaeology of Elam. Formation and Transformation of an Ancient Iranian State. 2. Auflage, Cambridge 2016, ISBN 978-1107094697, S. 82.
  22. Sargon b 9. Hans Hirsch: Die Inschriften der Könige von Agade. Archiv für Orientforschung. Band 10. Wien 1963, S. 1–82, hier S. 4 und 47. (jstor.org)
  23. Matthew W. Stolper: Awan. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 11. August 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 16. Dezember 2024] mit Literaturangaben).
  24. Rimuš b 7. Hans Hirsch: Die Inschriften der Könige von Agade. Archiv für Orientforschung. Band 10. Wien 1963, S. 1–82, hier S. 12 und 62–63. (jstor.org)
  25. Matthew W. Stolper: Awan. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 11. August 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 16. Dezember 2024] mit Literaturangaben).
  26. Daniel T. Potts: The archaeology of Elam. Formation and Transformation of an Ancient Iranian State. 2. Auflage, Cambridge 2016, ISBN 978-1107094697, S. 113.
  27. 14. Jahresname in cdli.ox.ac.uk
  28. Matthew W. Stolper: Awan. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 11. August 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 16. Dezember 2024] mit Literaturangaben).
  29. Matthew W. Stolper: Awan. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 11. August 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 16. Dezember 2024] mit Literaturangaben).
  30. Javier Alvarez-Mon: Elam: Iran's First Empire. In: Daniel T. Potts: A Companion to the Archaeology of the Ancient Near East. Wiley-Blackwell, Hoboken 2012. ISBN 978-1-4051-8988-0, S. 740–757, hier S. 744.