Axt von Arkalochori
Als Axt von Arkalochori (griechisch Πέλεκυς του Αρκαλοχωρίου Pelekis tou Arkalochoriou) wird eine bronzene Doppelaxt (Labrys) mit einer eingravierten Inschrift bezeichnet, die wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert v. Chr. stammt.[1] Sie wurde 1934 bei Ausgrabungen durch Spyridon Marinatos bei Arkalochori auf der griechischen Insel Kreta entdeckt. Der Archäologe Louis Godart nahm für die Herstellung der Axt die Übergangszeit der minoischen Perioden MM III B zu SM I A an.[2] Das bronzezeitliche Fundstück befindet sich im archäologischen Museum von Iraklio.[3]
Fundbeschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Koordinaten der Fundstelle: 35° 8′ 38,7″ N, 25° 15′ 37″ O
Die Axt von Arkalochori fand man mit vielen anderen Votivgaben in einer 30 Meter langen Höhle, die Ende der minoischen Periode SM I möglicherweise durch ein Erdbeben verschüttet wurde.[3] Der 1,6 Meter hohe und 0,7 Meter breite Eingang der schon in der Steinzeit besiedelten[4] und seit etwa 2500 v. Chr. als Kulthöhle genutzten „Heiligen Höhle“ liegt in etwa 400 Metern Höhe nahe der Ortschaft Arkalochori (Αρκαλοχώρι; auf Katharevousa Arkalochorion) nordöstlich der Messara-Ebene. Er befindet sich auf dem flachen Hügel Agios Ilias (Άγιος Ηλίας) an der Südwestseite der Kirche Profitis Ilias (Προφήτης Ηλίας) am Westrand von Arkalochori in Richtung Zinda (Ζίντα).[5][6]
Schon 1912 wurden durch Joseph Chatzidakis in der Höhle bei Arkalochori 53 Bronzeschwertklingen ohne Griff und 19 Votivdoppeläxte, davon eine silberne, bei archäologischen Grabungen entdeckt und geborgen.[5] Votivdoppeläxte erscheinen häufig auf minoischen und mykenischen Bilddarstellungen, beispielsweise dreimal auf dem Sarkophag von Agia Triada, der in das 14. Jahrhundert v. Chr. datiert wird.
Kolumnen der Inschrift auf der Axt von Arkalochori | |||
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Unter den wesentlich reichhaltigeren Funden Spyridon Marinatos’ in Arkalochori bei seiner Untersuchung der Höhle im Jahr 1934 befand sich auch eine größere Bronzeaxt, deren Besonderheit eine Inschrift darstellt. Auf dem Kopf der von Schneide zu Schneide etwa 30 Zentimeter breiten Doppelaxt befinden sich unterhalb des Auges drei Kolumnen mit eingravierten Zeichen. Sie wurden sowohl mit der Linearschrift A als auch den Stempeleindrücken auf dem Diskos von Phaistos in Verbindung gebracht und konnten bisher nicht entziffert werden.[3]
Neben der beschriebenen Axt konnte Marinatos hunderte von langen Schwertern, Messern und Doppeläxten aus Bronze, als Weihegaben wie auch in nutzbarer Form, sowie 25 kleine goldene und 7 silberne Doppeläxte bergen.[7][8] Unter letzteren befanden sich eine goldene und eine silberne Votivaxt (AR Zf 1 und AR Zf 2), beide nur etwa 5 Zentimeter breit,[3] die eine gleichartige Linear-A-Inschrift eines Wortes trugen: Die phonetische Umschrift dieser Zeichen der beiden kleinen Doppeläxte lautet I-DA-MA-TE,[8] wobei eine Lautähnlichkeit mit der Göttin Demeter/Damater[9] besteht, der „Mutter Da“ oder „Mutter der Erde“.[10] Das erste Zeichen stellt dabei ein Präfix mit nicht sicher bestimmbarer Bedeutung dar.[11] Alle vier Linear-A-Zeichen ähneln bestimmten Zeichen auf der wesentlich größeren bronzenen Votivdoppelaxt mit den Inschriftenkolumnen. Die dortigen ersten vier Zeichen der ersten Kolumne bedeuten nach Gareth Owens I-DA-MA-NA,[12][13] wobei er allerdings mit und mit gleichsetzen würde. Insgesamt weisen die Fundstücke und sonstigen Überreste in der Höhle auf ein ehemaliges militärisches Heiligtum an dieser Stelle hin.[3]
Die Inschrift
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Inschrift auf der bronzenen Axt von Arkalochori setzt sich aus 15 Zeichen zusammen, die in drei Kolumnen untereinander angeordnet sind. Von diesen Zeichen ähneln einige einander, so dass von 10 bis 12 verschiedenen Zeichen ausgegangen wird. Dabei erscheint der Kopf im Profil am Anfang der 1. Kolumne auch an erster und vierter Position in der 2. Kolumne, der Kopf in Frontalansicht an der dritten Stelle der 1. Kolumne fast identisch an fünfter Position der 2. Kolumne und das Zeichen mit drei Punkten an der vierten Stelle der 1. Kolumne etwas abgewandelt auch an Position drei der 2. Kolumne. Weiterhin ist das dritte Zeichen der 3. Kolumne eine gespiegelte Darstellung des zweiten Zeichens der 1. Kolumne, eine Bedeutungsgleichheit oder -ähnlichkeit impliziert dies jedoch nicht.[14]
Obwohl es Ähnlichkeiten von Zeichen auf der Axt von Arkalochori mit Schriftzeichen der minoischen Linearschrift A gibt, ist der Text auf der Axt zu kurz, um eine Verbindung mit dieser Schrift schlüssig herzustellen. Einige der Zeichen kommen wegen ihrer Universalität auch in anderen Schriften vor, die zum Kulturgebiet Kretas keine Beziehung hatten. Andere Zeichen haben in der Linearschrift keine Entsprechung, ähneln hingegen den Zeichen auf dem Diskos von Phaistos. Hingegen wurden bei vier Zeichen Parallelen sowohl zur Linearschrift A als auch zum Diskos von Phaistos gezogen. Louis Godart schloss 1995 aus der Anordnung der Zeichen, dass sie nicht mehr als eine Pseudo-Inschrift eines Analphabeten in verständnisloser Nachahmung der authentischen Linear-A-Zeichen auf anderen ähnlichen Äxten darstellten.[15] Dies hinderte Autoren nach ihm nicht daran, Versuche der Entzifferung der Inschrift auf der Axt von Arkalochori zu wagen.
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Die wahrscheinlichste Leserichtung der Inschrift auf der Axt von Arkalochori ist von oben nach unten und von links nach rechts.[17] Daraus ergibt sich folgendes Schriftbild der Inschrift mit unterlegter Linearschrift A, wobei der Profilkopf, der dem auf dem Diskos von Phaistos (D02) ähnelt, wohl keinen Lautwert besitzt, sondern als Determinativ eine nachfolgende Person kennzeichnet:[18]
Entzifferungsversuche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Friedrich Dürr interpretierte die Zeichen auf der Axt von Arkalochori im Jahr 2000 als nordwestsemitische Silbenschrift.[19] Demgegenüber sah Fred C. Woudhuizen mit den Parallelen zum Diskos von Phaistos und der Linearschrift A Verbindungen zum Luwischen wie auch dem Semitischen. Seine Transliteration und Interpretation des Textes von 2016, entsprechend der Leserichtung von links nach rechts und von oben nach unten, lautet:[20]
á+ti sa1-ḫár-wa? i+à l(a)+PÁRA |
In Scheria: diese Doppeläxte |
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Derk Ohlenroth: Das Abaton des Lykäischen Zeus und der Hain der Elaia: Zum Diskos von Phaistos und zur frühen griechischen Schriftkultur. Niemeyer, Tübingen 1996, ISBN 3-484-80008-9, Die hieroglyphische Inschrift einer bronzenen Doppelaxt von Arkalochori, S. 437 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Torsten Timm: Der Diskos von Phaistos – Anmerkungen zur Deutung und Textstruktur. In: Indogermanische Forschungen. Band 109, 2004, ISSN 0019-7262, Vergleich mit der Axt von Arkalochori, S. 224–226 (Digitalisat [PDF; 441 kB; abgerufen am 17. Februar 2012]).
- Thomas Berres: Der Diskus von Phaistos. Grundlagen seiner Entzifferung. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-465-03977-8, Die Axt von Arkalochori, S. 215–230.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gareth Owens: The „Cretan Hieroglyphic“ inscription from Arkalochori. www.teicrete.gr, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 7. Januar 2014; abgerufen am 18. Februar 2012 (englisch).
- ↑ Ivo Hajnal: Die mykenische Schrift – Die voralphabetischen Schriften in Kreta und Zypern, Die minoischen Schriften Kretas (und des griechischen Festlands): Typologie und Chronologie. (PDF; 1,09 MB) www.uibk.ac.at, 20. Mai 2007, S. 7, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 10. Juli 2012; abgerufen am 22. Februar 2012.
- ↑ a b c d e Dieter Rumpel: The Arkalokhori Axe Inscription in Relation to the Diskos of Phaistos Text. (PDF; 925 kB) www.anistor.gr, 15. April 2009, abgerufen am 17. Februar 2012 (englisch).
- ↑ Günther Kehnscherper: Kreta, Mykene, Santorin. 6. Auflage. Urania, Leipzig, Jena, Berlin 1986, Die Anfänge, S. 22.
- ↑ a b The Cave. www.interkriti.org, abgerufen am 21. Februar 2012 (englisch).
- ↑ Spyridon Marinatos: Zur Frage der Grotte von Arkalochori. In: Kadmos - Zeitschrift für vor- und frühgriechische Epigraphik. Nr. 1 (2). de Gruyter, 1962 (Online [abgerufen am 21. Februar 2012]).
- ↑ Jerome M. Eisenberg: The Phaistos Disk: A one hundred-year-old hoax? (PDF) www.utexas.edu, S. 14 (6), archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 17. August 2014; abgerufen am 14. Februar 2012 (englisch).
- ↑ a b Gareth Alun Owens: The Linear A Inscription from Arkalochori. www.teicrete.gr, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 6. Januar 2014; abgerufen am 21. Februar 2012 (englisch).
- ↑ Herbert Jennings Rose, Anna Elisabeth Berve-Glauning: Griechische Mythologie. Ein Handbuch (= Beck’sche Reihe). 2. Auflage. C.H.Beck, München 2003, ISBN 978-3-406-49458-1, Die Kinder des Kronos I, S. 63 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – englisch: A Handbook of Greek Mythology.).
- ↑ Stella Kalogeraki: Griechische Mythologie. Mediterraneo Editions, Rethymno 2005, ISBN 960-8227-32-1, Demeter, S. 30.
- ↑ Thomas Berres: Der Diskus von Phaistos. Grundlagen seiner Entzifferung. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-465-03977-8, Die Axt von Arkalochori, S. 229.
- ↑ Gareth Owens & the secrets of the Disk of Phaistos. Cretazine, 2012, abgerufen am 20. Oktober 2015 (englisch).
- ↑ Gareth Owens: The Phaistos Disk: The Enigma of the Minoan Script. In: Labyrinth: Scripts and Languages of Minoan and Mycenaean Crete. Centre for Cretan Literature with the support of Heraklion Prefecture, Iraklio 2007, ISBN 978-960-86847-5-1, S. 195 (Digitalisat [PDF; 635 kB; abgerufen am 20. Oktober 2015]). Digitalisat ( vom 4. März 2016 im Internet Archive)
- ↑ Torsten Timm: Die Inschrift auf der Axt von Arkalochori. www.kereti.de, 1. Januar 2005, abgerufen am 17. Februar 2012.
- ↑ Glanville Price (Hrsg.): Encyclopedia of the languages of Europe. Wiley-Blackwell, Oxford / Malden 2000, ISBN 0-631-19286-7, Phaistos disc, S. 354 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Torsten Timm: Der Diskos von Phaistos – Anmerkungen zur Deutung und Textstruktur. (PDF; 441 kB) kereti.de, 2. Dezember 2006, S. 224–226, abgerufen am 3. August 2012.
- ↑ Thomas Berres: Der Diskus von Phaistos. Grundlagen seiner Entzifferung. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-465-03977-8, Die Axt von Arkalochori, S. 217–225.
- ↑ Thomas Berres: Der Diskus von Phaistos. Grundlagen seiner Entzifferung. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-465-03977-8, Die Axt von Arkalochori, S. 219.
- ↑ Friedrich Dürr: Die Schrift als semitische Morgengabe an Athen und Rom. Gublitisch / Kyprisch / Kretisch und Etruskisch im Licht neuer Entzifferungen. Books on Demand, 2000, ISBN 3-8311-0004-7, Der Text auf dem Diskus, S. 134 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Fred C. Woudhuizen: Documents in Minoan Luwian, Semitic and Pelasgian. In: Maarten D. de Weerd, Jan P. Stronk (Hrsg.): Publications of the Henri Frankfort Foundation. Band 14. Dutch Archaeological and Historical Society, 2016, ISBN 978-90-72067-19-7, ISSN 1574-1370, The inscription on the double axe from Arkalokhori, S. 174 (englisch, Digitalisat).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gareth Alun Owens: The „Cretan Hieroglyphic“ inscription from Arkalochori. teicrete.gr, 2008, abgerufen am 21. Februar 2012 (englisch, auch hier).
- Gareth Alun Owens: Labyrinth = The place of the double axe = The Cave of Arkalochori? teicrete.gr, abgerufen am 28. November 2012 (englisch).
- John Younger: The Phaistos Disc/Arkalokhori Ax/CMS II 5 no. 246. 2005, abgerufen am 20. Oktober 2015 (englisch).
- Thomas M. Waldmann: Ein vierter Ort wird für das mögliche Labyrinth des Minotaurus gehalten: die Höhle von Arkolohori. labyrinthos.ch, 5. April 2010, abgerufen am 28. November 2012.
- Thomas M. Waldmann: Fotos von der Arkolohori-Höhle. labyrinthos.ch, 18. März 2010, abgerufen am 28. November 2012.