Überprüft

Barabbas

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
„Gib uns Barabbas!“, aus The Bible and its Story Taught by One Thousand Picture Lessons, 1910.

Barabbas (griechisch Bαραββᾶς) war ein im Neuen Testament erwähnter Mann, der im 1. Jahrhundert n. Chr. in Palästina lebte und sich zur Zeit des Prozesses gegen Jesus in römischer Haft befand.

Biblische Überlieferung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach den Passionsgeschichten soll Pontius Pilatus dem versammelten Volk die Alternative angeboten haben, entweder Barabbas oder Jesus freizulassen. Von dieser Episode wird in allen Evangelien unmittelbar vor der Kreuzigung Jesu berichtet (Mt 27,15–26 EU, Mk 15,6–15 EU, Lk 23,18 EU, Joh 18,39–40 EU). Dem Matthäusevangelium und dem Markusevangelium zufolge ließ Pilatus daraufhin Barabbas frei; im Lukasevangelium und im Johannesevangelium hingegen bleibt offen, was mit Barabbas geschah.

Die Evangelien geben keine Auskunft über die Umstände seiner Gefangennahme, über die gegen ihn gerichteten Anschuldigungen oder über seine rechtlichen Umstände. Nach dem Markusevangelium (Mk 15,7 EU) wurde Barabbas zusammen mit einigen Aufrührern, die einen Mord begangen hätten, gefangen oder gefangen gehalten. Diesem Passus ist nicht zu entnehmen, ob Barabbas den Aufrührern angehörte.[1] Im Lukasevangelium (23,19 EU) werden Aufruhr und Mord als Ursache seiner Verhaftung angegeben. Der Barabbas betreffende Satz des Lukasevangeliums wird als Entlehnung aus dem Markusevangelium betrachtet. Im Matthäusevangelium (Mt 27,16 EU) wird Barabbas lediglich als „angesehener Gefangener“ bezeichnet.[2] Das Johannesevangelium (18,40 EU) bezeichnet ihn als einen „Banditen“ (lestés).

Der in den heutigen Fassungen der Passion Jesu überlieferte Name Barabbas ist wahrscheinlich ein Patronym, für dessen aramäische Form die Zusammensetzung (hebräisch ישוע בר אבא bar abbas oder bar rabba(n), deutsch ‚Sohn des Vaters, Sohn des Lehrers‘)[3] („Sohn des Abbas“ bzw. „Sohn des Herrn“ oder „Sohn unseres Herren“) angenommen wird.

Einige Codices enthalten in den Stellen 27,16.17 EU des Matthäusevangeliums den Namen Jesoûs (hò) Barabbâs.[4] Auch wenn die Zeugen für diese Lesart des Passus weder zahlreich noch besonders alt sind, wird in der neutestamentlichen Exegese vielfach davon ausgegangen, dass der Name Jesus in Mt 27,16.17 zum ursprünglichen Bestand des Texts gehörte, da es als unwahrscheinlich gilt, dass man den Namen Barabbas in die für Judenchristen anstößige Variante Jesus bar Abbas geändert habe. Leicht vorstellbar sei dagegen, dass man von diesen Stellen Jesus gestrichen habe.[5] Die bereits von Origenes vertretene Ansicht, der Name Jesus sei nicht ursprünglich im Text enthalten gewesen, ist aber weiterhin vertreten.[6]

Historische Forschung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für einige Historiker ist die Tatsache, dass Überlieferungen des Namens in der Form Jesus Barabbas existiert haben, ein Anzeichen dafür, dass Barabbas keine fiktive Person war.[7]

Nach einer von dem französischen Theologen Alfred Loisy Anfang des 20. Jahrhunderts aufgestellten These sei Barabbas nicht der Name einer Person, sondern einer Rolle in einer Maskerade. Loisy griff auf eine von Philo von Alexandria überlieferte Episode[8] zurück, die sich bei einem Besuch von Herodes Agrippa I. in Alexandria ereignet haben soll. Um Agrippa zu verspotten, habe eine Meute von Einwohnern Alexandrias einen „armen Teufel“ namens Karabbas mit einem Teppich über der Schulter und einem Korb auf dem Haupt als König verkleidet, verspottet und schließlich geschlagen. Wegen der Ähnlichkeiten dieser Episode mit den Misshandlungen, die nach den Passionsberichten Jesus von den römischen Soldaten zugefügt wurden, und wegen der „extremen Unwahrscheinlichkeit“ der Episode von Barabbas sei Loisy zufolge denkbar, „dass Pilatus Jesus als Karabbas“ habe behandeln lassen.[9]

Die evangelischen Passionsberichte sind nicht nur die einzigen Quellen, die Notizen über Barabbas überliefert haben. Auch der in der christlichen Tradition als privilegium paschale bezeichnete Brauch der Römer, einen Gefangenen anlässlich des Pessachfestes zu befreien, wird nur an diesen Stellen der Evangelien erwähnt. Dass es einen solchen Brauch bei römischen Statthaltern in Palästina je gegeben habe, wird als unwahrscheinlich erachtet: Nichts Derartiges ist in römischen oder jüdischen Quellen überliefert, und auch die anhand von Joh 18,39 EU vertretene Ansicht, dass es sich dabei um einen jüdischen Brauch gehandelt habe, findet keinerlei Bestätigung.

Andere Interpretationen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hyam Maccoby und einigen anderen Wissenschaftlern zufolge sei Jesus wegen seiner Gewohnheit, beim Beten und Predigen den Gott als „Abba“ zu bezeichnen[10], als „bar-Abba“ bekannt gewesen. Danach könnte die jüdische Partei beim Schrei vor Pontius Pilatus, „Bar Abba“ zu befreien, Jesus gemeint haben. Weiter wird behauptet, dass antisemitische Elemente der christlichen Kirche die Erzählung so verändert haben, dass der Wunsch einem Anderen (Räuber oder Aufrührer) galt, namentlich „Barabbas“. Dies sei Teil der Absicht, die Schuld für die Kreuzigung Jesu von den Römern zu den Juden zu verschieben.

Benjamin Urrutia, einer der Autoren des Werks The Logia of Yeshua: The Sayings of Jesus, behauptet, Yeshua Bar Abba oder Jesus Barabbas sei mit dem Nazarether Jesus identisch und die Auswahl zwischen den beiden Gefangenen sei eine Erfindung. Jedoch widerspricht Urrutia der Ansicht, dass Jesus einen gewaltsamen Aufruhr geführt oder geplant habe. Seiner Ansicht nach sei Jesus ein starker Vertreter des Widerstands durch gewaltfreien, aber offenen Ungehorsam. Damit sei Jesus der Stifter und Führer des gewaltfreien Widerstands gegen Pilatus’ Plan gewesen, römische Adlerstandarten beim Jerusalemer Tempel aufzurichten. Die Geschichte dieses erfolgreichen Widerstands beschreibt Josephus in seinen Jüdischen Altertümer. Er erwähnt den Führer nicht, jedoch wird die Kreuzigung Jesu nur zwei Absätze darauf in einer umstritten glaubwürdigen Passage erzählt.

Auch der schwedische Schriftsteller Hjalmar Söderberg kam in seinen religionswissenschaftlichen Forschungen zu dem Ergebnis, dass Jesus und Barabbas identisch gewesen seien. Dieser Jesus Barabbas war – so Söderberg – kein rein friedlicher Widerständler, denn er wurde als Anführer eines gewalttätigen Überfalls auf den Jerusalemer Tempel (im Protest gegen den Opferkult) zu Recht von den Römern verhaftet und verurteilt. Nach Söderberg deuten die meisten Hinweise darauf hin, dass es tatsächlich eine Freilassung auf Forderung der jüdischen Menge gegeben habe. Somit sei Jesus in Wirklichkeit gar nicht gekreuzigt worden. In seinen Büchern Jesus Barabbas und Der verwandelte Messias. Jesus Barabbas II legte Söderberg seine Thesen ausführlich dar.

Barabbas in der Kunst

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Nestle-Aland: Novum Testamentum Graece, 27., revidierte Auflage. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2001.
  • Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Matthäus (Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament, Band 1), EVA, Leipzig 1998.
  • Paul Winter: On the Trial of Jesus (= Studia Judaica, Band 1). de Gruyter, Berlin 1961.
Commons: Barabbas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Die Mehrheit der Textzeugen bietet die Lesung metà tôn stasiastôn, „nach/mit den Aufrührern“. Die von einigen Handschriften überlieferte Variante … systasiastôn könnte aber nahelegen, dass Barabbas einer von den „Aufrührern“ war. Vgl.: Nestle-Aland: Novum Testamentum Graece zu Mk 16,7; Paul Winter: On the Trial of Jesus, S. 96.
  2. Die meisten Bibelübersetzungen haben das Wort epísemos mit „berüchtigt“ wiedergegeben. Etymologisch hat das Wort die Bedeutung „mit einem Zeichen versehen“, „gekennzeichnet“.
  3. Diese Variante des Namens ist in dem Codex Koridethi (Θ oder 038; IX. Jahr.) überliefert, siehe Paul Winter: On the Trial of Jesus, S. 95.
  4. Von den griechischen Manuskripten ist dieser Name in dem Codex Koridethi, in einigen Minuskeln der Lake-Gruppe (f1; XII. bis XIV Jahr.) und in der Minuskel 700 (Egerton 2610; XI. Jahr.) belegt; Von den nicht griechischen Manuskripten in den syrischen Übersetzungen des Codex Syrus Sinaiticus (sys; III.-IV. Jahr.) und der Versio Harklensis (syh; VII. Jahr.) und in der Armenischen Übersetzung. Versionen des Matthäusevangeliums, die den Namen Jesus an diesen Stellen enthielten, werden von Origenes und in einem Scholion des Codex Vaticanus Graecus 354 (S oder 038; X. Jahr.) erwähnt. Vgl.: Nestle-Aland: Novum Testamentum Graece, kritischer Apparat zu Mt 27,16.17; Paul Winter: On the Trial of Jesus, S. 95.
  5. Vgl.: W. Wiefel: Das Evangelium nach Matthäus. S. 470–472.
  6. So in der Neue Jerusalemer Bibel (Herder, 1985), Kommentar zu Mt 27,16: „Eine solche Verdeutlichung aber scheint einer apokriphen Überlieferung zu stammen.“
  7. So Paul Winter: On the Trial of Jesus, S. 91–99.
  8. In Flaccum, 36–38.
  9. Alfred Loisy: L’évangile selon Marc. Paris 1912, S. 454f (zitiert nach Paul Winter: On the Trial of Jesus, S. 94f).
  10. Hyam Maccoby: Revolution in Judaea: Jesus and the Jewish Resistance. Taplinger Publishing, 1980, ISBN 0-8008-6784-X, S. 165–166.
  11. https://barabbas.info/
  12. https://www.discogs.com/de/The-Twinkle-Brothers-Rasta-Pon-Top/release/2679257 ihre mehrfach wiederveröffentlichte Debut-LP
  13. Die Schrift Barrabas wurde beim Erstellen des Films offensichtlich verwendet.