Bastian Binder

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Bastian (Sebastian) Binder (nachweisbar ab 1512/13; † um 1540) war ein deutscher Baumeister der Spätgotik und Frührenaissance.

Über die frühen Jahre Bastian Binders ist nichts bekannt. In einer Merseburger Dombaurechnung von 1512 ist von einem „Bastian der wergkmeister“ als Beteiligter beim Umbau des Domlanghauses die Rede. Es besteht die Annahme, dass es sich hierbei bereits um Bastian Binder handelt.[1] Anke Neugebauer führt den Entwurf des Merseburger Hallenlanghauses, die dortigen Pfeilerarkaden sowie Außenwände und Teile des Dachstuhls auf Binder zurück.[2]

In einem kursächsischen Schriftstück vom 18. September 1513 wird Binder erstmals als „oberster werckmeyster zu Magdeburg“ erwähnt.[3] Möglicherweise war Binder bereits seit 1509 Werkmeister am Magdeburger Dom, da in diesem Jahr der Weiterbau der Türme wieder aufgenommen wurde. Bastian Binder hielt sich im September und Oktober 1513 in Torgau sowie Wittenberg auf und unterbreitete dem Kurfürsten Friedrich III. eine Entwurfszeichnung für ein Bauwerk. Für welches Gebäude dieser Entwurf gedacht war, lässt sich nicht ermitteln. Ferner bewarb sich Binder 1513/14 um die Stelle des Baumeisters an der St. Annenkirche in Annaberg (als Nachfolger für den verstorbenen Peter Ulrich).[4] Allerdings wurde Binder von Herzog Georg abgelehnt und Jacob Haylmann stattdessen dieses Amt übertragen.[5] Die Konkurrenz Haylmanns und Binders im späteren Annaberger Hüttenstreit (siehe unten) liegt wahrscheinlich auch in der abgelehnten Bewerbung Binders begründet. Binders Bemühungen, in Kursachsen und Annaberg Fuß zu fassen, obwohl er bereits als Magdeburger Dombaumeister eine angesehene Stelle innehatte, fallen in die Zeit des Todes von Erzbischof Ernst II. Binder versuchte vermutlich nach dessen Tod eine Zwischenzeit zu überbrücken.[4]

Hallescher Dom

Unter dem neuen Erzbischof Albrecht von Brandenburg konnte sich Binder allerdings wieder in Magdeburg etablieren. Für den 11. November 1514 ist die Gründung einer Steinmetzbruderschaft (als eine Teilbruderschaft der Straßburger Haupthütte) an der Magdeburger Dombauhütte belegt, als deren Brudermeister und oberste Instanz Binder amtierte. Unter Binders Leitung wurde die Westfassade des Magdeburger Doms 1520 vollendet. Nach Abschluss der Arbeiten in Magdeburg erhielt Binder vom Magdeburger Domkapitel noch drei weitere Jahre 15 Gulden jährlich. Seiner Frau Agnes wurde eine lebenslange Leibrente in Höhe von 14 Gulden pro Jahr zugesprochen.[6]

Am 30. März 1520 erfolgte durch Kardinal Albrecht Binders Berufung zum Baumeister auf Lebenszeit für das gesamte Erzstift Magdeburg. Fortan war er mit dem Umbau der Dominikanerkirche in Halle betraut (Hallescher Dom).[7] Der 1524 errichtete Kranz aus Welschen Giebeln stellt eines der frühesten Beispiele an Rundgiebeln – sowie die ältesten noch erhaltenen – nördlich der Alpen dar.[8] Nach Vollendung der Stiftskirche in Halle 1526 ist Binder zunächst nicht mehr in den erzbischöflichen Dokumenten nachweisbar.[7][5]

Johannbau, Dessau

Ein Auftrag führte Binder in der Folgezeit nach Dessau, hier entstand zwischen 1528 und 1533 ein neuer Schlossflügel, der Johannbau. In der älteren Forschung wurde als Baumeister oft Ludwig Binder (1512–1556, später Landwerkmeister der anhaltinischen Fürsten) und mutmaßlicher Sohn Bastian Binders, angenommen. Da Ludwig Binder auf Grund seines Alters zur fraglichen Zeit noch keinen Meisterstatus besessen haben kann, wird der Entwurf und die Bauleitung des Johannbaus ebenfalls Bastian Binder zugeschrieben.[9][10]

1533 war Andreas Günther zum Magdeburger Landwerkmeister auf Lebenszeit ernannt worden. Günther führte den Bau der Neuen Residenz in Halle fort. Bastian Binder ist 1534 wieder in Halle nachweisbar, er übernahm zunächst Befestigungsarbeiten an der Moritzburg. Im Mai 1537 wurde Binder von Erzbischof Albrecht erneut zum Landwerkmeister auf Lebenszeit berufen. Günther stand seit 1537 in den Diensten des (protestantischen) Fürsten Wolfgang von Anhalt-Köthen. Zu weiteren Bauaufgaben Binders gehörte nunmehr die Vollendung der Neuen Residenz, hier wurde unter seiner Leitung die Residenzkapelle sowie ein Arkadengang errichtet. Letztmals erwähnt wird Binder in einer Bauanweisung, die auf den 24. Mai 1539 datiert ist.[11]

Während Binder in älteren Publikationen noch als „konservativer Spätgotiker“ angesehen wurde,[12][13] gehört er in der jüngeren Forschung „zu den wichtigsten Wegbereitern der mitteldeutschen Frührenaissance“.[14]

Annaberger Hüttenstreit

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Der Annaberger Hüttenstreit von 1518 war ein Interessenskonflikt zwischen der Straßburger Hauptbauhütte und der Magdeburger Hütte (vertreten durch Binder) auf der einen Seite sowie der (ober)sächsischen Hütte unter Haylmann auf der anderen. Zentraler Streitpunkt war die kürzere Ausbildungszeit von Steinmetzen in der sächsischen Hütte, die vier Jahre betrug (im Gegensatz zu fünf Jahren gemäß der Straßburger Ordnung). Des Weiteren hatte Haylmann den nicht hüttengebundenen Bildhauer Franz Maidburg eingestellt, der keinen Meistertitel besaß. Dennoch beschäftigte Maidburg „gegen alle Zunftregel“ Steinmetze, was von Haylmann auch gestattet wurde.[15][16]

Binder oblag als Magdeburger Brudermeister die Durchsetzung und Einhaltung der traditionellen (Straßburger) Hütten- bzw. Steinmetzordnung. Aufgrund dessen ermahnte er Haylmann, von derartigen Regelverstößen abzusehen und versuchte, die Straßburger Ordnung auch in Obersachsen durchzusetzen. Haylmann weigerte sich, Binder als „Vorgesetzten“ anzuerkennen. Daraufhin wurde der Annaberger Meister am 25. Mai 1518 zu einem Hüttentag nach Halle geladen, um sich dort zu verantworten.[5][16] Da Haylmann in Halle jedoch nicht erschien, wurde auf Weisung des Straßburger Meisters Hans Hammer sowie der Baumeister Martin Knoch (aus Würzburg) und Bastian Binder, Haylmanns Steinmetzzeichen an die sogenannte „Schelmentafel“ geschlagen, was bedeutete, dass „in Zukunft bei diesem Meister kein Geselle und Lehrling Arbeit nehmen soll.“[17][18]

Am 27. Juli 1518 kam es unter dem Vorsitz von Benedikt Ried zu einem Hüttentag in Annaberg, bei dem Werkmeister und Gesellen aus Sachsen, Böhmen, Schlesien und der Lausitz zusammentrafen. Dort wurde vereinbart, dass in den albertinischen Territorien die Lehrzeit von vier Jahren bestehen bleiben solle. Dies, und weitere Neuerungen wurden in einer dort verfassten Ordnung festgehalten. Zugleich wurde die Gründung einer eigenen obersächsischen Bruderschaft mit Sitz in Dresden angestrebt. Allerdings kam es bis 1521 weiterhin zu Einmischungen seitens der Magdeburger Bruderschaft in die Annaberger Hütte, sodass Herzog Georg den Magdeburger Rat und das Domkapitel aufforderte, „den anmaßenden Übergriffen der Magdeburger Bruderschaft auf das Hüttenwesens seines Territoriums Einhalt zu gebieten“.[16]

Der Hüttenstreit schadete Binders Ansehen jedoch nicht. Seine Reputation stieg stattdessen, noch während des Streites war er 1520 in das Magdeburger Bauamt berufen worden.[7]

  • Vollendung der Magdeburger Domwestfassade (1509?/1513–1520)
  • Umbau der Dominikanerkirche zu Halle (Hallescher Dom, 1520–1526)
  • Johannbau des Residenzschlosses Dessau (1528–1533)
  • Wallanlage und Festungsgraben an der Moritzburg Halle (1534–1536)
  • Kapelle sowie Arkadengang an der Neuen Residenz Halle (1537–1539)
  • Frauke Hinneburg: Binder, Bastian. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 11, K. G. Saur, München / Leipzig 1995, S. 76.
  • Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg – Eine Skizze zu Leben und Werk. In: Stefan Bürger (Hrsg.): Werkmeister im Konflikt. Quellen, Beiträge und ein Glossar zur Geschichte der sog. Bauhütten. Der Annaberger Hüttenstreit und andere Streitfälle im Bauwesen des 15. und frühen 16. Jahrhunderts als Spiegel bauorganisatorisch-rechtlicher Verhältnisse großer und kleiner Handwerksverbände der Steinmetze (= Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse. Band 84, Heft 5). S. Hirzel, Stuttgart / Leipzig 2020, S. 146–176 (Digitalisat).

Einzelnachweise

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  1. Peter Ramm, Markus Cottin: Das Dombaurechnungsfragment aus dem Rechnungsjahr 1512/13. Ein Beitrag zur Baugeschichte der spätgotischen Langhaushalle des Merseburger Domes. In: Enno Bünz, Markus Cottin (Hrsg.): Bischof Thilo von Trotha (1466–1514). Merseburg und seine Nachbarbistümer im Kontext des ausgehenden Mittelalters. Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2020, S. 423–465.
  2. Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Stuttgart / Leipzig 2020, S. 147 f.
  3. Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Stuttgart / Leipzig 2020, S. 166.
  4. a b Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Stuttgart / Leipzig 2020, S. 148–150.
  5. a b c Binder, Bastian. In: Allgemeines Künstlerlexikon Online. Abgerufen am 15. Juli 2023.
  6. Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Stuttgart / Leipzig 2020, S. 151–153.
  7. a b c Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Stuttgart / Leipzig 2020, S. 153–155.
  8. Anmerkung: Lange Zeit galt der Hallesche Dom als frühestes Beispiel für derartige Rundgiebel nördlich der Alpen bzw. Binder als Schöpfer der Welschen Giebel. Allerdings kann als früheste Rezeption von Rundgiebeln nördlich der Alpen das (im 17. Jahrhundert zerstörte) Schloss Mansfeld angesehen werden (1515/17 fertiggestellt). Siehe Darstellung des Schlosses auf dem Gemälde Hirschjagd des Kurfürsten Friedrich des Weisen von Lucas Cranach d. Ä. (1529). Vgl.: Heiner Borggrefe: Venezianische Rundgiebel – Ein byzantinisches Würdemotiv und sein Schicksal in Mittelalter und Renaissance. In: Franz Jäger, Anke Neugebauer (Hrsg.): Auff welsche Manier gebauet. Zur Architektur der mitteldeutschen Frührenaissance. Kratzke, Bielefeld 2010, S. 169.
  9. Anke Neugebauer: Bastian und Ludwig Binder im Dienst der Fürsten von Anhalt. In: Franz Jäger, Anke Neugebauer (Hrsg.): Auff welsche Manier gebauet. Zur Architektur der mitteldeutschen Frührenaissance. Kratzke, Bielefeld 2010, S. 219–222.
  10. Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Stuttgart / Leipzig 2020, S. 158 f.
  11. Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Stuttgart / Leipzig 2020, S. 161–163.
  12. Eberhard Ruhmer: Der Meister der Hallischen Dom-Skulpturen. In: Ernst Gall, Grete Kühn (Hrsg.): Zeitschrift für Kunstgeschichte. Band 21, Heft 3. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 1958, S. 209.
  13. Klaus Kratzsch: Bergstädte des Erzgebirges. Städtebau und Kunst zur Zeit der Reformation. Schnell & Steiner, Regensburg 1972, S. 84.
  14. Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Stuttgart / Leipzig 2020, S. 155 f.
  15. Robert Dohme: Geschichte der deutschen Baukunst. In: Geschichte der Deutschen Kunst. Band I. Grote, Berlin 1887, S. 300.
  16. a b c Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Stuttgart / Leipzig 2020, S. 151 f.
  17. Werner Jüttner: Ein Beitrag zur Geschichte der Bauhütte und des Bauwesens im Mittelalter. Welzel, Köln 1935, S. 93.
  18. Stefan Bürger: Die Baukunst unter Lorenz von Bibra – Beziehungen zwischen Unterfranken und Sachsen im Bauwesen um und nach 1500. In: Enno Bünz, Wolfgang Weiß (Hrsg.): Bischof Lorenz von Bibra (1495–1519) und seine Zeit: Herrschaft, Kirche und Kultur im Umbruch. Echter, Würzburg 2020, S. 304 f.
  19. Anke Neugebauer: Bastian und Ludwig Binder im Dienst der Fürsten von Anhalt. In: Franz Jäger, Anke Neugebauer (Hrsg.): Auff welsche Manier gebauet. Zur Architektur der mitteldeutschen Frührenaissance. Kratzke, Bielefeld 2010, S. 223.