Benutzer:Godai2/Sächsische Ständeversammlung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Im Kurfürstentum Sachsen versammelten sich die Stände der verschiedenen Landesteile in mehrere sächsischen Ständeversammlungen. Die ursprünglich sieben kurländischen Kreise Sachsens vereinigten sich mit den Prälaten, Grafen und Herren zum sächsischen Landtag, indem 1815 ungefähr ein Drittel des gesamten Staatsgebietes vertreten waren, die sogenannten Erblande. Bis 1815 bestanden jeweils in der Oberlausitz, der Niederlausitz und dem Fürstentum Querfurt eigene Ständeversammlungen. Ein eigenständiger Stiftstag versammelte sich jeweils im Hochstift Merseburg und im Hochstift Naumburg/Zeits ebenfalls bis 1815. Diese Hochstifte waren von diesen Stiftstagen unabhängig jeweils durch ihr Domkapitel im ersten Stand des sächsischen Landtages vertreten. 1815 wurden die zu den Königreich Sachsen verbleibenden Territorien gehörenden Ständeversammlungen, die vor der auf den Wiener Kongress beschlossen Landesteilung selbständig tagten, in den sächsischen Landtag integriert, auf dem sonst nur noch die Vertreter des zweiten und dritten Standes von sechs kürländische Kreisen mit denen des ersten Standes zusammen kamen.[S 1]

Die Rittergutsbesitzer und freien Städte der erbländischen Kreise Kurkreis (bis 1815), Thüringischer Kreis, Meißnischer Kreis, Erzgebirgischer Kreis, Vogtländischer Kreis und Neutstädter Kreis bildeten jeder für sich einen Kreistag. Die Rittergutsbesitzer bildeten den zweiten, die Vertreter der Städte den dritten Stand der Ständeversammlung. Nicht landständisch Vertreten durften sich die Grafschaft Barby, und die kursächsischen Teile der Grafschaften Henneberg und Mannsfeld, da sie als Lehen an die Wettiner und somit zum Kurfürstentum Sachsen gefallen waren.[S 2]


Geschichtliche Entwicklung des sächsischen Landtages

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1089 bis 1500: Entwicklung der Markgrafschaft Meißen zum sächsischen Ständestaat

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit das Haus der Wettiner im Jahr 1089 mit der Markgrafschaft Meißen belehnt wurde, stützte sich die Macht des Fürsten auf eine Schicht waffentragender unfreier Dienstmannen. Da sie als Unfreie einen niedrigen sozialen Rang hatten, konnte sich der Fürst auf die Loyalität dieser unfreien Ministeriale, wie sie in den Urkunden bezeichnet werden, verlassen. Die Ministerialen waren über das gesamte Land in befestigten Wohnsitzen zerstreut, von wo aus sie den Fürsten für militärische Einsätze zur Verfügung standen. Der Fürst übte seine Herrschaft aus, indem er von Ort zu Ort reiste und vor Ort auch Entscheidungen traf, Gericht abhielt und die Abgaben der hiesigen Bevölkerung im Form von Naturalien verbrauchte. Dabei konnten auch die Ministerialen der Region zur Beratung vom Fürsten herbeigerufen werden. So wurden die Minsteriale durch ihren Dienst zu erfahrenen und nützlichen Ratgebern, konnten dabei aber auch die Interessen der Landschaft, in der sie ansässig waren, vertreten. Im Laufe des späten 13. Jahrhunderts entstand so aufgrund des Ansehens der Ministeriale aus der Schicht ehemals unfreier waffentragender Dienstmannen der niedere Adel.[B 1]

1293 schließlich wurde eine wichtige Entscheidung gemeinsam von Fürst und der Gemeinschaft der ritterlichen Vasallen getroffen, weil letztere das Land gegenüber den Fürsten vertraten. Anders als bei der 1215 vom englischen König ausgestellten Magna Carta zog der Markgraf von Meißen seine Untergebenen wohl freiwillig mit bei der Entscheidung ein. Dennoch zeigt dieser Vorgang die gewachsene Bedeutung der Vertreter des niederen Adels, die Entscheidung von 1293 ist der erste Schritt hin zur Mitbestimmung in der sächsischen Verfassungsgeschichte.[B 2]

Im 14. Jahrhundert bildeten sich in allen Territorien des Reiches die Landstände aus, die zusammen in einem Spannungsverhältnis mit den Landesherren die Landepolitik bestimmten. Die Landstände waren Inhaber öffentlicher Gewalt unterhalb des Landesfürsten. Da die Landstände die Grundherrschaft ausübten, also direkt von den schaffenden Menschen ihrer Landschaft oder ihrer Stadt abhängig waren, vertraten sie eher die Interessen dieser Menschen als der Fürst selbst. Den ersten Stand bildete jedoch die höhere Geistlichkeit des Landes, die aufgrund der hohen Bedeutung der Kirche wichtige Ratgeber des Fürsten waren. Den zweiten Stand bildeten zum einen der niedere Adel, der aus den Ministerialen entstanden war, und zum anderen der höher einzustufende alte Adel. Die Vertreter der Städte, die sich von der adligen Grundherrschaft freigemacht hatten, bildeten den dritten Stand.[B 3]

Durch die Entstehung und dem Ausbau des Städtewesens stieg im 12. und 13. Jahrhundert die Bedeutung der Geldwirtschaft. Dadurch nahm der Geldumlauf zu, wodurch Geld in Wirtschaft und Gesellschaft immer wichtiger wurde. Die Fürsten, die bisher von Naturalien und Dienstleistungen ihrer Untergebenen lebten, mussten zur Absicherung ihrer Macht auch nach Wegen suchen, um ihre Geldeinkünfte zu steigern. Daher baten die Fürsten der Markgrafschaft um eine Steuerabgabe bei den Bürgern. Diese Bede wurde wahrscheinlich nicht direkt an die steuerzahlenden Bürger und Bauern des dritten Standes gerichtet, sondern an den niederen Adel als Inhaber der Grundherrschaft, die über einen unmittelbaren Zugang zu den Stadt- und Dorfbewohnern verfügten. Das früheste überlieferte Bedeverzeichnis stammt aus dem Jahr 1314.[B 4]

In der Markgrafschaft Meißen wurden jeweils 1350 in Leipzig die versammelten Vertreter des Adels und der wichtigsten Städte der Markgrafschaft und 1376 in Meißen die gesamten Landstände von den jeweils in diesen Jahren herrschenden Markgrafen versammelt, um eine Bede bewilligt zu bekommen. Durch den gesteigerten Geldbedarf des Landesherren stieg deren Abhängigkeit von den Landständen. So beschwerten sich 1428 die versammelten Landstände über landesherrliche Amtleute, die die Gerichtsbarkeit der Stände behinderten. Um die Landstände bei der Geldbeschaffung hinter sich zu wissen, mussten die Landesherren zugeständnisse machen. 1438 erreichten die Landstände bei einer Versammlung in Leipzig als Ausgleichsleistung einer bewilligten Bede das Recht, sich zu gemeinsamen Versammlungen zu treffen, ohne von den Landesfürsten gerufen wurden zu sein. Dadurch wurde der Landtag zu einer selbständigen Körperschaft, mit dessen Einmischung in die Landespolitik ständig zu rechnen war. Auf den Landtag 1451 in Grimma setzte die Versammlung eine ständische Deputation zur Überwachung der Steuereinnahmen ein, bestehend aus 18 Mitgliedern, darunter sechs Bürger. Bei den Streit der fürstlichen Brüder Friedrich und Wilhelm um die Altenburger Teilung 1445 setzte sich die Stände beider Landesteile für die Wahrung der Interessen des Landes ein. 1458 setzten sie ein Mitspracherecht über Krieg und Frieden durch. Bei all diesen Verhandlungen bewiesen die Landstände eine eigenständige Politik gegenüber den Landesfürsten.[B 5]

Durch die Abhängigkeit der Landesfürsten von den Ständen bei der Bewilligung von Steuern wurde die Macht der Fürsten durch die Landstände eingeschränkt. Somit war um die Jahrhundertwende zum 16. Jahrhundert die ungeschriebene Landesverfassung des sächsischen Ständestaates voll ausgebildet.[B 6]

1500 bis 1831: Behauptung der ständischen Verfassung im absolutistischen Zeitalter und Reformbestrebungen danach

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da die ständische Landesverfassung ungeschrieben blieb, war ihre Anwendung abhängig von den jeweiligen Charakter des Herrschers. Unter den Kurfürsten Ernst, Friedrich den Weisen, Johann den Beständigen und Johann Friedrich den Großmütigen sowie den Herzögen Albrecht, Georg und Heinrich blieb das Mitbestimmungsrecht der Landstände uneingeschränkt gültig. Herzog Moritz jedoch fühlte sich durch die Mitspracherechte der Landstände in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt: Er rief den Landtag nur selten ein und verhandelte lieber mit kleineren Ausschüssen des Landtages, weil er so hoffte, eher Zustimmung zu seinen Plänen zu erhalten. Die Rechte des Landtages wurden von ihm aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Im Sommer 1546 während des Schmalkaldischen Krieges und zwei Jahre später 1548, als der Kaiser eine Änderung der Kirchenordnung verlangte, rief er jeweils den Landtag ein, um sich bei seinen Entscheidungen beraten zu lassen. Moritz' Nachfolger August hingegen rief den Landtag oft zusammen. Auf den Landtag 1577 in Torgau wurde eine Konkordienformel angenommen, die von kursächsischen Theologen erarbeitet wurde und das die meisten lutherischen Territorien des Reiches annehmen sollten. Durch diese Entscheidung wurde die Mitverantwortung der Landstände in der Kirchenpolitik deutlich. Die Landstände sahen es als ihre Aufgabe an, das lutherische Bekenntnis der sächsischen Kirche zu verteidigen.[B 7]

Der Nachfolger von August Christian I. (Regierung ab 1586) stellte die Machtfrage gegenüber den Landständen, in dem er sich vom lutherischen Glauben abwandte und sich dem Calvinismus zuwandte. Sein Kanzler Nikolaus Krell versuchte den Einfluss der lutherisch gesinnten Kräfte durch kleine Schritte zu umgehen oder zu brechen. Ziel Krells Bemühungen war die Ausschaltung der Landstände als politischer Machtfaktor im Land. Jedoch starb 1591 Christian I. und damit Krells Beschüzer, noch bevor dessen Bemühungen größere Erfolge zeitigten. Er wurde eingekerkert und nach 10 Jahren hingerichtet. Nach den Tod Christans I. konnten die Landstände während der folgenden Vormundschaftsregierung von Christians I. Sohn ihre alte Stellung wieder herstellen.[B 8]

Seit der Herrschaft Christians I. wurden bis zum Regierungsantritt Friedrich August I. 1664 die Rechte der Landstände nicht mehr angefochten. Regelmäßig traten sie zu Landtagen zusammen, um Anregungen und Beschwerden für die Landesgesetzgebung vorzubringen. Außerdem wachten sie über die Einnahme und Verwaltung der Steuern. 1576 wurde ein Obersteuerkollegium gegründet, indem zur Hälfte vom Landtag und zur anderen Hälfte vom Kurfürsten ernannte Räte über die Verwendung der eingenommen Steuergelder wachten. Unter Johann Georg II. konnten die Landstände ihre Stellung weiter Ausbauen, da zum einen die Stellung Johann Georgs II. durch das väterliche Testament (indem dessen Erbe unter vier Brüdern aufgeteilt wurde) geschwächt wurde und sich der neue Kurfürst trotz seiner formalen Oberherrschaft durch mühsame Verhandlungen seine Vorherrschaft sichern musste, und zum anderen Johann Georg II. große Summen Geld für kulturelle Prachtentfaltung benötigte und so den Landständen entgegen kommen musste.[B 9]

Kurfürst Friedrich August I. verstand sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern als absolutistischer Herrscher, der die Macht der Landstände einschränken oder völlig ausschalten wollte. Die Polnische Krone kostete hohe Summen an Bestechungsgelder, zudem benötigte sein fürstliches Repräsentationsbedürfnis und die damit verbundene barocke Kulturentfaltung am Hof in Dresden zusätzlich kontinuierlich hohe Geldeinnahmen. Die dazu notwendigen Gelder konnten und wollten die Stände den Kurfürsten nicht bewilligen. Sein Wechsel zum Katholizismus, um den polnischen Königstitel annehmen zu können, schwächte jedoch seine machtpolitische Position in Sachsen zu sehr, um die Landstände auszuschalten. Um finanziell unabhängiger zu sein, schuf sich Friedrich August I. daher die Akzise, eine Verbrauchssteuer, bei der er bei der Verwaltung der Einnahmen nicht von den Ständen abhängig war. Jedoch konnten sich die Landstände trotz des absoluten Machtanspruches des Kurfürsten sich gegenüber diesen behaupten, und so blieb es bei der Herrschaft Friedrich August I. bei einem mühsam gegen den Ständen verteidigten gemäßigten Absolutismus. Nach dem Tod nicht nur des Kurfürsten-Königs Friedrich August II. sondern auch des langjährigen Premierministers Graf Brühl und dem Ende des Siebenjährigen Krieges endete das augusteische Zeitalter und die Verbindung zum polnischen Thron. Mit Kurfürst Friedrich Christian kam ein Herrscher an die Macht, der den Idealen der Aufklärung aufgeschlossen gegenüberstand, auch wenn er seine Entscheidungen wie seine beiden augusteischen Vorgänger selbst traf. Friedrich Christian sah sich selbst als ersten Diener des Staates. Auch die als Berater des Kurfürsten tätigen Männer, die dem Bürgertum entstammten, trachteten danach, möglichst viele Ideale der Aufklärung in ihrer täglichen Arbeit im Staatsleben zu verwirklichen. Es existierten zur jener Zeit sogar Pläne, die Landstände nach dem Vorbild des englischen Parlamentes mit dem Recht zur Gesetzgebung auszustatten.[B 10]

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gingen von den Stände auf den Landtag 1811 Anregungen aus, die verschiedenen Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen des 1806 von Napoléon gegründeten Königreich Sachsens zu vereinheitlichen und so einen modernen zentral verwalteten Staat zu bilden. Jedoch wurden auf den Wiener Kongress 1815 das Territorium des Königreiches aufgrund der Bündnistreue des sächsischen Königs zu Napoléon während der Befreiungskriege 1813 verkleinert, wodurch die Vorschläge der Landstände nicht verwirklicht werden konnten.[B 11]

Nach dem Wiener Kongress wurden die Landstände in Zuge der Restauration in ihrer ursprünglichen Form von vor 1806 wieder hergestellt. Durch die in Sachsen einsetzende Industrialisierung begann eine wesentliche Veränderung innerhalb der Gesellschaft: Das Bürgertum wurde zur treibenden Kraft und in den Städten entstand eine wachsende Arbeiterschaft. Die Landstände mit ihren mittelalterlichen Wurzeln entsprachen in ihrer Zusammensetzung ganz offensichtlich nicht mehr den Gefüge der Gesellschaft. Die Vertreter der Landstände wurden als Vertreter der Reichen und Mächtigen im Lande angesehen, obwohl die Zusammensetzung den veränderten Verhältnissen angepasst hätte werden sollen. So entlud sich der Unmut des Bürgertums über die rückständigen Verhältnisse 1830 in Dresden über einen unbedeutenden Anlass. König Anton nahm die Unmutsbekundungen sehr ernst, und entließ als erste Maßnahme den als verantwortlich für die Krise geltenden erzkonservativen Minister Graf Einsiedel und berief statt diesen den liberalen Bernhard von Lindenau zum neuen Minister. Ein Jahr später stand als Ergebnis der Reformmaßnahmen der neuen Regierung die schriftlich festgelegte Verfassung vom 4. September 1831.[B 12]

  • Josef Matzerath: Einleitung. Überblick über Sachsens Ständeversammlungen am Ende der Frühen Neuzeit. In: Sächsischer Landtag (Hrsg.): Aspekte der sächsischen Landtagsgeschichte. Die Spätzeit der Sächsischen Ständeversammlung (1763–1831). Medienhaus Lißner OHG, Dresden 2006.
  1. Zu den verschiedenen Ständeversammlungen im Kurfürstentum bzw. im Köngigreich Sachsen: Aspekte. Die Spätzeit der sächsischen Ständeversammlung (1763–1831), S.7-8
  2. Zu der Kreisen der sächsischen Erblande: Aspekte. Die Spätzeit der sächsischen Ständeversammlung (1763–1831), S.7-8
  • Karlheinz Blascke: Landstände, Landtag, Volksvertretung. 700 Jahre politische Mitbestimmung im Lande Sachsen. In: Der Sächsische Landtag. Geschichte und Gegenwart. Nachauflage. SDV - Die Medien AG, Dresden 2006.
  1. Zum Aufstieg der Ministeriale unter den Wettinern: Blaschke, S. 7–9
  2. Zur Bedeutung der Entscheidung von 1293: Blaschke, S. 8 (rechte Spalte)
  3. Zur Entwicklung der Landstände im 14. Jahrhundert: Blaschke, S. 8–9
  4. Zur Bedeutung der Geldwirtschaft in der Markgrafschaft Meißen: Blaschke, S. 9 (linke Spalte)
  5. Zur Ausweitung der Rechte des Landtages im 14. und 15. Jahrhundert: Blaschke, S. 9 (rechte Spalte)
  6. Fazit der Entwicklungen bis 1500: Blaschke, S. 10 (linke Spalte oben)
  7. Zur Stellung der Landstände von Kurfürst Ernst bis Herzog August: Blaschke, S. 10 (linke Spalte)
  8. Zur Religionspolitik Christians I.: Blaschke, S. 10 (rechte Spalte)
  9. Zur Stellung der Landstände nach Christian I. bis zum augusteischen Zeitalter.: Blaschke, S. 11 (linke Spalte)
  10. Zur Herrschaft Friedrich Augusts I. und II. sowie Friedrich Christians: Blaschke, S. 11–12
  11. Zum Landtag während des napoleonischen Zeitalters in Sachsen: Blaschke, S. 12 (rechte Spalte)
  12. Zur Entstehung der ersten schriftlich festgehaltenen Verfassung in Sachsen: Blaschke, S. 12– (rechte Spalte)13