Benutzer:Hoffest/Dresdens Oberschicht

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König August II. im Harnisch und Hermelin­mantel sowie mit der Schärpe des Ordens vom Weißen Adler und dem Orden vom Goldenen Vlies, dessen Ritter er seit 1697 war (Gemälde auf Burg Stolpen)

Das Augusteische Zeitalter wird in der Geschichte vorrangig mit der Regierungszeit des ersten römischen Kaisers, Augustus (* 23. September 63 v. Chr. als Gaius Octavius in Rom; † 19. August 14 n. Chr. in Nola bei Neapel), in Verbindung gebracht. Dessen Herrschaft wurde schon von Zeitgenossen als Pax Augusta verklärt, eine Zeit lang anhaltenden inneren Friedens und Wohlstands.

Polnische Kronjuwelen
August III. (regierte von 1733 bis 1763, ab 1734 als polnischer König)

Eine solche Epoche mit gleichem Namen gibt es jedoch auch in Sachsen. Sie betrifft jene Zeit, als die Kurfürsten gleichzeitig als Könige Polen regierten. Damit gehörte Sachsen-Polen zu den bedeutenderen Mächten in Europa und Dresden wurde v. a. als Kunstmetropole berühmt. Die Gemäldegalerie stieg zu einer der wichtigsten Kunstsammlungen Europas auf, auch das Grüne Gewölbe zeugt von der Sammelleidenschaft der Wettiner. 1754 kam die Sixtinische Madonna nach Dresden. Antonio Lotti (Hofkapellmeister 17171719) und Johann Adolph Hasse (17331763) begründeten die Tradition der italienischen Oper.

Großen Einfluss besaßen als Minister Jakob Heinrich von Flemming und Heinrich von Brühl, der selbst Kunst sammelte und die Brühlsche Terrasse bebauen ließ. In jener Periode, in der der Dresdner Barock seinen Höhepunkt und auch seine Ablösung durch das Rokoko erlebte, die Zeit des Klassizismus anbrach, arbeiteten viele bedeutende Künstler und Kunstgelehrte in Dresden:

George Bähr | Bernardo Bellotto | Jean de Bodt | Samuel Bottschild | Gaetano Chiaveri | Christian Wilhelm Ernst Dietrich | Heinrich Christoph Fehling | Carl Heinrich von Heinecken | Charles Hutin | Johann Friedrich Karcher | Wolf Caspar von Klengel | Johann Christoph Knöffel | Johann Gottfried Knöffler | Friedrich August Krubsacius | Wilhelm Krüger | Zacharias Longuelune Johann Christoph Ludwig Lücke | Lorenzo Mattielli | Anton Raphael Mengs | Ismael Mengs | Adam Friedrich Oeser | Balthasar Permoser | Matthäus Daniel Pöppelmann | Johann Christoph Rost | Johann Georg Schmid | Gottfried Silbermann | Louis de Silvestre | Johann Alexander Thiele | Stefano Torelli | Johann Joachim Winckelmann

Die Regentschaften von August dem Starken und August III. waren durch ungehemmte Prachtentfaltung gekennzeichnet. Viele jener Bauten, die das Antlitz des historischen Dresdens bestimmen, entstanden in dieser Zeit. 1731 gab es sieben herausragende architektonische Werke in Dresden: das Zeughaus, die Kunstkammer, das Johanneum, die Augustusbrücke, das ostindianische Palais am weißen Tor in Alt-Dresden, den Zwingergarten, das Jägerhaus in Alt-Dresden.

Prägend für diese Epoche war das Schicksal der Gräfin Cosel. Nachdem die langjährige und einflussreiche Mätresse bei August dem Starken in Ungnade gefallen war, wurde sie 1716 auf die Festung Stolpen verbracht. Obwohl ihr August III. die Freilassung anbot, verbrachte sie bis zu ihrem Lebensende noch weitere drei Jahrzehnte auf der Festung.

Als Vertreter der Stadt hatten die Bürgermeister Dresdens die Interessen der Einwohner gegenüber dem Hof zu wahren. Vielfach, wie beim Bau der Frauenkirche, ging es dabei auch ums Geld. Nach dem Machtantritt von August dem Starken war zunächst noch Gabriel Tzschimmer im Amt. Ihm folgten u. a. Marcus Dornblüth, Christoph Heinrich Vogler, Burkhard Leberecht Behrisch und Christoph Bormann.

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Erinnerung an die Erfindung des Porzellans

Zu den berühmtesten Entwicklungen des Augusteischen Zeitalters gehört die Erfindung des Meißner Porzellans. August der Starke wollte von Johann Friedrich Böttger eigentlich Gold herstellen lassen. Am 28. März 1709 wurde stattdessen die Erfindung des Porzellans bekanntgegeben. Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung waren auch Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, Jacob Bartolomäi, Michael Nehmitz und Christoph Gottlob Lichtwer. Ab 1735 leitete Heinrich von Brühl die Porzellanmanufaktur Meißen. Der bekannteste Modelleur war Johann Joachim Kaendler.

Die Jahrzehnte des Augusteischen Zeitalters waren weniger friedlich als die Prachtbauten Dresdens vermuten lassen, jedoch spielten sich die Kriege zumeist außerhalb des sächsischen Territoriums ab. Insbesondere um die Vorherrschaft in Polen gab es wiederholt militärische Auseinandersetzungen, in die v. a. Schweden und Russland verwickelt waren. Das luxuriöse Leben am Hofe überstieg die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes und wurde schließlich auf Kosten der militärischen Schlagkraft finanziert. Das Augusteische Zeitalter endete mit dem Siebenjährigen Krieg von 1756 bis 1763, der auch Dresden schwere Zerstörungen brachte, in einer Niederlage gegen Preußen verbunden mit dem wirtschaftlichen Niedergang Sachsens.

Kategorie:Kurfürstentum Sachsen Kategorie:Frühe Neuzeit


Dresdens Oberschicht im zeitlichen Verlauf

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Seitliche Ansicht des Paradeplatzes. Rechts der Saturnustempel mit der Hochzeitgesellschaft, links der illuminierte Weißeritzhang.

Vom 16. Jahrhundert bis 1918 war Dresden Residenzstadt und Ort herrschaftlicher Repräsentation. Der hohe Adel wirkte über Hofämter direkt am sächsischen Herrscherhof. Die sächsischen Kurfürsten versuchten den Adel ganz Sachsens nah am Hof in Dresden zu binden um ihn so besser unter Kontrolle zu halten. Der Hofstaat stieg ab dem 17. Jahrhundert markant an und gehörte zu den größten im deutschen Raum. Es bildete sich die Schicht des Hofadels. Opulenz, Repräsentation wurden typisch im Augusteischen Zeitalter. Hoffeste wie das Saturnusfest gewannen überregionale Bekanntheit. Künstler und Kulturschaffende aus ganz Europa zogen nach Dresden und wirkten dort an den zahlreicher werdenden Kultureinrichtungen, die der Hof förderte. Die Stadt und seine Bevölkerung profitierte stark von dieser Form der Zivilisationsförderung, zum Beispiel in Form von repräsentativen Bautätigkeiten und damit verbundene konjunkturelle Belebung als auch die Schaffung eines höheren Luxusgewerbes für zahlungskräftigere Kundschaft. Die soziale Differenzierung der städtischen Gesellschaft vor allem nach oben stieg dadurch selbstverstärkend an. Die höchsten Vertreter der sächsischen Adelsklasse erwarben oder errichteten in Dresden eigene herrschaftliche städtische Palais. Dazu gehört das Kurländer Palais. Das kulturelle Kapital der Stadt stieg dadurch stark an. Auch im 19. Jahrhundert blieb der Glanz einer zwar bescheidener gewordenen, aber doch fortdauernden fürstlichen Repräsentation. Der sächsische Hof mit seinen weiterhin nur für enge Hofkreise zugänglichen Veranstaltungshöhepunkten bildete einen Mittelpunkt, mithin eine Stadt in der Stadt. Kulturelle Verflechtung entstand nicht zuletzt durch die wirtschaftliche Infrastruktur, die sich um den repräsentativen Sektor bildete. Allein die Ballkultur bewirkte die Bildung eines eigenen Wirtschaftssektors. Offizielle Hoflieferanten waren begehrte Titel für städtische Unternehmer. Die kulturellen Vorgaben des Hofs waren prägend für die städtische Gesellschaft. In Dresden sei „selbst der geringste noch Feinfühlig und allem Groben fern“ hieß es im Volksmund. Selbst bei den unteren Ständen wirkte die Ausstrahlungskraft des Hofes also durch.[1] Dresdens bürgerliche Oberschicht kopierte das adelige Vorbild, gab sich gebildet. Einladungen für private Bälle gingen nur an eine ausgesuchte Gesellschaft.[2] Sie versuchten dadurch Exklusivität und Glanz zu erzeugen. Im Hôtel de Pologne wurden traditionell in der Karnevalszeit Assemblées dansantes veranstaltet, die eine hohe Beliebtheit aufwiesen. Man war bestrebt, die Mitglieder der Tanzgesellschaft durch Einladungen an auswärtige Gäste und nicht-Mitglieder der „Schönen Welt“ Dresdens zu vermehren.[3]

Der Einfluss der Kaufleute und landesherrlichen Beamten war zwar im 18. Jahrhundert gewachsen, die bürgerliche Oberschicht verdrängte die Handwerker aus dem Stadtrat. Dafür mussten sie sich häufige landesherrliche Eingriffe gefallen lassen.[4]

Die bürgerliche Oberschicht, Juristen etwa, die im Rat und in den städtischen Ämtern stark vertreten waren, Ärzte, Zunftmeister und Kaufleute, stand im öffentlichen Leben hinter dem Adel zurück.[5]

Elbschlösser
Die geistige und kulturelle Elite traf sich in der Villa Bienert in den 1920er Jahren.

Gottlieb Traugott Bienert begründete eine Dresdner Unternehmerfamilie, die Ende des 19. Jahrhunderts zu den reichsten Familien Dresdens gehörte.[6] Dazu gehörte auch Ida Bienert, die zu den wichtigsten Förderinnen und Sammlerinnen moderner Kunst im 20. Jahrhundert zählte. In ihrer (zurückhaltenden) Villa in Plauen in der Würzburger Straße 46, ein Ziegelbau mit Sandsteinverblendung, unterhielt sie einen halboffenen Salon, der zu einem wichtigen Anlaufpunkt der geistigen Dresdner Oberschicht, darunter vornehmlich Schriftsteller und Künstler in den 1910er und 1920er Jahren wurde.[7]

Das Interaktionsfeld der damaligen Elite Dresdens war institutionell und personell vielschichtig gefächert. Es entstanden zum Beispiel folgende „Institutionen“:

Insgesamt ist ein klarer Schwerpunkt der Förderung der Kunstszene durch die Elitenvertreter Dresdens bis 1945 auf einem international führenden Niveau erkennbar.

Die Initiativen der Elitenvertreter in Dresden und woanders entsprangen keiner Menschenliebe, sondern waren Mittel zum Zweck, um zur Gruppe der Oberschicht dazu gehören zu dürfen. Dafür wurde ein Investment in die Dresdner Infrastruktur aus Privatmitteln erwartet.

Georg Arnhold und Max Arnhold die Inhaber des Bankhauses Gebrüder Arnhold waren, das bis zu seiner Arisierung und Übernahme durch die Dresdner Bank 1935/1938 eine der führenden deutschen Privatbanken war, gehörten ebenso zur Dresdens Oberschicht. Beide wirkten stark in die gesellschaftlichen Strukturen ihrer Zeit ein. Auch Karl August Lingner (Odol) oder der Tintenfabrikbesitzer August Leonhardi, der die erste wasserfeste Tinte auf den Markt brachte, gehörten zur Dresdner Oberschicht.

Bezogen auf die funktionale Elitenaufteilung in Sachsen galt bis zum Ende des Königreichs sinngemäß folgender Ausspruch: „In Chemnitz wurde der Wohlstand erarbeitet, in Leipzig das Geld verdient und in Dresden alles verprasst.“ Das bezieht sich auch auf das Sachsendreieck, das das Hauptbeziehungsnetzwerk sächsischer Eliten bis 1945 widerspiegelte:

Am nördlichen Elbhang zwischen Loschwitz und Pillnitz etablierte sich der Typus des Winzerhauses. Diese Gebäude dienten gleichzeitig als Sommerresidenzen der Dresdner Oberschicht.[9] Weitere Wohnsiedlung bildete die Villenkolonie Weißer Hirsch. Das soziale und kulturelle Kapital der Dresdner Oberschicht kam nach Auflösung der Monarchie 1918 erstmals ins Wanken. Ehrentitel verloren ihren Bezugsrahmen und ihren Stellenwert. Schwerpunkte des Engagements verschoben sich von der klassisch wirtschaftsbürgerlichen Philanthropie hin zum Mäzenatentum. Von vielfältigen gesellschaftlichen Aktivitäten und Engagements ausgehend, reduzierte sich die Rolle der Elitenangehörigen nur noch auf Anlagen von privaten Kunstsammlungen.[10]

Ruine des Residenzschlosses Dresden 1980.

Bis 1933 verstanden sich die städtischen Großbürger Dresdens in ihrem Lebensgefühl noch weiter als Residenzbürgertum. Das Leipziger Handelsbürgertum vertrat dagegen zeitgleich einen betriebsameren Ansatz.[11]

Aufgrund der angeordneten Enteignungswellen in der nun sowjetisch besetzten Zone, verlagerten Teile der ehemaligen Elitenangehörigen ihren Lebensmittelpunkt in die westlichen Besatzungszonen. Mit der Einführung des Sozialismus wurden die verbliebenen Angehörigen der Dresdner Oberschicht infolge der politischen Zäsur von 1945 weitgehend deklassifiziert und marginalisiert. Es entstand eine neue funktionale Elite der neuen machthabenden Gruppen. Diese besaßen keinen elitären Sozialisierungshintergrund, versuchten aber soziale Elitenpraktiken zu imitieren.[12] Was blieb waren refugienähnliche Sonderräume des Restbürgertums, die, solange sie lebten, untereinander eine Art Konservierung ihres gewohnten Lebensstils fortführten.[13]

Als Initiative der etablierten sozialistischen Gesellschaft zur Gestaltung einer Avantgarde entstand das Etablissement Dresdner Club oder „Dresdner Klub der Intelligenz“ im Lingnerschloss. Die nach 1945 folgenden „neuen“ ostdeutschen Eliten vertraten angestellte Leitungskräfte, Direktoren, Künstler, Intellektuelle und Vertreter der allgemeinen Intelligenz.[14]

  • Christian Galonska: Die Wirtschaftselite im gesellschaftlichen Abseits: Von der Klasse an sich zur Klasse für sich?, Springer-Verlag, 2012
  • Christian Welzel: Demokratischer Elitenwandel: Die Erneuerung der ostdeutschen Elite aus demokratie-soziologischer Sicht. Springer-Verlag, 2013
  • Matthias Meinhardt: Dresden im Wandel: Raum und Bevölkerung der Stadt im Residenzbildungsprozess des 15. und 16. Jahrhunderts, Band 4 von Hallische Beiträge zur Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Oldenbourg Verlag, 2010

Einzelnachweise

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  1. Rolf Lindner: Dresden: ethnografische Erkundungen einer Residenzstadt. Leipziger Universitätsverlag, 2006, S. 239.
  2. Rolf Lindner: Dresden: ethnografische Erkundungen einer Residenzstadt. Leipziger Universitätsverlag, 2006, S. 252.
  3. Leander Büsing: Vom Versuch, Kunstwerke zweckmäßig zusammenzustellen: Malerei und Kunstdiskurs im Dresden der Romantik, Band 2 von Dortmunder Schriften zur Kunst / Studien zur Kunstgeschichte, (Hrsg. Nils Büttner, Barbara Welzel), ISBN 9783842359154, S. 50
  4. Karl Czok: August der Starke und Kursachsen. Koehler & Amelang, 1990, S. 11.
  5. Günter Klieme: Dresden: Silhouetten einer Stadt. Edition Leipzig, 1985, S. 52
  6. Eva Maria Gajek, Anne Kurr, Lu Seegers: Reichtum in Deutschland: Akteure, Räume und Lebenswelten im 20. Jahrhundert. Wallstein Verlag, 2019, S. 99.
  7. Eva Maria Gajek, Anne Kurr, Lu Seegers: Reichtum in Deutschland: Akteure, Räume und Lebenswelten im 20. Jahrhundert. Wallstein Verlag, 2019, S. 104f.
  8. Eva Maria Gajek, Anne Kurr, Lu Seegers: Reichtum in Deutschland: Akteure, Räume und Lebenswelten im 20. Jahrhundert. Wallstein Verlag, 2019, S. 105.
  9. Gilbert Lupfer, Bernhard Sterra, Martin Wörner: Architectural guide to Dresden, Reimer, 1997, S. 133
  10. Eva Maria Gajek, Anne Kurr, Lu Seegers: Reichtum in Deutschland: Akteure, Räume und Lebenswelten im 20. Jahrhundert. Wallstein Verlag, 2019, S. 108.
  11. Dr. Wilhelm Rausch (Stadtarchivar.): Städtische Kultur in der Barockzeit, Österr. Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung, Band 6 von Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas, 1982, S. 290
  12. Eva Maria Gajek, Anne Kurr, Lu Seegers: Reichtum in Deutschland: Akteure, Räume und Lebenswelten im 20. Jahrhundert. Wallstein Verlag, 2019, S. 98.
  13. Eva Maria Gajek, Anne Kurr, Lu Seegers: Reichtum in Deutschland: Akteure, Räume und Lebenswelten im 20. Jahrhundert. Wallstein Verlag, 2019, S. 115.
  14. Rainer Geißler: Die Sozialstruktur Deutschlands: Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung. Mit einem Beitrag von Thomas Meyer, Springer-Verlag, 2009, S.130

Kategorie:Elitesoziologie Kategorie:Kultur (Dresden) Kategorie:Sächsische Geschichte