Benutzer:Infinity ive/Menschliches, Allzumenschliches
Menschliches, Allzumenschliches - ein Buch für freie Geister ist eine Sammlung von Aphorismen vom Philosophen Friedrich Nietzsche. Sie wurde im Jahre 1878 herausgegeben.
Die Aphorismensammlung Menschliches, Allzumenschliches gliedert sich in folgende Abschnitte:
- Erster Band
- Vorrede
- Von den ersten und letzten Dingen
- Zur Geschichte der moralischen Empfindungen
- Das religiöse Leben
- Aus der Seele der Künstler und Schriftsteller
- Anzeichen höherer und niederer Kultur
- Der Mensch im Verkehr
- Weib und Kind
- Ein Blick auf den Staat
- Der Mensch mit sich allein
- Unter Freunden. Ein Nachspiel
- Zweiter Band
- Vorrede
- Vermischte Meinungen und Sprüche
- Der Wanderer und sein Schatten
- Nachwort
Überblick
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Man sieht schon anhand des Inhaltsvezeichnisses, dass Nietzsche mit Menschliches, Allzumenschliches ein Werk schaffen wollte, das ganz nach sokratischer Idee "die Philosophie vom Himmel auf die Erde bringt".
Man kann Nietzsches Werk in 4 Phasen unterteilen: Die erste als Zeitkritiker und kultureller Erzieher mit Geburt der Tragödie, die zweite als kritischer Aufklärer und entlarvender Psychologe mit Werken wie Die fröhliche Wissenschaft, Morgenröthe, Menschliches, Allzumenschliches – und nach dem Zwischenspiel als dichterischer Prophet in Also sprach Zarathustra - schließlich das Finale als "Philosoph mit dem Hammer" in Schriften wie Jenseits von Gut und Böse.[1]
Nietzsches Nihilismus ist die Grundlage für die Entfaltung eines neuen und befreiten Lebens. Nur die Zerschlagung des "alten" Denkens in Kunst, Religion und Moral gibt dem "freien Geist" die Möglichkeit in Distanz zu sich und der Welt die überlieferten Illusionen zu überwinden und zu den eigentlichen Werten, nach Nietzsche dem besten Teil seiner diesseitigen Existenz, vorzudringen. Dieser geistigen Haltung entspricht sein aphoristisches Denken, das starre Begriffe und Systeme meidet und in Menschliches, Allzumenschliches zu Tage tritt.
Zentral für Nietzsche ist die Kritik am freien Willen und das notwendigerweise darauf aufbauende System von Schuld. Sobald es keinen freien Willen gibt, kann es auch keine Schuld, Bestrafung oder Lob geben, da der Einzelne nicht für seine Handlungen verantwortlich ist. Lob und Tadel dienen, nach Nietzsche, dazu zukünftige Ereignise zu beeinflussen und nicht um Vergangene zu tadeln.
„Reue - Niemals der Reue Raum geben, sondern sich sofort sagen: Dies hieße ja der ersten Dummheit eine zweite zugesellen. - Hat man Schaden gestiftet, so sinne man darauf, Gutes zu stiften. - Wird man wegen seiner Handllungen gestraft, dann ertrage man die Strafe mit der Empfindung, damit schon etwas Gutes zu stiften: man schreckt die anderen damit ab, in die gleiche Torheit zu verfallen. Jeder gestrafte Übeltäter darf sich als Wohltäter der Menscheit fühlen.“
Im Allgemeinen kritisiert Nietzsche die Moral an sich und die christliche Moral im Speziellen. Weiterhin führt Nietzsche jegliche Handlung eines Menschen auf den Überlebensinstikt zurück. Nach seiner Philosophie gibt es keine Handlung, die der Mensch nicht aus Überlebensinstinkt macht. Selbst wenn eine Handlung schädigend erscheint, so glaubt der jenige der sie ausführt in dem Moment im Inneren, dass sie doch nützlich sei für sein Überleben.
Mit der Publikation Menschliches, Allzumenschliches - ein Buch für freie Geister wird die Entfremdung von Richard Wagner und schopenhauerscher Philosophie deutlich:
„Was ich aber immer wieder am nötigsten brauchte, zu meiner Kur und Selbst-Wiederherstellung, das war der Glaube, nicht dergestalt einzeln zu sein, einzeln zu sehn,- ein zauberhafter Argwohn von Verwandschaft und Gleichheit in Auge und Begierde, ein Ausruhen im Vertrauen der Freundschaft, eine Blindheit zu zweien ohne Verdacht und Fragezeichen, ein Genuß an Vordergründen, Oberflächen, Nahmen, Nächstem, an allem, was Farbe, Haut und Scheinbarkeit hat. Vielleicht, daß man mir in diesem Betrachte mancherelei "Kunst", mancherlei feinere Falschmünzerei vorrücken könnte: zum Beispiel, daß ich wissentlich-willentlich die Augen vor Schopenhauers blindem Willen zur Moral zugemacht hätte, zu einer Zeit, wo ich über Moral schon hellsichtig genug war; insgleichen daß ich mich über Richard Wagners unheilbare Romantik betrogen hätte, wie als ob sie ein Anfang und nicht ein Ende sei, insgleichen über die Griechen, insgleichen über die Deutschen und ihre Zukunft - und es gäbe vielleicht noch eine ganze Liste solcher Insgleichen?[...]“[2]
Zitate aus dem Kapitel "Von den ersten und letzten Dingen"
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nachfolgend wollen wir einige Aphorismen (Stücke) herausgreifen und sie näher betrachten.
Im Stück Schlechte Gewohnheiten im Schließen schreibt Nietzsche um bestehende Verhälttnisse anzugreifen:
„Die gewöhnlichsten Irrschlüsse der Menschen sind diese: eine Sache existiert, also hat sie ein Recht. [...] Die Umkehrung der Sätze lautet: Eine Sache kann sich nicht durchsetzen, erhalten, also ist sie unrecht.[...]“[3]
Durch Aussagenlogik wollen wir Nietzsches Schlussfolgerung transparent machen: Die Aussage soll für "Eine Sache existiert" stehen und die Aussage für "Eine Sache ist gut". Folgende Implikation ist nach Nietzsche ungültig: , da sonst auch gültig wäre, was, nach Nietzsche, nicht der Fall ist. Wir können durch Umformung zeigen, dass die beiden Aussagen equivalent sind:
Im Stück Logik des Traumes schreibt Nietzsche:
„Im Schlafe ist fortwährend unser Nervensystem durch mannigfache innere Anlässe in Erregung, fast alle Organe sezernieren und sind in Tätigkeit, das Blut macht seinen ungestümen Kreislauf, die Lage des Schlafenden drückt einzelne Glieder, seine Decken beeinflussen die Empfindung verschiedenartig, der Magen verdaut und beunruhigt mit seinen Bewegungen andere Organe, die Gedärme winden sich, die Stellung des Kopfes bringt ungewöhnliche Muskellagen mit sich, die Füße, unbeschuht, nicht mit den Sohlen den Boden drückend, verursachen das Gefühl des Ungewöhnlichen [...] So weiß jeder aus Erfahrung, wie schnell der Träumende einen starken an ihn dringenden Ton in seinen Traum verflicht, das heißt aus ihm hintendrein erklärt, so daß er zuerst die veranlassenden Umstände, dann jenen Ton zu erleben meint. - Wieso kommt aber, dass der Geist des Träumenden immer so fehlgreift, während derselbe Geist im Wachen so nüchtern, behutsam und in bezug auf Hyptohesen so skeptisch zu sein pflegt? - so da0 ihm die erste beste Hypothese zur Erklärung eines Gefühls genügt, um sofort an ihre Wahrheit zu glauben?[...] Ich meine: wie jetzt noch der Mensch im Traume schließt, so schloß die Menschheit auch im Wachsen viele Jahrtausende hindurch: die erste causa, die dem Gesite einfiel, um irgend etwas, das der Erklärung bedurfte, zu erklären, genügte ihm und galt als Wahrheit. (So verfahren nach den Erzählungen der Reisenden die Wilden heute noch.)[...]“[4]
Man sieht, dass Nietzsche mit diesem Vergleich bestehende Verhältnisse anfechtet und einfache Vergleiche verwendet, um dem Leser zu illustrieren, wie es sich seiner Meinung nach verhält, unbegründete Fakten unreflektiert zu glauben.
Zitatnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Sokrates als Problem – der Angriff Nietzsches. Vortrag von Dr. phil. Florian Roth an der Münchner Volkshochschule, 18.2.05, S. 3
- ↑ Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister S.10 - ISBN: 3-442-07596-3
- ↑ Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister S.38 - ISBN: 3-442-07596-3
- ↑ Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister S.25 - ISBN: 3-442-07596-3