Benutzer:Leif Czerny/The Fable of the Bees
Die Bienenfabel (eng. The Fable of the Bees) ist eine Veröffentlichung von Bernard Mandeville, die einen grundlegenden Beitrag zur Debatte über Ethik, Ökonomie und Sozialtheorie im England des frühen 18. Jahrhunderts leistete. Mandeville, ein aus den Niederlanden stammender Arzt und Sozialtheoretiker, brachte 1705 zunächst anonym das satirische Gedicht Der unzufriedene Bienenstock (The Grumbling Hive: or, Knaves Turn’d Honest) als Sixpenny-Broschüre heraus, die so stark nachgefragt wurde, dass bereits im selben Jahr ein Raubdruck erschien. In letzter Ausgabe umfasst sie außer dem Gedicht Der unzufriedene Bienstock eine Prosa-Besprechung des Gedichtes und verschiedene vertiefende Essays und Dialoge.
Mandville bentont bereits im Gedicht die Unvereinbarkeit traditioneller asketischer Tugenden mit dem Gemeinwohl. Über die eigentliche Stoßrichtung des satirischen Werks war man sich jedoch bis ins 20. Jahrhundert hinein uneins:[1] Es wurde sowohl im Sinne eines ökonomischen Amoralismus bzw. eines nur an der volkswitschaftlichen Bilanz orientierten Utilitarismus gelesen, als auch als einer moralische Attacke gegen den Liberalismus. Moderne Interpreten halten jedoch diese extremen Lesarten für falsch. Wohlwollend interpretiert, glaubt Mandeville nicht an eine motivierendene Kraft ethischer Werte. Statt dessen schlägt er vor, aus Gründen ökonomischer Rationalität selbstbezogene Antriebe (Eitelkeit, Stolz, Gewinnstreben etc.) durch gezielte Regulation in ordnungs- und wohlstandsstiftende Bahnen zu lenken. Dazu wird die Illusion befördert, das moralisches Verhalten eine persönliche Leistung sei, die auf einem spezifischen Antrieb beruht. Damit stand er im Widerspruch zur moralischen Theorie sowohl der Kirchen, als auch führender liberaler Veretreter einer "natürlichen Moral", vor allem Shaftesbury.
Allgemeines
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die provokanten ethischen Anschauungen, die Mandeville in der Bienenfabel formuliert, lösten schon unter den Zeitgenossen eine lebhafte Diskussion aus. Dass persönliche Tugenden wie Genügsamkeit, Friedfertigkeit etc. für Bestehen, Fortschritt und Wohlergehen der Gesellschaft weniger förderlich seien als Luxus, Verschwendung, Krieg und Ausbeutung, erregte Widerspruch. Das Obergericht von Middlesex erklärte die Bienenfabel für geeignet, „alle Religion und bürgerliche Herrschaft“ umzustürzen, wogegen Mandeville sich in einer „Rechtfertigung“ wehren musste (in der dritten Auflage von 1724). Widerspruch erntete er vor allem bei George Berkeley, Francis Hutcheson und in gewissem Grad auch Adam Smith.
Mandeville beeinflusste nicht nur die historische Debatte, sondern auch die Ausformulireung der klassischen Nationalökonomie. Das Gedicht nimmt Grundgedanken der klassischen Nationalökonomie vorweg, etwa den Wert der Arbeitsteilung und die Rolle der „unsichtbaren Hand“, die erst durch Smith theoretisch ausformuliert wurden. Auch übernahm Smith aus der Bienenfabel zahlreiche Beispiele, um seine alternativen Hypothesen gewissermaßem im Kontrast darzustellen.[2] Edwin Cannan, der Herausgeber der von Smith' Wealth of Nations hat in der Ausgabe von 1904 hat einige Passagen aufgewiesen, in denen Smith von Mandeville beeinflusst wurde.[3]
Von zentraler Bedeutung ist im Untertitel des Gedichts ausgedrückte Mandeville-Paradox, „private Laster, öffentliche Vorteile“: Das Gedicht legt dar, inwiefern gerade die Untungenden Einzelner, die Anderen durchaus zum Nachteil gereichen, durch gesellschaftliche Mechanismen das Wohlergehen der Gesamtgesellschaft beförden. In der klassischen Nationalökonomie bei Smith werden die „privaten Laster“ allerdings auf die Verfolgung des rationalen Eingeninteresses den homo oeconomicus reduziert.
Der unzufriedende Bienenstock
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Gedicht The Grumbeling Hive (dt. Der murrende Bienenstock oder Wie Schurken redlich wurden) erschien zunächst 1705. In Gestalt einer Tierfabel kommentiert Mandville das vermutlich das zeitgenössische England. Es handelt sich um ein im Grunde prosperierendes Gemeinwesen, in dem jedoch als Ergebnis von Krisen Unmut über Korruption und unsittliches Verhalten laut werden. In der Fabel „gewährt“ eine höhere Macht den Wunsch nach einer moralischen Wende und macht alle Einwohner unfähig zur Unehrlichkeit. In der Folge zeigt sich, dass das Gemeinwesen daraufhin die Korruption beseitigt, damit aber auch ihrem Wohlstand und ihrer Wehrhaftigkeit die Grundlage entzieht. Am Ende muss das Bienenvolk seinen Bienenstock aufgeben und - stark dezimiert - in einen hohlen Baum umsiedeln. Mandeville stellt damit dar, dass die moralische Unvollkommenheit nötig ist, um einen zivilisatorischen Stand zu erreichen und zu halten: nicht nur wegen der Laster des Genusses, die für eine starke Binnenachsfrage unerlässlich sind, sondern gerade auch Feigheit, Konkurrenz und Neid, die Antriebe und Grundlage des politischen Treibens, der Akkumulation von Wohlstand und des militärischen Erfolgs sind. All diesen Lastern geht jedoch die Fähigkeit zu Verstellung, Unehrlichkeit oder sogar Betrug voraus; für den Austausch in der Gesellschaft ist es wichtig, dass die Laster im Einzelnen gezielt verborgen werden können, gerade wenn sie gestillt werden.
Während Mandeville zumindest als Voraussetzung seiner Fabel die Grundannahme des Puritanismus teilt, das der Mensch im Wesentlichen lasterhaft ist und im Namen der Tugend alles Weltliche ablehnen sei, verspottet er dessen Konsequenz einer Ablehnung alles Weltlichen und warnt eindringlich vor den Folgen. Nach Keynes schildert die Bienenfabel „das entsetzliche Elend, in das sich eine wohlhabende Gesellschaft stürzt, als alle ihre Mitglieder mit einem Mal auf jeglichen Luxus verzichten und der Staat die Rüstung aufgibt - aus Sparsamkeit…“[4] Mandeville wendet sich damit aber nicht spezifisch den Puritanismus, sondern führt auch die großen Utopien, etwa eines Francis Bacon, in denen korruptions- und lasterfreie autarke Staaten mit höchstem Zivilisationsniveau beschrieben wurden. Statt einer moralischen Wende schlägt er vor, die Laster lediglich durch das Gesetz regulieren zu lassen.
Das Gedicht endet mit den Zeilen:
So klagt denn nicht: für Tugend hat's |
Prosaerweiterung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mandeville erweiterte den Text allmählich um Anmerkungen, zur erläuterung einzelner Zeilen des Gedichts, dann um Essays und Dialoge zur heutigen Fassung der Bienenfabel. Die erste Erweiterung erschien (wieder anonym) 1714 unter dem Titel Die Bienenfabel, oder Private Laster, öffentliche Vorteile (The Fable of The Bees: or, Private Vices Publick Benefits). Mandeville ließ den Text weiter ergänzt 1723 erscheinen. Der späteren Auflage der Bienenfabel von 1732 fügte er ausführliche Dialoge und Essays zur erläuterung seiner Ansichten bei. Auch diese brachte es zu mehreren Auflagen und erlebte 1761 eine deutsche Übersetzung.
Mandeville fasst seine Position dort wie folgt zusammen:
„When once Men come to be govern’d by written Laws, all the rest comes on a-pace. Now Property, and Safety of Life and Limb, may be secured: This naturally will forward the Love of Peace, and make it spread. No number of Men, when once they enjoy Quiet, and no Man needs to fear his Neighbour, will be long without learning to divide and subdivide their Labour...
Man, as I have hinted before, naturally loves to imitate what he sees others do, which is the reason that savage People all do the same thing: This hinders them from meliorating their Condition, though they are always wishing for it: But if one will wholly apply himself to the making of Bows and Arrows, whilst another provides Food, a third builds Huts, a fourth makes Garments, and a fifth Utensils, they not only become useful to one another, but the Callings and Employments themselves will in the same Number of Years receive much greater Improvements, than if all had been promiscuously follow’d by every one of the Five...
The truth of what you say is in nothing so conspicuous, as it is in Watch-making, which is come to a higher degree of Perfection, than it would have been arrived at yet, if the whole had always remain’d the Employment of one Person; and I am persuaded, that even the Plenty we have of Clocks and Watches, as well as the Exactness and Beauty they may be made of, are chiefly owing to the Division that has been made of that Art into many Branches.“
Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schon die Ausgabe von 1714 war rasch berüchtigt geworden, da man darin zunächst vor allem einen Angriff auf die christlichen Tugenden und bestimmte Personen- bzw. Berufsgruppen im zeitgenössischen England sah. Durch die ironische Brechung ist aber bisheut nicht eindeutig, was die eigentliche Absicht des Werkes war. Mandeville sagte selbst dazu:
„Welches Land im ganzen Universum nun auch immer hier durch den Bienensotck dargestellt wird, klar ist, dass es nachdem, was über seine Gesetze und Verfassung gesagt wird und über Ruhm, Wohlstand, Macht und Geschäftigkeit seiner Bewohner, eine große, reiche und kiriegerische Nation sein muss, die zufrieden von einer beschränkten Monarchie regiert wird. Die Satire, die man in den darauffolgenden Zeilen vorfindet über mehrerlei Berufsstände und über Leute von jedem Rang, zielt daher nicht darauf, bestimmte Personen zu verletzen und bloß zu stellen, sondern darauf, die Übelkeit der Zutaten darzustellen, die gemeisam die Mischung einer gesunden Gesellschaft auasmachen; um die wundersame Kraft der politischen Weisheit hervorzuheben, durch die auf so schöne Weise ein Mechanismus aus nichtwüdigen teilen erreichtet wird. Denn der Hauptzewck der Fabel (wie er ja auch in der Moral kurz erläutert wird) ist die Darstellung der Unmöglichkeit, die eleganten Anehmlichkeiten das Lebens zu genießen, die man in einer geschäftigen, wohlhabenden und mächtigen Nation antrifft und zugleich mit den Tugenden und der Unschuld gesegnet zu sein, wie man sie in einem Goldenen Zeitalter sich erhofft; und somit die Unvernunft und Narrhaftigkeit derjenigen aufzuzeigen, die zum einen höchst gerne ein opulentes und gedeihendes Volk sich wünschen, und herrlich begierig nach allen Vorteilen, die das mit sich bringt, und die zuglich immer murren und Anwürfe erheben gegen die Laster und das Ungemach, die seit Anbeginn der Welt bis heute, untrennbar mit allen Köngireichen und Staaten verbunden waren, die sich jemals ihrer Stärke, Reichtümer, und Höflichkeit rühmen konnten.“
„What Country soever in the Universe is to be understood by the Bee-Hive represented here, it is evident from what is said of the Laws and Constitution of it, the Glory, Wealth, Power and Industry of its Inhabitants, that it must be a large, rich and warlike Nation, that is happily govern’d by a limited Monarchy. The Satyr therefore to be met with in the following Lines upon the several Professions and Callings, and almost every Degree and Station of People, was not made to injure and point to a particular Persons, but only to shew the Vileness of the Ingredients that all together compose the wholesome Mixture of a well-order’d Society; in order to extol the wonderful Power of Political Wisdom, by the help of which so beautiful a Machine is rais’d from the most contemptible Branches. For the main Design of the Fable, (as it is briefly explain’d in the Moral) is to shew the Impossibility of enjoying all the most elegant Comforts of Life that are to be met with in an industrious, wealthy and powerful Nation, and at the same time be bless’d with all the Virtue and Innocence that can be wish’d for in a Golden Age; from thence to expose the Unreasonableness and Folly of those, that desirous of being an opulent and flourishing People, and wonderfully greedy after all the Benefits they can receive as such, are yet always murmuring at and exclaiming against those Vices and Inconveniences, that from the Beginning of the World to this present Day, have been inseparable from all Kingdoms and States that ever were fam’d for Strength, Riches, and Politeness, at the same time.“
Mandville gilt weithin als ernsthafter Ökonom und Philosoph. Seine Vorstellungen der Arbeitsteilung gehen zum Teil auf William Petty, und nehmen Adam Smith vorweg.[5]
Jean-Jacques Rousseau rezipierte die Bienenfabel ausführlich im ersten Teil seiner Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Hubertus Busche Von der Bedürfnisbegrenzungsmoral zur Bedürfniskultivierungsmoral — Alte Ethik und neue Ökonomie bei Bernard Mandeville in ARSP: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie / Archives for Philosophy of Law and Social Philosophy, Vol. 87, No. 3 (2001), S. 338
- ↑ Eine Streitschrift…, Essay von Ursula Pia Jauch. Carl Hanser Verlag, München 2001.
- ↑ Vgl. die Anmerkungen bei Adam Smith: 1904. S. 3, 10, 12, 14, und 102.
- ↑ Im Original: "… the appalling plight of a prosperous community in which all the citizens suddenly take it into their heads to abandon luxurious living, and the State to cut down armaments, in the interests of Saving" John Maynard Keynes: The General Theory of Employment, Interest and Money. Macmillan & Co Ltd, 1964. , p. 360.
- ↑ The Wealth Of Nations, Glasgow Edition, Fußnote S. 27, section I.ii.3
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Textausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bernard Mandeville, Die Bienenfabel oder Private Laster, öffentliche Vorteile. Mit einer Einleitung von Walter Euchner. 2. Aufl. Frankfurt/Main 1980 (stw 300). ISBN 3-518-27900-9 Die deutsche Ausgabe folgt dem Text der dritten Auflage von 1724. Alle Zitate mit Seitenangabe stammen aus dieser Ausgabe.
- The Fable of the Bees: or, Private Vices, Publick Benefits. By Bernard Mandeville. With a Commentary Critical, Historical, and Explanatory by F. B. Kaye, 2 vol. Oxford 1924, 2. Aufl. 1957. Die maßgebliche kritische Edition.
Sekundärquellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Paul Sakmann: Bernard de Mandeville und die Bienenfabel-Controverse. Eine Episode in der Geschichte der englischen Aufklärung Leipzig, Tübingen 1897.
- Wilhelm Deckelmann: Untersuchungen zur Bienenfabel Mandevilles und zu ihrer Entstehungsgeschichte, Hamburg 1933
- Perter Cornelius Mayer-Tasch: ZUR POLITISCHEN ANTHROPOLOGIE VON BERNARD DE MANDEVILLE in: Politische Vierteljahresschrift, Bd. 16, No. 3 (1975), S. 293-302 online auf JSTOR
- Hubertus Busche: Von der Bedürfnisbegrenzungsmoral zur Bedürfniskultivierungsmoral – Alte Ethik und neue Ökonomie bei Bernard Mandeville, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 87(2001), 338-362. ISSN 0001-2343 online auf JSTOR
- Walter Euchner: Versuch über Mandevilles Bienenfabel, in: ders., Egoismus und Gemeinwohl. Studien zur Geschichte der bürgerlichen Philosophie. Suhrkamp 1973. Seite 74-131. ISBN 3-518-00614-2
- Reimund Ottow: Modelle der unsichtbaren Hand vor Adam Smith in: Leviathan, Bd. 19, No. 4 (1991), S. 558-574
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Leif Czerny/The Fable of the Bees im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Selected Bibliography (Charles W. A. Prior, Cambridge University)
- Niederländische Bernard-Mandeville-Webseite
- On-line-Ausgabe des urspünglichen Gedichts (Académie de Toulouse)
- Das vollständige Buch mit den begleitenden Essays (Universal Library)
- Hutcheson, Smith and the Division of Labor (Aufsatz von Peter C. Dooley, University of Saskatchewan)
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