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20. Jahrhundert

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Pontifikat Pius’ X.

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Pius X. nach seiner Krönung (1903)

Als Nachfolger Leos XIII. wünschte das Konklave 1903 „statt eines Diplomaten einen innerkirchlichen Praktiker.“[1] Pius X. (Giuseppe Melchiorre Sarto), der im Gegensatz zu seinen Vorgängern aus einfachen Verhältnissen stammte und Erfahrung als Landpfarrer mitbrachte, gilt als „konservativer Reformpapst.“[2] Maßgeblich für die Reformen, Überwachungs- und Disziplinarmaßnahmen des Pontifikats Pius’ X. waren drei Personen: der vom spanischen Integralismus geprägte Kapuziner José de Calasanz Félix Santiago Vives y Tutó als Beichtvater des Papstes, der Kardinal Gaetano De Lai und der Kardinalstaatssekretär Rafael Merry del Val.[3]

Eine Reform der Kurie war dringend notwendig, da die Behördenorganisation im Wesentlichen aus dem späten 16. Jahrhundert stammte: „ein Konglomerat von 37 Organen …, deren Zuständigkeit häufig unklar blieb, die vielfach miteinander in Konflikt gerieten.“[4] Die von De Lai geleitete Kardinalskommission reduzierte die Zahl der Dikasterien auf elf, regelte die Zuständigkeiten der Behörden und achtete auf eine gleichmäßigere Verteilung der Arbeit. Um der bisher üblichen Protektion entgegenzuwirken, gab es nun ein Beamtenrecht. Die Römische Rota wurde als oberstes Berufungsgericht wiederbelebt, Rechtsprechung und Verwaltung klar getrennt. Bei der Reform des Kirchenrechts wurde auch die Papstwahl neu geregelt; ein Veto von Regierungen gegen ihnen nicht genehme Kandidaten (Exklusive) war nun ausgeschlossen. Die Reformen von Brevier und Missale stärkten die Bedeutung des Kirchenjahrs und des Sonntags. Den Gläubigen wurde ein häufiger Empfang der Kommunion empfohlen, der sich ebenso wie ein frühes Erstkommunionsalter rasch durchsetzte. Diese liturgischen Reformen unterstützten das Anliegen der Liturgischen Bewegung, eine aktive Beteiligung des ganzen Kirchenvolks am Gottesdienst.[5]

Auf theologischem Gebiet setzte Pius X. den Kampf gegen den Modernismus bzw. Reformkatholizismus fort, welcher bereits die letzten Amtsjahre seines Vorgängers gekennzeichnet hatte. Mit dem Antimodernisteneid, der 1910 durch das Motu proprio Sacrorum antistitum vorgeschrieben wurde, erreichte dieser seinen Höhepunkt. Der disziplinäre Teil der Enzyklika Pascendi (1907) etablierte in der römisch-katholischen Kirche ein Überwachungssystem (vgl. die Aktivitäten des Sodalitium Pianum); viele Schreibverbote, Indizierungen und Exkommunikationen waren die Folge.[6]

Roger Aubert charakterisiert die Politik Pius’ X. und seines Kardinalstaatssekretärs Merry del Val als Rückkehr zur „Intransigenz der Zeiten Pius’ IX.“ mit schweren Verwerfungen in den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, dem Deutschen Reich, Frankreich, Spanien und Portugal.[7] Im Jahr 1904 verbot Frankreich allen Orden und Kongregationen die Lehrtätigkeit und beschlagnahmte das Klostervermögen. Das Kabinett Combes erklärte das Konkordat für beendet und brach am 7. Juli 1904 die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl ab. Am 11. Dezember 1905 folgte das Gesetz über die völlige Trennung von Staat und Kirche. Die römisch-katholische Kirche Frankreichs war von einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu einem privaten Kultusverein degradiert worden. In der Enzyklika Vehementer nos verwarf Pius X. das Trennungsgesetz. Die Mehrheit des französischen Episkopats war mit der Organisationsform in Kultusvereinen einverstanden. Aber der Vatikan ließ keinen Kompromiss zu und verschärfte am 10. August 1906 mit der Enzyklika Gravissimo officii munere noch das Verbot. Unterdessen lief eine Inventarisierung der Kirchengüter, die in Staatseigentum übergehen sollten. Es kam deswegen zu Unruhen. Pius X. hoffte auf eine Erhebung der französischen Bevölkerung gegen die Regierung. Doch die Mehrheit nahm die Trennung von Kirche und Staat gleichmütig hin. Das Ergebnis war eine wesentlich ärmere, dabei vom römischen Zentralismus stark geprägte Kirche. Nach dem Vorbild Frankreichs brachen auch Portugal und Spanien die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl vorübergehend ab.[8]

Im Jahr 1910 brach Pius X. unnötigerweise einen Konflikt vom Zaun, indem er in der Enzyklika Editae saepe die Reformatoren des 16. Jahrhunderts diffamierte. Preußen und Sachsen intervenierten beim Vatikan, der rasch einlenkte. Ungeschickt war auch die Weigerung, den amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt zu empfangen, weil dieser zu einem Staatsbesuch bei der „kirchenräuberischen“ Monarchie Italiens nach Rom gereist war. Diese Brüskierungen zeigen, so Schwaiger, dass im Pontifikat Pius X. das „diplomatische Feingefühl an der Kurie geschwunden war,“ zum Nachteil der Katholiken in den betroffenen Staaten.[9]

Erster Weltkrieg

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Benedikt XV. (1915)

Kurz nach Kriegsbeginn starb Pius X. Im Konklave unterlag der „Piuskreis“ um Kardinal Merry de Lai mit seinem Kandidaten Domenico Serafini. Im zehnten Wahlgang erreichte Giacomo della Chiesa (Benedikt XV.), der Erzbischof von Bologna, am 3. September 1914 die nötige Mehrheit. Er war ein enger Mitarbeiter des Kardinalstaatssekretärs Leos XIII., Mariano Rampolla del Tindaro († 1913), der während des Pontifikats Pius X. entmachtet worden war. Benedikt XV. knüpfte an die ausgleichende und diplomatische Amtsführung Leos XIII. an.[10]

Wassilowsky betont, dass die starke Zentralisierung und Papstorientierung, die während des Pontifikats Pius’ X. verbindlich wurde, ein Gegengewicht zu der Zersplitterung Europas in konkurrierende Nationalstaaten und nationalistische Bewegungen bildete. Der Papst stand demnach für einen universalen Heilsauftrag; daraus folgte eine „prinzipielle Äquidistanz gegenüber allen Staatsformen“, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts gewahrt wurde.[11] Ernesti betont, dass es sich nicht um Neutralität, sondern um Überparteilichkeit als Gegenbild zum Nationalismus handelte, die eine Konsequenz aus dem Universalismus des Papstamtes sei.[12]

Bereits in seiner Antrittsenzyklika Ad beatissimi apostolorum principis (1. November 1914) hatte Benedikt XV. die Kriegsgräuel thematisiert und die Regierungen zum Frieden aufgerufen. Das Königreich Italien hatte sich zwar seit 1882 mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich zum Dreibund zusammengeschlossen, erklärte sich aber bei Kriegsbeginn für neutral. Die vatikanische Diplomatie konnte den Kriegseintritt Italiens auf Seiten der Entente (23. Mai 1915) nicht verhindern. Die italienische Regierung hoffte auf Territorialgewinn im Norden und hatte von ihren neuen Verbündeten im Londoner Abkommen (26. April 1915) vorab die Zusicherung erhalten, dass der Vatikan von künftigen Friedensverhandlungen ausgeschlossen bliebe.[13] Das sollte etwaige Pläne zur Wiederherstellung des Kirchenstaats zunichtemachen. Die päpstliche Friedensdiplomatie gipfelte in der am 1. August 1917 veröffentlichten Friedensnote Dès le début: Abrüstung; Lösung von zwischenstaatlichen Konflikten durch ein Schiedsgericht; wechselseitiger und vollständiger Verzicht auf Reparationsleistungen; vollständiger Rückzug von Besatzungstruppen aus Belgien und Frankreich, Rückgabe der deutschen Kolonien; Prüfung von Gebietsansprüchen „in versöhnlichem Geist“ möglichst mit Mitsprache der jeweiligen Bevölkerung. Die Grundidee war, durch Vorleistungen der Mittelmächte die Regierungen der Entente für Verhandlungen zu gewinnen. Wien war allerdings nicht zum Verzicht auf Trient bereit. Nach dem Scheitern der päpstlichen Friedensinitiative setzte sich der Vatikan für Gefangenenaustausch ein und unterhielt einen Suchdienst.[14]

Zwischenkriegszeit

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An den Verhandlungen, die zum Friedensvertrag von Versailles führten, war der Vatikan nicht beteiligt. Ohne Prestigeverlust konnte sich der Papst nur an den amerikanischen Präsidenten wenden; er bat Woodrow Wilson in einer Note vom Mai 1919, sich für eine Milderung der Friedensbedingungen einzusetzen. Die französische und italienische Presse kritisierte diese wirkungslose Initiative als Parteilichkeit zugunsten Deutschlands. Der einzige Erfolg der vatikanischen Diplomatie blieb die Erhaltung der von deutschen Katholiken betriebenen Missionsstationen.[15] Das politische und moralische Gewicht des Vatikans war durch seine Friedensinitiativen gewachsen, so dass zahlreiche Staaten Gesandtschaften beim Vatikan gründeten. Das Deutsche Reich, außenpolitisch isoliert, war daran lebhaft interessiert.[16] In Frankreich hatte sich das zerrüttete Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche im Kriegsverlauf verbessert, da letztere eine patriotische Haltung einnahm. Die Rückgewinnung Elsass-Lothringens im Versailler Vertrag implizierte, dass Frankreich wieder diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl aufnahm, denn in Elsass-Lothringen blieb das Konkordat von 1801 in Kraft. Benedikt XV. gestand der französischen Regierung ein Vetorecht bei Bischofsernennungen zu. Orden und kirchliche Privatschulen wurden zugelassen.[17]

Aus dem Konklave 1922 ging ein Kompromisskandidat, der Mailänder Erzbischof Achille Ratti (Pius XI.), als neuer Papst hervor. Sein Leitkonzept war die Re-Christianisierung der modernen Gesellschaft. Das von ihm im Heiligen Jahr 1925 für die Gesamtkirche eingeführte Christkönigsfest sollte dieses Anliegen bekannt machen; den von Priestern rekrutierten und angeleiteten katholischen Laien war die Rolle der „Soldaten Christi“ zugedacht. Daraus ergab sich die päpstliche Unterstützung des Laiendachverbands Katholische Aktion. Mit der Enzyklika Casti connubii rückten die Themen Sexualität und Familienleben zu zentralen Bausteinen der katholischen Gesellschaftslehre auf.[18]

Unterstützt von den Kardinalstaatssekretären Pietro Gasparri und Eugenio Pacelli (dem späteren Papst Pius XII.) schloss Pius XI. mit verschiedenen Staaten Konkordate, von denen die Lateranverträge (1929) mit dem Königreich Italien herausragende Bedeutung hatten. Sie begründeten den souveränen Staat der Vatikanstadt, einer absoluten Wahlmonarchie. Als finanziellen Grundstock erkannte die italienische Regierung dem Vatikan eine einmalige Abfindung von 750 Millionen Lire in bar und einer Milliarde Lire in Staatspapieren mit fünfprozentiger Verzinsung zu. Der Heilige Stuhl stand sich damit schlechter, als wenn er die seit 1871 überwiesene Leibrente angenommen hätte, deren Betrag sich auf etwa vier Milliarden Lire addiert hatte, die nun an Italien zurückfielen.[19] Durch die Lateranverträge wurde der Katholizismus in Italien Staatsreligion. Das trug Benito Mussolini, der als Ministerpräsident auf italienischer Seite verhandelt hatte, Sympathien in kirchlichen Kreisen ein. Mussolini gab sich kirchenfreundlich; zu Konflikten kam es aufgrund des Totalitätsanspruchs des faschistischen Staats. Der Vatikan machte am 2. September 1931 weitgehende Zugeständnisse: die katholischen Jugendverbände wurden weitgehend den staatlich-faschistischen Jugendorganisationen (Balilla) eingegliedert und die kirchliche Erziehungsarbeit auf den religiösen Sektor beschränkt. Damit war ein Modus Vivendi mit dem Faschismus gefunden, auch wenn es in den Folgejahren immer wieder zu Differenzen kam, besonders, weil die italienische Regierung die NS-Rassengesetzgebung übernahm.[20]

In der Enzyklika Mit brennender Sorge übte Pius XI. 1937 deutliche Kritik am Nationalsozialismus; zwei Tage zuvor war die Enzyklika Divini redemptoris veröffentlicht worden, die eine entsprechende Verurteilung des Kommunismus enthielt. Nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs im März 1938 kündigte Hitler das österreichische Konkordat von 1933 auf, ohne dass die katholische Kirche Österreichs in das Reichskonkordat einbezogen wurde. Während des Pontifikats Pius’ XI. wurden aber nicht nur die rechtsgerichteten Diktaturen in Deutschland und Italien als Gefahr betrachtet, sondern ebenso sehr auch linksgerichtete politische Akteure, vor allem die Sowjetunion, mit der sich keine diplomatischen Beziehungen herstellen ließen, aber auch die Linksrepublikaner im Spanischen Bürgerkrieg und die linksgerichtete Regierung Mexikos (Partido Revolucionario Institucional). Ernesti sieht als Schwäche dieses Pontifikats die weiterhin hochgehaltene Äquidistanz zu allen politischen Systemen, die eine Unterstützung demokratischer Kräfte durch den Vatikan nicht zuließ: „Problematisch an der Außenpolitik Pius’ XI scheint weniger, dass er die rechten autoritären Regime gefördert hätte, als dass er die demokratischen Elemente als deren Gegengewicht nicht wirklich gestärkt hat.“[21]

Zweiter Weltkrieg

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Pius XII. (1939)

Aus dem Konklave 1939 ging der Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli als neuer Papst hervor; er nahm den Namen Pius XII. an. Georg Schwaiger zufolge erreichte in der Amtszeit Pius’ XII. „ein streng römischer, absolutistischer Pontifikatsstil seine höchste Aufgipfelung …, aber auch sein Ende.“[22] Pius XII. habe als autoritäre Persönlichkeit die Kirche „streng zentralistisch geleitet“, so dass Kardinalskongregationen und Kurienkardinäle in ihrer Bedeutung zurücktraten. Er brauchte zunehmend weniger enge Mitarbeiter, nach 1944 verzichtete er auch auf die Ernennung eines Kardinalstaatssekretärs.[23]

Pacelli entstammte dem Schwarzen Adel und war als Spitzendiplomat des Vatikans mit den Friedensinitiativen Benedikts XV. während des Ersten Weltkriegs sehr vertraut. Er war auch an den gegen Kommunismus und Nationalsozialismus gerichteten Enzykliken seines Vorgängers maßgeblich beteiligt. Im Zweiten Weltkrieg verfolgte Pius XII. nach eigenen Angaben die Maxime, „die Unparteilichkeit des Heiligen Stuhles unversehrt zu wahren, der Kriegsnot abzuhelfen und Wege zu einem für alle erträglichen Frieden zu suchen.“[24] Die letztere Formulierung lässt anklingen, dass der Papst eine Chance sah, bei künftigen Friedensverhandlungen als Vermittler tätig werden zu können, wenn er seine Überparteilichkeit in überzeugender Weise wahrte. Ein Testfall für die päpstliche Diplomatie war die Audienz, die Pius XII. dem deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop am 11. März 1940 gewährte. Sowohl der Papst als auch sein Kardinalstaatssekretär Luigi Maglione versuchten, die Gelegenheit zu nutzen, um konkrete Probleme der katholischen Kirche im Deutschen Reich anzusprechen, aber Ribbentrop wich aus. Die Audienz wurde international als Coup der deutschen Diplomatie wahrgenommen und in England und Frankreich, besonders aber von exilpolnischer Seite (in der Zeitung Głos Połski) bitter kritisiert.[25]

Die Bewertung seines Pontifikats ist unter Historikern umstritten. Saul Friedländer urteilt, dass Pius XII. sowohl hinsichtlich der Unterdrückung der Römisch-katholischen Kirche in Polen als auch der Euthanasiemorde im Reich öffentlich schwieg, aber diplomatisch immer wieder intervenierte. Am 30. September 1941 schrieb er an den Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing, mutiges Eintreten für die Opfer der Euthanasiegesetzgebung sei Sache der Ortsbischöfe, während „die allgemeine politische Lage in ihrer schwierigen und oft widerspruchsvollen Eigenart dem Oberhaupt der Gesamtkirche in seinen öffentlichen Kundgebungen pflichtmäßige Zurückhaltung auferlegt.“[26] Ein vergleichbares Engagement gegen den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden sieht Friedländer bei Pius XII. aber nicht. Sein Schweigen zu den Verfolgungsmaßnahmen, über die er gut informiert gewesen sei, erklärt Friedländer mit einem dominanten Antikommunismus kombiniert mit einer von der überwältigenden Mehrheit der Christen geteilten „religiösen und säkularen Kultur des Antisemitismus.“[27] Schwaiger dagegen betont, der Papst habe zum Holocaust nicht „einfach geschwiegen“, sondern sei überzeugt gewesen, „durch stille Hilfsmaßnahmen – ohne große, feierliche Proteste – den gehetzten Juden mehr helfen zu können.“[28] Das unter anderem von Schwaiger gebrachte Argument, der Vatikan habe den Verfolgten Hilfe geleistet, die, um effektiv zu sein, eben im Stillen geschehen musste, hat nach Einschätzung von José M. Sánchez den Nachteil, dass sich die Zahl der konkret durch päpstliches Eingreifen Geretteten nicht feststellen lasse. Andererseits bezweifelt er die Grundannahme vieler Kritiker, dass ein scharfer päpstlicher Protest gegen den Holocaust die deutsche Regierung veranlasst hätte, ihre Maßnahmen abzuschwächen oder gar einzustellen.[29]

Im Konklave 1958 galt der Patriarch von Venedig, Angelo Giuseppe Roncalli, von vornherein als Favorit.[30] Nach seiner Wahl nahm er den Namen Johannes XXIII. an. Beobachter stellten fest, dass sein Amtsvorgänger mit seinem klar antikommunistischen Kurs nach 1945 „dazu beigetragen habe, die [römisch-katholische] Kirche in die unselige Trennung zwischen Ost und West völlig hineinzuziehen: Sie befinde sich in der Zwangslage, sich mit der westlichen Welthälfte identifizieren zu müssen, und das widerspreche dem universalen Auftrag der Kirche.“[31]

Im Pontifikat Johannes’ XXIII. machte die sogenannte Vatikanische Ostpolitik Fortschritte, die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den kommunistischen Staaten und dem Heiligen Stuhl. Dessen Ziel war, die Situation der Katholiken in den Ländern des Warschauer Pakts zu verbessern, insbesondere vakante Bischofssitze neu zu besetzen. Im Hintergrund stand ein positiver Kontakt zwischen der Familie Nikita Chruschtschows und dem Papst. Dieser Gesprächskanal ermöglichte Johannes XXIII. eine erfolgreiche Vermittlung während der Kubakrise.[32]

Johannes XXIII. war ebenso wie sein Vorgänger durch Foto- und Filmaufnahmen der weltweiten Öffentlichkeit sehr präsent. Der Unterschied zwischen dem aristokratisch-asketischen Pius XII. und dem leutseligen Roncalli-Papst war auffällig. Doch erst postum und in der Nachwirkung des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde von ihm das Bild eines progressiven Papstes gezeichnet; tatsächlich sah sich Johannes XXIII. in Kontinuität mit seinen Amtsvorgängern.[33]

Zweites Vatikanisches Konzil

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Das Zweite Vatikanische Konzil hatte in Folge der Internationalisierung der Hierarchie einen bislang unbekannten weltkirchlichen Charakter. Von Johannes XXIII. einberufen, kam allein schon die Zusammenkunft von Bischöfen aus der ganzen Welt „einer gewissen Relativierung des Papstprimates gleich.“[34]

Entwicklung zur Weltkirche

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Die Wandlung der römisch-katholischen Kirche von einer europazentrierten zu einer echten Weltkirche wurde von den Päpsten im 20. Jahrhundert aktiv vorangetrieben. Den Anfang machte Benedikt XV. 1919 mit dem apostolischen Schreiben Maximum illud, das eine Abkehr vom Kolonialismus in der Weltmission einleitete. Gefördert von den Päpsten, entstanden in Asien, Afrika und Lateinamerika einheimische kirchliche Hierarchien; unter Pius XII. erhielt das Kardinalskollegium einen internationalen Charakter, Paul VI. förderte diese Internationalität auch in der Kurie.[35]

Johannes Paul II. in Polen, Weltjugendtag 1991

Wie keiner seiner Amtsvorgänger begeisterte Johannes Paul II. durch sein persönliches Charisma Menschenmengen. Massengottesdienste und Weltjugendtage stehen seitdem, so Wassilowsky, für eine „neuartige geistliche Eventkultur“. Kennzeichnend für sein Pontifikat waren die 104 Auslandsreisen mit dem von ihm erfundenen Ritual des Bodenkusses nach der Ankunft im Gastland. Das Papstamt war in dem langen Pontifikat Johannes Pauls II. so stark auf dessen Persönlichkeit zugeschnitten worden, dass die Wahl eines Nachfolgers aus seinem engen Umkreis folgerichtig erscheint. Benedikt XVI. versuchte, mit Rückgriffen auf alte Elemente des Papstzermoniells wie das Tragen des Camauro oder Saturno traditionelle Formen päpstlicher Amtsautorität zu reaktivieren, doch war er damit, so Wassilowsky, wenig erfolgreich.[36]

  1. Jörg HausteinPius X., Papst (1903–1914). In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 26, de Gruyter, Berlin / New York 1996, ISBN 3-11-015155-3, S. 667.
  2. Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 201.
  3. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 114–119.
  4. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 126.
  5. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 126–130; Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 186–189 und 192–195.
  6. Günther Wassilowsky: Pius X.. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 6, Mohr-Siebeck, Tübingen 2003, Sp. 1369–1370. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 145–156; Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 196–198.
  7. Roger Aubert: Pius X. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 8. Herder, Freiburg im Breisgau 1999, Sp. 333.
  8. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 132–140; Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 198–200.
  9. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 144 f.
  10. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 161–167.
  11. Günther Wassilowsky: Papsttum III 5. Päpstlicher Universalismus in der globalisierten Welt. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 6, Mohr-Siebeck, Tübingen 2003, Sp. 893–894.
  12. Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 211.
  13. Stefan Samerski: Der Hl. Stuhl und der Vertrag von Versailles. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte, Band 107 (1996), S. 355–375, hier S. 357.
  14. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 168–181; Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 213–219.
  15. Stefan Samerski: Der Hl. Stuhl und der Vertrag von Versailles. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte, Band 107 (1996), S. 355–375, hier S. 366–368; Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 221 f.
  16. Stefan Samerski: Der Hl. Stuhl und der Vertrag von Versailles. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte, Band 107 (1996), S. 355–375, hier S. 371 f.; Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 226.
  17. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 140.
  18. Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 239–242.
  19. Hartmut Benz: Finanzen und Finanzpolitik des Heiligen Stuhls (= SWG Beihefte, Band 108). Steiner, Stuttgart 1993, S. 16 f.
  20. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 230 f.; Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 248–250.
  21. Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 258.
  22. Georg Schwaiger: Papsttum I. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 25, de Gruyter, Berlin / New York 1995, ISBN 3-11-014712-2, S. 670–671.
  23. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 301 und 320.
  24. Pius XII.: Brief an den Trierer Bischof Franz Rudolf Bornewasser, 12. März 1944, hier zitiert nach: Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 292.
  25. Vgl. Manfred Clauss: Der Besuch Ribbentrops im Vatikan. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte, Band 87 (1976), S. 54–64.
  26. Hier zitiert nach: Saul Friedländer: Pius XII. und das Dritte Reich: Eine Dokumentation. Beck, München 2011, S. 217.
  27. Saul Friedländer: Pius XII. und das Dritte Reich: Eine Dokumentation. Beck, München 2011, S. 216.
  28. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 295.
  29. José M. Sánchez: Pius XII. und der Holocaust: Anatomie einer Debatte. Schöningh, Paderborn 2003, S. 140 und 144.
  30. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 314.
  31. Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert. München 1999, S. 319 f.
  32. Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 330–332.
  33. Jörg Ernesti: Geschichte der Päpste seit 1800, Freiburg/Basel/Wien 2024, S. 317 f.
  34. Günther Wassilowsky: Papsttum III 5. Päpstlicher Universalismus in der globalisierten Welt. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 6, Mohr-Siebeck, Tübingen 2003, Sp. 894.
  35. Günther Wassilowsky: Papsttum III 5. Päpstlicher Universalismus in der globalisierten Welt. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 6, Mohr-Siebeck, Tübingen 2003, Sp. 895–896.
  36. Günther Wassilowsky: Symbolische Repräsentation von Amt und Autorität im Papsttum. In: Matthias Reményi (Hrsg.): Amt und Autorität: Kirche in der späten Moderne. Schöningh, Paderborn 2012, S. 33–51, hier S. 47–50.