Bikeygees
Bikeygees e. V. | |
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Rechtsform | gemeinnütziger eingetragener Verein |
Gründung | 21. Oktober 2016 in Berlin |
Gründer | Annette Krüger und Anne Seebach |
Sitz | Berlin, Deutschland |
Zweck | Interkulturelles Projekt, das Frauen mit Migrations- oder Fluchterfahrung das Fahrradfahren beibringt |
Website | bikeygees.org |
Bikeygees e. V. (Eigenschreibweise: #BIKEYGEES e. V.) ist ein interkulturelles Projekt aus Berlin, das sich für Frauen mit Migrations- oder Fluchterfahrung engagiert. Ehrenamtliche Helferinnen bringen diesen in durch den Verein Bikeygees organisierten Trainings das Fahrradfahren bei. Ein Ziel des Vereins ist es, diese Frauen im Sinne eines Empowerments dabei zu unterstützen, mobiler zu werden.[1]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im September 2015[2] fingen die Eventmanagerin Annette Krüger und Anne Seebach damit an, geflüchteten Frauen auf dem Gelände einer Berliner Notunterkunft das Radfahren beizubringen.[3] Diese Initiative stieß auf hohe Resonanz. 2016 gründeten Krüger und Seebach daher Bikeygees e. V. und meldeten diese als gemeinnützigen Verein für Bildungs- und Integrationsarbeit an. Der Name ist ein Kofferwort aus den beiden englischen Begriffen „bike“ (Fahrrad) und „refugees“ (Geflüchtete).[4] Der Verein bezeichnete sich selbst in den Anfängen als „kleines Empowerment-Projekt“.[5] Annette Krüger ist dem Verein bis heute als Projektleiterin verbunden.[6]
Frauen und Mädchen mit und ohne Fluchterfahrung können an kostenlosen Radfahrtrainings teilnehmen, wobei neben praktischer Unterstützung beim Erlernen des Fahrradfahrens auch theoretischer Verkehrsunterricht in verschiedenen Sprachen angeboten wird.[7] Zudem lernen die Frauen Reparaturgrundlagen, um ihr Fahrrad selbst instandzuhalten.[8]
Das Training fand zunächst ausschließlich auf dem Übungsgelände der Jugendverkehrsschule am Wassertorplatz in Berlin-Kreuzberg statt. Mit Hilfe von Fördermitteln der Deutschen Fernsehlotterie wurden von Februar 2019 bis 2020 auch in den Berliner Randgebieten Marzahn und Hohenschönhausen Trainings durchgeführt und begleitende Fahrradtouren zum Vernetzen angeboten.[9][3] In Lichtenrade ist der Verein seit Juli 2019 aktiv. Im Jahr 2021 verfügte er über 15 Standorte in Berlin und Brandenburg, an denen regelmäßig Radfahrtrainings angeboten werden.[4]
Der Berliner Verein erlangte nicht nur überregionale, sondern weltweite Aufmerksamkeit. Berichterstattungen gab es durch englischsprachige[10] und italienische Medien und sogar durch das indische Fernsehen.[11] Im März 2023 traf die britische Queen Camilla Vertreterinnen des Vereins im Café Refugio in Berlin-Neukölln, in dem der Verein ein Büro betreibt.[8] Das Projekt fand darüber hinaus bereits Nachahmer: Die Schweizer Initiative Friends on Bikes mit Sitz in Zürich gibt Bikeygees explizit als Vorbild für die eigene Arbeit an.[12]
Mit Stand Februar 2024 hat der Verein nach eigenen Aussagen über 1100 Trainings durchgeführt, mehr als 1850 Frauen und Mädchen das Fahrradfahren beigebracht und mehr als 620 Fahrradsets ausgegeben, bestehend aus Fahrrad, Helm und Schloss.[5]
Vereinsziel und Hintergrund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ehrenamtliche Helferinnen bringen Frauen und Mädchen das Fahrradfahren bei, um diese dabei zu unterstützen, mobiler zu werden, als eine Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Deutschland.[13] Diese mangelnde Mobilität hat oft kulturelle oder religiöse Gründe, da den Frauen in einigen Herkunftsländern das Fahrradfahren verboten ist oder dies als unschicklich gilt, so in Iran,[14] in Afghanistan[4] oder bis 2013 auch in Saudi-Arabien.[15]
Eine weitere wichtige Komponente der Radfahrtrainings stellt der theoretische Verkehrsunterricht dar. Durch die Einbeziehung ehemaliger Teilnehmerinnen unterschiedlicher Herkunftsländer wird dieser in mehreren Sprachen (Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi) angeboten. Vom Verein erstelltes Lernmaterial ist ebenso mehrsprachig und leicht zugänglich. Die Frauen sollen durch die zur Verfügung gestellten Materialien und Schulungen befähigt werden, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen und zu orientieren.[16]
Die Teilnehmerinnen werden nach Möglichkeit mit eigenen Rädern sowie Warnwesten und Helmen ausgestattet. Fahrräder und Helmsets werden gespendet oder von Spendengeldern erworben und im Falle von Gebrauchträdern teilweise von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern instand gesetzt.
Darüber hinaus fungieren ehemalige Teilnehmerinnen als Multiplikatorinnen: Sie führen selbstständig Trainings durch und geben ihr Wissen direkt an die Teilnehmerinnen weiter.[3]
Finanzierung und Struktur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt und finanziert sich sowohl aus Spendengeldern als auch über Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln, etwa vom Bundesministerium des Innern und für Heimat.[17][8] Er hat einen Vorstand, bestehend aus 1. und 2. Vorsitzenden sowie einem Schatzmeister. Ehrenamtliche Helferinnen unterstützen Projektleiterin Annette Krüger bei den Trainings. Bikeygees e. V. ist Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband.[1]
Preise und Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 2017: Preisträger Aktiv-Wettbewerb, ausgelobt vom Bündnis für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt für beispielhafte und nachahmenswerte zivilgesellschaftliche Projekte[18]
- 2017: Hatun-Sürücü-Preis der Grünen-Fraktion Berlin für das Engagement für Frauen und Mädchen[19]
- 2018: Respekt Gewinnt! vom Berliner Ratschlag für Demokratie[20]
- 2018: Deutscher Fahrradpreis in der Kategorie Service[21]
- 2023: Rainbow Award des Regenbogenfonds e. V.[22]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Martin Verg: Das große Buch für Weltretter. Karibu Verlag, München 2020, ISBN 978-3-96129-149-6, S. 160–161.
- Futurium: Unterwegs – Zukünfte der Mobilität deutsch. Berlin 2022, ISBN 978-3-00-070809-1, S. 40.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Elena Abt: Wenn das Fahrrad Möglichkeitsräume eröffnet – der Verein #BIKEYGEES e. V. In: mobileinclusion.projects.tu-berlin.de. MobileInclusion – TU Hamburg, 13. Mai 2020, abgerufen am 11. Juni 2020.
- ↑ Nicola Schwarzmaier: #BIKEYGEES e. V. werden ausgezeichnet: Freiräume für Frauen. In: Die Tageszeitung: taz. 6. Februar 2017, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 30. August 2023]).
- ↑ a b c Katharina Hofmann: #BIKEYGEES: Fahrrad fahren kann doch jede*r – oder nicht?! In: Du bist ein Gewinn (Magazin) – fernsehlotterie.de. Deutsche Fernsehlotterie, 3. Juli 2019, abgerufen am 10. Dezember 2020.
- ↑ a b c Anusha J.: Refugee women who flew war experience the joy of riding bikes for the first time. In: scoop.upworthy.com – Upworthy. Good Inc., 23. August 2021, abgerufen am 5. April 2022 (englisch).
- ↑ a b #BIKEYGEES – Radfahrtraining für (geflüchtete) Frauen. In: bikeygees.org. Abgerufen am 28. August 2023.
- ↑ Karl Grünberg: Wegweiser: Fariha Ghiasi & Annette Krüger. In: greenpeace-magazin.de. 1. Januar 2023, abgerufen am 30. August 2023.
- ↑ Lisa Buchmann: #BIKEYGEES. In: strasse-zurueckerobern.de. VCD Verkehrsclub Deutschland e.V. – VCD, abgerufen am 28. August 2023.
- ↑ a b c Sascha Uhlig: Selbstbestimmt auf zwei Rädern: Die Bikeygees starten in die Sommersaison. In: berliner-abendblatt.de. 14. April 2023, abgerufen am 28. August 2023.
- ↑ WELT: #BIKEYGEES e. V.: Mit dem Fahrrad in die Freiheit. In: DIE WELT. 29. November 2020 (welt.de [abgerufen am 10. Dezember 2020]).
- ↑ Marta Bausells: 'The feeling of freedom': empowering Berlin's refugee women through cycling. In: theguardian.com. 16. Januar 2018, abgerufen am 11. Juni 2020 (englisch).
- ↑ Philipp Hartmann: Jede Frau sollte Radfahren können: Verein „#Bikeygees“ bietet kostenloses Training an. In: berliner-woche.de. Berliner Wochenblatt Verlag, 16. Oktober 2019, abgerufen am 11. Juni 2020.
- ↑ Ev Manz: Wie es sich anfühlt, anderen zu helfen. In: Tages-Anzeiger. 12. Juli 2021, S. 17 (nachbarschaftshilfe.ch [PDF; 1,4 MB; abgerufen am 30. August 2023]).
- ↑ #BIKEYGEES – Radfahrtraining für Frauen und Mädchen. In: radiocorax.de. Corax e. V. – Initiative für Freies Radio, 24. Januar 2022, abgerufen am 5. April 2022.
- ↑ Daniela Wakonigg: Fahrradfahren verboten – für Frauen. In: hpd.de. Humanistischer Pressedienst e. V., 23. September 2016, abgerufen am 5. April 2022.
- ↑ AP/sara: Saudi-Arabien: Religionspolizei erlaubt Frauen das Radfahren. In: welt.de – Die Welt. 1. April 2013 (welt.de [abgerufen am 5. April 2022]).
- ↑ Der deutsche Fahrradpreis: #Bikeygees e. V. In: der-deutsche-fahrradpreis.de. Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e.V. (AGFS), abgerufen am 11. Juni 2020.
- ↑ Geschlecht der Teilnehmenden. In: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.): Wirkung zeigen. Das Bundesprogramm „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ in Worten und Zahlen. Nr. 2. Nürnberg 1. Mai 2023, S. 15 (bgz-vorort.de [PDF; 2,2 MB; abgerufen am 30. August 2023]).
- ↑ Die Preisverleihungen des Aktiv-Wettbewerbs 2017. In: buendnis-toleranz.de. BfDT Bündnis für Demokratie und Toleranz – Bundeszentrale für Politische Bildung, 16. Februar 2018, abgerufen am 28. August 2023.
- ↑ Susanna Kahlefeld: Hatun-Sürücü-Preis zum fünften Mal verliehen. In: gruene-fraktion.berlin. 3. Februar 2017, abgerufen am 28. August 2023.
- ↑ Sebastian Busch: Respekt gewinnt! 2018 - die Gewinner*innen. In: Berliner Ratschlag für Demokratie. 27. April 2018, abgerufen am 28. August 2023 (deutsch).
- ↑ 2018 – Deutscher Fahrradpreis. Abgerufen am 28. August 2023 (deutsch).
- ↑ Rainbow Award – Verleihung der Auszeichnung auf dem Stadtfest Berlin. In: stadtfest.berlin. Regenbogenfonds e. V., abgerufen am 30. August 2023.