Boris Collardi

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Boris Collardi (2010)

Boris Francesco Jean Collardi[1] (* 17. Juli 1974; heimatberechtigt in Movelier[2]) ist ein schweizerisch-italienischer Bankmanager. Er war vom 1. Juni 2017 bis Ende August 2021 Teilhaber und Co-Leiter des Vermögensverwaltungsgeschäftes der Genfer Pictet-Gruppe und war zuvor neun Jahre Chief Executive Officer (CEO) der Bank Julius Bär.[3][4]

Ausbildung und Beginn der Karriere

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Collardi wuchs in Nyon auf, wo er an der Cessouest School auch einen Abschluss in Wirtschaft machte. Anschliessend absolvierte er zwischen 1993 und 1994 bei der Credit Suisse in Genf ein Career Start Programm.[5] 1995 wechselte er nach Zürich zur Credit Suisse Investment Research Group, wo er als Analyst in der Abteilung Quantitative Models & Tools tätig war. Im Jahr darauf erfolgte der Wechsel zu Credit Suisse Private Banking in die Francophone Market Group. 1996 und 1997 war er tätig im Front Office Support für französischsprachige Länder. Anfang 1998 erfolgte der Transfer nach Singapur, wo er Head of Front Office Support Asia-Pacific wurde. Im Jahr 2000 kehrte er zurück in die Schweiz und war Executive Assistant des CEO von Credit Suisse Private Banking, Oswald Grübel.[6]

Anschliessend kehrte er nach Singapur zurück, um bis 2002 als Project Director „Global Private Banking Center“ tätig zu sein. Seine Aufgabe war es, eine globale Buchungs- und Dienstleistungsplattform aufzubauen.[7] Mitte 2002 bis 2003 war er für Credit Suisse Private Banking Europe als Head of Business Development, Member of the Executive Committee und Chairman des European Private Banking Advisory Board tätig. 2003 und 2004 war er CEO und Head of Corporate Center sowie Member of the Executive Board von Credit Suisse Private Banking in Zürich. Von 2004 bis Mitte 2005 stand er in den Diensten von Credit Suisse Private Banking in London und Zürich als Head of Special Projects, danach als COO Eastern Europe, Middle East & Northern Africa, sowie als Mitglied des Private Banking Europe Management Committee.[8]

Tätigkeit für Julius Bär

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2006 wechselte Collardi zu Bank Julius Baer & Co. Ltd. Von 2006 bis 2009 war er Chief Operating Officer (COO) und damit verantwortlich für die Integration von drei Privatbanken, die Julius Bär von der Schweizer Grossbank UBS übernommen hatte, sowie für die Produkteplattform für die Vermögen von Julius Bär wie auch die globale Asset-Management-Organisation. Zusätzlich war er von 2008 bis 2009 COO der Investors Solutions Group.[9]

CEO von Julius Bär

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Im Mai 2009, nach dem Tod von CEO Alex W. Widmer, wurde Collardi im Alter von 34 Jahren CEO der Bank Julius Bär & Co. AG, und im Oktober 2009 Chief Executive Officer der Julius Bär Gruppe AG.[10] Die Ernennung des jungen Collardi zum Chef einer traditionsreichen Schweizer Bank fand breite mediale Aufmerksamkeit.[11]

Mit der Aufnahme der Tätigkeit als CEO der Bank Julius Bär begann für die Bank eine Phase des Um- und Ausbaus. Zuerst wurden das Asset-Management-Geschäft und das Private-Banking-Geschäft getrennt. Die Trennung erfolgte dadurch, dass die Julius Bär separat an die Börse gebracht wurde, während die bislang kotierten Aktien unter dem Namen GAM an der Börse kotiert blieben.[12] Erklärte Absicht war, Julius Bär zu einem sogenannten „pure player“ im Private Banking zu machen.[13][14] 2010 wurde Julius Bär von den Publikationen „Professional Wealth Management“ und „The Banker“ zur Besten Privatbank der Schweiz und für die beste Wachstumsstrategie im Private Banking ausgezeichnet.[15]

Im April 2011 bezahlte die Bank der Staatsanwaltschaft Münster 50 Mio. Euro und erwirkte damit die Einstellung eines Verfahrens gegen die Bank und deren Mitarbeiter.[16]

Akquisition von Merrill Lynch

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Kurz nach seinem Amtsantritt übernahm Julius Bär den Schweizer Ableger des niederländischen Allfinanzkonzerns ING für 520 Mio. Fr. und steigerte die Vermögen unter Verwaltung um 10 % auf 160 Mrd. Fr.[17] 2012 folgte die Akquisition des internationalen Geschäftes von Merrill Lynch. Julius Bär übernahm Vermögenswerte von rund 60 Mrd. Fr. und bezahlte dafür rund 720 Mio. Fr. Die Akquisition war die grösste ihrer Art im Private Banking in den zurückliegenden zehn Jahren, galt mit Blick auf die Komplexität als ausgesprochen schwierig, und in Medienberichten wurde bezweifelt, ob diese Akquisition zu einem Erfolg für Julius Bär und Collardi werden könnte.[18]

Die Akquisition von Merrill Lynch und anderer Banken (GPS Brazil, NSC Asesores in Mexico, Leumi Schweiz, Commerzbank Luxembourg) sowie organisches Wachstum sorgten dafür, dass das verwaltete Vermögen zwischen 2009 und 2017 von 154 auf 388 Milliarden Franken stieg.

Schon kurz nach seinem Amtsantritt erklärte Collardi in Medien-Interviews, dass Asien für Julius Bär der zweite Heimmarkt werden solle.[19][20] Infolge wurde die Präsenz in Asien wesentlich ausgebaut.[21]

Collardi war sechs Jahre lang Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Tätigkeit bei Pictet

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Am 27. November 2017 gab Collardi seinen Rücktritt als CEO von Julius Bär bekannt, um ab dem 1. Juni 2018 als Partner für die Genfer Privatbank Pictet tätig zu sein. Als Präsident der Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken trat er an der Generalversammlung der Vereinigung am 25. Mai 2018 in Lugano (Kanton Tessin) zurück.[22]

Seit 2020 steht Collardi wegen möglicher Geldwäsche und Prüfung durch die Finanzmarktaufsicht in der Kritik. Es gab mehrere Strafanzeigen und Medien berichten davon, dass Collardi eine Belastung für Pictet geworden sei.[23][24][25] Im August 2021 gab Pictet seinen Rücktritt per 1. September bekannt.[4]

Collardi wohnt in Schindellegi in der Gemeinde Feusisberg im Kanton Schwyz und spricht fliessend Französisch, Italienisch, Englisch und Deutsch.[1]

Gemäß Reichsten-Liste der Bilanz wird sein Vermögen 2021 auf 100 bis 150 Millionen Franken geschätzt.[26]

2012 wurde Collardi von der Financial-Times-Publikation „Professional Wealth Management“ zum „Best Leader in Private Banking“ gewählt.[27] 2017 wählte ihn das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz zum „Topbanker des Jahres“.[28]

Veröffentlichungen

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Einzelnachweise

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  1. a b Erik Nolmans: Julius Bär: Die Kunst der Blitzkarriere. In: Bilanz 19/2009. 23. Oktober 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. November 2012; abgerufen am 10. Oktober 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bilanz.ch
  2. Julius Bär Gruppe AG. In: Handelsregister des Kantons Zürich. Archiviert vom Original am 4. Dezember 2015; abgerufen am 11. Mai 2011.
  3. Ermes Gallarotti: Boris Collardi wechselt zu Pictet. In: Neue Zürcher Zeitung. 27. November 2017, abgerufen am 27. November 2017.
  4. a b Genfer Privatbank — Ex-Julius-Bär-Chef Boris Collardi nimmt bei Pictet den Hut. In: srf.ch. 18. August 2021, abgerufen am 18. August 2021.
  5. Patrick Müller, Christian Dorer: Die harte Linie des Bundesrats ist richtig. In: Schweiz am Wochenende. 19. Dezember 2009, abgerufen am 15. Juni 2018.
  6. Stefan Barmettler: Machtnetz von Boris Collardi: Spitzkehre. In: Bilanz. 9. April 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. Juli 2018; abgerufen am 15. Juni 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bilanz.ch
  7. Medienkonferenz von Februar 2002
  8. Lebenslauf Boris Collardi. (PDF; 24 kB) Julius Bär, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Februar 2016; abgerufen am 1. Februar 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.juliusbaer.com
  9. Julius Baer Holding AG. In: The Wall Street Journal. 11. Oktober 2005.
  10. Ermes Gallarotti: Mit Leidenschaft und Tempo. In: NZZ Online. 27. Juli 2009, abgerufen am 13. Juni 2018.
  11. Torsten Riecke: Jungstar unter Pensionären. In: Handelsblatt. 1. April 2009, abgerufen am 13. Juni 2018.
  12. Wir schauen uns vieles an. In: Beilage „Private Banking“ Finanz und Wirtschaft. Oktober 2009.
  13. Matthias Niklowitz: Am Neubeginn scheiden sich die Geister. In: Handelszeitung. 30. September 2009, abgerufen am 13. Juni 2018.
  14. Bär’s Leap. In: The Economist. 25. August 2012.
  15. Award 1: Beste Privatbank und Wachstumsstrategie. In: Finews. 29. Oktober 2010, abgerufen am 26. Juli 2018.
  16. Thomas Wyss: Auf einen Blick. In: Finanz und Wirtschaft. 16. April 2011, abgerufen am 13. Juni 2018.
  17. Julius Bär solo auf Einkaufstour. In: Schweizer Bank. 1. November 2009.
  18. Reise ins Risiko. In: Handelszeitung. 16. August 2012.
  19. Nach dem Sturm ist vor dem Sturm. In: Handelsblatt. 29. Dezember 2009.
  20. Strategic buyout expands Swiss bank's Asia profile. In: The Straits Times, Singapore. 11. März 2013.
  21. Julius Baer's CEO aims for Asia profitability. In: Global Capital. 17. Februar 2011.
  22. Emmanuel Garessus: „Le modèle suisse gagne des parts de marché“. In: Le Temps (Schweiz). 25. Mai 2018, abgerufen am 26. Juli 2018.
  23. Geldwäscherei-Skandal – Boris Collardi, ein Vollgasbanker auf Schleuderkurs. Abgerufen am 2. August 2020.
  24. Noch eine Strafanzeige gegen Boris Collardi. In: Inside Paradeplatz. 20. Juli 2020, abgerufen am 2. August 2020 (Schweizer Hochdeutsch).
  25. Boris Collardi: Doppeltes Risiko. 29. Juni 2020, abgerufen am 2. August 2020 (deutsch).
  26. Reichstenliste: Ein höchst einträgliches Jahr für Banker. 25. November 2021, abgerufen am 29. November 2021.
  27. The Financial Times Ltd: Private Banking Awards 2012 Gallery. Abgerufen am 2. August 2020 (britisches Englisch).
  28. Banker: Die 100 Besten. In: Bilanz. Oktober 2017.