CpG-Oligonukleotid
CpG-Oligonukleotide, auch als CpG-Oligodesoxynukleotide (CpG-ODN) bezeichnet, sind eine Klasse von einzelsträngigen synthetisch hergestellten DNA-Oligonukleotiden, die einen relativ hohen Anteil an CpG-Motiven enthalten.
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das CpG-Sequenzmotiv ist in der DNA von Wirbeltieren unterrepräsentiert. Nur etwa jedes sechzigstes Dinukleotid ist vom Typ CpG. Der Buchstabe C steht für einen Anteil Desoxycytidin, das p für Phosphat und das G für das Nukleotid Desoxyguanosin. Diese liegen in 5'–3'-Richtung vor.
Bei Wirbeltieren liegt das Cytosin der CpG-Motive zu 60 bis 90 Prozent in methylierter Form vor. Im Genom von Bakterien und Viren ist statistisch gesehen jedes sechzehnte Dinukleotid vom Typ CpG und das Cytosin liegt weitgehend in nicht-methylierter Form vor. Das angeborene Immunsystem der Wirbeltiere verfügt mit dem Toll-like-Rezeptor 9 über einen Rezeptor, der in der Lage ist CpG-Motive in der DNA zu erkennen. Das Protein TLR9 wird vor allem von bestimmten Leukozyten exprimiert. Wird ein CpG-Motiv über diese Protein-DNA-Interaktion erkannt, so wird eine Signalkaskade ausgelöst.[1][2]
Ein einzelnes CpG-Sequenzmotiv besteht aus sechs Nukleinbasen, wobei in der Mitte die CG-Sequenz steht und die jeweils zwei benachbarten Nukleinbasen beliebig sein können. Beispiel:
5'...GACGTC...3'
In einem CpG-Oligonukleotid wiederholt sich dieses Motiv mehrfach. Die beiden beim Menschen wirksamsten Motive sind:[3]
5'...TCGTT...3'
und5'...TCGTA...3'
während bei Mäusen das Motiv
5'...GACGTT...3'
besonders wirksam ist.[4]
Anwendungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die gezielte Aktivierung von TLR9 durch CpG-Oligonukleotide eröffnet vielfältige Möglichkeiten zur Nutzung dieser Verbindungen um beispielsweise Impfstoffe in ihrer Wirkung als Adjuvans zu verbessern.
Das CpG-Oligonukleotid 1018 wird bei VLA2001, einem COVID-19-Impfstoff in Form eines inaktivierten Virus gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 des Herstellers Valneva[5] und im monovalenten Hepatitis-B-Impfstoff Heplisav-B verwendet.[6] Das CpG-Oligonukleotid 7909 wird im Anthraximpfstoff BioThrax verwendet.[7] Das CpG-Oligonukleotid 55.2 wird im COVID-19-Impfstoff Covax-19 neben δ-Inulin als Adjuvantien eingesetzt.[7]
Des Weiteren werden Potenziale im Bereich der Krebsimmuntherapie, zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten, sowie Allergien gesehen.[8] In der Tumortherapie verspricht man sich – im Vergleich zur Gabe von Zytokinen – effektivere Anti-Tumor-Antworten bei reduzierter Toxizität.[9]
Im Gegensatz zu CpG-Oligonukleotiden haben Oligodesoxynukleotide mit dem TTAGGG-Motiv eine immunsuppressive Wirkung, indem körpereigene DNA (Eigen-DNA) nachgeahmt wird. Das TTAGGG-Motiv wiederholt sich in den Telomeren der Wirbeltiere von 5' nach 3'. Die Gabe synthetischer TTAGGG-Oligodesoxynuklide (TTAGGG-ODN) ist beispielsweise entzündungshemmend. Diese Verbindungen sind TLR9-Antagonisten.[10]
Geschichtliches
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1984 stellte eine Arbeitsgruppe um den Japaner T. Tokunaga fest, dass die DNA-Fraktion des Bacillus Calmette-Guérin (BCG) ausreicht, um NK-Zellen zu aktivieren und deren Interferon-Produktion zu erhöhen.[11][12] Im Vergleich dazu war die DNA von anderen Wirbeltieren dazu nicht in der Lage.[13] Die gleiche Arbeitsgruppe identifizierte 1994, dass sogenannte Palindromsequenzen, das heißt spiegelbildliche Sequenzen um ein zentrales Dinukleotid, mit Cytosin und Guanin in der Mitte, für diesen Effekt verantwortlich waren und synthetisch hergestellte Oligonukleotide mit diesem Motiv einen ähnlichen Effekt zeigen können.[14] Der US-Amerikaner Arthur M. Krieg vom Veterans Affairs Medical Center in Iowa City und Kollegen erkannten 1995, dass ein Palindrom für die immunogene Wirkung nicht unbedingt notwendig ist. Die Arbeitsgruppe um Krieg stellte erstmals fest, dass diese Motive bei murinen B-Lymphozyten, sowohl in vitro als auch in vivo deren Proliferation, sowie die Sezernierung von Antikörpern anregt. Bei diesem immunogenen Effekt wurde ein möglicher evolutionärer Link zwischen der Immunabwehr der Wirbeltiere, bei der Erkennung von DNA pathogener Herkunft, und der Unterdrückung des CpG-Motivs in der eigenen DNA vorgeschlagen. Auch die potenzielle Anwendung als Adjuvans beschrieben die Autoren in ihrer Veröffentlichung.[15][16]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- K. Yasuda u. a.: Requirement for DNA CpG Content in TLR9-Dependent Dendritic Cell Activation Induced by DNA-Containing Immune Complexes. In: J Immunol 183, 2009, S. 3109–3117. PMID 19648272
- A. M. Krieg u. a.: Sequence motifs in adenoviral DNA block immune activation by stimulatory CpG motifs. In: PNAS 95, 1998, S. 12631–12636. PMID 9770537
- Jörg Vollmer, Arthur M. Krieg: Immunotherapeutic applications of CpG oligodeoxynucleotide TLR9 agonists. In: Advanced Drug Delivery Reviews (= CpG Oligonucleotides as Immunotherapeutic Adjuvants: Innovative Applications and Delivery Strategies). Band 61, Nr. 3, 28. März 2009, S. 195–204, doi:10.1016/j.addr.2008.12.008 (englisch).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ A. M. Krieg und J. N. Kline: Immune effects and therapeutic applications of CpG motifs in bacterial DNA. In: Immunopharmacology 48, 2000, S. 303–305. doi:10.1016/S0162-3109(00)00228-9 (Review)
- ↑ G. Hartmann und E. Endres: Therapeutische Oligonukleotide. In: Dtsch Arztebl 100, 2003, S. A-3102 / B-2577 / C-2406.
- ↑ Z. K. Ballas, W. L. Rasmussen, A. M. Krieg: Induction of NK activity in murine and human cells by CpG motifs in oligodeoxynucleotides and bacterial DNA. In: Journal of Immunology (Baltimore, Md. : 1950). Band 157, Nummer 5, September 1996, S. 1840–1845, PMID 8757300.
- ↑ R. Rankin et al.: CpG motif identification for veterinary and laboratory species demonstrates that sequence recognition is highly conserved. In: Antisense Nucleic Acid Drug Dev 11, 2001, S. 333–240. PMID 11763350
- ↑ Valneva Provides Regulatory Update on its COVID-19 Vaccine Candidate. In: Mitteilung. Valneva SE, 11. März 2022, abgerufen am 2. April 2022.
- ↑ Heplisav B. In: EMA. Abgerufen am 10. Juli 2022 (englisch).
- ↑ a b Jingxing Yang, Jen-Chih Tseng, Guann-Yi Yu, Yunping Luo, Chi-Ying F. Huang, Yi-Ren Hong, Tsung-Hsien Chuang: Recent Advances in the Development of Toll-like Receptor Agonist-Based Vaccine Adjuvants for Infectious Diseases. In: Pharmaceutics. 2022, Band 14, Nummer 2, S. 423 doi:10.3390/pharmaceutics14020423. PMID 35214155. PMC 8878135 (freier Volltext).
- ↑ A. M. Krieg: Therapeutic potential of Toll-like receptor 9 activation. In: Nat Rev Drug Discov 5, 2006, S. 471–484. PMID 16763660.
- ↑ L. Mühlenhoff: Wirkung immunstimulatorischer CpG-Oligodesoxynukleotide auf Non-Hodgkin-Lymphome der B-Zell-Reihe. Dissertation, LMU München, 2003.
- ↑ D. Klinman, H. Shirota, D. Tross, T. Sato, S. Klaschik: Synthetic oligonucleotides as modulators of inflammation. In: Journal of leukocyte biology. Band 84, Nummer 4, Oktober 2008, S. 958–964, doi:10.1189/jlb.1107775, PMID 18430787, PMC 2538593 (freier Volltext).
- ↑ T. Tokunaga u. a.: Antitumor activity of deoxyribonucleic acid fraction from Mycobacterium bovis BCG. I. Isolation, physicochemical characterization, and antitumor activity. In: J Natl Cancer Inst 72, 1984, S. 955–962. PMID 6200641
- ↑ S. Yamamoto u. a.: In vitro augmentation of natural killer cell activity and production of interferonalpha/beta and -gamma with deoxyribonucleic acid fraction from Mycobacterium bovis BCG. In: Jpn J Cancer Res 79, 1988, S. 866–873. PMID 2459094
- ↑ S. Yamamoto u. a.: DNA from bacteria, but not from vertebrates, induces interferons, activates natural killer cells and inhibits tumor growth. In: Microbiol Immunol 36, 1992, S. 983–997. PMID 1281260
- ↑ T. Yamamoto u. a.: Synthetic oligonucleotides with certain palindromes stimulate interferon production of human peripheral blood lymphocytes in vitro. In: Jpn J Cancer Res 85, 1994, S. 775–779. PMID 7523351
- ↑ A. M. Krieg u. a.: CpG motifs in bacterial DNA trigger direct B-cell activation. In: Nature 374, 1995, S. 546–549. doi:10.1038/374546a0 PMID 7700380
- ↑ S. Rotenfußer u. a.: CpG-Oligonukleotide: Immuntherapie nach dem Muster bakterieller DNA. In: Deutsches Ärzteblatt 98, 2001, S. A981–A985.