DP-Camp Belsen
Koordinaten: 52° 46′ 43,1″ N, 9° 55′ 34,5″ O
Das DP-Camp Belsen beziehungsweise DP-Camp Bergen-Belsen umfasste zwei britische DP-Lager für Displaced Persons (DP) auf dem nordöstlich von dem ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen liegenden Wehrmachtskasernengelände.
DP-Lager Belsen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das KZ war bereits kurz nach der Befreiung durch die Alliierten aus hygienischen Gründen niedergebrannt worden, um die mögliche Ausbreitung von Seuchen zu verhindern. Displaced Persons waren Zivilisten, die durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs zunächst ohne bekannten Wohnsitz waren und die von den alliierten Truppen betreut wurden.
Das Camp mit den beiden Lagern wurde in einer ehemaligen Wehrmachtskaserne eingerichtet.[1] Dies geschah, nachdem die meisten Überlebenden des Konzentrationslagers im Sommer 1945 in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Es blieben jedoch vor allem Polen und Juden unterschiedlicher Nationalität zurück. Im polnischen DP-Camp Bergen-Belsen lebten bis zu 10.000 Personen. Es wurde im Sommer 1946 aufgelöst. Im jüdischen DP-Camp Bergen-Belsen lebten bis zu 12.000 Personen. Sie hatten darauf gedrungen, ein separat verwaltetes Lager zu erhalten. Ihnen wurde unter anderem das ehemalige Offizierskasino, das von den britischen Armeeangehörigen den Namen „Roundhouse“ erhielt, überlassen. Sie gründeten dort ein „Jüdisches Zentralkomitee der befreiten Juden“[2], an dessen Spitze Josef Rosensaft[3], später Präsident der World Federation of Bergen-Belsen Survivors, stand. Die Überlebenden setzten sich für Auswanderungsmöglichkeiten in das britische Mandatsgebiet sowie in den jungen Staat Israel ein.
Neben Schulen und Versorgungseinrichtungen war das ehemalige Wehrmachtslazarett für die medizinische Versorgung der jüdischen KZ-Überlebenden in ganz Deutschland ein wichtiges Krankenhaus. Es wurde Glynn−Hughes-Hospital[4] nach dem britischen Chefarzt Hugh Llewellyn Glyn Hughes genannt, der die ersten Rettungsmaßnahmen im Konzentrationslager leitete. Dort wurden auch in den nächsten Jahren etwa 1.500 – 2.000 Kinder von überlebenden Müttern entbunden.
1946 übergaben die Briten die Verwaltung des Lagers an die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) / International Refugee Organization (IRO). Das Camp wurde nach der Auswanderung der meisten jüdischen Displaced Persons im Sommer 1950 weitgehend aufgelöst, die letzten DPs verließen es im August 1951.
Lagerzeitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Lager wurde die Zeitung Unzer Shtimme/Unzer Sztyme und deren Nachfolger das Wochnblatt herausgegeben. Die in Jiddisch mit hebräischen Buchstaben geschriebene Zeitung war auch das offizielle Organ des Jüdischen Zentralkomitees in Belsen. Unzer Sztyme wurde von Rafael Olewski initiiert, der es auch mit seinen Kollegen Paul Trepman und David Rosenthal bearbeitete.[5] Die Lagerzeitung wurde vom Ausschuss für Kultur und Geschichte des Zentralkomitees der befreiten Juden[6] veröffentlicht und war die wichtigste jüdische Zeitung in der britischen Zone.[7][8]
Friedhöfe im Kasernengelände
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im südlichen Bereich des Kasernengeländes befinden sich zwei Friedhöfe.
1. „Kapofriedhof“:
Auf einem kleineren Friedhof sind Menschen begraben, die in der naheliegenden Kaserne eines „Häftlingslagers II“ („Nebenlager“) und späteren DP-Camps gestorben sind.
2. „Zelttheaterfriedhof“:
„Nach der Befreiung des KZ Bergen-Belsen evakuierte die britische Armee innerhalb von vier Wochen etwa 29 000 Überlebende in den nahegelegenen Kasernenkomplex und richtete unter Mithilfe von zivilen Hilfsorganisationen in verschiedenen Gebäuden Notlazarette ein. Dort starben noch Tausende Menschen an den Folgen ihrer KZ-Haft. Für sie wurde ein eigener Friedhof am Rand des Kasernenkomplexes angelegt. In der Nähe befand sich ein großes Zelt für Theateraufführungen, weshalb er „Zelttheaterfriedhof“ genannt wurde. Bis Ende 1945 wurden dort etwa 4500 jüdische und nichtjüdische Tote vieler Nationalitäten beerdigt. Bis 1950 wurden auf diesem Friedhof auch die verstorbenen Bewohner des jüdischen DP-Camps begraben.“
Etwa 3.300 der hier Bestatteten konnten auf Grund überlieferter Listen namentlich identifiziert werden. Zunächst wurden provisorische Holztafeln aufgestellt. Von den überlebenden Angehörigen wurden diese dann durch Grabsteine ersetzt. Das für die Pflege und Instandsetzung der Friedhöfe zuständige Land Niedersachsen veranlasste Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre die Umgestaltung des Zelttheaterfriedhofes. Zur „einheitlichen Gestaltung“ sollten die individuellen Grabsteine gegen Kissensteine ausgetauscht werden. Als Begründung wurde „Verwitterung und Unlesbarkeit der Inschriften“ angegeben. Teils auf Drängen einiger Angehöriger wurden aber zwölf Originalsteine vom Steinmetz zurückgeholt und auf dem Friedhof wieder aufgestellt. An zwei Stellen befinden sich sowohl der Original- als auch der Kissenstein. Die anderen ursprünglichen Grabsteine, die durch Kissensteine ersetzt wurden, sind in einer Ecke des Friedhofes vergraben.
Beide Friedhöfe liegen innerhalb des Kasernengeländes und sind daher nicht öffentlich zugänglich. Nur bei Gedenkveranstaltungen der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, oder gelegentlich organisierten Bustouren ist es möglich diese zu besuchen.
Bilder von den Friedhöfen
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Drei Grabsteine mit hebräischen Inschriften
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Überblick über den Friedhof
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Zentraldenkmal auf dem Friedhof
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Deutsche Inschrift am zentralen Denkmal
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Gräberreihen
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Russisch-Orthodoxes Grab
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Symbolisches Einzelgrab (In der untersten Zeile steht „Sie ruht in diesem Friedhof“.)
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Viele Gräber haben einen Hinweis auf den „unbekannten Toten“ - Noch mehr Grabstellen haben keinen Stein.
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Grabstein für Felicja Stendigowa (innerhalb von 200 anderen Toten)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein, Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Hrsg.): Unzer Sztyme. Jiddische Quellen zur Geschichte der jüdischen Gemeinden in der Britischen Zone 1945-1947. Übersetzt und bearbeitet von Hildegard Harck. Kiel 2004, ISBN 3-00-015145-1.
- Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten (Hrsg.): Bergen-Belsen: Kriegsgefangenenlager 1940 - 1945, Konzentrationslager 1943 - 1945, Displaced Persons Camp 1945 - 1950. Katalog der Dauerausstellung. Wallstein, Göttingen 2009, ISBN 978-3-8353-0612-7.
- Nicola Schlichting: „Öffnet die Tore von Erez Israel“ – Das jüdische DP-Camp Belsen 1945–1948. Antogo, Nürnberg 2005, ISBN 978-3-9806636-9-4.
- Hetty E. Verolme: Wir Kinder von Bergen-Belsen. Beltz, Weinheim/Basel 2005, ISBN 3-407-85785-3.
- Paul Weindling: “Belsenitis”: Liberating Belsen, Its Hospitals, UNRRA, and Selection for Re-emigration, 1945–1948. In: Cambridge Journals, Science in Context 2006:19:401-418, Cambridge University Press. (engl. Abstract online)
- Ha-Dimah (The Tear), by Rafael Olewski, published by Irgun She'erit Hapleta Bergen-Belsen Be-Israel, Tel-Aviv 1983, ISBN 978-965-91217-0-0.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Displaced Persons Camp Bergen-Belsen auf der Seite der Stiftung Bergen-Belsen
- Florian C. Knab: Displaced Persons im besetzten Nachkriegsdeutschland (bei shoa.de)
- Bergen-Belsen, the largest DP camp in Germany, was the center of Jewish DP political and social activity in the British zone of occupation. ( vom 8. Dezember 2012 im Internet Archive) (engl.)
- Martina Trojanowski: Wie im Camp für Displaced Persons wieder jüdisches Leben entstand. In: Jüdische Allgemeine vom 15. April 2010 (vgl. Geburtenbuch des Glyn-Hughes-Hospitals)
- Displaced Persons in Deutschland 1945-1950
- Displaced Persons Camps (international)
- Belsen im Jahr 1945 (engl.; Zur gesundheitlichen Lage nach der Befreiung)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gedenkstätte Bergen-Belsen
- ↑ "Ehemaliges DP-Camp" auf der Seite der Gedenkstätte Bergen-Belsen. ( vom 13. Januar 2017 im Internet Archive) Im "Roundhouse", dem ehemaligen Offizierskasino der Wehrmacht, wurden zunächst Patienten als Nothospital versorgt. 1945 und 1947 tagten hier der erste und der zweite Kongress der befreiten Juden in der britischen Zone, und das "Zentralkomitee der befreiten jüdischen Überlebenden" hatte hier seine Geschäftsstelle. Das Zentralkomitee war eine der Wurzeln des späteren Zentralrats der Juden.
- ↑ Irving Spiegel: "Josef Rosensaft, Fled Nazi Camps", Nachruf in der New York Times vom 13. September 1975 (engl.)
- ↑ "Glynn−Hughes-Hospital" auf der Seite der Britischen Rheinarmee(Link nicht mehr erreichbar)
- ↑ Kurze Blüte der jüdischen Publizistik in der Nachkriegszeit in FAZ vom 10. September 2014, Seite N3
- ↑ "Ehemaliges DP-Camp" auf der Seite der Gedenkstätte Bergen-Belsen. ( vom 13. Januar 2017 im Internet Archive) siehe auch obigen Einzelnachweis!
- ↑ Julius H. Schoeps über "Unzer Sztyme", 2005
- ↑ taz-Artikel zur Ausstellung über jüdische Presse, 2012 in der Celler Synagoge