Der Hahnenbalken

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Illustration von Otto Ubbelohde, 1909

Der Hahnenbalken ist eine Sage (ATU 987, 1290). Sie steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 149 (KHM 149) und ist eine Kürzung von Friedrich Kinds gleichnamigem Gedicht in Wilhelm Gottlieb Beckers Taschenbuch zum geselligen Vergnügen von 1812.

Illustration von Otto Ubbelohde, 1909

Ein Mädchen, das durch ein vierblättriges Kleeblatt klug geworden ist, stellt einen Zauberkünstler bloß, der einen Hahn einen Balken tragen lässt, der nur ein Strohhalm ist. Dafür verspottet er sie, als sie bei ihrer Hochzeit mit erhobenem Rock durch einen Bach geht, der ein Flachsfeld ist.

Der Schwank vom Typ Augenverblendung (AaTh 987) zeigt die frühere Verbreitung fahrender Gaukler sowie Flachs zur Stoffherstellung (s. a. KHM 14, 128, 156). Grimms Anmerkung nennt als Quelle das Gedicht von Friedrich Kind in Beckers Taschenbuch, gibt noch eine paderbörnische Version (wohl von Familie von Haxthausen) wieder und vergleicht Rübezahl, eine Sage in Mones Anzeiger 1835. S. 408. und die Sage von Rodulf und Rumetrud (Grimms Deutsche Sagen, Nr. 395). Die Geschichte steht aber auch in der Sammlung Sagen der böhmischen Vorzeit, die 1808 anonym erschien, eingeschoben in die Erzählung vom klingenden Waldhäuschen.[1]

Die Grimm’sche Fassung entspricht der Normalform, die in ganz Mitteleuropa verbreitet ist. Der Hahn kann durch einen Seiltänzer ersetzt sein, das Kleeblatt durch eine Schlange, tote Kröte, einen Salamander oder dass das Mädchen am Sonntag oder Heiligabend geboren ist. Im Baltikum kriecht der Zauberer scheinbar durch einen Baumstamm. Die mitteleuropäische Form steht in Wolfgang Bütners Epitome historiarum (1576, S. 115 ff.) und ist in Johannes PraetoriusPhilosophia colus (1662, S. 59) in Zusammenhang mit einem Kleeblatt wiedergegeben. Der Hahn mit dem Balken kommt in Étienne de Bourbons Tractatus de diversis materiis praedicabilibus vor (13. Jahrhundert), später bei Johannes Gastius, Augustin Lercheimer, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Der Wasserzauber kommt schon in der Vita Leos von Catania in Verbindung mit dem Zauberer Heliodorus im 8. Jahrhundert in Sizilien vor, der damit vorbeigehende Frauen die Kleider heben ließ, später in Geoffrey Chaucers Canterbury Tales, in der Histoire de Valentin et Orson, im Faustbuch von 1587, im Volksbuch vom Zauberer Vergil.[2]

Das Schwimmen im Flachsfeld (AaTh 1290) kommt zuerst in Paulus DiaconusHistoria Langobardorum vor (8. Jahrhundert). Es ziert Dummenschwänke, besonders zusammen mit AaTh 1287 Sich nicht zählen können. Vgl. KHM 119 Die Sieben Schwaben; aus Grimms Deutsche Sagen Nr. 395 Sage von Rodulf und Rumetrud.[3]

  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 244, 500. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
  • Rölleke, Heinz (Hrsg.): Grimms Märchen und ihre Quellen. Die literarischen Vorlagen der Grimmschen Märchen synoptisch vorgestellt und kommentiert. 2., verb. Auflage, Trier 2004. S. 220–227, 564–565. (Wissenschaftlicher Verlag Trier; Schriftenreihe Literaturwissenschaft Bd. 35; ISBN 3-88476-717-8)
  • Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Berlin 2008. S. 311–313. (de Gruyter; ISBN 978-3-11-019441-8)
  • Ranke, Kurt: Augenverblendung. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 1. S. 1003–1006. Berlin, New York, 1977.
  • Gašparíková, Viera: Schwimmen im Flachsfeld. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 12. S. 444–447. Berlin, New York, 2007.

Einzelnachweise

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  1. Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Berlin 2008. S. 311–313. (de Gruyter; ISBN 978-3-11-019441-8)
  2. Ranke, Kurt: Augenverblendung. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 1. S. 1003–1006. Berlin, New York, 1977.
  3. Gašparíková, Viera: Schwimmen im Flachsfeld. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 12. S. 444–447. Berlin, New York, 2007.
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