Der Tod des Tintagiles
Der Tod des Tintagiles (Original La Mort de Tintagiles) ist ein Drama für Marionettentheater von Maurice Maeterlinck von 1894.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der symbolistische Dichter Maurice Maeterlinck wandte sich in den 1890er Jahren verstärkt mystizistischen Themen zu, beeinflusst durch die Schriften des mittelalterlichen Mystikers Jan van Ruysbroek und von Arthur Schopenhauer. Er verfasste in dieser Zeit insgesamt fünf Dramen, in denen der Tod und dessen unausweichliche Macht eine wesentliche Rolle spielen (L’intruse/Der Ungebetene, Les Aveugles/Die Blinden und Les Sept Princesses/Die sieben Prinzessinnen als Todestrilogie, sowie Intérieur).[1][2] Der Tod des Tintagiles sollte als Marionettentheater gespielt werden, offenbar auch, um eine absolute Abhängigkeit der handelnden Personen von äußeren Einflüssen zu illustrieren.
Die Namen der Hauptpersonen entlehnte Maeterlinck der Artussage: Ygraine ist die Mutter des sagenhaften Königs Artus, Tintagel ist eine Burg, die im Mythos als uneinnehmbar gilt und in der Artus gezeugt wird.
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der junge Königssohn Tintagiles kommt zurück auf die Insel, auf der seine Schwestern wohnen. Die Großmutter lebt im Schloss und hat bereits den größten Teil der Familie getötet. Die Schwester Ygraine ahnt, dass der Junge in Gefahr ist, und versucht ihn davor zu schützen. Dennoch gelingt es den Dienern der Königin, ihn zu entführen und auf das Schloss zu bringen. Die Schwester Ygraine eilt dorthin und versucht den Bruder zu befreien, was ihr jedoch nicht gelingt.
Verschiedene Interpreten deuteten die Königin als die Macht des Todes (französisch weiblich la mort) und der Unausweichlichkeit seines Wirkens.
Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aufführungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die erste bekannte Aufführung fand in der Berliner Secessionsbühne unter der Regie von Martin Zickel im November 1900 statt.[3] Rainer Maria Rilke besuchte eine Vorstellung und war tief beeindruckt.[4]
Der russische Theaterregisseur Wsewolod Meyerhold führte im August 1905 in seinem Künstlertheater in Moskau das Drama ebenfalls auf. Am 28. Dezember 1905 gab es die erste französische Inszenierung im Théâtre des Mathurins in Paris, mit der Bühnenmusik von Jean Nouguès. Im St James Theatre in London gab es 1912 eine Aufführung.[5][6]
Vertonungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Charles Martin Loeffler: La Mort de Tintagiles, op. 6, Symphonische Dichtung für zwei Viole d’amore und Orchester (1896–1897); Fassung 1901 für eine Viola d’amore und Orchester
- Jean Nouguès: La mort de Tintagiles, Orchestermusik, Erstaufführung als Bühnenmusik in Paris 1905
- Bohuslav Martinů, Smrt Tintagilova, Orchesterwerk, 1910 (nicht aufführbar)
- Ralph Vaughan Williams, 1913, Orchestermusik, als Bühnenmusik
- Jean Absil: La mort de Tintagiles, opus 3 für Orchester, 1926
- Lawrance Collingwood, Oper Uraufführung 1950 in London
- Benjamin Attahir: Le silence des ombres, Operntryptichon mit La mort de Tintagiles, Uraufführung Brüssel 2019
Textausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Französisches Original
- La Mort de Tintagiles. Edmond Deman, 1894, S. 137 (Wikisource)
Deutsche Übersetzungen
- Der Tod des Tintagiles. Daheim. Zwei kleine Dramen für Puppenspiel. Autorisierte Übersetzung durch George Stockhausen. F. Schneider & Co., Berlin 1899; archive.org
- Drei mystische Spiele. Die sieben Prinzessinnen. Alladine und Palomides. Der Tod des Tintagiles. Übersetzt durch Friedrich von Oppeln-Bronikowski. Diederichs, Leipzig 1900, zweite Auflage 1904 Digitalisat (eingeschränkter Zugriff)
- Stephan Gross: Tintagiles Tod. Bloch, Berlin [um 1908]
- Leopold von Schlözer: Tintagiles Tod. ohne Ort und Jahr, um 1925
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Silke Erdmann: Dämonen, Hexen, erschreckende Zufälle. Aspekte des Phantastischen im lyrischen Drama des Fin de siècle. Tectum Verlag, Marburg 2011, S. 44–53.
- Fritz Mauthner: Maeterlincks "Tod des Tintagiles". In: Berliner Tageblatt, 14. November 1900, Morgenausgabe, S. 2 dfg-viewer.de
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Bettina Knapp: Maurice Maeterlinck. Twayne Publishers, Boston 1975. S. 77f.
- ↑ Anita Kolbus: Maeterlinck, Debussy, Schönberg und andere. Pelléas et Mélisande. Zur musikalischen Rezeption eines symbolistischen Dramas. Tectum Verlag, Marburg 2001. S. 36
- ↑ Fritz Mauthner: Maeterlincks „Tod des Tintagiles“. In: Berliner Tageblatt vom 14. November 1900, Morgenausgabe, S. 2; ausführlicher Bericht über die Vorstellung; der 9. November 1900 ist die früheste bisher bekannte Vorstellung, Rilke war dort als Besucher anwesend
- ↑ Erika Otto: Rainer Maria Rilke und das Theater. Vom Naturalismus zur Avantgarde. LIT Verlag, Berlin 2018. S. 130–134
- ↑ Bühnenkostüm 1912 Bridgeman Images
- ↑ Bühnenkostüm 1912 Bridgeman Images