Diskussion:Fusionaler Sprachbau
Ist Latein so betrachtet wirklich eine fusionale Sprache? Ich meine: Solange man nur jeweils einen Zeitstamm betrachtet, sieht alles erstaunlich agglutiniert aus - klar, es gibt gewisse Anpassungen in wenigen Formen, aber das haben agglutinierende Sprachen wie etwa Japanisch auch haeufig.
clam- + (-a- | -e-) + (-- | -ba- | -bi-) + (Personal-Genus-Endung, wobei man hier auch recht deutlich noch sieht, dass das Morphem fuer Passiv -r ist)
Zumindest im Bereich Modus und (Sub-)Tempus kann man die Unterscheidung noch sehr deutlich sehen. Ich weisz, es ist ein bisschen Korinthenkackerei, aber vielleicht sollte man darauf hinweisen, dass der Uebergang flieszend ist. --FAR 15:01, 7. Sep 2006 (CEST)
- Es dürfte fast keine Sprache geben, die eine typologische Reinform darstellt; was schon daraus erleuchtet, dass z.B. fusionale Elemente leicht aus Agglutinationssuffixen entstehen können. Es handelt sich bei der Typologisierung von Sprachen immer um graduelle Einstufungen, nicht um absolute. Latein ist im universalen Vergleich relativ fusional. Man denke nur daran, was z.B. das Suffix {i} alles bedeuten kann, ohne jeweils das einzige Morphem mit entsprechender Bedeutung zu sein: reg-i : domin-o, domin-i : de-ae etc. So geht es mit der Mehrzahl der gebundenen Morpheme im Lateinischen.--Hammermatz (Diskussion) 23:50, 29. Mai 2013 (CEST)
Morphem oder Affix?
[Quelltext bearbeiten]Zitat: "clamat" lässt sich zerlegen in das Morphem "clam-" und das Affix "-at". Letzteres enthält die Information über die grammatischen Kategorien Person, Numerus, Zeit, Modus und Genus Verbi [...]. Die Änderung einer dieser Kategorien bedingt eine völlige Änderung des Morphems.
Ich spreche nicht Lateinisch und kann deshalb auch nicht selbst korrigieren -- aber sollte es nicht heissen: "Die Änderung einer dieser Kategorien bedingt eine völlige Änderung des Affixes." ? --Hub 23:20, 3. Mär. 2007 (CET)
- Ja das stimmt, es muss "Affixes" heißen, ich änder das mal.
- Nebenbei bemerkt: sowohl die Basis "clama" als auch das Affix (genauer Suffix) "t" gelten als Morpheme, also kleinste bedeutungstragende Einheiten.--Hammermatz (Diskussion) 23:33, 29. Mai 2013 (CEST)
- Das Zitat ist jetzt anders. Warum wurde das geändert? Ich denke auch, dass das Morphem nur clam- ist, nicht clama-, denn der Infinitiv lautet clam_are und das Lemma clam_o. Die Endung der 3. Person ist -at, nicht nur -t, oder sie ist zweiteilig, sollte es im Frühlatein das -a- auch in der 1. Person gegeben haben. --Gallograph (Diskussion) 10:02, 6. Aug. 2022 (CEST)
- Das Morphem ist clama-, denn so lautet der Stamm. Es handelt sich um einen Stamm der a-Konjugation, von Verbalstämmen, die (zumindest im Präsensstamm) auf -a auslauten. So lautet der Infinitiv denn auch clama-re, das Partizip clama-ns, das Perfekt Aktiv (1. Person) clama-vi. Die Endung der 1. Person Präsens Singular Aktiv clamo ist darauf zurückzuführen, dass der Stammauslaut -a mit dem Suffix -o zu -o verschliffen ist (aus -a-o). Man vergleich die e-Konjugation mit beispielsweise dem Stamm dele- („zerstören“) mit den parallelen Formen dele-o, dele-re, dele-ns und dele-vi. Allerdings bilden viele Verba der e-Konjugation das Perfekt nach dem Paradigma --ui, so habere („haben“): Präsens habeo, Perfekt habui. Bei flektierenden Sprachen wie dem Latein sind Formantien wie die Personalendungen unabtrennbarer Wortbestandteil, der nackte Stamm nur in Ausnahmefällen (etwa Imperativ Singular im Lateinischen) in der Sprachpraxis gebräuchlich.--Hajo-Muc (Diskussion) 14:37, 6. Mai 2023 (CEST)
Weniger Affixe
[Quelltext bearbeiten]Ich kann nicht ganz nachvollziehen, inwiefern fusionale Sprachen weniger Affixe verwenden sollen. Müsste es nicht genau umgekehrt sein? Rein rechnerisch ergeben sich bei z.B. 6 Personen und 3 Zeiten 9 im "Idealfall" 9 Affixe bei einer agglutinienden Sprache, aber 18 bei einer fusionierenden, da hier die Menge Zeiten mit der der Personen multipliziert anstatt addiert werden muss. Darin liegt doch gerade der Sinn z.B. für Plansprachen wie Esperanto, die ja eben nicht komplex, sondern möglichst einfach zu erlernen sein sollen und daher möglichst wenig Affixe verwenden, oder? (nicht signierter Beitrag von 93.130.140.61 (Diskussion) 18:29, 23. Jan. 2012 (CET))
- Der Artikel hat schon Recht, wenn auch in einem anderen Sinne. Ich veranschauliche das mal so:
- Der Artikel "den" bezeichnet Kasus, Numerus und Genus. Agglutinierende Sprache müssten hier drei Affixe hinzufügen. So ist nur einer nötig. Fusionierende Sprache haben zwar eine größere Vielfalt an Affixen, müssen aber z.B. nur einen nennen, nicht drei. --Nikolaj'u (Diskussion) 23:04, 3. Mai 2012 (CEST)
Affixe in der Formbildung des lateinischen "clamare"
[Quelltext bearbeiten]In der publizierten Version dieses Artikels scheint mir der Bedeutungsgehalt des Affixes -t zu sehr strapaziert zu sein. Dasselbe Affix (klassisch: Endung) erscheint nämlich auch in anderen Tempora (Zeitformen): Imperfekt: clama-ba-t / Futurum I: clama-b-i-t / Konjunktiv I: clam-e-t / Konjunktiv II: clama-re-t / Plusquamperfekt: clama-v-era-t / Futurum II: clamav-eri-t Das -t allein bedeutet deshalb nur "3. Person Singular Aktiv". Es kann z.B. ersetzt werden durch -mus (1. Person Plural Aktiv) oder durch -tur (3. Person Singular Passiv – nicht für Plusquamperfekt und Futurum II)
Das Latein hat, worauf ja schon hingewiesen wurde, agglutinierende Züge: Mehrere Signal-Affixe folgen aufeiander, allerdings signalisieren einige davon mehr als nur eine grammatische Kategorie: (Bedeutungsteil, Stamm): clama- + (Tempus- und Moduszeichen: Indikativ Imperfekt) -ba- + (Endung: 3. Pers. Sg. aktiv) -t (Bedeutungsteil, Stamm): clama- + (Tempus- und Moduszeichen: Indikativ Futurum I) -b- + ("Sprechvokal") -i- + (Endung: 3. Pers. Sg. aktiv) -t
Daneben hat das Lateinische gerade in der Bildung der Verbformen auch Züge einer (stark) flektierenden Sprache: So wird z.B. aus dem Präsens-Stamm "ag-" (zum Infinitiv ag-e-re) durch Ablaut der Perfekt-Stamm "ēg-"
Dasselbe gilt durch die Wirkung von Lautgesetzen z.T. auch für die Deklination: Zum Nominativ "Apollo" gehört für die obliquen Kasūs der Stamm Apollin- (nicht signierter Beitrag von Sigi zuerich (Diskussion | Beiträge) 18:22, 3. Okt. 2012 (CEST))
- Nun die Affixe des Lateinischen neigen erheblich dazu, mehrere Funktionen zu tragen. so hat eben das -t in clamat, clamabit, clamavit, clamaverat etc. immer die Bedeutung 3. Person (Personalsuffix), Singular (Numerus) Aktiv (Genus verbi). Eine weitgehend nicht-fusionale Sprache wie das Türkische benutzt für diese Funktionen verschiedene Affixe, wenn sie nicht als Normalfall (und den stellt sowohl dıe 3. Person, wie auch der Singular und der AKtiv dar) entfallen. Die entsprechenden Parallelen sind: bağırıyor, bağıracak, bağırdı, bağırmıştı. Die passivischen Formen sind: bağırılıyor, bağırılacak, bağırıldı, bağırılmıştı. Im Plural (aktiv, passivische Pormen in Klammern): bağır(ıl)ıyorlar, bağır(ıl)acaklar, bağır(ıl)dılar, bağır(ıl)mıştılar. In der ersten Person Singular(hier macht das Passiv keinen Sinn): bağırıyorum, bağıracağım, bağırdım, bağırmıştım. Deutlicher wird der Unterschied in der Nominal Flexion, hier für das Wort „Hahn” (Kasus und Numerus jeweils mit Bindestrich abgetrennt und fett ausgezeichnet). Lateinisch (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ; Ablativ) Singular: gall-us, gall-i, gall-o, gall-um, gall-o; Plural: gall-i, gallo-rum, gall-is, gallo-s, gall-is. Das stammauslautende -o verschmilzt fast regelmäßig mit der Flexionsendung. Dagegen das Türkische (Grundform („Nominativ“), Genitiv, Dativ, Akkusativ, Lokativ, Ablativ) Singular: horoz, horoz-un, horoz-a, horoz-u, horoz-da, horoz-dan; Plural: horoz-lar, horoz-lar-ın, horoz-lar-a, horoz-lar-ı, horoz-lar-da, horoz-lar-dan. Der Wechsel zwischen -u und -ı ergibt sich nach den Regeln der Vokalharmonie aus der Vokalisierung der vorangehenden Silbe mıt o bzw. a und hat mit dem Suffix an sich nichts zu tun. Ich hoffe, die Unterschiede sind deutlich geworden. --Hajo-Muc (Diskussion) 15:38, 6. Mai 2023 (CEST)