Diskussion:Gaius Sempronius Gracchus

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Letzter Kommentar: vor 8 Tagen von Tolanor in Abschnitt Fazit
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Puhh...puhh.. Ich schreibe gerade an einer Semesterarbeit über die Gracchen und beim Durchlesen dieses Artikel fällt mir doch sehr auf, dass hier bestimmte Meinungen der Forschung als absolute Erkenntnisse dargestellt werden, obwohl sie stark umstritten sind. So ist zum Beispiel hochumstritten, ob Tiberius aus Rache gehandelt hat und diese Annahme geht lediglich auf Quellen prooptimatischer Zeitgenossen zurück, die Gaius jegliches sachliches Anliegen absprechen und ihn als von Rache getriebenen Wahnsinnigen darstellen. Hier müssten sehr viel mehr Forschungspositionen zur Sprache kommen, aber ich habe momentan wirklich keine Zeit das selber zu machen. Außerdem kenn ich mich mit den Gepflogenheiten bei der Erstellung eines Wiki-Artikels nicht aus. -- ein unregistrierter Benutzer, der zu faul war sich anzumelden, um seine Bedenken mitzuteilen

Pardon! Es muss natürlich ", ob Gaius aus Rache gehandelt hat" heißen (nicht signierter Beitrag von 78.54.223.147 (Diskussion) 17:53, 9. Okt. 2010 (CEST)) Beantworten

Man kann über vieles diskutieren aber nicht hierdrüber!

Man könnte natürlich auch etwas sinnvolles beitragen -- Geos 1. Jul 2005 14:21 (CEST)

Der Artikel ist historisch so dürftig untermauert und wirft Fakten derart durcheinander, dass eine dringende Überarbeitung geboten ist!

Ja der Artikel ist natürlich ausbaubedürftig. Wenn ich da lese, es gab "Bestimmungen den Getreidepreis zu bestimmen", stellen sich mir die Nackenhaare hoch. So ein(e) Ausdruck(sweise) ist dermaßen schwammig. Warum nicht einfach schreiben -"er senkte den Getreidepreis"-basta--HorstTitus 19:09, 7. Nov. 2006 (CET)Beantworten


Hab mich mal daran versucht. --Massinissa 14:05, 13. Sep. 2007 (CEST)Beantworten

Unordentliche Familienverhältnisse

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Ich glaube, da ist eine Verlinkung falsch im ersten Abschnitt. "Gaius wurde im Jahr 153 v. Chr. als jüngerer Bruder des älteren Tiberius Sempronius Gracchus, Konsul des Jahres 177 v. Chr., und der Cornelia Africana geboren." Er war aber wohl kaum der Bruder seines Vaters, oder? Die Verlinkung müsste umgelegt werden auf Tiberius Sempronius Gracchus den Jüngeren und der Zusatz mit dem Konsul müsste weg, wenn ich jetzt nicht die Familienverhältnisse vollkommen falsch deute. -- 93.134.25.180 15:56, 22. Okt. 2009 (CEST)Beantworten

Habs korrigiert, vielen Dank. --Φ 16:18, 22. Okt. 2009 (CEST)Beantworten


Nachruhm

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Sehr einseitige - gegen C. Sempronius Gracchus gerichtete - Darstellung, die den Forschungsstand nicht annähernd korrekt darstellt, zumal leider auch völlig die Belege fehlen. Welche Althistoriker unterstellen ihm denn nur egoistische Motive? Ich meine, man sollte den Meinungsstand entweder ausgewogen dokumentieren oder die Passage ganz streichen. Benutzer:Donatien 14:00, 7. Apr. 2011 (CET)Beantworten

unklare Familienverhältnisse

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Im Absatz "Familie" wird Sempronia als Tochter von G. Sempronius Gracchus bezeichnet. Im Artikel über Fulvia ist aber Sempronia die Tochter von G. Sempronius Tuditanus. Beide Personen sind nicht identisch. Im gleichen Artikel wird als Vater von Fulvia Marcus Fulvius Bambolio genannt und verlinkt. Hier aber ein Marcus Fulvius Flaccus mit roter Schrift.

-- 84.186.73.168 15:49, 21. Aug. 2011 (CEST)Beantworten

Fazit

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Das Fazit ist in der bisherigen Version extrem einseitig und negativ. Damit entspricht es nicht dem gesamten Diskussionsstand, wenn auch vielleicht der Sicht "einiger Althistoriker" (rein subjektives Machtstreben der Gracchen), für die ich aber gerne Belege hätte. Die Behauptung, gar die Krise der römischen Republik sei auf individuelles Machtstreben der Gracchen bzw. der Popularen zurückzuführen, ist wissenschaftlich völlig unhaltbar. Vielmehr bestand das Ziel dieser Reformversuche doch wohl darin, die sozialökonomische Krise Roms so zu lösen, dass letztlich auch die Macht der Nobilität gewahrt blieb. Ich habe versucht, eine Formulierung für das Fazit zu finden, die allgemein akzeptabel ist.--Peter Eisenburger (Diskussion) 16:29, 14. Nov. 2014 (CET)Beantworten

Da die Passage von Benutzer:Procopius (2010) stammt, würde mich seine Antwort (und tatsächlich auch Belege im Artikel) interessieren. Viele Grüße, --Tolanor 02:02, 12. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Guten Abend. "Unhaltbar" ist da gar nichts; die Dekonstruktion der Idealisierung der Gracchen ist jahrzehntealt, und dass eskalierende Rivalität innerhalb der Nobilität DAS Kennzeichen der Krise ist, ist spätestens seit Christian Meier (Res publica amissa, 1966) die Mehrheitsmeinung. Die Idee, es sei den Gracchen um Machtstreben gegangen, findet sich bereits in der Antike bei Autoren wie Cassius Dio (23,83); bei Gaius Gracchus kommt Rachsucht hinzu (vgl. den (angeblichen) Brief Cornelias an ihren Sohn bei Cornelius Nepos, Fragment1). In der modernen Forschung hat zuerst Jochen Bleicken herausgearbeitet, dass Tiberius Gracchus nach der Numantia-Affäre aus Karrieregründen einen dringenden Erfolg brauchte und sich deshalb von einer Gruppe von steinreichen Senatoren für das Projekt einspannen ließ; Klaus Bringmann und Bernhard Linke haben gezeigt, dass es gar keinen Landmangel gab (die Praxis der Koloniegründung war aus Mangel an Interessenten eine Generation vor den Gracchen eingestellt worden), so dass es andere Gründe für die geplante Neuverteilung des Ager Publicus gegeben haben muss als eine "sozioökonomische Krise" in einem Staat, der es sich leisten konnte, seine Bürger keine Steuern zahlen zu lassen. Und insbesondere Ulrich Gotter hat die eskalierende Konkurrenz innerhalb der Nobilität im 2. Jahrhundert (die, wie Bruno Bleckmann argumentiert, schon im Ersten Punischen Krieg begann) unlängst noch einmal anschaulich nachgezeichnet. Hier eine kleine Bibliographie: Bruno Bleckmann: Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz in der Republik. Berlin 2002; Jochen Bleicken: Überlegungen zum Volkstribunat des Tiberius Sempronius Gracchus. In: Historische Zeitschrift. Band 247, 1988, S. 265–293; Klaus Bringmann: Die Agrarreform des Tiberius Gracchus. Legende und Wirklichkeit, Stuttgart 1985; Ulrich Gotter: Konkurrenz und Konflikt. Die Krise der römischen Aristokratie im 2. Jahrhundert v. Chr. In: Josef Matzerath, Claudia Tiersch (Hrsg.): Aristoi - Nobiles - Adelige. Europäische Adelsformationen und ihre Reaktionen auf gesellschaftliche Umbrüche, Münster 2020, S. 65–90; Bernhard Linke: Die römische Republik von den Gracchen bis Sulla, Darmstadt 2012. --Procopius (Diskussion) 18:08, 12. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Danke für die Auskunft. Wenn Du jetzt noch an der ein oder anderen Stelle Einzelnachweise in den Artikel einbauen könntest, könnten wir zukünftigen Nachfragen in dieser Sache vorbeugen. (Persönlich scheint mir diese aktuelle Forschungstendenz ein wenig zu sehr in Richtung reiner Politikgeschichte „großer Männer“ zu gehen; gerade zu dieser Zeit lässt sich ja anscheinend schon einiges an agency der Plebs feststellen. Mich würden hier schon auch - meinetwegen überholte - marxistische Deutungen interessieren, zumindest als Teil der Forschungsgeschichte. Aber wer bin ich schon ;)). Viele Grüße, --Tolanor 20:23, 12. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Ich kümmere mich in den nächsten Tagen darum. Es geht allerdings gar nicht um "große Männer", sondern um strukturelle Probleme: Die Erfolge und Siege (und Beute) werden seit ca. 200 so groß, dass die Ungleichheiten innerhalb der Nobilität zu groß werden. Es passiert dann offenbar das, was mutmaßlich bereits in den "Ständekämpfen" passiert war - eine Gruppe von Familien versucht, eine "Top-Elite" innerhalb der Elite zu formen, während andere dem Widerstand leisten. Dabei wird dann zunehmend das eingesetzt, was Christian Meier die "populare Methode" nennt - diejenigen Senatoren, die im Senat keine Mehrheit finden, wenden sie über das Volkstribunat direkt an die Volksversammlung, um ihre Rivalen in der Nobilität auszumanövrieren. Das Problem ist, dass am Ende "populare" Politiker wie Caesar, die sich auf die Gracchen als Vorbilder beziehen, den Sieg davontragen und dafür sorgen, dass das Narrativ von den gracchischen Volksfreunden, die gegen "die Reichen" gekämpft haben (das ist ungefähr so, wie wenn Trump und Musk gegen "die Eliten" agitieren), in den meisten Quellen dominiert: Die Sieger schreiben die Geschichte; es ist der Job der Historiker, den Verlierern eine Stimme zu geben. Grüße! --Procopius (Diskussion) 22:14, 12. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Das kann man sicherlich so sehen. Mich stört an dieser Erklärung aber, dass sie der Plebs überhaupt keine aktive Rolle eingesteht. Stattdessen wird das arme und dämliche Volk von Demagogen aus der Nobilität zu deren eigenen Zwecken missbraucht. Mich interessiert eher, welche Interessengruppen es auch außerhalb der Nobilität gab, die auf den Konflikt einwirkten, und wie sie z.B. intern organisiert waren. Letztlich sind wir eben durch die Quellen auch sehr fokussiert auf die Konflikte innerhalb des Adels. Bei der Frage, wer oder was denn "das Volk" eigentlich sei, wird es ja aber spannend.
Hast Du schon Megalopolis gesehen? Dort wird der Konflikt ganz in althistorischer Tradition als ausschließlich zwischen Adligen erzählt; Caesar (= Trump) hat am Ende das größere Charisma im Vergleich zu Clodius, der auch nur eine unter Rückgriff auf uralte Tropen (Stichwort ochlos) gezeichnete unklare, irgendwie gewalttätige Masse verführt. (Wollte ich die Aussage des Films historisieren, würde ich sagen: Die Phantasien der heutigen Liberalen nähern sich immer mehr dem Autoritarismus an.) Das scheint mir irgendwie symptomatisch für eine Analyse, die "das Volk" bzw. seine kontingenten Konstruktionen als aktiven Faktor gar nicht mehr denken kann. Das ist einfach so ein Grundzweifel, der mich begleitet, wenn ich heutige althistorische Literatur lese. Alles immer schön zusammengetragen und geordnet, logisch einwandfrei, manchmal sogar geradezu phantasievoll - aber die wirklich interessanten sozialhistorischen Fragen, für die man auch die Archäologie bräuchte, kommen meistens dann doch zu kurz oder werden rein an der durch historische Quellen verfügbaren Zusammensetzung der Elite geführt. Vermutlich lese ich auch eher die falschen Bücher. Aber was schwadroniere ich? Du hast ohnehin viel mehr Ahnung. Deine Meinung zu dieser Beobachtung würde mich allerdings interessieren, auch wenn Du mir dabei die Leviten liest. Viele Grüße, --Tolanor 00:09, 13. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Also: Dass „die Masse“ unter bestimmten Umständen eine eigene Agency haben kann, bestreitet, denke ich, kaum jemand, man denke nur an den Herbst 1989. Auch nicht die Existenz genuiner Klassengegensätze und divergierender ökonomischer Interessen. Ich würde aber Rudolf Michels folgen und von einem ehernen Gesetz der Oligarchie ausgehen: die Entstehung von Eliten mit Herrschaftswissen ist unvermeidlich. Die Rolle der Eliten ist daher in den meisten Fällen zentral, sie stehen daher, wie schon Ronald Syme sah, im Mittelpunkt aller Versuche, die römische und griechische Geschichte zu verstehen. Aber nicht überall blicken heutige Althistoriker so sehr auf die Eliten wie in Deutschland. Speziell in der angelsächsischen althistorischen Forschung ist der marxistische Einfluss bis heute viel stärker als in der deutschen (die, weil es halt fast keine Alte Geschichte in der DDR gab, im wesentlichen in bundesrepublikanischer Tradition steht). Forscher wie Matt Simonton oder Mike Canevaro stehen in Hinsicht insbesondere auf interne Konflikte in der Nachfolge von Moses Finley und Geoffrey De Ste. Croix, bei ihnen wirst Du viel finden, was Du in der deutschen Forschung vermissen magst, für sie ist "class struggle" heuristisch produktiv. Es geht aber letztlich vor allem um Schwerpunktsetzung – dass sowohl „hoi polloi“ als auch „die Eliten“ eine Rolle spielen, ist evident, die Frage ist, wen man für den entscheidenden Player hält. Und da würde ich diese Eliten eben anders einschätzen, als die Marxisten es tun: Ich sehe keine historische Evidenz dafür, dass die gemeinsamen sozioökonomischen Interessen die Reichen zu einer Kooperation bringen, sondern die Hauptfeinde eines Reichen sind, solange nicht gerade Revolution herrscht, immer seine eigenen Peers. Die Mehrzahl der Konflikte wird gerade nicht durch Klassen determiniert, sondern eskaliert innerhalb der Klasse, die Zeit für sowas hat, weil sie nicht damit beschäftigt ist, täglich über die Runden zu kommen. In praktisch jedem großen Umsturz sehen wir Angehörige der Eliten in den Führungspositionen der Umstürzler; darum denke ich, im Regelfall geht es um Konflikte INNERHALB der abkömmlichen Schicht. Wenn ökonomische und soziale Ungleichheit zu Revolutionen führen würden, gäbe es in Indien pausenlos Revolutionen; da das nicht der Fall ist, muss offenbar noch etwas hinzukommen, damit die Bombe hochgehen kann. Daher denke ich: Wo die Oberschicht ihre Rivalität unter Kontrolle hat, gibt es IN DER REGEL keine Umstürze. --Procopius (Diskussion) 02:28, 13. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Danke für die Antwort, ich muss in der Tat dringend mehr Finley etc. lesen. Zur Spätantike habe ich auf Benutzer:Benowars Empfehlung immerhin schon Chris Wickham hier stehen. Wäre natürlich gut zu wissen, was die genannten, unorthodox marxistischen englischen Historiker zu den Gracchen bemerkt haben. Vielleicht stellt sich dabei heraus, dass die bisher im Artikel dargestellte Forschungstendenz eher eine deutsche ist?
Zum allgemeinen: Das ist alles nicht falsch, was Du schreibst, ist mir aber gewissermaßen immer noch zu undialektisch gedacht. Ich war vor Jahren sehr erstaunt, als ich endlich mal wirklich klugen marxistischen Historikern begegnet bin, in Chicago, of all places, denn sie hatten bei Moishe Postone studiert. Im deutschen Studium (HU Berlin, zur Promotion FU Berlin) hatte man mir immer erzählt, Marxismus sei veraltet und unterkomplex. Im Gegenteil erschienen mir aber nun viele marxistische Gedankengänge deutlich erklärungsmächtiger als die ständige liberale Litanei von "Kontingenz", "Spezifizität" etc. Die Geschichte hat zwar keine objektiven Gesetze, aber zufällig verläuft sie auch nicht. Im von Dir aufgemachten Fall von Elitenkonflikten: Du hast natürlich recht, dass diese historisch überaus wirkmächtig sind und Revolutionen selten. Aber "das Volk", soziale Klassen etc. wirken ja trotzdem, zum Beispiel auf die Verschiebungen in den Schichten der Eliten. Trump zum Beispiel ist selbstverständlich kein Revolutionär, und doch hat sein Aufstieg mit langfristigen sozioökonomischen Verschiebungen u. a. in den Arbeiter- und Angestelltenklassen Amerikas zu tun (Folgen von Neoliberalismus und Globalisierung). Beide kapitalistischen Parteien (Demokraten und Republikaner) haben sich in den letzten Jahren auf "die Arbeiter" (eine spezifische Konstruktion des Volkes) zubewegt, sodass neue Narrative und teilweise auch andere Politiken entstanden sind (hier m.E. gut analysiert von Jake Werner, einem meiner oben genannten amerikanischen Kollegen, auf The Dig). Und gleichzeitig stellen sich die Gewerkschaften in dieser Politik neu auf, und sie können über Streiks in wichtigen Bereichen (z.B. Autobau, Häfen) auch tatsächlich Druck ausüben. Shawn Fain (United Auto Workers) geht nach links; der Präsident der Teamsters spricht dagegen auf dem Republikanischen Parteitag. Es finden also beständig Aushandlungsprozesse zwischen den Klassen statt, und diese haben auch Einfluss auf die Konflikte der Eliten untereinander. (Diese sind natürlich wiederum ebenfalls komplex zusammengesetzt, vgl. z.B. die ökonomische Dialektik zwischen grünem Kapital und Ölkapital.) Insofern muss oder sollte man sich aus meiner Sicht gar nicht auf einen "entscheidenden Player" festlegen, sondern die Dialektik des Klassenkampfes als ständige Aushandlung sich verändernder Machtkonstellationen darstellen. Wenn also die "unteren Klassen" in der Darstellung kaum mehr vorkommen, läuft etwas schief, dann fehlt ein wesentliches Element der Erklärung. Wie erklärt sich zum Beispiel sonst die veränderte Wirkung "popularer" Propaganda, und die Notwendigkeit einer Gegentaktik vonseiten des Livius Drusus? Der vollzog ja mal wieder ein klassisches Herrschermanöver (damit habe ich als Gewerkschafter quasi monatlich zu tun), indem er auf einen Teil der Forderungen einging und damit Gracchus’ potentielle Gefolgschaft spaltete. In diesem Moment ist aber "das Volk" eben durchaus ein Machtfaktor, nur dass es eben nie alles gewinnt (und manchmal auch alles verliert). Das, finde ich, sollte im Artikel schon auch weiterhin deutlich werden. Gottes Segen und Rot Front, --Tolanor 03:22, 13. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Na ja, aber eigentlich ist das Narrativ, wonach die Gracchen zu einer Clique machthungriger Superreicher gehörten, die bloß so taten, als ginge es ihnen um das Gemeinwohl, aber eigentlich egoistischen Interessen folgten, doch mit einer marxistischen Weltsicht sehr kompatibel, oder? Viel eher jedenfalls als „wohlmeinende reiche Aristokraten entdecken plötzlich ihr soziales Gewissen und erkennen, dass sie das arme Volk retten müssen“. --Procopius (Diskussion) 13:24, 13. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Aber warum sollte es nur diese zwei Alternativen geben? Entweder die Volksretter (antike Quellen) oder die demagogische Elite, die das Volk nur benutzt (deutsche Forschung). In beiden Fällen kommt "das Volk" eben nur als eine passive Masse vor, unfähig, selbst zu denken und selbst zu handeln. Dagegen scheint doch gerade in der Gracchischen Zeit - und auch später etwa im Bundesgenossenkrieg etc. - auf der Hand zu liegen, dass die Interessenverschiebungen verschiedener Bevölkerungsschichten ("Klassen") mit den Konflikten der Nobilität korrespondierten und auf diese einwirkten. "Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken" – diese Dialektik gilt halt auch für die Adligen, und Teil ihrer "unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umstände" sind halt die Klassenverhältnisse, in denen sie sich bewegen - nicht nur die Rivalitäten untereinander. Sobald die unteren Klassen ausgebeutet werden (also im Grunde seit der Neolithischen Revolution), haben sie auch Hebel, weil sie es sind, die arbeiten und kämpfen. Diese Hebel und ihre Nutzung muss man doch in die Erklärung mit einbeziehen? --Tolanor 19:16, 13. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Wenn es für diesen Standpunkt verfügbare und ernstzunehmende wissenschaftliche Literatur gibt: Immer her damit. Wenn man aber Forderungen wie folgende stellt: Sobald die unteren Klassen ausgebeutet werden (also im Grunde seit der Neolithischen Revolution), haben sie auch Hebel, weil sie es sind, die arbeiten und kämpfen. Diese Hebel und ihre Nutzung muss man doch in die Erklärung mit einbeziehen. Muss man sich fragen: Wer fragt das und wer tut das? --Benutzer:Der gut zu tanzen weiß (Diskussion) aka Tusculum 19:55, 13. Dez. 2024 (CET)Beantworten
Ich möchte nur kurz anmerken, dass die Quellen keine eindeutige Antwort zur Motivation des Tiberius geben - das schreibt auch Linke, der sich dann aber doch für Bleickens Sichtweise in Bezug auf Tiberius entscheidet. Ältere (gar nicht so alte oder veraltete) Sichtweisen wie die von v. Ungern-Sternberg sind nach wie vor bedenkenswert. Archäologisch sind Grenzsteine der Ackerkommission überliefert, sie hat also gearbeitet, zumindest in gewissen Gegenden der italischen Halbinsel. Man muss hier sehr wahrscheinlich regional differenzieren. Das Gleiche, Differenzierung, halte ich bei der Interpretation der Motivation des Tiberius für überzeugender als ein (zu einfaches) entweder-oder. Bei Gaius, das stimmt, sieht das wegen des Schicksal seines Bruders wahrscheinlich anders aus. Schönen Abend wünscht Krešimir Matijević (Diskussion) 21:48, 13. Dez. 2024 (CET)Beantworten

Materialsammlung Deutung und Rezeption

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Tusculum, dass, sobald es an die Artikelarbeit geht, Belege erforderlich sind, so viel Wikipedianismus (oder Wikipedianität?) musst Du mir trotz meiner marxistischen Subversionen schon zutrauen ;-). Deshalb Butter bei die Fische. Ich habe mal ein bisschen nach Literatur gesucht. Die von Procopius oben genannten Autoren konzentrieren sich allesamt auf die griechische Geschichte (siehe Mirko Canevaro und Geoffrey de Ste Croix (zu seinem wichtigsten Buch haben wir sogar einen Artikel), so auch etwa Jean-Pierre Vernant, Pierre Vidal-Naquet), dürften für den vorliegenden Artikelkomplex also nicht allzu viel abwerfen. Schon wärmer wird es bei folgenden Titeln:

  • Dominik Maschek: Die römischen Bürgerkriege. Archäologie und Geschichte einer Krisenzeit. Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2018
  • Dietmar Kienast: Die politische Emanzipation der Plebs und die Entwicklung des Heerwesens im frühen Rom. In: Bonner Jahrbücher. 175, 1975, S. 83–112.
  • Fergus Millar: The crowd in Rome in the late republic. University of Michigan Press, Ann Arbor 1998, ISBN 0-472-10892-1.

Nicht so sehr für aktuelle Forschungstendenzen, dafür aber für die Rezeptionsgeschichte sollte man sicherlich mal reingucken in:

Da Procopius selbst in dem Themenbereich forscht, macht es natürlich mehr Sinn, wenn er hier Hand anlegt. Ich interessiere mich trotzdem für die genannte Lit und hoffe, dass ich nicht allzu ferner Zukunft einmal Gelegenheit finde, hier tiefer einzusteigen. Für weitere Hinweise bin ich dankbar. Viele Grüße, --Tolanor 09:48, 14. Dez. 2024 (CET)Beantworten

Habe mich weiter umgeguckt, hier nur eine kleine Material- und Exzerptsammlung:
  • Hermann Rieger: Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen Literatur. 1991.
  • Raimund Ottow: Die Gracchen und ihre Rezeption im politischen Denken der Frühen Neuzeit. In: Der Staat. Band 42, Nr. 4, 2003, S. 557–581 (JSTOR).
  • Sein Urteil zu unserer Frage von oben: " Soviel also scheint - bei allem Vorbehalt wegen des Mangels authentischer zeitgenössischer Quellen - klar zu sein: Die Gracchen wollten - konservativ - soziale Differenzierungsprozesse rückgängig machen und die Bauernschaft restituieren, die die traditionelle republikanische Basis der römischen Heeresmacht bildete; ein weiteres Motiv kann die Abwehr der Gefahr durch Sklavenaufstände gewesen sein, die vor 133 eingesetzt hatten. Neben der Mobilisierung der Bauern beinhalteten ihre programmatischen Intiativen Bündnismomente, die an Ritter, italische Bundesgenossen und die ,Plebs urbana' appellierten. Obwohl die Gracchen selbst zur aristokratischen Elite gehörten und in dieser vielleicht nicht so isoliert waren, wie spätere Quellen nahelegen, kann ihre Politik der Form nach, auch wenn erst nach Sulla von Populares die Rede ist, als populistisch, vielleicht sogar als revolutionär gegen die optimatische Senatsautorität gerichtet bezeichnet werden." (S. 561)
  • Zum Gracchenbild der Antike stellt Ottow zusammenfassend fest: "Die Quellen, aus denen sich die frühe Neuzeit ein Bild der Gracchen machen konnte, sind ambivalent21. Es gibt - so kann zusammenfassend formuliert werden - eine starke Tendenz, zwischen den volksfreundlichen Intentionen der Gracchen und ihrem Abgleiten in Aufruhr zu differenzieren22 [Cicero, Appian; negativ werden sie gezeichnet bei Valerius Maximus, Facta et dicta memorabili 6,3]. Die positivste Wertung findet sich in Plutarchs Lebensbeschreibungen, [...] und dies ist sicherlich die wichtigste antike Quelle für das Gracchen-Bild der frühen Neuzeit."
  • Spannend zu Macchiavelli, der schon einen erfreulich dialektischen Gedanken mit Verweis auf die Ständekämpfe und die Klassenauseinandersetzungen in Rom bis zu den Gracchen formulierte: "Einer der originellsten Aspekte des politischen Denkens Niccolo Machiavellis besteht in der These, dass Parteikämpfe, im vormodernen Sinne von Ständekonflikten, anstatt die Republik zu ruinieren, im Gegenteil ein wesentlich notwendiges, belebendes Moment der Vitalisierung und der Bewahrung von Freiheit sind. „Ich behaupte", schreibt er in den ,Discorsi sopra la prima Deca di Tito Livio', „daß diejenigen, die die Kämpfe zwischen Adel und Volk verdammen, auch die Ursachen verurteilen, die in erster Linie zur Erhaltung der Freiheit Roms führten. Wer mehr auf den Lärm und das Geschrei solcher Parteikämpfe sieht als auf deren gute Wirkungen, der bedenkt nicht, daß in jedem Gemeinwesen das Sinnen und Trachten des Volks und der Großen verschieden ist und daß alle zu Gunsten der Freiheit entstandenen Gesetze nur diesen Auseinandersetzungen zu danken sind." [...] Und das Volkstribunat betrachtet Machiavelli als klassische Gegeninstitution, die scheinbar die Geschlossenheit und Wirksamkeit der Magistraturen unterbricht, in Wahrheit jedoch unerlässlich gewesen sei für die politische Integration der Massen. „Ich behaupte", so Machiavelli, „daß jeder Staat die ihm eigenen Mittel und Wege haben muß, dem Ehrgeiz des Volkes Luft zu machen, besonders aber die Staaten, die sich bei wichtigen Dingen des Volkes bedienen wollen". Mit letzterem hebt Machiavelli vor allem auf den Militärdienst ab, denn als Anhänger des Konzepts der Bürgerarmee lehnt er das Söldnerwesen ab. „Söldner und Hilfstruppen sind nutzlos und gefährlich", erklärt er, während Bürgerheere nach außen überraschende Erfolge erzielen, aber auch nach innen die Freiheit gegen die Gefahr der Gewaltherrschaft zu sichern geeignet seien". (S. 563 f.) Macchiavelli lobt dann den Versuch der Gracchen, eine Änderung herbeiführen zu wollen, kritisiert aber ihren Konservatismus, einen alten Zustand wiederherstellen zu wollen (S. 564), anstatt zunächst einmal realistisch die aktuellen Besitzverhältnisse einzuschätzen und miteinzuberechnen. Im Principe führt Macciavelli diesen Gedanken fort: "Derjenige, der sich auf das Volk stützt, meint er, sitzt fester im Sattel; allerdings sollte er sich nicht auf das Volk verlassen, wie etwa das Schicksal der Gracchen beweise, sondern muss auch als - sagen wir - , populärer Fürst' mit fester Hand regieren und über eigene Machtmittel verfügen, um die Optimaten niederhalten zu können. Damit bezeichnet er eine spezifische Schwäche ausschließlich populärer Politik, die, sozusagen, die ,hard ware' der Machtpolitik vernachlässigt. Sein genereller Schluss aus dem Schicksal der Gracchen lautet also, dass eine ,Renovatio' entweder in kleinen Schritten, gleichsam unmerklich vollzogen werden muss, oder aber auf einen Schlag, gewaltsam, wenn man denn die Macht dazu hat. Die Reformen der Gracchen waren zu radikal für die erste Strategie, und die Gracchen verfügten nicht über hinreichende Machtmittel für die zweite." (S. 564 f.)
  • Konservative, antipopulare Antworten auf Macchiavelli formulieren Francesco Guicciard und der Venezianer Paolo Paruta, die das Recht der Aristokratie betonen, sich gegen das Volk zur Wehr zu setzen (565 f.)
  • Dass die Gracchen als exemplum in der Auseinandersetzung um frühneuzeitliche imperiale europäische Politik dienten, zeigt das Beispiel von Richard Beacon. "In einem 1594 publizierten politischen Dialog über die englische Politik in Irland" schreibt Beacon, man solle mit den Iren nicht so verfahren wie die Gracchen, sondern bei der Englisierung langsamer und schrittmäßiger verfahren. (S. 566 f.)
  • John Milton formuliert unter dem Pseudonym Sir Walter Raleigh mal wieder das althergebrachte Urteil, die Gracchen hätten in der Wahl ihrer Mittel übertrieben und die Zeit sei noch nicht gekommen gewesen. (S. 567f.)
  • Francis Bacon, The True Greatness of Kingdoms and Commonwealths, erwähnt die Gracchen offenbar gar nicht, motiviert Ottow aber zu einer Parallelisierung der Gracchen-Reformen mit den zeitgenössischen [und den Aufstieg des Kapitalismus begünstigenden, Tolanor] Enclosures, die Bacon verteidigt, weil sie angeblich zu einer Armee führen, die aus über ausreichend Besitz verfügendem Landadel rekrutiert wird, was er für militärisch vorteilhaft hält (S. 568 f.).
  • James Harrington stieß zur Zeit der Englischen Republik ein Agrargesetz an und bezog sich dabei recht explizit auch auf die Gracchen (S. 570). Er formuliert daraus eine Analyse, dass "power follows property".
  • "Diese Harringtonsche Theorieform, in der sozioökonomische Struktur, die politische Regimeform und die Militärfrage in einen durchaus gracchisch zu nennenden Reflektionszusammenhang gestellt werden, spielt dann auch das ganze 18. Jh. über eine Rolle53. Zum Beispiel in den so genannten ,Cato's Letters', ursprünglich anonym publizierte politische Kommentare von John Trenchard und Thomas Gordon aus den Jahren seit 1720, die übrigens auch in Nordamerika intensiv rezipiert wurden. Die Harrington-Maxime ,That Power follows Property'4 gilt dort als das große Geheimnis der Staatskunst, und zum Thema der Agrargesetze heißt es an einer Stelle: „As liberty can never subsist without equality, nor equality be long preserved without an agrarian law, or something like it; so when men's riches are become immeasurably or surprisingly great, a people, who regard their own security, ought to make a strict enquiry how they come by them . . .54." Der zeitbedingte Hintergrund dieser Forderung ist der sogenannte South Sea Bubble" und damit die politische Konkurrenz einer neuen, von den beiden kritisch beäugten proto-kapitalistischen Finanzelite. (S. 571 f.)
  • Auch Adam Ferguson setzt sich mit den Gracchen vor dem Hintergrund der zeitgenössischen englischen kolonialimperialistischen Expansionen auseinander. In "Über die Gracchen spricht er in seiner ,History of the Progress and Termination of the Roman Republic' von 1783, die letzlich der Reflektion der Frage dient, ob aus den britischen Expansionen - neben dem Kolonialbesitz in Amerika kontrollierte die Krone zu dieser Zeit bereits beträchtliche Territorien in Indien - eine ähnliche Bedrohung der Freiheit resultieren könne wie im Falle der römischen Republik. [...] Letztlich, das ist seine These, war die Niederlage der Gracchen und das Ende der Republik unvermeidlich, weil ein Weltreich nicht im Stile und mit den Institutionen einer kleinen, relativ homogenen Stadtrepublik regiert werden könnte." (S. 572 f.) Er geht dann mit den Gracchen hart ins Gericht, ihr Gesetz sei impraktikabel und gefährlich gewesen, denn: „The distinctions of poor and rich are as necessary in states of considerable extent, as labor and good government. The poor are destined to labor, and the rich, by the advantages of education, independence, and leisure, are qualified for superior stations. The empire was now greatly extended, and owed its safety and the order of its government to a respectable aristocracy, founded on the possession of fortune, as well as personal qualities and public honors." "Und insofern müsse das Agrargesetz betrachtet werden als „as ruinous to government as it was to the security of property" (S. 573)
  • Montesquieu (S. 573 f.) scheint recht stark aus den antiken Quellen (Appian?) abzuschreiben und kritisiert mal wieder die mangelnde Mäßigung der Gracchen, vor allem auch die Schaffung von Privilegien für die Ritter
  • Rousseau (S. 574 f.) erwähnt die Gracchen offenbar nicht direkt
  • Gabriel Bonnot de Mably (u.a. Observations sur les Romains, 1751) meint ebenfalls, die Gracchen hätten zu radikal gehandelt, und Tiberius Gracchus sei nur durch eigenen Ehrgeiz motiviert gewesen, und hätte damit mutwillig die Republik mit zerstört; dennoch müsse man, als Reaktion auf die strukturellen Veränderungen [im Laufe einer imperialistischen Expansion? Tolanor] schrittweise Reformen ansetzen. (S. 575 f.)
  • William Ogilvie hält sich 1781 noch immer damit auf, dass die Gracchen leider zu radikal vorgegangen seien und ihre an sich sinnvollen Agrargesetze aufgrund mangelnder Mäßigung nicht durchsetzen konnten. (S. 578 f.)
  • Die Französischen Revolutionäre kleideten sich bekanntlich mit Vorliebe in den Kleidern der römischen Republik. Für die Gracchus-Rezeption relevant ist insbesondere der "Kreis um François Noël, Zuname: ‚Cajus Gracchus‘ Babeuf, Sylvain Maréchal und Philippo Buonarroti fort - die „Gleichen“, deren Zeitung den Titel Tribun du Peuple trägt. [...] Die Verschwörung der „Gleichen“ wird entdeckt, Babeuf wird hingerichtet, doch spielt der Babouvismus noch bis in die 1840er Jahre hinein vor allem in Frankreich und Italien eine Rolle". Die Babouvisten greifen schon in den 1790er Jahren das Eigentum als Grundgeißel an. (S. 580) [Auf Babeuf beziehen sich wiederum Proudhon, Weitling und Marx, zu Babeuf könnte man auch mal checken: K. D. Tönnesson: The Babouvists. From Utopian to Practical Socialism. In: Past & Present, No. 22 (Jul., 1962), pp. 60–76.]
Wenn man Marx und die Gracchen sucht, findet man u.a. Folgendes:
  • Paul Lafargue schreibt in seinen Persönlichen Erinnerungen (September 1890, übrigens generell lesenswert) über Marx: "Marx hatte seinen Töchtern versprochen, für sie ein Drama zu schreiben, dessen Sujet die Gracchen sein sollten. Leider konnte er sein ihnen gegebenes Wort nicht halten: es wäre interessant gewesen, zu sehen, wie der, den man den „Ritter des Klassenkampfs“ genannt, diese furchtbare und großartige Episode aus dem Klassenkampf der antiken Welt behandelt hätte." (Volltext).
Zur Rezeption Mitte des 20. Jahrhunderts:
  • Ronald Syme, Die römische Revolution. Machtkämpfe im antiken Rom, München (Goldmann), o.J., S. 22
  • Alfred Heuss, Das Zeitalter der Revolution, in: Propyläen Weltgeschichte, hrsg. v. Golo Mann/Alfred Heuß, Bd. 4, 1963, S. 175-316
Bei Max Weber: Agrarverhältnisse im Altertum (1909), sowie ders., Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur (1896), in: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hrsg. v. Marianne Weber, 2. Aufl. 1988.
  • Weber schreibt dort Interessantes (S. 236 f.): „Neben den alten Klassengegensatz der Bauern gegen die großen vieh- und sklavenbesitzenden Possessoren trat Zwiespalt innerhalb der besitzenden Schichten: Auf der einen Seite die wesentlich politisch interessierten Amtsadelsfamilien, die im Senat ihre Vertretung fanden, und durch Gesetz und Rechtssitte von der direkten Beteiligung, nicht nur – wie fast im ganzen Altertum selbstverständlich – am Gewerbe, sondern auch an der Steuerpacht und auch vom Schiffsbesitz ausgeschlossen waren: Ein Senator durfte nur Schiffe von einer Größe besitzen, die ungefähr für den Transport der Eigenprodukte seines Gutsbetriebes ausgereicht hätte; er war infolgedessen, neben der Bereicherung im Amt, auf Grundrentenbezug, Darlehnswucher – der für ihn zwar verpönt, dennoch aber (s. Cato) durch Freigelassene möglich und üblich war – und indirekte Kapitalbeteiligung an Handel und Schiffahrt beschränkt. Auf der anderen Seite stand der, infolge seiner direkten Beteiligung am kapitalistischen Erwerb von den Aemtern und dem Senat sich ausschließende Kapitalistenstand, welcher in den Centurien der Höchstbesteuerten, speziell der »Ritter«,[237] seine politische Vertretung hatte und durch C. Gracchus (s.u.) endgültig als »Stand« konstituiert wurde. Daß Beamte und Abgabenpächter in den Provinzen sich regelmäßig gegenseitig in die Hände arbeiteten und den Raub teilten, hinderte nicht, – bedingte es vielmehr –: daß die senatorialen Geschlechter das dringendste Interesse daran hatten, die »Bourgeoisie« in politischer Abhängigkeit zu halten und vor allem die Geschworenenliste der Gerichte, welche über Amtsvergehen befanden, dem Senat vorzubehalten. [...] Von der Zeit der Gracchen an, in der auch die direkten Steuern, mindestens in der Provinz Asien, ihrer Ausbeutung anheimfielen, erlebte die Bourgeoisie ihre Blütezeit. Eine in Hellas nur in – allerdings recht kräftigen – Ansätzen bekannte, kolossale Entwicklung der Kaufsklaverei und der Sklavenausbeutung überhaupt war die Begleiterscheinung.“
  • Zum "Volk": „Die unversorgte Nachkommenschaft sammelt sich in der Hauptstadt an und ist kolonisatorisch nicht mehr zu verwenden, seitdem sie nicht mehr durch das Interesse, durch Ansässigmachung zum politischen Vollbürger zu werden, getragen wurde. Sie muß in zunehmendem Umfang von der staatlichen Getreideverwaltung durch Getreidespenden versorgt werden. Es wird damit zugleich der natürliche Markt für das italienische Getreide beengt und für die freie Landarbeiterschaft ein weiterer Anreiz zur Zusammenballung in der Hauptstadt geschaffen. Dazu kam der furchtbare Ruin des Bauernstandes durch Kriegszüge in weit entfernten überseeischen Gebieten und für Interessen, welche nicht die seinen waren.“ (S. 238)
  • Zu den Gracchen v.a. S. 238 ff.: Die Gracchen stützten sich zunächst auf die Bauern, sahen sich aber der "kapitalistischen" Ritterklasse und dem Senatsadel gegenüber. Sie verbündeten sich mit ersteren und verhalfen so dem "Kapitalismus" bzw. dieser Klasse zur Blüte (akme) ihres Erfolgs. Letztlich gewann der Senat aber die Ritterklasse wieder zurück und diese besiegte die Gracchen im demagogischen Wettkampf. "Der römische Amtsadel siegte schließlich, indem er mit dem italischen Mittelstand einen Frieden machte, der ihn selbst nichts kostete." (S. 252) Resultat war ein Sieg des "kapitalistischen", großgrundbesitzenden und sklavenhaltenden Rittertums gegenüber den freien Bauern, was also insgesamt - mehr Großgrundbetriebe und Sklaven, weniger und machtlosere freie Bauern - zu einer Entrechtung und verstärkten Ausbeutung der Landbevölkerung führte - zwar nicht quantitativ sichtbar, aber "qualitativ". Der "freie" Bauer wird zum pauperculus. "Der Sieg des »landed interest« mit der gewaltsamen Niederwerfung der gracchischen Bewegung besiegelte den Sieg der unfreien Arbeit und damit die Beseitigung der alten Grundlagen des Staats." (S. 240)
Sorry für den vielen Text, ich musste das nur für mich selbst irgendwo aufschreiben beim Lesen, und vielleicht nützt es ja auch jemand anders. --Tolanor 05:09, 15. Dez. 2024 (CET)Beantworten