Diskussion:Hildegard von Bingen/Archiv/2009

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Letzter Kommentar: vor 14 Jahren von Volmar in Abschnitt Herkunft
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Briefwechsel zwischen Hildegard und Bernhard von Clairvaux (betrifft Leben und religiöse und politische Bedeutung)

Der von mir eingefügte Satz nach dem Briefzitat (Abschnitt Leben) reagiert auf den Benutzer "Bremond", der seine Ansicht darlegte (siehe Archiv), die von ihm zitierte Fassung von Bernhards Brief beweise, daß er nicht kurz und abweisend auf Hildegards Ersuchen reagiert habe - wie es in einer älteren Fassung dieses Artikels geheißen hat.

Gerade in der neueren Forschung - und hierbei wäre vor allem die Habilschrift von Michael Embach zu nennen[1] - wird die Hildegard-Rezeption stärker einbezogen und hierdurch werden auch durch genauere Datierungen einige mittelalterliche Quellen zu Zeugen einer frühen Rezeption. Dadurch ergeben sich Fragen über die Motive einer literarischen Selbststilisierung, die die eigene Kanzlei Hildegards im Auftrag der Äbtissin bereits begonnen hat und die im Falle des Epistularium bereits zu ihren Lebzeiten Umarbeitungen ihrer Briefe nach sich zogen, die nicht alle von ihr autorisiert waren. Dabei erweist sich vielleicht nicht nur die persönliche verpaßte Begegnung mit Bernhard, wie sie von Trithemius verbreitet wurde, als Fiktion. Das einzige, was sicher ist, ist die große Bedeutung, die Hildegard durch die angebliche Wertschätzung des Scivias durch Bernhard schnell erlangt hat (sowas war eine gängige Rechtfertigungsstrategie, denn Hildegards Schrift war für ihre Zeit und für ihren Stand etwas zu originell, um über die üblichen Referenzen zu Kirchenvätern gerechtfertigt zu werden). Das war aber erst nach der "Erlaubnis" durch Papst Eugen III., dessen Aufforderung zur Veröffentlichung eher eine kirchliche Maßnahme zur Kontrolle ihrer Visionen war, zu der in ihrem sehr speziellen Fall ihre Kanzlei aufgefordert war.

Bereits 1988 kam Lieven van Acker, in Vorbereitung einer historisch-kritischen Ausgabe des Epistularium, nach einem Vergleich mit früheren Fassungen zu dem Schluß, daß die im Riesenkodex veröffentlichte Fassung von Bernhards Brief mindestens zur Hälfte nicht von ihm ist.[2] D.h. konkret, daß Hildegard oder Menschen aus ihrem Umkreis, die an dem Ruf von Rupertsberg interessiert waren, versucht haben, über eine fiktive Anerkennung durch Bernhard von Clairvaux diese Kontrollmaßnahme als päpstliche Anerkennung des Scivias umzuwerten. Aber der Scivias wurde auf der Synode nicht vorgelesen und diskutiert, weil dies ein klerikaler Literaturzirkel war, zu dem sich begeisterte Anhänger von Hildegard von Bingen einfanden. Vielmehr hatte die Synode die Autorität, solche Schriften als Häresie mit dem Bannfluch zu belegen. Abgesehen von den konventionellen Demutsformeln ruft "Hildegard" Bernhard in ihrem Brief als klerikalen Kreuzzugsritter an, was eine Anspielung auf die politischen Aktivitäten war, die ihn zum mächtigsten Mann seiner Zeit gemacht hatten, denn Papst Eugen war als Zisterzienser einer von seinen Leuten.

Ich denke heute, wo wir "Hildegards Schriften" aus eigener Urteilskraft zu schätzen gelernt haben, können wir solche Fälschungen - mit Rücksicht auf die rückständigen Verhältnisse in der christlichen Zivilisation des Mittelalters - leicht nachsehen (seien sie nun von ihr oder von nachfolgenden Generationen verfertigt, um was auch immer aufzuwerten).

Da ist es natürlich auch gerechtfertigt zu fragen, was einige Autoren dieses Artikels aufwerten möchten...


  1. Die Schriften Hildegards von Bingen: Studien zu ihrer Überlieferung und Rezeption im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. In: "Erudiri Sapientiae" Bd. 4; Berlin: Akademie-Verlag 2003.
  2. Einen allgemeinverständlichen Überblick über den Forschungsstand von 1999 gibt Christian Sperber im sechsten Kapitel "Der Briefwechsel Hildegards mit Bernhard von Clairvaux" (S.92-114) seiner Magisterarbeit Hildegard von Bingen – eine widerständige Frau - einsehbar als PDF auf dem Edoc-Server der Universitätsbibliothek Frankfurt.

Wurde nochmals überarbeitet: --Chamüzeel 11:09, 3. Mär. 2009 (CET)

Übrigens hat ein Benutzer mit Administratorrechten, Armin P., den zweiten Nachweis zum Forschungsstand (beide waren als Fußnote zum eingefügten Satz zusammengefaßt) gelöscht – mit der Begründung, der Artikel werde zu wissenschaftlich! Seine Befürchtung ist gerechtfertigt, denn eine Kenntnisnahme des Forschungsstands, den Christian Sperber übrigens gut lesbar und gemäß den internationalen open-access Standards allen Interessierten anbietet, würde eine umfassendere Überarbeitung der hier angesprochenen Abschnitte nötig machen. Danach wäre ich auch bereit, den entfernten Link unter der Rubrik “Links” einzutragen.
Mir persönlich geht es um eine ausgeglichene Theoriedarstellung in den diskutierten Abschnitten - nicht um falschen Respekt gegenüber der Wissenschaft oder der Kirche - und da kann die Meinung einiger Spezialisten, die ich hier referiert habe (die Briefedition blickt immerhin auch schon auf eine 20-jährige Wirkungsgeschichte zurück), auch nicht völlig umgangen werden, wie es geschehen ist. Da wäre also nochmal Hand anzulegen. --Chamüzeel 11:04, 3. Mär. 2009 (CET)

Zur Musik

Der Artikel bezüglich der Musik Hildegard von Bingens müsste einmal gründlich überarbeitet werden. Fürs Erste werde ich einmal den falschen Begriff "Amplitude", den es nun einmal in der Musik nicht gibt, durch den wahrscheinlich vom Autoren gemeinten "Ambitus" (= Stimmumfang) ersetzen. Benutzer:OliverRosteck (falsch signierter Beitrag von OliverRosteck (Diskussion | Beiträge) 4. Aug. 2006, 19:53:57 (CEST))

Den Begriff "Amplitude" gibt es sehr wohl in der Musik, wird aber eher im Zusammenhang mit elektronischer als mit mittelalterlicher Musik gebraucht :) Die Verbesserung ist aber ebenso richtig wie das, was hier über den "Ambitus" gesagt werden sollte.
Ich finde aber den ganzen Absatz über Musik bearbeitungswürdig:
Den Einwand der Formelhaftigkeit, der gegenüber modale Musik etwas ignorant ist (leider gibt es solche Kollegen in der Musikwissenschaft), könnte man ebenso der zeitgenössischen Reformbewegung um Bernard von Clairvaux machen, die die Gesänge des Gregorianischen Chorals für den Gebrauch im Zisterzienser-Orden korrigiert [!] hat. Dementsprechend würde ich es Hildegard als Komponistin nicht ankreiden, wenn ihre Gesänge, die andere für sie notiert haben, in der Notation formelhaft erscheinen - zumal der größere "Ambitus" bereits eine Abweichung von der Norm ist.
Substantieller wäre die fachliche Diskussion über den Platz ihrer Gesänge innerhalb der Liturgie und über den Rahmen der Aufführung, durch die sie ihre Visionen auf die "Bühne" gebracht hat. Sie wurde von Stefan Morent angeregt. Ich komme bald mit einem konkreten Vorschlag nebst Quellenangabe... --Chamüzeel 15:39, 24. Feb. 2009 (CET)
Hier kommt ein konkreter Vorschlag für eine überarbeitete Fassung:
"Die unter dem Namen Symphonia armonie celestium revelationum („Symphonie der Harmonie der himmlischen Erscheinungen“) überlieferte Sammlung geistlicher Lieder der Hildegard von Bingen umfasst 69 Stücke mit überlieferten Melodien, vier Liedtexte ohne Melodien[1] sowie das in Text und musikalischer Notation erhaltene liturgische Drama (Geistliches Spiel) ordo virtutum, das in zwei Fassungen - der in der Visionsschrift Scivias sowie im späteren sog. Rupertsberger Riesencodex (Wiesbaden) - vorliegt und das am reinsten die visionäre Gedanken- und Bilderwelt Hildegards zum Ausdruck bringt.
Hildegards Selbststilisierung als indocta oder illiterata wird heute häufig mißverstanden. Gemeint ist eine Abgrenzung gegenüber einem neuen Konzept von Bildung. Ihre Haltung zur Schrift bezog sich dagegen auf das ältere monastische Handwerk der Gedächtniskunst, wobei sie vor allem an ein Genre aus dem 5. Jahrhundert anknüpfte[2]: Prudentius' Psychomachia - ein allegorischer Kampf zwischen den Tugenden und den Lastern, denen sie im ordo virtutum („Spiel der Kräfte“ wie die Seele, die Tugenden, die Engel usw.) durch Gesänge eine musikalische Gestalt und eine Stimme gab - oft in einem ausgreifenden Ambitus, der die plagale und authentische Tonart umspannt. Solche Inszenierungen der Tugenden (virtutes) haben möglicherweise im Rahmen eines liturgischen Dramas die Kirche ihrer Abtei belebt.[3]
Anläßlich eines Symposiums zum 900. Geburtstag verglichen einige Musikwissenschaftler die notierten Gesänge mit den neuen mehrstimmigen Formen der aquitanischen Kantoren, die aus der Interaktion mit der Notation entwickelt wurden, und fanden mit ihrer positivistischen Auffassung von musikalischem Fortschritt nicht die rechten Kriterien für eine "Komponistin", die das Handwerk des Schreibens und Notierens ihrer Kanzlei überließ. Dieser Bruch, bei der sich das Verhältnis zwischen mündlicher Tradition zur Schrift wandelt, ist aber charakteristisch für das 12. Jahrhundert und auch Spezialisten haben heute nur sehr ungenaue Vorstellungen darüber."
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  1. M. R. Pfau: Hildegard von Bingen's Symphonia: An Analysis of Musical Process, Modality, and Text-Music Relations, Dissertation, Stony Brook University 1990.
  2. M. Carruthers: The Craft of Thought, Cambridge etc. 1998.
  3. M. R. Pfau & S. J. Morent: Hildegard von Bingen: Der Klang des Himmels, Köln 2005.
Literaturnachweis:
  • Mary Carruthers: The Craft of Thought – Meditation, Rhethoric, and the Making of Images, 400-1200, in: Alastaire Minnis (Hg.): Cambridge Studies in Medieval Literature Bd. 34, Cambridge, New York, Melbourne: Cambridge UP 1998.
  • Marianne Richert Pfau & Stefan J. Morent: Hildegard von Bingen: Der Klang des Himmels. In: Annette Kreutziger-Herr & Melanie Unseld (Hg.): "Europäische Komponistinnen" Bd. 1; Köln: Böhlau 2005.
  • Marianne Richert Pfau: Hildegard von Bingen's Symphonia: An Analysis of Musical Process, Modality, and Text-Music Relations. Dissertation, Stony Brook University 1990.
--Chamüzeel 10:29, 3. Mär. 2009 (CET)

„Anerkannte Wissenschaftlerin“

Hildegard von Bingen wurde nicht als Wissenschaftlerin, sondern als Autorin visionärer Schriften anerkannt. Mit der Änderung geht der Bezug zum vorangehenden Abschnitt verloren. Selbst wenn man die Abfassung der medizinischen Schriften als wissenschaftliche Tätigkeit betrachten wollte - diese Abfassung geschah erst nach der Klostergründung und eine Resonanz in der zeitgenössischen Literatur ist nicht belegt. Und warum sollte eine Wissenschaftlerin ein Kloster gründen? Mir ist die Änderung nicht einsichtig, darum erlaube ich mir, sie rückgängig zu machen, wenn kein anderer Vorschlag kommt. --Volmar 19:32, 29. Apr. 2009 (CEST)

Deine Argumentation ist genau richtig - mein ich. Überdies ist der Begriff Wissenschaftler/Wissenschaftlerin für das hohe Mittelalter eh problematisch.--Allegoriowitsch 19:55, 29. Apr. 2009 (CEST)

"Umkehr zu Gott"

Mir ist unklar, was Hildegard mit ihrem Aufruf zu einer "Umkehr zu Gott" gemeint haben könnte. Hatte sich das Volk zu ihrer Zeit von Gott abgewandt? Warum und wieso? Oder war damit eine Kampfansage an etwaige Ketzer gemeint? Welche? -- Ich finde, diese Bemerkung sollte näher erläutert werden. <kreuz des südens> (nicht signierter Beitrag von 84.168.169.60 (Diskussion | Beiträge) 11:38, 19. Sep. 2009 (CEST))


ja das ist mir auch noch nicht klar (nicht signierter Beitrag von 213.196.255.215 (Diskussion | Beiträge) 15:53, 8. Nov. 2009 (CET))

Herkunft

Neuerdings wird oft vertreten, Hildegard sei in Niederhosenbach geboren. Sollte das nicht vielleicht eingearbeitet werden? -- Blueduck4711 00:10, 23. Dez. 2009 (CET)

Es handelt sich um die Meinung eines einzelnen Heimatforschers, der zu besagter Zeit einen Hildebrecht von Hosinbach ausgemacht hat und vom Alter her besser als der erwähnte Hiltebert von Vermersheim als Vater Hildegards herhalten könnte. Diese Nachricht wurde von Ort Niederhosenbach und Kreis Birkenfeld natürlich begeistert aufgenommen und verbreitet. Allerdings wiegen die von Hildegard in den Rupertsberger Klosterbesitz eingebrachten umfangreichen Besitzungen aus Bermersheim vor der Höhe schwerer. Letzlich sprechen die Besitzungen und der Name aber auch nur für eine Herkunft von Hildegards Vorfahren aus Bermersheim. Für eine Ortsbestimmung der Geburt Hildegard reichen sie nicht aus. Da in Bermersheim vor der Höhe keine Reste einer befestigten Wohnanlage gefunden werden konnten, wie sie für einen Edelfreien standesgemäß gewesen wären, ist es ebenso denkbar, dass Hildegard auf der Burg des Grafen von Sponheim, in dessen Diensten Hildegards Vater wohl stand, oder auf der benachbarten Burg Böckelheim, wie es von Trithemius berichtet wird, geboren wurden.--Volmar 22:34, 8. Feb. 2010 (CET)