Diskussion:Max Stirner/Archiv/2007
Über "Eigner", "Egoisten", "Heiliges" u.a. Begriffe im Einzigen
Ich habe mich kürzlich intensiver mit dem "Einzigen" auseinandergesetzt und mir kommen da einige Bedenken bei der im Moment dargestellten Zusammenfassung der Philosophie Stirners:
- Hallo, El-vis, grosse Teile des Textes, von dem du sprichst, stammen wohl von mir. Ich antworte im folgenden der Übersicht halber jeweils zu einem Absatz. --Nescio* 16:27, 12. Jan. 2007 (CET)
1. Weder der Bezug zur Aufklärung (als ihre Fortführung) noch der "Ausgang aus der Unmündigkeit" als Ziel (was ja eindeutigst an Kant angelehnt ist) tauchen in dem gesamten Buch auf und nach meiner Auffassung hätte der Stirner auch so seine Probleme mit der "Mündigkeit" (als Dogma???) gehabt. Ich meine mich zu erinnern, dass Bernd A. Laska so einen Zusammenhang formuliert hat, wenn ja, dann sollte dies aber im Text deutlich als Zitat mit Quellenangabe gekennzeichnet sein. (im 2. Absatz)
- Stimmt. Ich habe mich bei der Darstellung ein Stück weit an Laskas Stirner-Arbeiten gehalten, da sie mir als sehr gründlich und vor allem innovativ erscheinen, also nicht nur die seit hundert Jahren üblichen Schubladen für Stirner bereit halten, um ihn darin verschwinden zu lassen.
- Mündigkeit ist bei Stirner natürlich kein Dogma und schon gar nicht im Sinne von Kant zu verstehen. Dito Aufklärung. Stirner schreibt ja an einer Stelle spöttisch über jene Mündigkeit („wenn die Jungen zwitschern wie die Alten, werden sie als mündig anerkannt...“ (o.ä.)). Er sieht sich jedenfalls klar als Fortsetzer der Aufklärung (s. Motto zum Teil II des Einzigen). --Nescio* 16:27, 12. Jan. 2007 (CET)
- Stimmt. Ich habe mich bei der Darstellung ein Stück weit an Laskas Stirner-Arbeiten gehalten, da sie mir als sehr gründlich und vor allem innovativ erscheinen, also nicht nur die seit hundert Jahren üblichen Schubladen für Stirner bereit halten, um ihn darin verschwinden zu lassen.
- Ich habe ein Problem damit, ihn als klaren Fortsetzer der Aufklärung zu sehen, denn wie er an einer Stelle schreibt haben diese Himmelsstürme ja nur das Jenseits in uns verfrachtet und seine Gewalt über uns dadurch umso zwingender gemacht. "Klarer Fortsetzer" ist demnach eher die reine Kritik, die nach Stirners Interpretation der Menschheitsgeschichte den finalen Zustand der Herrschaft des Geistes darstellt und das Jenseits in den jeden Moment geschehenden Prozess des Denkens hineinverfrachtet. Stirner bringt mit seinem provokativen Werk einen ganz neuen Impuls ins Spiel, weshalb man ihn in meinen Augen nicht als klaren Fortsetzer bezeichnen kann.
- Ich gebe zu, über dieses Thema kann man streiten. Aber gerade deshalb würde ich diese Interpretation mit einem Verweis auf Laska versehen oder sein lassen. --El-vis7 21:04, 18. Jan. 2007 (CET)
- Ich habe ein Problem damit, ihn als klaren Fortsetzer der Aufklärung zu sehen, denn wie er an einer Stelle schreibt haben diese Himmelsstürme ja nur das Jenseits in uns verfrachtet und seine Gewalt über uns dadurch umso zwingender gemacht. "Klarer Fortsetzer" ist demnach eher die reine Kritik, die nach Stirners Interpretation der Menschheitsgeschichte den finalen Zustand der Herrschaft des Geistes darstellt und das Jenseits in den jeden Moment geschehenden Prozess des Denkens hineinverfrachtet. Stirner bringt mit seinem provokativen Werk einen ganz neuen Impuls ins Spiel, weshalb man ihn in meinen Augen nicht als klaren Fortsetzer bezeichnen kann.
- Sein lassen fände ich nicht richtig, weil dies ein wesentlicher Punkt ist, um Stirner nicht als einen "Ich-Mystiker" erscheinen zu lassen. Richtig, Bauer und Feuerbach waren damals – explizit – Fortsetzer der Aufklärung. Stirner bloss als wiederum ihren Fortsetzer zu bezeichnen, ist nicht deutlich genug. Er sah sich eher als Vollender der Aufklärung, und zwar (nur) in dem Sinn, dass alles, was es philosophisch dazu zu sagen gäbe, von ihm prinzipiell (nicht extensiv) gesagt sei und es nun darauf ankäme, Aufklärung praktisch werden zu lassen: vom "Menschen" zum "Eigner", vom "Staat" (der Menschen) zum "Verein" (der Eigner). Das führt direkt zu deinem Punkt 2.
- --Nescio* 15:29, 20. Jan. 2007 (CET)
- Hallo Nescio! Erklär mir bitte mal, was ein "Ich-Mystiker" ist und was daran schlecht bzw. falsch wäre?? Um Stirners eigene Wortwahl zu benutzen, sollte man eher sagen, dass er sich als Vollender des "Geistes" sieht und ihn damit zu Grabe trägt, denn der Geist ist bei ihm ja Teil 2 der Menschheitsgeschichte und sein Eigner oder Egoist Teil 3. Die Aufklärung ist bei ihm nur eine Epoche der größeren Geschichte des Geistes.
- Wenn Du den Punkt im Artikel behalten willst, dann such doch bitte die Stelle bei Laska raus, geht ja eigentlich recht einfach online, indem Du bei der Suchfunktion auf den Seiten "Aufklärung" eingibst. --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
- Hallo Nescio! Erklär mir bitte mal, was ein "Ich-Mystiker" ist und was daran schlecht bzw. falsch wäre?? Um Stirners eigene Wortwahl zu benutzen, sollte man eher sagen, dass er sich als Vollender des "Geistes" sieht und ihn damit zu Grabe trägt, denn der Geist ist bei ihm ja Teil 2 der Menschheitsgeschichte und sein Eigner oder Egoist Teil 3. Die Aufklärung ist bei ihm nur eine Epoche der größeren Geschichte des Geistes.
2. Dass der "Eigner" erst durch die "Empörung" oder eine bestimmte Form der Erziehung entstünde, halte ich für ein Missverständnis. Ich habe leider nicht die Muse eine passende Textstelle rauszusuchen, aber "Eigner" bist Du sowieso, z.B. Eigner Deiner Gedanken, Deines Körpers, Deiner Gewalt. Das "Ziel", wenn man es so nennen will, sich von der Ehrfurcht und dem Demut vor allem "Heiligen" loszumachen, versieht Stirner nicht mit einem Namen. (auch im 2. Abatz)
- Es gibt bei Stirner Stellen, mit der du deine Lesart belegen kannst, Eigner sei jeder sowieso. Das ist die sog. tautologische Lesart, die schon F.A. Lange veranlasst hat, über Stirner einfach hinwegzugehen. Aber Stirner kann man auch, wie ich versucht habe, nicht-tautologisch bzw. nicht-trivial lesen. Und ich finde, nur das ist fruchtbar --Nescio* 16:27, 12. Jan. 2007 (CET)
- Ich finde, dann sollten wir einen Abschnitt "Diskussion tautologisch oder nicht-tautologisch" eröffnen, wo ein Austausch darüber stattfinden kann ... ich mach das gleich mal. Aber ich sehe meine eigene Lesart des Einzigen nicht als tautologisch im Sinne von nichts-bedeutend/nichts-verändernd an.
- Die Lesart, dass der Eigner erst werden muss, steht in einem gewissen Konflikt zur Aussage von Stirners letztem Kapitel "Mein Selbstgenuß". Dort kritisiert er ja die Einstellung, nach dem Ziel zu leben, das Leben erst zu gewinnen (erster Satz d.Kapitels), weil er, Zitat, "über diese Ängstlichkeit den Genuss des Lebens vergißt" (2.Absatz dieses Kapitels). Immer bleibt das Ziel, erst "wahrer Mensch" bzw. "wahrer Christ" zu werden. Dazu folgendes Zitat:
- Wie nun diese Rose von vornherein wahre Rose, diese Nachtigall stets wahre Nachtigall ist, so bin Ich nicht erst wahrer Mensch, wenn Ich meinen Beruf erfülle, meiner Bestimmung nachlebe, sondern Ich bin von Haus »wahrer Mensch«. (Ich kann keine Seite nennen, da ich es gerade bei Gutenberg.de rausgesucht habe)
- Genauso würde Stirner in meinen Augen das Ziel, erst "wahrer Egoist" zu werden kritisieren. Für mich bedeutet die Lektüre des Einzigen erstmal keine dramatischen äußeren Konsequenzen, sondern einen (inneren) Perspektivenwechsel. Dies kann natürlich von außen so verstanden werden, dass das Buch nichts bewirken würde, aber meine innere Einstellung zu und Bewertung von allem was geschieht, ändert sich.
- Und so interpretiere ich die Empörung, das "Herausarbeiten meiner aus dem Bestehenden" (Zitat EE) als eben dieses Herausarbeiten Meiner, des Unsagbaren, aus allen Kategorien wie Mensch, guter Mensch, Christ, aber eben nicht als den Schritt vom Nicht-Eigner zum Eigner, sondern als die lebenslange Beschäftigung meiner geistigen Gewalt im Kampf gegen die Gewalt des Geistes, der mich in die Gefolgschaft des Menschen, des Christentums und damit letztendlich seiner selbst zwingen will. So ist auch jeder Christ ein "Eigner", jedoch kein Eigner des Christentums, da er dessen Eigentum und Handwerkszeug ist.
- Was bedeutet dann Stirner? Bewirkt er dann gar nichts? Doch! Er gibt mir mit dem Einzigen ein mächtiges Handwerkszeug in meine Gewalt, um mich gegen die Geister (Staat, das Gute, der Mensch) durchzusetzen, das ich dort ansetze, wo es meinem Interesse dient.--El-vis7 21:04, 18. Jan. 2007 (CET)
- Ich finde, dann sollten wir einen Abschnitt "Diskussion tautologisch oder nicht-tautologisch" eröffnen, wo ein Austausch darüber stattfinden kann ... ich mach das gleich mal. Aber ich sehe meine eigene Lesart des Einzigen nicht als tautologisch im Sinne von nichts-bedeutend/nichts-verändernd an.
- Das ist in der Tat ein schwieriges Thema und kann wohl hier kaum "ausdiskutiert" werden. Schwierig ist es auch, weil Stirner rein semantisch, aber auch sonst, nicht durchgehend konsequent ist, was etwa die zentralen Begriffe Egoist (er nennt auch "düpierte", "unfreiwillige" u.a.), Eigner, Einziger angeht. Das ist auch durch die Erläuterungen in seinem Aufsatz Recensenten Stirners nicht wirklich behoben. Die Sekundärliteratur hilft auch nicht zu voller Klarheit, so dass es mir ganz sinnvoll erscheint, grundsätzlich die beiden Lesarten zu unterscheiden: tautologisch (Eigner ist jeder sowieso) und nicht-tautologisch (Utopie einer Welt aus Eignern).
- --Nescio* 15:29, 20. Jan. 2007 (CET)
- Ich denke, Stirner sah keine Notwendigkeit, einen Begriff stringent zu benutzen, denn "Namen nennen mich, den Leibhaftigen, nicht" (EE sinngemäß). Und wie er in Recensenten Stirners schreibt, liegt der Sinn ja darin, dass es sich bei "dem Einzigen" um einen leeren Begriff handelt, einen bloßen Verweis, der sich zu nichts in Gegensatz stellen lässt. Genaueres musst Du selbst nachlesen, den Punkt bei ihm habe ich noch nicht ganz verinnerlicht.
- Den Begriff "Eigner" verwendet Stirner in meinen Augen immer, wenn es ihm darum geht, den Unterschied zum kommunistischen "Lump" zu betonen und "Egoist", um den Gegensatz zum Altruisten zu betonen, der für etwas Heiliges handelt, von Gott bis zum Menschen/zur Menschheit. Vielleich nehme ich mir mal die Zeit um zu untersuchen, ob er im EE konsequent nach diesem Schema verfährt... Kannst Du natürlich auch gerne machen! --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
- Ich denke, Stirner sah keine Notwendigkeit, einen Begriff stringent zu benutzen, denn "Namen nennen mich, den Leibhaftigen, nicht" (EE sinngemäß). Und wie er in Recensenten Stirners schreibt, liegt der Sinn ja darin, dass es sich bei "dem Einzigen" um einen leeren Begriff handelt, einen bloßen Verweis, der sich zu nichts in Gegensatz stellen lässt. Genaueres musst Du selbst nachlesen, den Punkt bei ihm habe ich noch nicht ganz verinnerlicht.
- Habe im Abschnitt "Tautologische oder Nicht-Tautologische Lesart" einen Kommentar zu Deiner Utopie einer Welt aus Eignern geschrieben, der Dich interessieren dürfte... --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
3. Den Zusammenhang mit dem "Über-Ich" herzustellen ist eine gewagte Interpretation, aber da gab's ja oben schon genug Argumente zu.
- Ich finde, bei Laska ist das einigermassen plausibel abgeleitet (kann im Moment aber nicht den passenden Artikel nennen, wahrsch. in »Die Negation des irrationalen Über-Ich bei Stirner«). --Nescio* 16:27, 12. Jan. 2007 (CET)
- Dann bitte raussuchen und dem Artikel hinzufügen, damit Stirner es nicht in den Mund gelegt bekommt, ohne sich dagegen wehren zu können ;-) ... Ich persönlich fände es wichtiger und richtiger, statt des Über-Ichs Stirners Ablehnung einer Fremdbestimmung oder eines Berufes seiner selbst zu erwähnen. Dadurch werden die Konflikte mit dem erst später auftretenden Begriff Über-Ich vermieden. Du könntest den Zusammenhang zum Über-Ich von Laska dann im Abschnitt "Wer sagte was wann über Stirner" hinzufügen... --El-vis7 21:04, 18. Jan. 2007 (CET)
- Der zentrale Komplementärbegriff zum Eigner ist der des "Heiligen" (das Heilige). Eigner ist der, dem nichts heilig ist, der auch nicht (mehr) – wie du oben schreibst – gegen die Gewalt von Ideen zu kämpfen hat, einfach, weil er nicht von ihnen "besessen" ist. Ein prägnanter Begriff für das, was Stirner mit den Begriffen seiner Zeit als Heiliges – also internalisierte Ideen, die einen beherrschen – bezeichnet, ist das seit Freud geläufige Über-Ich. Das Problematische daran ist doch gerade, dass die Bestimmung durch "mein" Über-Ich als "eigene" erlebt wird, also nicht als Fremdbestimmung, gegen die ich mich zur Wehr setzen kann. – Ich würde das deshalb auf keinen Fall in die Rubrik von bunten Meinungsäusserungen über Stirner abschieben wollen. Der Artikel von Laska ist online verfügbar unter http://www.lsr-projekt.de/msnega.html
- --Nescio* 15:29, 20. Jan. 2007 (CET)
- Man könnte das Über-Ich also als Fremdbestimmung maskiert als eigene Bestimmung bezeichnen und, wenn man sagt, "eigene Bestimmung = Beruf" dann als Fremdbestimmung maskiert als Beruf(z.B. menschlich zu sein). Da Fremdbestimmung und Beruf(ung) dem normalen Leser geläufiger sind als "Über-Ich" und da er sich in meinen Augen bei "Über-Ich" evtl. ausgeschlossen fühlt, da er die ganze psychologisch-philosophische Meinung und Debatte darüber nicht kennt (ich auch nicht), plädiere ich dafür, im Artikel die beiden Begriffe anstatt "Über-Ich" zu verwenden. Und auch deshalb, wie gesagt, weil das Stirner-Wortlaut ist.
- Ich trage das gerne ein und Du kannst dann im nächsten Satz oder in einer Klammer den Zusammenhang zum Über-Ich mit Verweis auf http://www.lsr-projekt.de/msnega.html eingeben. Okay? --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
- Man könnte das Über-Ich also als Fremdbestimmung maskiert als eigene Bestimmung bezeichnen und, wenn man sagt, "eigene Bestimmung = Beruf" dann als Fremdbestimmung maskiert als Beruf(z.B. menschlich zu sein). Da Fremdbestimmung und Beruf(ung) dem normalen Leser geläufiger sind als "Über-Ich" und da er sich in meinen Augen bei "Über-Ich" evtl. ausgeschlossen fühlt, da er die ganze psychologisch-philosophische Meinung und Debatte darüber nicht kennt (ich auch nicht), plädiere ich dafür, im Artikel die beiden Begriffe anstatt "Über-Ich" zu verwenden. Und auch deshalb, wie gesagt, weil das Stirner-Wortlaut ist.
- Achja, bist Du eigentlich Psychologe, Nescio? --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
4. Konservative und reaktionäre Richtungen werden auch erwähnt und stehen deshalb für Stirner nicht "unter aller Kritik". Im Wesentlichen sind sie bzw. ihre Anschauungen in seinen Ausführungen über das Bürgertum (die Philosophie der Mitte: "ein bißchen Kirche, ein bißchen Staat, verzinstes Kapital: ein bißchen Abstammung und ein bißchen Arbeit) und das Christentum in seiner katholischen und protestantischen Form enthalten (Glaube an Gott, die göttliche Ordnung etc.). Die Reaktionären werden sogar einmal genannt: Sie wollen (sinngemäß) eine Wahrheit oder ein Ideal wieder etablieren. (im 4. Absatz)
- Ich verstehe nicht genau, was du hier meinst. --Nescio* 16:27, 12. Jan. 2007 (CET)
- Ich möchte damit eigentlich nur beantragen, dass folgende Klammer des Artikels ersatzlos gestrichen wird: "(die konservativen oder reaktionären stehen für ihn unter aller Kritik)". Oder verstehst Du etwas anderes nicht? --El-vis7 22:01, 13. Jan. 2007 (CET)
- Ersatzlos streichen erscheint mir problematisch. Warum? Weil an dieser Stelle gesagt werden sollte, dass Stirner die Progressiven nicht von einem konservativen oder reaktionären Standpunkt aus kritisiert (was ihm ja später oft unterstellt wurde). Stimmst du dem zu?
- --Nescio* 22:41, 13. Jan. 2007 (CET)
- Ersatzlos streichen erscheint mir problematisch. Warum? Weil an dieser Stelle gesagt werden sollte, dass Stirner die Progressiven nicht von einem konservativen oder reaktionären Standpunkt aus kritisiert (was ihm ja später oft unterstellt wurde). Stimmst du dem zu?
- Nein, dem stimme ich eindeutig nicht zu, das wäre in meinen Augen ein großes Missverständnis. Aber, so aus rein privatem Interesse, wer unterstellt ihm das? Würde das gerne mal nachlesen ... Okay, dann meinetwegen nicht ersatzlos streichen, sondern stattdessen so eintragen, wie Du es hier beschrieben hast: Dass Stirner, obwohl der Großteil seiner Kritik auf die zeitgenössischen liberalen und kommunistischen Positionen zielt, dies nicht vom konservativen oder reaktionären Standpunkt aus tut. Und dann vielleicht meine Stellen von oben einbauen, kann sie gerne raussuchen: S.124(Reclam-Ausgabe):"Und welches ist ihr Prinzip, dessen Schutzherrn sie stets »lieben«? Das der Arbeit nicht; das der Geburt auch nicht. Aber das der Mittelmäßigkeit, der schönen Mitte: ein bißchen Geburt und ein bißchen Arbeit, d. h. ein sich verzinsender Besitz.", das Kapitel "Die Neuen" kritisiert die ganze christliche Einstellung und hier noch:"Es ist dies das Wahrzeichen aller reaktionären Wünsche, daß sie etwas Allgemeines, Abstraktes, einen leeren, leblosen Begriff herstellen wollen, wogegen die Eigenen das stämmige, lebenvolle Einzelne vom Wust der Allgemeinheiten zu entlasten trachten." (S.254, Reclam-Ausgabe) --El-vis7 21:04, 18. Jan. 2007 (CET)
- Die "Progressiven", beginnend mit Marx, haben Stirners Kritik stets mit ihrer vernichtenden Lieblingsvokabel "kleinbürgerlich" belegt. Dass damit konservativ bis reaktionär gemeint ist, siehst du am besten an einem der einflussreichsten Bücher über Stirner, dem von Hans G. Helms, wo Stirner auf 500 Seiten zum Faschisten avant la lettre stilisiert wird. Diese Kritik findet man im Prinzip bei vielen Autoren wieder, nur nicht in der Schärfe.
- --Nescio* 15:29, 20. Jan. 2007 (CET)
- Da ergibt sich die Schwierigkeit des Wortes "Faschismus". Meist wird es angeblich (unter Wikipedia->Faschismus zu finden) von Linken (Antifa) und Sozialisten als Synonym für den Nationalsozialismus gebraucht, um die Nähe zum Sozialismus nicht herzustellen. Der Nationalsozialismus, aufgesplittet in Nationalismus und Sozialismus, kriegt im EE ja dann schon auf zweierlei Arten sein Fett weg.
- Wenn das für Dich okay ist, dann ersetze ich die Klammer, dass "Konservative/Reaktionäre für Stirner unter aller Kritik stünden" durch den Satz, dass Stirner seine Kritik an Liberalen und Kommunisten nicht von der konservativen/reaktionären Position aus übt, und dann die beiden von mir herausgesuchten Zitate oben... --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
- Da ergibt sich die Schwierigkeit des Wortes "Faschismus". Meist wird es angeblich (unter Wikipedia->Faschismus zu finden) von Linken (Antifa) und Sozialisten als Synonym für den Nationalsozialismus gebraucht, um die Nähe zum Sozialismus nicht herzustellen. Der Nationalsozialismus, aufgesplittet in Nationalismus und Sozialismus, kriegt im EE ja dann schon auf zweierlei Arten sein Fett weg.
- Ich würde zugerne mal von einem Hans G. Helms oder anderen ähnlichen Stirner-Kritikern erklärt bekommen, wie das mit "kleinbürgerlich" als Kritik gemeint ist... Mir erscheint eine solche Bezeichnung lediglich kleinlich --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
- Hab nachgeschaut: "Kleinbürgerlich" meint wohl "in seiner eigenen, beschränkten Welt lebend". Das könnte man natürlich weiter unten diskutieren ... --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
5. Absatz 4: "Der Eigner akzeptiert nichts „über sich“, nichts Heiliges; er ist frei von jenem erzieherisch erzeugten Über-Ich, ..." Auch hier eine heikle Sache, Stirner so in Bezug auf das Über-Ich zu interpretieren. Ich sehe und verstehe Stirner so: Wenn ich etwas wie ein Über-Ich (Gewissen, Moral- und Wertevorstellungen etc.) in mir habe, so kann ich trotzdem ein Eigner (meiner Gedanken, meines Körpers etc., siehe 2.) sein, nur stellt das "Über-Ich" dann eine Beschränkung meiner Macht, meiner Gewalt dar, so wie z.B. mancher nicht die Macht hat, richtig zu singen, die richtigen Töne zu treffen. Es heißt allerdings nicht, dass dieses mich beschränkende Etwas mich beherrscht, sondern nur, dass ich noch keinen Weg gefunden habe, diese Beschränkung meiner Gewalt zu durchbrechen (wie auch den Staat im EE). Die Freiheit als Ziel (hier: vom Über-Ich) ist auch ein Punkt über den sich Stirner ausgiebig an mehreren Stellen auslässt. Ich argumentiere nochmal so, wie ich ihn verstehe: Die absolute Freiheit ist erstens ein Spuk und zweites nutzlos, denn dann bin ich ja frei von allem, habe also nichts mehr. Stirner stellt die Eigenheit, das Eigentum über die Freiheit. So wie ich nicht frei von Hunger bin, bin ich (im Moment) auch nicht frei von meinem Über-Ich. Meine Eigenheit habe ich dadurch trotzdem, sie wird dadurch nicht tangiert.
Ähnlich wie bei 1. sollte jegliche Herstellung eines Zusammenhangs mit dem Über-Ich in meinen Augen entweder sachgerecht als Zitate ausgewiesen oder aus dem Text enfernt werden, da sie leicht missverständlich wenn nicht gar wissenschaftlich inkorrekt ist. --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
- Das hängt natürlich mit dem ganzen Komplex von Punkt 3 zusammen. Wenn du Hunger und Über-Ich parallelisierst, verfehlst du m.E. den Kern der Sache. Dass die „Stärke” des Überich eine Rolle spielt, ist klar. Sie mag sich reziprok zu der der Eigenheit verhalten. Aber deine Sicht von der nicht tangierbaren Eigenheit – also: Eigner bin ich sowieso – kann ich nicht teilen, denn was bliebe dann von Stirner? (s.o., tautologisch) --Nescio* 16:27, 12. Jan. 2007 (CET)
- Zu der Tautologiefrage habe ich jetzt bei Punkt 3 ausführlich(st?), wenn auch vielleicht nicht gänzlich umfassend, geantwortet. Ich werde auch unten einen Abschnitt zur Diskussion über diese Frage einrichten. Welchen Kern verfehle ich, wenn ich Hunger und Über-Ich parallelisiere? Besteht nicht gerade Stirners Buch im Wesentlichen aus einer Reduktion des Universums auf ihn als Eigner und sein Eigentum (den Rest)? Seine große Leistung ist ja in meinen Augen, dass alles Geistige (der Staat wie das "Über-Ich") seine Heiligkeit verliert und nun ebenso Eigentum meiner ist wie die (materielle) Welt. --El-vis7 21:04, 18. Jan. 2007 (CET)
- Stirners Begriff des Eigentums bezieht sich m.E. nicht auf die materielle Welt (was ja auch absurd wäre). Das Eigentum des Eigners ist zwar "alles", also "die Welt", aber nur in dem Sinn, dass er vor ihr nicht als etwas Heiligem zurückweicht. Wenn "mein" Über-Ich seine Heiligkeit verliert, dann entspricht das meiner "Empörung" zum Eigner, d.h. dann existiert das Über-Ich nicht mehr und kommt auch nicht wieder. "Mein" Hunger war aber nie etwas Heiliges, und wenn ich ihn stille, beseitige ich ihn nur temporär.
- --Nescio* 15:29, 20. Jan. 2007 (CET)
- Mit der Definition von "Eigentum" bei Stirner stimmen wir schon mal überein.
- Dass etwas zum Eigentum wird, damit seine Heiligkeit verliert, bedeutet ja meines Erachtens nur, dass ich mit ihm nach meinem Belieben verfahre, anstatt mein ganzes Dasein nach diesem Etwas zu richten. So verschwindet z.B. die Vernunft nicht, wenn ich sie ihrer Heiligkeit beraube, sie bleibt mit großer Wahrscheinlichkeit noch in einigen Situationen ein gutes Werkzeug, um mein Interesse durchzusetzen. Nur erlaube ich es mir auch, unvernünftig zu sein, je nachdem, wie mein Interesse gerade ist. Genauso muss ja das "Über-Ich" in Form des Gewissens oder ähnlichem nicht verschwinden, wenn es seine Heiligkeit verliert. Klar wären meine Möglichkeiten und damit meine Macht größer, wenn das Über-Ich nicht wäre, aber meine Möglichkeiten wären auch größer, wenn ich drei Arme oder 12 Finger hätte... Deswegen bekomme ich sie aber noch nicht! Und um in diesem Zusammenhang noch einmal eine andere Stelle vom EE zu zitieren: "Möglichkeit und Wirklichkeit fallen immer zusammen." Er sagt auch sinngemäß: "Wenn etwas nur denkbar ist, zum Beispiel, dass alle Menschen in Frieden miteinander leben, so ist es aber doch nicht möglich, denn sonst wäre es so. Und weil es denkbar ist, wird es zur fixen Idee und zum Beruf." Nun, was soll ich groß sagen, dass kein Mensch mehr durch ein Über-Ich eingeschränkt wird, ist denkbar...
- Außerdem hätte Stirner dann ja mit seinem Buch noch nicht mal halbe Arbeit geleistet, wenn sein Ziel die Beseitigung des Über-Ichs wäre; er ließe den Leser ganz allein mit dem schwammigen und nicht näher erklärten Begriff "Empörung". Er hätte konsequenterweise ja dann den größten Teil seines Buches auf die Methode der Empörung verwenden müssen, statt sie im trüben zu lassen. Ich verstehe "Empörung" übrigens als hergeleitet von "empor", also "nach oben", "herauf", und damit als "Mich über eine Idee/Prinzip/Heiliges" stellen. Das sorgt ja noch gar nicht für die Abschaffung desselben (Zitat Stirner: "Nichts soll verlorengehen"), sondern nur dafür, dass ich es meinem Interesse unterwerfe. So verschwindet der Staat nicht, wenn ich mich über ihn empöre, aber sobald ich mich entscheiden muss zwischen einer Möglichkeit "für den Staat und gegen mich" und einer "für mich und gegen den Staat", so ist es eindeutig, dass ich mich nach Stirner für letzteres entscheide.
- Mit der Definition von "Eigentum" bei Stirner stimmen wir schon mal überein.
- Vielleicht hat das Über-Ich ja nur dadurch seine Heiligkeit, dass ich es nicht als etwas wie Hunger betrachte - etwas das kommt und wieder geht. Und wenn es (Hunger, Gewissen) kommt, dann trachte ich danach es zu beseitigen! Stattdessen erscheint in Deiner Schilderung, Nescio, das Über-Ich als eine Art Grundübel oder neue Ursünde/Erbsünde, latent in mir vorhanden , so wie es bereits das Böse (kirchliche Hexenjagd) und die Unfreiheit (alle Menschen müssen von allen materiellen Beschränkungen enthoben werden und sich frei entfalten können -> eine Lesart des Kommunismus). Wenn Du mich fragst, jetzt im Moment, während ich schreibe, fühle ich keinen Hunger, aber ich fühle auch kein Über-Ich... Aber ich weiss, wenn ich wieder unter Menschen bin, dann wird es wiederkommen, genauso wie auch der Hunger wiederkehrt! Sind sie da noch so verschieden? Und klar gibt es auch Menschen, die vom Hunger besessen sind - Bulemiker, Fettsüchtige usw.
- Vielleicht hat das Über-Ich ja nur dadurch seine Heiligkeit, dass ich es nicht als etwas wie Hunger betrachte - etwas das kommt und wieder geht. Und wenn es (Hunger, Gewissen) kommt, dann trachte ich danach es zu beseitigen! Stattdessen erscheint in Deiner Schilderung, Nescio, das Über-Ich als eine Art Grundübel oder neue Ursünde/Erbsünde, latent in mir vorhanden , so wie es bereits das Böse (kirchliche Hexenjagd) und die Unfreiheit (alle Menschen müssen von allen materiellen Beschränkungen enthoben werden und sich frei entfalten können -> eine Lesart des Kommunismus). Wenn Du mich fragst, jetzt im Moment, während ich schreibe, fühle ich keinen Hunger, aber ich fühle auch kein Über-Ich... Aber ich weiss, wenn ich wieder unter Menschen bin, dann wird es wiederkommen, genauso wie auch der Hunger wiederkehrt! Sind sie da noch so verschieden? Und klar gibt es auch Menschen, die vom Hunger besessen sind - Bulemiker, Fettsüchtige usw.
- Außerdem bist Du auf meine Kritik, dass Du mit der Beseitigung des Über-Ich einen neuen menschlichen Beruf schaffst, was Stirner ja im EE an vielen Stellen, besonders im letzten Kapitel 'Mein Selbstgenuss', kritisiert, noch gar nicht eingegangen... --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
6. (Anm.: Dieser Punkt wurde von mir nachträglich hinzugefügt --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET))
Ich möchte auch beantragen, dass im Text nicht überwiegend der Begriff "Eigner" verwendet wird, sondern stattdessen "Einziger". Denn erstens steht dieser im Buchtitel und nicht "Eigner" - und das wird schon seinen Grund haben - und zweitens erklärt Stirner in Recensenten Stirners nochmal en detail den sprachlichen Sinn des Wortes, warum er vom Einzigen spricht und nicht vom "Ich" oder "Selbst" oder sonst was - nämlich der Sinn, dass es ein leeres Wort ist, ein simpler Verweis auf den Unnennbaren, der Ich bin, der Du bist. Genaueres müsst Ihr dazu nachlesen, das hab' ich gerade nicht parat. --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
Tut mir leid, dass ich Euch keine Seitenangaben geben kann. Wenn Ihr sie wünscht, um argumentatorische Klarheit zu bekommen, dann werde ich Euch die Textstellen raussuchen. Ich bin auch sehr dankbar für den von Euch verfassten Artikel, ohne den ich nie auf das Buch gekommen wäre. Jedoch ist der Umgang damit ziemlich schwierig, wie ich schon feststelle, wenn ich Freunden sagen möchte, um was es darin geht, und Interpretationen (z.B. im Vergleich mit Freud) noch ein gutes Stück schwieriger! --El-vis7 06:22, 6. Jan. 2007 (CET)
An Nescio: Die Essenz, das Ziel meiner ganzen Argumentation läuft ja primär darauf hinaus klarzumachen, dass es hier ganz unterschiedliche, berechtigte Interpretationsmöglichkeiten des EE gibt, und dass Du für einen lexikalischen Artikel, der hier nunmal dargeboten werden soll, deswegen alles, aber auch wirklich alles, was das Buch und seine Bedeutung in irgendeine Richtung interpretiert, fachgerecht als Interpretation ausweisen solltest. Also in Anführungszeichen mit Quellenangabe. Es ist okay, einen derartigen Text reinzustellen, gerade da es ja keinen anerkannten "Konsens" zu Stirner gibt, aber es sollte dem Leser deutlich sein, dass das geschriebene eben kein Konsens ist. Für eine Interpretation des EE nach Deinem Geschmack, z.B. mit der Verbindung zum Über-Ich und dem Ziel einer Welt aus Eignern, kannst Du ja gerne eigenen Webspace verwenden und unten auf der Wikipedia-Seite darauf verlinken. Ist auch nicht als Kritik oder so gemeint, sondern nur als Beitrag um der Intention einer lexikalischen Seite bei diesem schwierigen Thema gerecht zu werden... --El-vis7 06:06, 21. Jan. 2007 (CET)
- Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: --Zinnmann d 12:21, 14. Mär. 2022 (CET)