Diskussion:Senat (Iran)
Auflösung 1953
[Quelltext bearbeiten]Der folgende Abschnitt ist problematisch: "Die Nationale Front kritisierte daraufhin den Senat als „aristokratischen Klub“ und veranlasste dessen Auflösung, indem der Madschles ein Gesetz verabschiedete, das die Legislaturperiode des Senats von vier auf zwei Jahre verkürzte.[1] Nach einer Unterredung mit Mossadegh, in welcher dieser baldige Neuwahlen zum Senat zusagte, stimmte der Schah diesem Gesetz zwei Tage später zu.[2].
- ↑ Ervand Abrahamian: Iran between two Revolutions. Princeton UP, 2. Aufl., Princeton 1985, S. 273.
- ↑ Sepehr Zabih: The Mossadegh Era: Roots of the Iranian Revolution. Lake View Press, Chicago 1982, S. 78.
Die Texte sind zwar belegt, nur findet sich in der Gesetzessammlung des Madschles kein Gesetz zur Auflösung des Senats. Ein solches Gesetz wäre auch nicht möglich gewesen, da nach der Verfassung das Madschles den Senat nicht auflösen konnte. Das Parlament hat vielmehr am 23. Oktober 1952 ein Gesetz zur Verkürzung der Legislaturperiode des Senats von vier Jahre auf zwei Jahre verabschiedet. Nach der Verabschiedung dieses Gesetzes erklärte Mossadegh, dass die zweijährige Legislaturperiode nunmehr zu Ende sei und der Senat nicht mehr tagen könne. Nach der Verfassung hätte der Senat diesem Gesetz erst zustimmen müssen. Es kam aber zu keiner Sitzung mehr, da die Zugänge zum Senatsgebäude von Mossadeghanhängern blockiert worden waren. Wie auch immer, Abrahamian hat hier schlicht an der Wahrheit vorbeigeschrieben. --wvk (Diskussion) 23:27, 21. Jul. 2015 (CEST)
- Naja, wohl eher eine Interpretationsfrage. Auch Fakhreddin Azimi schreibt in Iran. The Crises of Democracy 1941-1953 (N.Y. 1989) von einem Gesetz, das Artikel 5 der Verfassung neu interpretierte, die Legislaturperiode des Senats verkürzte, "thus effectively dissolving it" und spricht von einem Gesetz "for the dissolution of the Senate" (S. 299). Inhaltlich ging es doch wohl um eine Neuinterpretation von Artikel 5 der Verfassung, wonach die Legislaturperioden von Madschles und Senat gleich lang sein sollten, der Senat aber entschieden hatte, dass die Senatoren sechs Jahre im Amt sein sollten. Mostafa Elm (Oil, Power, and Principle. Iran's Oil Nationalization and Its Aftermath. N.Y. 1992) nennt die sechsjährige Amtsperiode (wieso vierjährige [1]?) deshalb verfassungswidrig (S. 256). Ist es nicht so, dass der Schah dem Gesetz zustimmte und es dadurch inkraft trat? Wie dem auch sei, im Artikeltext steht nichts von einem Gesetz des Madschles zur Auflösung des Senats. Wo kann ich das mit der Blockade des Senatsgebäudes nachlesen? In der von mir eingesehenen Literatur steht davon jedenfalls nichts. Ich werde die Sätze deshalb auskommentieren, bis der Beleg vorliegt. Sonst könnten weniger erfahrene Leser auf die Idee kommen, das stünde auch bei Sepehr Zabih. Das mit dem Beleg gilt übrigens auch für die Passage Das abrupte Ende der Sitzungstätigkeit des Senats führte zu erheblichen Probleme in der Gesetzgebung, da mehrere Gesetze vom Madschles zuvor verabschiedet und an den Senat überwiesen, von diesem aber noch nicht behandelt worden waren. Auch war die Zustimmungspflicht des Senats zu vom Madschles verabschiedeten Gesetzen durch die Verkürzung der Legislaturperiode nicht aufgehoben worden. Aus diesem Grund ging Mossadegh mehr und mehr dazu über auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes per Dekret bzw. durch Erlasse zu regieren. Dass Sekundärliteratur bei WP den Primärquellen vorzuziehen (WP:Q) ist, hatten wir schon öfters. Kriegsrecht bei Wahlen ist keine Kleinigkeit. --Assayer (Diskussion) 01:53, 22. Jul. 2015 (CEST)
- Korrekt - und auch wieder nicht:
- Das fragliche Gesetz baut auf der Neuinterpretation des Artikels 5 der Verfassung auf, in dem es heißt: "Die Abgeordneten werden für zwei volle Jahre gewählt." Das Problem ist aber, dass dieser Artikel sich auf die Abgeordneten des Madschles bezieht. Die Bestimmungen im Senat befinden sich in den Artikeln 43 bis 51.[1] Hier ist zur Länge der Legislaturperiode nichts weiter gesagt. Da die Hälfte der Senatoren ernannt wird, würde der Satz "Die Abgeordneten werden für zwei Jahre gewählt" auch nur die Hälfte der Senatoren betreffen. Auch unterscheidet sich das Wahlverfahren. Die Senatoren werden durch Wahlmänner gewählt, während die Abgeordneten des Madschles direkt von der Bevölkerung gewählt werden. Problematisch ist auch, dass die Wahlordnung des Senats und die Legislaturperiode von sechs Jahren zunächst vom Madschles nicht weiter beanstandet wurde. Erst als der Senat den genannten Gesetzesvorlagen nicht zustimmen wollte, suchte Mossadegh nach einem Weg, den Senat auszuschalten. Dass er dann in der Folge keine Neuwahlen ansetzte, zeigt auch seine Absicht, ohne das Parlament (Ermächtigungsgesetz) und den Senat regieren zu wollen.
- "Reformprogramm" Bei welchem Reformprogramm sollte ihn das Madschles unterstützen? Wird das in Deiner Quelle näher erläutert? Sonst streichen.
- "Kriegsrecht" - ich denke, das ist ein Übersetzungsfehler - 1954 gab kein Kriegsrecht; es gab nur Ausgangssperre. Sieh doch noch mal nach und korrigiere das ggbfs.
- "Blockade des Senatsgebäudes" - habe den Beleg in der Kürze der Zeit nicht gefunden. Lassen wir es so lange auskommentiert. Dafür findet sich in den Senatsprotokollen, dass eine Gruppe Senatoren am 27. Oktober 1952 beim Schah war, und ihm mitteilten, dass sie mehrheitlich gegen seine Ernennung Mossadeghs zum Premierminister wären, und dass sie ihre Zustimmung verweigerten. Hätte der Senat weiter bestanden, hätte Mossadegh nicht weiterregieren können, da ein Vertrauensvotum des Madschles vom Senat bestätigt werden muss. Dies mag auch mit dazu beigetragen haben, dass Mossadegh den Senat ausschalten wollte. Die Pro-Mossadegh-Sekundärliteratur unterschlägt diese Details natürlich gerne. Hier müssten die einschlägigen Historiker nochmals nacharbeiten. Bei Mossadegh helfen oft nur die Primärquellen weiter. Im übrigen ist ja bekannt: Nachdem sich 1953 auch die Abgeordneten des Madschles mehrheitlich gegen Mossadegh stellten, versuchte er das Madschles per Volksbefragung aufzulösen (was natürlich nach der Verfassung nicht ging; aber was kümmerte "den demokratisch gewählten" Premierminister und "Reformer", schon die Verfassung ...) . Gruß --wvk (Diskussion) 08:37, 22. Jul. 2015 (CEST)
- Ich denke, der Zusammenhang zwischen dem Gesetz zur Amtszeit des Senats und der politischen Opposition der Senatoren zur Regierung Mossadegh ist offensichtlich und wird auch von der Literatur so dargestellt. Dass Mossadegh Reformen im Justizwesen, Bildungsreformen, Steuerreformen, Wahlrechtsreformen und Landreformen anging, und dass der Senat dagegen opponierte, steht doch außer Frage, oder? "Martial law" übersetze ich als "Kriegsrecht", verhängt nach dem Sturz Mossadeghs und bis 1957 beibehalten. Lese ich so auch in deutscher Literatur. Wenn die Primärquellen so eindeutig sind, wird sich sicher auch reputable Contra-Mossadegh-Sekundärliteratur finden, welche das mit den Senatoren beim Schah bestätigt und analysiert. Primärquellen selbst auszuwerten wäre Theoriefindung. Irre ich mich, oder hat nicht der Schah den Senat aufgelöst, als er dem Gesetz zur verkürzten Amtszeit zustimmte? Das Recht zur Auflösung beider Kammern des Parlaments hatte er ja nach den Verfassungsergänzungen von 1949. Den Madschles hat er nach der Volksabstimmung 1953 schliesslich auch aufgelöst.--Assayer (Diskussion) 21:29, 22. Jul. 2015 (CEST)
- Die Verwendung von Primärquellen sind keine Theoriefindung wenn Daten und Fakten dargestellt werden. Nun aber zu einer Sekundärquelle: Bei Gholam Reza Afkhami, The Shah, UC Press 2009, S. 147 liest sich der Sachverhalt wie folgt: "The prime minister now armed with plenary powers and the defense portfolio retired many of his generals, rejected the Churchill-Truman proposal, broke off relations with England, and caused the Shah to sign a constitutionally dubious law that effectively closed the Senate by reinterpreting the Constitution to mean a two-year term for the second legislative body. Mosaddeq's reason for closing the Senate was the senators' disapproval of his policies, especially the plenary powers he had demanded and gained right after his return to power. The trigger was the Senate's refusal to agree to a Majlis bill pardoning Prime Minister Razmara's assassin and expropriating Qavam's property. The Senate tried to stand up to Mossadeq's attack by assembling in the residence of one of the members, announcing itself ready to function to the end of its four-year term and declaring that it considered laws passed without its approval unconstitutional." Als Beleg wird ruzshomar I, 478-480 angeführt. Und weiter zu den sog. "Reformen" Afkhami S. 148: "Mosaddeq was using his plenary powers to introduce significant changes in the country's judiciary, legislature, finances, and administration. ... Mozaffar Baqai, the leader of the Toilers Party and one of the initiators of the National front was one of the first to break with Mossadeq. ... Baqai took Mossadeq to task on the floor of the majlis on the draconian "social security" (i.e. national security) law that Mossadeq had used his special plenary authority to promulgate on 21 October 1952. The law gave the police and the martial law administrator in Tehran and the provinces power to arrest anyone who "encouraged" workers or employees of organizations to strike or otherwise to disrupte normal flow of work; furthermore such individuals were considered guilty unless the evidence provided by the police was disproved. The law giving unprecedented power to the police and practically annulling the presumption of innocence in a court of law." Fassen wir zusammen: Es ging also bei der Ausschaltung des Senats darum, dass Mossadegh Gesetze ohne jede parlamentarische Kontrolle erlassen konnte. Die Unterschrift des Schahs war im übrigen auch nicht mehr erforderlich, da der Schah nur Gesetze unterschreibt, die das Parlament verabschiedet. Die Gesetze, die von Mossadegh dann erlassen wurden, können wohl kaum als "Reformen" bezeichnet werden, nimmt man einmal das "Social Security Law" als Beispiel. Wir haben jetzt also Sekundärquellen, die sich in der Analyse und Bewertung der Fakten bzw der Politik Mossadghs unterscheiden. Afkhami wertet das Gesetz zur Verkürzung der Legislaturperiodes des Senats als "constitutionally dubious". Der konkrete Anlass für dieses dubiose Gesetz war die Opposition gegen die Ermächtigung ohne Majlis Gesetz zu erlassen, die Freilassung eines Mörders eines ehemaligen Premierministers (dem Mörder sollte auch noch eine Leibrente gezahlt werden) und die Beschlagnahme des Vermögens des unmittelbaren Vorgängers Mossadeghs im Amt - Ahmad Qavam. Es ging also nicht um irgendwelche "Reformgesetze", die der Senat blockieren wollte. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass in dem betreffenden Zeitraum auch "Hukumat Nezami (martial law, Kriegsrecht)" herrschte. Wie verfahren wir nun weiter? Gruß --wvk (Diskussion) 23:35, 22. Jul. 2015 (CEST)
- Wo liegt denn das Problem? Der Senat hat erklärt, dass er mit seiner Auflösung nicht einverstanden ist. Aber, wie Afkhami a.a.O. weiter ausführt: The shah's signing of the Majlis bill, however, took the wind out of the senator's sails. Damit sind die von mir auskommentierten Passagen nicht belegt und somit obsolet. Was sind denn "significant changes in the country's judiciary, legislature, finances, and administration" anderes als Reformen? Zur Bewertung könnte ich jetzt z. B. Mostafa Elm zitieren, der Mossadeghs Politik sehr positiv sieht. Dass Gholam Reza Afkhami, vor der Revolution ranghohes Mitglied der iranischen Regierung und der Pahlavi-Familie bis heute nahestehend, eine sehr mit dem Schah sympathisierende Biografie geschrieben hat, liegt auf der Hand. Ein Rezensent sprach von "Hofgeschichtsschreibung". Was das draconian "social security" (i.e. national security) law angeht, bin ich mir nicht sicher. Meint Afkhami die 96 Artikel umfassende Gesetzgebung zur Sozialversicherung der Arbeiter, mit der eine Organisation für die Sozialversicherung ins Leben gerufen wurde, welche die Grundlage für das iranische Sozialversicherungssystem bilden sollte und Kranken-, Renten- und Unfallversicherungen sowie weitere Leistungen für Arbeiter mit großen Familien und Arbeitslose brachte? Ist das nicht ein wenig einseitig, das als Polizeigesetz zu charakterisieren? In anderer Literatur gilt das als Resultat der sozialreformerischen Bemühungen Mossadeghs.
- Wenn ich das mal zusammenfasse: Die Ausschaltung des Senats hatte nichts damit zu tun, dass Mossadegh Gesetze ohne jede parlamentarische Kontrolle erlassen konnte, denn der Madschles amtierte weiter. Die Zustimmung des Schahs zum Gesetz, das den Senat defacto auflöste, war essentiell, indem sie dem Senat "den Wind aus den Segeln nahm" (Afkhami). Selbst wenn man Mossadeghs Gesetze als Schritte auf dem Weg zu einem Polizeistaat interpretiert (und die Interpretation hat Afkhami ziemlich exclusiv), bleiben sie doch Reformen. Zur Verfassungsmäßigkeit der Auflösung des Senats enthält der Artikeltext keine Wertung. Anlass (steht im Artikel) und Gründe müssen sich nicht aufheben. Hat der Senat denn nicht gegen Mossadeghs anderweitige Reformpolitik opponiert? Klar galt auch unter Mossadegh seit der Ölkrise mit kurzen Unterbrechungen Kriegsrecht. Aber eigentlich war das doch eher eine Art "Ausgangssperre", oder?--Assayer (Diskussion) 02:35, 23. Jul. 2015 (CEST)
- Die Verwendung von Primärquellen sind keine Theoriefindung wenn Daten und Fakten dargestellt werden. Nun aber zu einer Sekundärquelle: Bei Gholam Reza Afkhami, The Shah, UC Press 2009, S. 147 liest sich der Sachverhalt wie folgt: "The prime minister now armed with plenary powers and the defense portfolio retired many of his generals, rejected the Churchill-Truman proposal, broke off relations with England, and caused the Shah to sign a constitutionally dubious law that effectively closed the Senate by reinterpreting the Constitution to mean a two-year term for the second legislative body. Mosaddeq's reason for closing the Senate was the senators' disapproval of his policies, especially the plenary powers he had demanded and gained right after his return to power. The trigger was the Senate's refusal to agree to a Majlis bill pardoning Prime Minister Razmara's assassin and expropriating Qavam's property. The Senate tried to stand up to Mossadeq's attack by assembling in the residence of one of the members, announcing itself ready to function to the end of its four-year term and declaring that it considered laws passed without its approval unconstitutional." Als Beleg wird ruzshomar I, 478-480 angeführt. Und weiter zu den sog. "Reformen" Afkhami S. 148: "Mosaddeq was using his plenary powers to introduce significant changes in the country's judiciary, legislature, finances, and administration. ... Mozaffar Baqai, the leader of the Toilers Party and one of the initiators of the National front was one of the first to break with Mossadeq. ... Baqai took Mossadeq to task on the floor of the majlis on the draconian "social security" (i.e. national security) law that Mossadeq had used his special plenary authority to promulgate on 21 October 1952. The law gave the police and the martial law administrator in Tehran and the provinces power to arrest anyone who "encouraged" workers or employees of organizations to strike or otherwise to disrupte normal flow of work; furthermore such individuals were considered guilty unless the evidence provided by the police was disproved. The law giving unprecedented power to the police and practically annulling the presumption of innocence in a court of law." Fassen wir zusammen: Es ging also bei der Ausschaltung des Senats darum, dass Mossadegh Gesetze ohne jede parlamentarische Kontrolle erlassen konnte. Die Unterschrift des Schahs war im übrigen auch nicht mehr erforderlich, da der Schah nur Gesetze unterschreibt, die das Parlament verabschiedet. Die Gesetze, die von Mossadegh dann erlassen wurden, können wohl kaum als "Reformen" bezeichnet werden, nimmt man einmal das "Social Security Law" als Beispiel. Wir haben jetzt also Sekundärquellen, die sich in der Analyse und Bewertung der Fakten bzw der Politik Mossadghs unterscheiden. Afkhami wertet das Gesetz zur Verkürzung der Legislaturperiodes des Senats als "constitutionally dubious". Der konkrete Anlass für dieses dubiose Gesetz war die Opposition gegen die Ermächtigung ohne Majlis Gesetz zu erlassen, die Freilassung eines Mörders eines ehemaligen Premierministers (dem Mörder sollte auch noch eine Leibrente gezahlt werden) und die Beschlagnahme des Vermögens des unmittelbaren Vorgängers Mossadeghs im Amt - Ahmad Qavam. Es ging also nicht um irgendwelche "Reformgesetze", die der Senat blockieren wollte. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass in dem betreffenden Zeitraum auch "Hukumat Nezami (martial law, Kriegsrecht)" herrschte. Wie verfahren wir nun weiter? Gruß --wvk (Diskussion) 23:35, 22. Jul. 2015 (CEST)
- Ich denke, der Zusammenhang zwischen dem Gesetz zur Amtszeit des Senats und der politischen Opposition der Senatoren zur Regierung Mossadegh ist offensichtlich und wird auch von der Literatur so dargestellt. Dass Mossadegh Reformen im Justizwesen, Bildungsreformen, Steuerreformen, Wahlrechtsreformen und Landreformen anging, und dass der Senat dagegen opponierte, steht doch außer Frage, oder? "Martial law" übersetze ich als "Kriegsrecht", verhängt nach dem Sturz Mossadeghs und bis 1957 beibehalten. Lese ich so auch in deutscher Literatur. Wenn die Primärquellen so eindeutig sind, wird sich sicher auch reputable Contra-Mossadegh-Sekundärliteratur finden, welche das mit den Senatoren beim Schah bestätigt und analysiert. Primärquellen selbst auszuwerten wäre Theoriefindung. Irre ich mich, oder hat nicht der Schah den Senat aufgelöst, als er dem Gesetz zur verkürzten Amtszeit zustimmte? Das Recht zur Auflösung beider Kammern des Parlaments hatte er ja nach den Verfassungsergänzungen von 1949. Den Madschles hat er nach der Volksabstimmung 1953 schliesslich auch aufgelöst.--Assayer (Diskussion) 21:29, 22. Jul. 2015 (CEST)
- Na jetzt bin ich ja doch ein wenig überrascht - oder eigentlich auch nicht. Deine Zusammenfassung zeigt, wo das Problem ist: "Hat der Senat denn nicht gegen Mossadeghs anderweitige Reformpolitik opponiert?" Hat er bis zu diesem Zeitpunkt nicht - denn er hat allen Gesetzen Mossadegs bis zu diesem Zeitpunkt zugestimmt. Der Streit betraf die genannten Gesetzesvorlagen - vor allem das Ermächtigungsgesetz (Iran)und damit die Entmachtung des Parlaments bzw den Weg in die Diktatur. Ein Autor, der diese Fakten benennt, wird der "Hofberichterstattung" bezichtigt; in Sachen Diffamierung waren die Mossadeghanhänger schon immer schnell bei der Hand. Dass Mossadegh Gesetze ohne das Madschles erlassen konnte, ist ihnen nicht weiter wichtig; niemand sollte seine "Reformen" aufhalten können, auch nicht das unter seiner Ägide gewählte Parlament. So erklärst Du: "Der Madschles tagte ja weiter" - dass der Madschels keine Kontrolle mehr ausüben konnte, weil Mossadegh seine von ihm erlassenen Gesetze nicht mehr dem Madschles zur Abstimmung vorlegte, scheint Dir nicht weiter wichtig. Dass während der Regierungszeit Mossadeghs Kriegsrecht herrschte, muss im Text nicht weiter erwähnt werden, aber bei Zahedi ist es natürlich wichtig zu erwähnen. Dass die sog. Ein Sozialversicherungsgesetz, das das Streikrecht abschafft, und Reformpolitik, die der Weg in den Polizeistaat war, ist eine exklusive Interpretation eines Hofberichterstatters - die Verhaftungen und Exilierungen politischer Gegner ist nebensächlich. Dass sich am Ende das Madschles mehrheitlich gegen Mossadegh wandte, um dann per Erklärung im Radio aufgelöst zu werden, ist unbedeutend - so geht Heldenverehrung a la Nationale Front - Gerade erleben wir ja wieder die Auferstehung Mossadeghs durch die Propaganda der Islamischen Republik - Außenminister Sarif der Held der Atomverhandlungen als zweiter Mossadegh - und in den deutschen Medien wird Mossadegh wieder als der einzige Premierminister gefeiert, der ein demokratisches Iran geschaffen hätte, wenn nur die bösen Briten und Amerikaner ihn nicht abgesetzt hätten ... Propaganda ist allemal wohlfeil zu haben. Der Kadscharenprinz, Multimilliardär und Großgrundbesitzer als Sozialreformer und Demokrat und die Islamische Republik als neue Friedensmacht im Nahen Osten - träume weiter. Wir werden ja sehen ... --wvk (Diskussion) 07:08, 23. Jul. 2015 (CEST)
- Zunächst einmal geht es hier um den Senat. Wird in der Literatur auf das Kriegsrecht (ab dem 20. August, wenn ich mich nicht irre) hingewiesen? Ich denke nicht. Das ist im Zusammenhang mit dem späteren Plebiszit zur Auflösung des Madschles wichtig und eben bei den Wahlen 1954.
- Der Senat hat allen Gesetzen Mossadegs bis zu diesem Zeitpunkt zugestimmt? Gehen wir chronologisch vor: Am 3. August stimmt der Madschles Mossadeghs Ermächtigungsgesetz zu. Am 4. August lehnt der Senat das Gesetz ab, das Ghavams Besitz konfisziert. Am. 7. August verabschiedet der Madschles die Begnadigung des Mörder Razmaras. Am 9. August lehnt der Senat in letzter Lesung Mossadeghs "Ermächtigungsgesetz" ab. Am 11. August stimmt er schließlich zögernd zu. Welche Reformgesetze hat Mossadegh dem Senat denn bis zu dessen Auflösung noch vorgelegt? Hat er dann nicht per Erlass regiert? Eine Bestätigung des Erlasses zum Schutz der Bauern vom 13. August 1952 durch den Senat finde ich in der Literatur nicht erwähnt. In seinem Aufsatz Unseating Mossadeq (in dem Sammelband Mohammad Mosaddeq and the 1953 Coup in Iran) macht Fakhreddin Azimi deutlich, dass Mossadeghs Gegner sich auf den Senat "as a focus of growing anti-Mossadeq opposition" konzentierten, etwa indem der Senat zu einem "authoritative locus for hearing and redressing antigovernment complaints" gemacht worden sei, "for instance, for anti-Mossadeq representations by guilds to be made to the Senate" ( S. 50). Die älteren Konflikte vor Mossadeghs Rücktritt setze ich als bekannt voraus. Selbst Afkhami unterscheidet zwischen Gründen ("disapproval of his policies especially the plenary powers he had demanded and gained after his return to power") und Auslösern. Die Kritik an Afkhami wird, wie bei einem so dicken Buch nicht verwunderlich, nicht an diesem einen Punkt festgemacht. Es gibt reichlich Seklit, die Mossadegh als Sklaven äußerer Zwänge darstellt, der zu sehr Demokrat und eher zu wenig Diktator gewesen sei, um sich durchzusetzen (z.B. Richard Cottam). Habib Ladjevardi bewertet Mossadeghs "Ermächtigungsgesetz" als "a new experiment in reform through constitutional means" und bemerkt, dass der unabhängige Madschles "continued to remain in session, and to monitor Mussaddiq's actions, and was in a position to dismiss him from office at any time by a vote of no confidence." (a.a.O, S. 78) Unterstützt die Harvard University die Heldenverehrung der Nationalen Front? (Azimi hat sein Buch Quest for Democracy in Iran schliesslich auch über Harvard UP publiziert). Und das ist auch ein wichtiger Punkt: Ich argumentiere auf der Grundlage von Sekundärliteratur, die als solche zu respektieren ist WP:NPOV. WP ist nicht der Ort, um vermeintliche Mythen um Mossadegh zu zerstören.--Assayer (Diskussion) 21:14, 23. Jul. 2015 (CEST)
- Beenden wir doch die Diskussion an dieser Stelle. Wenn ich im Klappentext (bei Amazon) von Azimi lese: "The promise of constitutional rule was cut short in the 1920s with the rise of the Pahlavi dynasty. Reza Shah, whose despotic rule Azimi deftly captures, maintained the facade of a constitutional monarch ..." erkennt man die Handschrift Deiner Beiträge. Oder "Mossadeghs "Ermächtigungsgesetz" als "a new experiment in reform through constitutional means" und "Madschles "continued to remain in session, and to monitor Mussaddiq's actions, and was in a position to dismiss him from office at any time by a vote of no confidence.", fragt man sich schon, ob der Autor noch bei klarem Verstand ist. Mossadegh hatte im Parlament eine Mehrheit, die ihn wohl kaum durch ein Vertrauensvotum stürzen würde; und als er diese Mehrheit verlor, löste er das Parlament eben per Referendum auf. Wer "Mossadegh als Sklaven äußerer Zwänge darstellt, der zu sehr Demokrat und eher zu wenig Diktator" war, muss sich fragen lassen, welche verfassungsgemäße Kontrolle nach der Auflösung des Senats und des Parlaments denn noch bestanden hat? Ich bin mir bewusst, dass wir seit einigen Jahren eine Schwemme von Pro-Mossadegh-Literatur erleben. Eine kritische Analyse der Mythen, die im Rahmen dieser Mossadegh-Mythenbildung entstanden sind, vermisse ich. Ab diesem Punkt sind wir nun einer Meinung: Die Wikipedia ist nicht der Ort kritischer Reflexion - spätestens seit der spendenfinanzierte Abbas Milani in Stanford ein warmes Plätzchen gefunden hat, bin ich etwas vorsichtiger geworden; nicht nur in Stanford sondern auch in Harvard achtet man nicht nur auf Reputation sondern auch auf Rendite. Khomeini wurde uns von den Mossadegh-Anhängern in der Frühphase der Islamischen Revolution als der "Ghandi von Iran" verkauft; warum soll dann heute Mossadegh nicht als "Demokrat, der zu wenig Diktator war" durchgehen. Warten wir ab. Historische Analysen brauchen eben ihre Zeit. Und die ist offensichtlich in Sachen Mossadegh noch nicht reif. Gruß --wvk (Diskussion) 16:36, 25. Jul. 2015 (CEST)
- Nachtrag zur Chronologie der Senatsbeschlüsse: Gemeint war von mir, dass der Senat bis zu den fraglichen Gesetzen, allen Mossadegh-Vorlagen zugestimmt hat. Und weiter, der Senat lehnte das Ermächtigungsgesetz in dritter Lesung ab. Ok. Was bedeutet, "er stimmte am 11. August zögerlich zu" - kann wohl nicht gehen, wenn er in dritter Lesung bereits endgültig abgelehnt hat. Ergo: Das Ermächtigungsgesetz wäre eigentlich verworfen - nur: Der Schah hat es unterschrieben. Wie das? Wenn der Senat das Gesetz ablehnt, hätte es der Schah nicht unterschrieben dürfen. Und weiter: Der Erlass zum Schutz der Bauern vom 13. August 1952 wurde dem Senat nicht vorgelegt; zunächst hätte sich das Parlament mit dem Erlass befassen müssen; nur dem Parlament wurde der Erlass auch nicht vorgelegt. Soweit meine Info aus den Primärquellen. Dass Azami den Senat als "locus for hearing and redressing antigovernmental complaints" wertet, mindert den Stellenwert der kritischen und teilweise sehr emotional geführten Diskussionen im Parlament. Die Frage, warum Mossadegh trotz Mehrheit im Parlament ein Ermächtigungsgesetz wollte, begründet er in seinem Antrag zu dem Gesetz im Parlament nicht wirklich. Viele Parlamentarier haben sich dann auch entsprechend kritisch geäußert und von "Diktatur" und "Aufhebung der Gewaltenteilung" in ihren Redebeiträgen gesprochen; doch zu diesem Zeitpunkt konnte sich Mossadegh noch auf seine Mehrheit verlassen und die Gesetzesvorlage ging im Parlament durch; die Abgeordneten des Parlaments entmachteten sich mit ihrer Zustimmung selbst; der Senat wollte sein konstitutionelles Recht nicht aufgeben und lehnte das Gesetz ab. Immerhin macht unsere Diskussion diesen Themenkomplex etwas bekannter. Auch schon ein Erfolg. --wvk (Diskussion) 17:16, 25. Jul. 2015 (CEST)
- Nach meinen Quellen hat Mossadegh nach der Lesung am 9. August mit Rücktritt gedroht und damit den Senat dazu gebracht, widerwilig zuzustimmen. Dass Du die von mir zitierte Literatur inhaltlich ablehnen würdest, war mir klar. Es ist ja nicht so, als ob die Handschrift Deiner Beiträge nicht auch deutlich erkennbar wäre. Allerdings tut das der Notwendigkeit keinen Abbruch, die "Pro-Mossadegh-Literatur" bei WP auch zu berücksichtigen.--Assayer (Diskussion) 19:53, 25. Jul. 2015 (CEST)
- Das kann eigentlich nicht stimmen, denn Mossadegh war ja zuvor unter anderem auch deshalb zurückgetreten, weil ihm das Parlament das von ihm gewünschte Ermächtigungsgesetz nicht geben wollte; dann ging der Terror gegen Qavam los und unter der Bedingung, dass ihm die Ermächtigung gewährt wird, hat Mossadegh dann nach dem Rücktritt Qavams das Amt wieder übernommen; das Parlament (Majlis) hat nach kontroverser Diskussion mehrheitlich zugestimmt; wenn man das Sitzungsprotokoll liest, hielten sich die Befürworter und Gegner die Waage; als es dann aber zur Abstimmung kam, stimmte die Mehrheit für das Gesetz, da die Ermächtigung auf 6 Monate begrenzt war. Die Senatsprotokolle geben nur die Ablehnung wieder. Im Januar 1953 sollte das Ermächtigungsgesetz um ein Jahr verlängert werden, was dann aber zum Bruch mit der Mehrheit der Abgeordneten führte; nun drohte Mossadegh mit Rücktritt und (hier kann man sagen) zögerlich stimmten die Abgeordneten mit knapper Mehrheit zu. Den Senat gab es aber zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Vielleicht hat der Autor hier etwas verwechselt. --wvk (Diskussion) 21:32, 25. Jul. 2015 (CEST)
- Nach meinen Quellen hat Mossadegh nach der Lesung am 9. August mit Rücktritt gedroht und damit den Senat dazu gebracht, widerwilig zuzustimmen. Dass Du die von mir zitierte Literatur inhaltlich ablehnen würdest, war mir klar. Es ist ja nicht so, als ob die Handschrift Deiner Beiträge nicht auch deutlich erkennbar wäre. Allerdings tut das der Notwendigkeit keinen Abbruch, die "Pro-Mossadegh-Literatur" bei WP auch zu berücksichtigen.--Assayer (Diskussion) 19:53, 25. Jul. 2015 (CEST)
- Nachtrag zur Chronologie der Senatsbeschlüsse: Gemeint war von mir, dass der Senat bis zu den fraglichen Gesetzen, allen Mossadegh-Vorlagen zugestimmt hat. Und weiter, der Senat lehnte das Ermächtigungsgesetz in dritter Lesung ab. Ok. Was bedeutet, "er stimmte am 11. August zögerlich zu" - kann wohl nicht gehen, wenn er in dritter Lesung bereits endgültig abgelehnt hat. Ergo: Das Ermächtigungsgesetz wäre eigentlich verworfen - nur: Der Schah hat es unterschrieben. Wie das? Wenn der Senat das Gesetz ablehnt, hätte es der Schah nicht unterschrieben dürfen. Und weiter: Der Erlass zum Schutz der Bauern vom 13. August 1952 wurde dem Senat nicht vorgelegt; zunächst hätte sich das Parlament mit dem Erlass befassen müssen; nur dem Parlament wurde der Erlass auch nicht vorgelegt. Soweit meine Info aus den Primärquellen. Dass Azami den Senat als "locus for hearing and redressing antigovernmental complaints" wertet, mindert den Stellenwert der kritischen und teilweise sehr emotional geführten Diskussionen im Parlament. Die Frage, warum Mossadegh trotz Mehrheit im Parlament ein Ermächtigungsgesetz wollte, begründet er in seinem Antrag zu dem Gesetz im Parlament nicht wirklich. Viele Parlamentarier haben sich dann auch entsprechend kritisch geäußert und von "Diktatur" und "Aufhebung der Gewaltenteilung" in ihren Redebeiträgen gesprochen; doch zu diesem Zeitpunkt konnte sich Mossadegh noch auf seine Mehrheit verlassen und die Gesetzesvorlage ging im Parlament durch; die Abgeordneten des Parlaments entmachteten sich mit ihrer Zustimmung selbst; der Senat wollte sein konstitutionelles Recht nicht aufgeben und lehnte das Gesetz ab. Immerhin macht unsere Diskussion diesen Themenkomplex etwas bekannter. Auch schon ein Erfolg. --wvk (Diskussion) 17:16, 25. Jul. 2015 (CEST)
- ↑ Wilhelm Litten: Die persische Verfassung. Tehran 1907.