Egon Kuhn

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Egon Kuhn auf dem Ehrenfriedhof am Maschsee-Nordufer;
2012 bei der Übergabe des Gedenkbuches Ehrenfriedhof Maschsee

Egon Kuhn (* 20. Januar 1927[1] in Osnabrück;[2]23. Januar 2019 in Hannover[3]) war ein deutscher Kommunalpolitiker, Sozialdemokrat[4] und Gewerkschafter.[5] Als sogenannter „Lindener Butjer“ organisierte er bundesweit beachtete Geschichts- und Kulturprojekte.[3]

Egon Kuhn besuchte die Martin-Luther-Schule, später die Stüveschule in Osnabrück und schloss sich noch vor dem Schulabschluss zunächst dem Deutschen Jungvolk und später der Gefolgschaft 1/78 der Marine-HJ an. Er begann im Jahr 1942 eine Ausbildung als Technischer Zeichner und besuchte parallel die Reichssportschule 1 „Gorch Fock“ in Prieros bei Königs Wusterhausen, wo er die Seesportprüfungen A, B und C (letztere auf dem Segelschulschiff „Horst Wessel“ in Stralsund) mit Erfolg absolvierte. Der seemännischen Prüfung unterzog er sich auf der Hochseeyacht „Jutta“. Zum 20. April 1944 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 9.867.291).[6] Anfang 1944 zum Ersatzdienst der Marine-HJ einberufen erfolgte im Oktober 1944 die Einberufung zur 24. Schiffs-Stamm-Abteilung der Kriegsmarine nach Kiel. Nach der Infanterieausbildung in Kopenhagen wurde er der 5. SS-Freiwilligen-Panzer-Division „Wiking“ im ungarischen Veszprém zugeteilt, nahm an deren Kampfhandlungen teil und geriet im Mai 1945 im oberösterreichischen Windischgarsten in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er wurde in Grafenwöhr in der Oberpfalz interniert und im September 1945 aus der Gefangenschaft entlassen.

Nach Kriegsende konnte Kuhn die Ausbildung zum Technischen Zeichner fortsetzen und 1947 abschließen. Er war vorübergehend Landeskanzler der Landesmark Niedersachsen der Pfadfinder und als Technischer Zeichner bei der Osnabrücker Landesbahn tätig. Kuhn schloss sich der Deutschen Jungenschaft dj.1.11 und der FDJ an, organisierte sich in der ÖTV und wurde im Osnabrücker Stadtjugendring und der Gewerkschaftsjugend aktiv. Kuhn wurde vorübergehend Mitglied des Betriebsrates der Stadtwerke Osnabrück und trat 1958 der SPD bei. 1959 wurde Kuhn Leiter des Förderschulinternates der Arbeiterwohlfahrt in Osnabrück. 1963 wechselte er als Leiter in ein Lehrlingsinternat der Oberpostdirektion Bremen in Oldenburg, wurde Ortsjugendausschussvorsitzender der Deutschen Postgewerkschaft und zum Kreisjugendausschussvorsitzenden des DGB, Kreis Oldenburg, gewählt.

Egon Kuhn übernahm im März 1965 die Leitung des Freizeitheims Linden,[7] das er 27 Jahre führte.[8] Zudem gründete er das Stadtteilarchiv sowie die Geschichtswerkstatt Linden.[9]

Im Jahr 1970 war das Netzwerk um Kuhn innerparteilich beteiligt, den VAW-Betriebsrat Bruno Orzykowski[10] als Landtagskandidaten des Wahlkreises 6, Linden-Limmer, gegen den amtierenden Innenminister Richard Lehners durchzusetzen, im Jahr 1971 den erst 28-jährigen Abteilungsdirektor bei der Sparkasse Hannover, Herbert Schmalstieg, als Kandidat für die Wahl zum Oberbürgermeister gegen IG Chemie-Sekretär Otto Barehe und IG-Metall-Sekretär Albert Kallweit.[11]

Bei der Gründung des SPD-Ortsvereins Linden-Limmer am 16. April 1973 wurde Kuhn zum Ersten Vorsitzenden gewählt; ein Amt, das er eineinhalb Jahre später am 16. Dezember 1974 an seinen Nachfolger Werner Strohmeier übergab.

In den Jahren von 1957 bis 1989 wurde Kuhn sowohl in Westdeutschland als auch bei seinen zahlreichen Delegationsreisen in die DDR vom Ministerium für Staatssicherheit observiert und als „Agenturischer Mitarbeiter“ (AM) „Egon“ geführt, ab 1982 war er Zielperson im Rahmen einer „Operativen Personenkontrolle“ (OPK) mit der Bezeichnung „Demokrat“, bei der er als Agent des westdeutschen Verfassungsschutzes enttarnt werden sollte, was allerdings misslang.[12]

Im Frühjahr 1995 gründete Kuhn gemeinsam mit anderen Gewerkschaftern die Senioren-Akademie Otto Brenner Hannover e.V., die spätere Otto-Brenner-Akademie,[13] eine gewerkschaftlich geprägte, selbstorganisierte und generationsübergreifende Bildungseinrichtung,[14] die er selbst bis zwei Jahre vor seinem 90. Geburtstag leitete.[9]

Die Egon Kuhn Geschichtswerkstatt im Freizeitheim Linden e.V. (Amtsgericht 30175 Hannover, Vereinsregister-Nummer VerR 203440) widmet sich der Fortsetzung Kuhns zeitgeschichtlicher Aktivitäten.

Kuhn am 1. Mai 2013 vor der letzten vom Freizeitheim Linden zum Klagesmarkt organisierten 1.-Mai-Demonstration

Mit Egon Kuhn eng verbunden war Gerd Meyer, der das Bürgerhaus in Vegesack leitete.

  • Juliane Kaune: Der rote Egon. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 20. Januar 2007, S. 22
  • Hans-Jörg Hennecke: Das Buch EGON. Es gibt keine Geschichte ohne gelebte Identität. Texterfassung von Alicia Tholen, hrsg. von der Otto-Brenner-Akademie, Hannover 2007
  • Jonny Peter: Einer, der uns fehlen wird: Egon Kuhn – ein Nachruf. In: Lindenspiegel. Die Lindener Stadtteilzeitung, 23. Jahrgang, Ausgabe Februar 2019, S. 1–2
Commons: Egon Kuhn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c Klaus Öllerer (Text), Evi Schaefer (Fotos): Egon Kuhn wurde 80 – erstmals Lindener Oskar verliehen (Memento vom 6. August 2013 im Internet Archive), Artikel auf der Seite www.hallolinden.de vom 20. Januar 2007, zuletzt abgerufen am 24. Januar 2019
  2. Andrea Tratner: Interview / Egon Kuhn: „Der Mythos Linden lebt noch immer“ (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive), Artikel auf der Seite der Neuen Presse vom 2. September 2009, zuletzt abgerufen am 24. Januar 2019
  3. a b se: Trauer um Egon Kuhn / SPD-Original gestorben, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 24. Januar 2019, S. 20
  4. o. V.: Geschichte des Ortsvereins / Gründung des SPD-Ortsvereins Linden-Limmer auf der Seite spd-linden-limmer.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 24. Januar 2019
  5. a b c d e f g h i j k l Hans-Jörg Hennecke: Egon Kuhn erhielt im Laufe der Jahre Ehrungen, Auszeichnungen und Anerkennungen für seine Arbeit, in ders.: Das Buch EGON ..., S. 148
  6. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/24040971
  7. Andrea Tratner: Interview / Egon Kuhn ... (siehe Literatur)
  8. Angelika: Egon Kuhn ist 85, Sozialistische Jugend Deutschlands SJD – Die Falken Bezirksverband Hannover vom 29. Januar 2012, zuletzt abgerufen am 20. Mai 2012
  9. a b Juliane Kaune: Linden / Geburtstag / Das Lindener Urgestein Egon Kuhn wird 90 (Memento vom 2. Februar 2019 im Internet Archive), HAZ vom 23. Januar 2017, zuletzt abgerufen am 24. Januar 2019
  10. (kw): Bruno O. – eine Schlüsselfigur der SPD, die ins Visier der DDR-Staatssicherheit geraten war, Rundblick vom 17. Juni 2018, zuletzt abgerufen am 25. Februar 2019
  11. (kw): Wie zwei SPD-Politiker sich anschickten, eine ganze Ministerriege zu stürzen, Rundblick vom 26. Juni 2018, zuletzt abgerufen am 25. Februar 2019
  12. Raimund Dehmlow: Spurensicherung: Egon Kuhn und die Geschichte(n) einer Identität@1@2Vorlage:Toter Link/hallolindenlimmer.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2024. Suche in Webarchiven), hallolindenlimmer.de vom 8. März 2021, zuletzt abgerufen am 8. März 2021; aktualisierte Fassung, Website von Raimund Dehmlow, zuletzt abgerufen am 3. April 2022
  13. Hans-Jörg Hennecke: Das Buch EGON ..., S. 135ff.
  14. Vorstand der Otto-Brenner-Akademie: Vorweg gesagt, in: Hans-Jörg Hennecke: Das Buch EGON. Es gibt keine Geschichte ohne gelebte Identität, Texterfassung von Alicia Tholen, hrsg. von der Otto-Brenner-Akademie, Hannover 2007, S. 3–5; hier: S. 4