Eisenbahnkrankheit

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Klassifikation nach ICD-10
T75.3 Eisenbahnkrankheit
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Eisenbahnkrankheit bezeichnet man eine Diagnose, die ab 1860 mit der Erfindung neuer Fortbewegungsmittel populär wurde. Nach dem häufigen und längeren Reisen mit der Eisenbahn klagten Betroffene über Zittern, Ermüdung, Erschöpfung, nervöse Reizbarkeit und Verdauungsstörungen.[1] Die Symptome erinnern an eine Befindlichkeitsstörung. Im alphabetischen Verzeichnis zum ICD-10 wird die Diagnoseziffer T75.3 für Kinetose vorgeschlagen.[2][3]

Laut dem Brockhaus von 1892 wurden dafür das Dröhnen und die Erschütterungen der Dampflokomotiven verantwortlich gemacht.[1] Dies führe nach längerem Stehen zu einem dumpfen, anhaltenden Schmerz in den Beinen.[1] Davon seien sowohl das Dienstpersonal als auch die Reisenden betroffen gewesen.[1] In der Diagnose drücke sich auch das Misstrauen gegenüber der neuen Erfindung aus, da Menschen sich bisher noch nie so schnell fortbewegt hätten und die schnell wechselnden optischen Eindrücke noch nicht gewohnt seien.[1] In einem Reisebericht von 1872 findet sich noch die Klage über den Sitzplatz in einem „Rüttelwagen“.[4] Um 1900 hätten sich die Passagiere jedoch bereits daran gewöhnt.[1]

Sigmund Freud vermutete 1906 einen Zusammenhang zwischen Zugreisen und Sexualität.[5][6][7]

Otto Dornblüth beschrieb 1934 die Eisenbahnkrankheit dagegen als „Railway spine, Unfallneurose nach Eisenbahnunfällen (aber auch das der Seekrankheit analoge Unwohlsein leicht empfänglicher Menschen nach langer Eisenbahnfahrt: Trockenheit im Halse, Benommenheit und so weiter).“[8][9] Ein medizinisches Wörterbuch definierte 1967 die Eisenbahnkrankheit als eine „durch Bewegungsvorgänge und Erschütterungsvorgänge beim Eisenbahnfahren ausgelöste Kinetose.“[10]

Nach dem in London lebenden dänischen Chirurgen Sir John Eric Erichsen (1818–1896) beschrieb man früher die „wenig gebrauchte Bezeichnung für die als »railway spine« bekannte posttraumatische Neurose“ (Railroad Spine, Erichsensche Krankheit, Morbus Erichsen).[11]

Der damalige Assistenzarzt Hermann Oppenheim von der Berliner Charité veröffentlichte 1888 in der Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde eine ausführliche zweiundzwanzigseitige Monographie über diese railway spine mit ausführlichem Literaturverzeichnis.[12]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f Werner Bartens: Körperglück - Wie gute Gefühle gesund machen. Knaur, München 2011, ISBN 978-3-426-78197-5 (eingeschränkte Vorschau Google Buchsuche).
  2. Bernd Graubner: ICD 10 Alphabetisches Verzeichnis 2014: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Deutscher Ärzteverlag, 2013, ISBN 978-3-7691-3538-1, S. 274 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Schütte: Die Eisenbahnkrankheit. Historischer Artikel aus den 1920er Jahren, auszugsweise in: Deutsches Ärzteblatt, Jahrgang 98, Heft 23 vom 8. Juni 2001, S. A-1568 f., B-1336 f. und C-1250 f.
  4. Christoph Giebel, Wilhelm Heinrich Heintz, Max W. Siewert, Otto Paul Luedecke, Gustav Brandes: Zeitschrift für Naturwissenschaften. 1872, S. 282 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Wilhelm Stekel: Nervöse Angstzustände und ihre Behandlung. pp. 191-198
  6. Wolfgang Schivelbusch: The Railway Journey: The Industrialization of Time and Space in the 19th Century. p. 78
  7. Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise: Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert. Hanser, München/Wien 1977, ISBN 3-446-12425-X. Taschenbuch: Fischer-TB 14828, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-596-14828-6; Neuauflage 2023, ISBN 978-3-8031-2861-4.
  8. Otto Dornblüth: Klinisches Wörterbuch, 21./22. Auflage, Verlag von Walter de Gruyter, Berlin / Leipzig 1934, S. 126.
  9. Thomas Keller, Thomas Chappell: The rise and fall of Erichsen's disease (railroad spine). In: Spine (Philadelphia, Pennsylvania, 1976). 1. Juli 1996; Band 21 (13), S. 1597–1601. doi:10.1097/00007632-199607010-00022.
  10. Günter Thiele, Heinz Walter (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Verlag Urban & Schwarzenberg, Loseblattsammlung 1966–1977, 2. Ordner (Cargile Membran – Ezelle), München / Berlin / Wien 1967, ISBN 3-541-84000-5, S. E 41.
  11. Günter Thiele, Heinz Walter (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Verlag Urban & Schwarzenberg, Loseblattsammlung 1966–1977, 2. Ordner (Cargile Membran – Ezelle), München / Berlin / Wien 1967, ISBN 3-541-84000-5, S. E 203.
  12. Hermann Oppenheim: Railway-Spine. In: Albert Eulenburg (Hrsg.): Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. 2. Auflage. 16. Band, Verlag Urban & Schwarzenberg, Wien / Leipzig 1888, S. 384–405.