Epistulae (römische Jurisprudenz)
Epistulae (Bescheide per Brief im Rahmen des kaiserlichen Schriftverkehrs) bezeichnen im klassischen römischen Recht einen spezifischen Literaturtyp. Mittels kasuistischer Methodik, die der fallorientierten Beratung diente, und einer deduktiven Gedankenführung, aus der die wesentlichen Schlussfolgerungen gezogen wurden, ergab sich der Bescheid auf (bürgerliche) Rechts(an)fragen.
Die Rechtsfälle entstammten nicht nur der Praxis, sie wurden auch theoretisch entwickelt. Der Darstellung eines Problems folgten die eingehende Erörterung und Diskussion. Ziel der Tätigkeit war die verbindliche Rechtsauskunft. Bedeutung erlangten die Werke Javolens (Epistularum libri XIV) und des Neraz (Epistularum libri). Letztere wurden von Justinians Kompilatoren aber nicht berücksichtigt.[1]
Epistulae reihen sich in die von der Rechtswissenschaft geschaffenen Werke neben die Quaestiones und Disputationes, denen jeweils gemein war, dass sie methodisch identisch vorgingen. Über den Titel wurden lediglich die Schwerpunkte des Anliegens differenziert. Zwar wird diese Art der antiken juristischen Literatur gegenüber Gutachten (responsa), Kommentaren (etwa Ad edicta) oder sonstigen erläuternden Schriften (regulae, definitiones, sententiae) abgegrenzt, aber auch diese Gattungen folgten der kasuistisch-deduktiven Methode.[2] Namengebende Werke stammen von Javolen (Epistularum libri XIV), Pomponius (Epistularum libri) und Proculus (Epistularum libri).[3]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Stephan Brassloff: Epistula 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band VI,1, Stuttgart 1907, Sp. 204–210.
- Detlef Liebs: Rechtsliteratur. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, S. 193–221, hier S. 205 (Rn. 27).
- Michel Humbert: Faktoren der Rechtsbildung, in: In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, S. 3–31, hier S. 27 (Rn. 50).
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Zitat von Ulpian 20 Ad (Masurium) Sabinum libri LI, in Digesten 33, 7, 12. 35, 43.
- ↑ Vgl. Digesten 9, 2.; der Titel besteht vollumfänglich aus Fragmenten aller Literaturtypen.
- ↑ Römische Juristen und ihre Werke In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, S. XXII–XXVIII (Abkürzungen).