European Citizen’s Initiative Stop Extremism
European Citizen’s Initiative Stop Extremism (Eigenschreibweise: STOP EXTREMISM) ist eine europäische Bürgerinitiative, die alle Menschen in der Europäischen Union vor den negativen Konsequenzen von Extremismus – egal welcher Art – schützen soll. Um diesen Schutz zu erreichen, hat Stop Extremism einen Vorschlag für eine Anti-Extremismus-Richtlinie ausgearbeitet und diesen der Europäischen Kommission vorgelegt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bürgerinitiative wurde im Frühjahr 2017 gegründet, am 12. Juni 2017 von der Europäischen Kommission unter der Nummer ECI(2017)000007 registriert[1] und am 3. Juli 2017 bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Initiatoren Seyran Ateş, Efgani Dönmez und Sebastian Reimer in Berlin präsentiert.[2] Sitz des Vereins ist Linz.
Unterstützt wurde die Initiative vom in Wien wohnhaften PR-Berater und Sprecher der Initiative Michael Laubsch.[3]
2018 war die Initiative auf Einladung von Europaabgeordneten Lukas Mandl (EVP) zu Gast im Europaparlament. Anwesend waren Seyran Ates, Michael Laubsch und Sebastian Reimer.[4]
2018 stellte Sebastian Reimer auf einer nicht öffentlich zugänglichen Konferenz zum Thema „europäische Werte“ des ehemaligen österreichischen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) die Initiative vor.[5][6] Im Voraus hatte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, seine Teilnahme abgesagt, da er nicht an einer Konferenz teilnehmen wollte, die Kickl eröffnet.[7] Im Anschluss an der Konferenz, die sich gegen Antisemitismus und den „Politischen Islam“ richtete, dankte Herbert Kickl Susanne Schröter in einer Aussendung.[8]
Bis zum 12. Juni 2018 sollen – gemäß den Vorgaben für Europäische Bürgerinitiativen – in sieben Mitgliedstaaten der EU eine Million Unterschriften gesammelt werden, damit der Entwurf einer Anti-Extremismus-Richtlinie[9] europäisches Gesetz werden kann.[10][11]
Am 12. Juni 2018 wurde die Sammlung erfolgreich abgeschlossen, insgesamt wurden 241.989 Euro eingeworben. Zu den Spendern zählen Seyran Ates (10 000 Euro), Efgani Dönmez (10 000 Euro), der ÖVP-nahe Unternehmer Walter Schnauder[12] (20 800 Euro), Michael Laubsch (43 700 Euro) und die Initiative Liberaler Muslime Österreichs (20 000 Euro).
Im Oktober 2018 erhielten Michael Laubsch und Seyran Ates im Namen von Stop Extremism den SME Star Awards 2018. Nominiert wurden sie von Monika Hohlmeier (CSU) und Claudia Schmidt (ÖVP).[13]
2023 wurde bekannt, dass die EU-Kommission weitere Unterlagen zur Finanzierung von den Initiatoren eingefordert hat.[14]
Hintergrund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Vorschlag für eine Anti-Extremismus-Richtlinie basiert im Wesentlichen auf der Idee, dass zwischenmenschliches Vertrauen und Bildung vor Extremismus geschützt werden müssen, weil
- gegenseitiges Vertrauen zu Wohlstand führt[15][16][17][18][19][20] und
- Bildung die beste Prävention gegen Arbeitslosigkeit darstellt.[21][22]
Laut TESAT, dem Terror-Trendreport von Europol, kam es im Jahr 2016 zu 1.002 Verhaftungen im Zusammenhang mit extremistisch motivierten Straftaten.[23] Die Zahl von geplanten, vereitelten und durchgeführten extremistisch motivierten Anschlägen lag in Europa bei 142, die meisten davon ereigneten sich in Großbritannien (76) und Frankreich (23), dann folgen Italien (17), Spanien (10), Griechenland (6), Deutschland (5), Belgien (4) und die Niederlande (1). 47 Terroranschläge konnten innerhalb der EU in diesem Zeitraum nicht verhindert werden und richteten großes menschliches Leid und großen volkswirtschaftlichen Schaden an.
Ziele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die vorgeschlagene Anti-Extremismus-Richtlinie soll sicherstellen, dass das für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderliche gegenseitige Vertrauen erhalten bleibt und nicht von natürlichen oder juristischen Personen, Unternehmen, gemeinnützigen oder sonstigen Einrichtungen, die Extremismus unterstützen, beseitigt werden kann. Um das zu erreichen, sollen Personen und Einrichtungen, die Extremismus unterstützen, einerseits keine Vergünstigungen aus öffentlichen Mitteln erhalten[24] und andererseits ihre Finanzierungsquellen transparent darlegen.[25] Außerdem sollen besondere Schutzmaßnahmen für Arbeitnehmer und Familienmitglieder vorgesehen werden.[26][27]
Die vorgeschlagene Anti-Extremismus-Richtlinie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bedeutung[28][29][30][31][32][33][34][35][36] von Stop Extremism und der vorgeschlagenen Anti-Extremismus-Richtlinie liegt vor allem darin, dass
- erstmals eine europaweit einheitliche Definition von Extremismus auf Ebene des Sekundärrechts erfolgt, um die Ausnützung von Auslegungsunterschieden („Schlupflöchern“) zu stoppen;[37]
- eine europaweite Warnliste zum Schutz von Schulen, Kindergärten, Behörden, Gerichten und Krankenhäusern vor Extremist/inn/en eingeführt wird;
- die Definition von Extremismus – nach der Anti-Extremismus-Richtlinie – auf der EU-Grundrechtecharta, insbesondere deren Art. 54, aufbaut;
- die Finanzierung von Extremismus aus dem Ausland verboten wird;[38]
- ein durchsetzbares Recht auf Bildung (bzw. Schadenersatz) für Familienmitglieder von Extremisten eingeführt wird;
- die Verbreitung extremistischer Inhalte verboten wird;
- erstmals ein gesamtheitlicher Ansatz zur Verhinderung von Extremismus auf europäischer Ebene vorgesehen wird, etwa durch den Aufbau eines europaweiten Gütesiegels („Extremismus-frei“) für den Europäischen Binnenmarkt.
Bisher wurden 47 europäische Bürgerinitiativen von der Europäischen Kommission registriert.[39] In zehn Fällen wurden dabei auch Vorschläge für Rechtsakte vorgelegt. Die von Stop Extremism vorgelegte Anti-Extremismus-Richtlinie ist mit 40 Seiten in der deutschen Sprachfassung, die bisher – mit Abstand – umfangreichste Vorlage eines Rechtsaktes im Rahmen einer Europäischen Bürgerinitiative. Sie baut auf bestehendem Unionsrecht, wie etwa der Datenschutz-Grundverordnung, den Anti-Diskriminierungs-Richtlinien[40] oder dem Rahmenbeschluss 2008/913/JI zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit,[41] auf und ergänzt bzw. erweitert dieses. Aus dem Anti-Diskriminierungsrecht der Europäischen Union wurde beispielsweise die Beweislastumkehr bei den Schadenersatzansprüchen übernommen. Zusätzlich sollen die Schadenersatzansprüche – z. B. von Familienmitgliedern – gegen Extremisten dadurch erleichtert werden, dass der Anspruch auf Schadenersatz mindestens vier Mediangehälter beträgt, d. h. in der Europäischen Union im Jahr 2015,[42] im Schnitt ca. 57.800 Euro.
Kritik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Standard berichtete über eine unklare Finanzierung und Verbindungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten.[43] Zudem soll der EU-Kommission ein zu niedriges Budget gemeldet worden sein.[44] In internen Chatnachrichten ist zu lesen, dass vor allem gegen die Türkei, Katar und die Muslimbrüderschaft gearbeitet werden soll. Saudi-Arabien soll explizit nicht genannt werden.[45] In Chatnachrichten heißt es explizit: „Katar = bad, Türkei = bad, Saudis = good.“[46]
Laut Daniel Bax ist Stop Extremism auf die Rivalität zwischen den UAE und Katar zurückzuführen,[47] diese Einschätzung teilt auch James M. Dorsey.[48]
Alan Posener bezeichnete die Initiative als Versuch unter dem Slogan ,wehrhafte Demokratie' die "Demokratie aus den Angeln" zu heben und als "Plan, einen europäischen McCarthyismus zu begründen".[49]
Drahtzieher von Stop Extremism ist der Verein Österreichische Gesellschaft für Politikanalyse, dessen Leiter an der Universität Abu Dhabi gearbeitet hat und nun Regierungsberater ist. Von der Kampagne dieser Bürgerinitiative war auch der Politikwissenschaftler Farid Hafez betroffen.[50]
Für diese Initiative wurde auch auf der Website des Österreichischen Integrationsfonds geworben: "Die Wortwahl der Themen auf der Startseite des Integrationsfonds stimmt auffallend überein mit den Kurz'schen Statements und Presseaussendungen: […] "Europäische Bürgerinitiative: Schutz vor Extremismus" lauten die Schlagzeilen."[51]
Personen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Initiatoren waren der österreichische Ex-Abgeordnete zum Bundesrat Efgani Dönmez, die Berliner Autorin und Anwältin Seyran Ateş und der Jurist Sebastian Reimer.[52] Zahlreiche Unterstützer und Fürsprecher, wie der Religionspädagoge Mouhanad Khorchide, die Ethnologin Susanne Schröter, die Menschenrechtlerin Saïda Keller-Messahli, der deutsch-israelische Autor Ahmad Mansour, Necla Kelek und die Journalistin Düzen Tekkal, konnten für die Bewegung gewonnen werden.[53][54] In internen Unterlagen wird Heiko Heinisch als möglicher Unterstützer gelistet.[55] Sprecher war Michael Laubsch.[3]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Home – Online Collection System. Ehemals im ; abgerufen am 11. September 2017 (englisch). (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Europäische Bürgerinitiative „Stop Extremism“ gestartet. OTS.at, abgerufen am 11. September 2017.
- ↑ a b Yvonne Staat: Der Mann, der durch Europas Fußgängerzonen zog. In: FAZ. 13. Oktober 2018, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Initiative zur Diskussion mit Extremismus-Expertin Seyran Ates im Europa-Parlament. 31. Mai 2018, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Bundesministerium für Inneres: Expertenforum zu "Extremismus und Terrorismus", "Politischer Islam" und "Antisemitismus" in Wien. 22. November 2018, abgerufen am 11. August 2023.
- ↑ Michael Simoner: Die wichtigsten EU-Werte: Freiheit und Sicherheit. In: Der Standard. 19. November 2018, abgerufen am 10. August 2023.
- ↑ Christian Ultsch: Wie Israel und die Kultusgemeinde die FPÖ meiden. In: Die Presse. 12. November 2018, abgerufen am 10. August 2023.
- ↑ Bundesministerium für Inneres: Kickl: Der Kampf gegen den politischen Islam und den Antisemitismus müssen höher auf EU-Agenda. In: OTS. 21. November 2018, abgerufen am 10. August 2023.
- ↑ Entwurf auf Scribd
- ↑ Feminist founder of 'liberal' mosque defies death threats and hopes to open one in Britain. In: The Independent. 26. Juli 2017 (independent.co.uk [abgerufen am 30. August 2017]).
- ↑ DerStandard.at. Abgerufen am 30. August 2017 (englisch).
- ↑ rep: Schutzmasken-Vorwürfe: So wehrt sich Walter Schnauder. 23. Juni 2020, abgerufen am 2. August 2023.
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- ↑ TESAT 2017
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- ↑ STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H.: Europäische Bürgerinitiative für Schutz vor Extremismus gestartet. In: derStandard.at. (derstandard.at [abgerufen am 12. November 2017]).
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- ↑ Median income – Eurostat. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 12. November 2017; abgerufen am 12. November 2017 (britisches Englisch).
- ↑ Michael Völker: Plattform "Stop Extremism": Unklare Finanzflüsse um Efgani Dönmez. In: Der Standard. 8. Oktober 2017, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Michael Völker: Efgani Dönmez' Pakt mit dem Hintermann unsauberer Kampagnen. In: Der Standard. 3. Oktober 2017, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Michael Völker: Causa Dönmez: "Risikoabwägung" im Kampf gegen Extremismus. In: Der Standard. 10. Oktober 2017, abgerufen am 2. August 2023.
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- ↑ Alan Posener: Dieser Ex-Grüne will Europas Demokratie aus den Angeln heben. In: Die Welt. 3. Juli 2017, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Anna Thalhammer: Operation Luxor: Nehammers Debakel. In: Profil. 2. April 2023, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Claudia Gigler: Warum Kurz-Leak den jungen Integrationsminister ziemlich alt aussehen lässt. In: Kleine Zeitung. 5. Juli 2017, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Europäische Bürgerinitiative für Schutz vor Extremismus gestartet. Abgerufen am 2. August 2023 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Stop Extremism Supporters. 25. August 2017, archiviert vom ; abgerufen am 10. August 2023.
- ↑ Daniel Bax: Der Feind meines Feindes. In: taz. 30. Oktober 2017, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Anna Thalhammer: Operation Luxor: Nehammers Debakel. In: Profil. 2. April 2023, abgerufen am 2. August 2023.