Frank Martin (Komponist)
Frank Martin (* 15. September 1890 in Eaux-Vives; † 21. November 1974 in Naarden, Niederlande) war ein Schweizer Komponist.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Frank Martin war das jüngste von zehn Kindern des calvinistischen Pfarrers Charles Martin, der französisch-hugenottischer Herkunft war. Er hatte nur einen musikalischen Lehrer, Joseph Lauber, der ihn Klavier, Harmonie und Komposition lehrte und 1911 am Schweizerischen Tonkünstlerfest in Vevey Martins erstes Werk aufführte. Von 1908 bis 1910 studierte Martin Mathematik und Physik an der Universität Genf.
Nach Aufenthalten in Zürich, Rom und Paris kehrte er 1926 nach Genf zurück.[1] Dort gründete er zur Pflege der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts die Société de musique de chambre. In den folgenden Jahren war er auch eng verbunden mit Émile Jaques-Dalcroze, der ihm die Technik der Rhythmik nahebrachte und an dessen Institut er von 1928 bis 1938 unterrichtete. Martin trat auch als Pianist und Cembalist auf, und während des Zweiten Weltkrieges war er Präsident des Schweizerischen Tonkünstlervereins.[2] 1946 siedelte er in die Niederlande über. Von 1950 bis 1957 unterrichtete er Komposition an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln.
Martin heiratete 1918 Odette Micheli, mit der er den 1922 geborenen Sohn Renaud hatte; die Ehe wurde 1930 geschieden. 1931 heiratete er Irène Gardian (1901–1939) und 1940 Maria Boeke (1915–2017), mit der er ab 1946 in Amsterdam und ab 1956 in Naarden (bei Amsterdam) lebte. Sie hatten zwei Kinder, den Sohn Jan und die Tochter Teresa.
In seinem persönlichen Stil, den er, nachdem seine früheren Werke noch deutlich durch die Musik von César Franck und Gabriel Fauré beeinflusst waren, in den 1930er Jahren ausbildete, entwickelte Martin eine Synthese aus der Zwölftontechnik Arnold Schönbergs und der traditionellen klassischen tonalen Musik.
Schwerpunkt seines Schaffens bilden Vokalwerke, so mehrere Oratorien, unter anderem Le vin herbé, In terra pax, Golgotha, Le Mystère de la Nativité und das Requiem. Dazu kommen zahlreiche kleinere Werke sowie solche für Sologesang und Orchester wie Der Cornet nach Rilkes Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke sowie die Sechs Monologe aus Jedermann. Neben gewichtigen musikdramatischen Werken wie Roméo et Juliette, Athalie und Der Sturm stellt sich Martins Vielfältigkeit auch in der reinen Instrumentalmusik dar. Davon zeugen mehrere Solokonzerte (für Violine, Cembalo, Cello, Klavier) ebenso wie Kammermusik für diverse Instrumente, darunter vor allem zu nennen die Balladen für Saxophon (1938), Flöte (1939), Klavier (1940), Posaune (1940), Violoncello (1949) und Viola (1972). Ursprünglich für Andrés Segovia hatte er 1933 die funktionelle Harmonik mit Zwölftontechnik verbindenden Quatre pièces brèves für Gitarre[3] komponiert.
Zu seinen Schülern gehören u. a. Heinz-Albert Heindrichs, Georg Kröll, Alexander Meyer von Bremen und Ingo Schmitt.
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kammermusik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Klavierquintett (1919)
- Trio sur des mélodies populaires irlandaises (1925) (Klaviertrio)
- Streichtrio (1935/36)
- Sonata da Chiesa für Viola d’amore und Orgel (1938, überarbeitet für Querflöte und Orgel 1941, für Viola d’amore und Streichorchester 1952)
- Ballade für Saxophon (1938)
- Ballade für Flöte und Klavier (1939)
- Ballade für Piano (1940)
- Ballade für Posaune und Klavier (1940)
- Ballade für Cello und Klavier (1949)
- Streichquartett (1967)
- Ballade für Viola, Holzbläser, Harfe, Cembalo, Pauken und Schlagzeug (1972)
Solowerke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Quatre Pièces Brèves für Gitarre (1933) – auch als Klavierfassung unter dem Titel Guitare (veröffentlicht 1976). Eine Orchesterfassung (mit Ernest Ansermet) entstand im Frühjahr 1934.
- Passacaille für Orgel (1944, auch als Orchesterfassung 1962)
- 8 Préludes für Klavier (1948, Dinu Lipatti gewidmet)
Vokalmusik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Cantate pour le temps de Noël (Weihnachtskantate) (1929/30)
- Messe für 2 vierstimmige Chöre (Kyrie, Gloria, Sanctus 1922; Credo 1922–24; Agnus Dei 1926) (daraus Agnus Dei auch für Orgel solo 1966)
- Le vin herbé (Der Zaubertrank), weltliches Oratorium von Joseph Bédier nach drei Kapiteln des Roman de Tristan et Iseut (I: Le Philtre – Der Liebestrank 1938; II: La Forêt de Morois – Der Wald von Morois und III: La Mort – Der Tod 1940–1941) für Solostimmen, Chor und Instrumentalensemble
- Ein Totentanz zu Basel im Jahre 1943 (1943)
- Sechs Monologe aus Jedermann, für Bariton und Orchester (1943–1944)
- In terra pax, Oratorium (1944)
- Trois chants de Noël, für Sopran, Flöte, Klavier, nach Gedichten von Albert Rudhardt (1947)
- Berceuse für Tenor, Klavier zu vier Händen und Gitarre (1947)[4]
- Golgotha, Oratorium (1948)
- Cinq chansons d’Ariel, für gemischten Chor nach Shakespeares Der Sturm (1950)
- Der Sturm, Oper in drei Akten (1956)
- Le Mystère de la Nativité, Oratorium (1957–1959)
- Drey Minnelieder, nach mittelalterlichen Texten für Sopran (oder Querflöte) und Klavier (1960)
- Monsieur Pourceaugnac, Musikkomödie in drei Akten nach Molière (1960–1962)
- Drei Poèmes de la Mort (nach Texten von François Villon) für Tenor, Bariton, Bass, zwei elektrische Gitarren und einen E-Bass (1969/71)
- Requiem (1971/72)
- Et la Vie l'emporta (1974)
Orchestermusik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Klavierkonzert (1934), 1936 bei den XIV. Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (ISCM World Music Days) in Barcelona aufgeführt.[5][6]
- Symphonie für großes Orchester (1937)
- Ballade pour saxophone (ou cor de basset) et orchestre (1938)
- Petite symphonie concertante für Harfe, Cembalo, Klavier und zwei Streichorchester (1944/45), ein Auftragswerk von Paul Sacher, 1947 bei den XXI. Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (ISCM World Music Days) in Kopenhagen aufgeführt.[5][6]
- Konzert für 7 Bläser, Pauken, Schlagzeug und Streichorchester (1949)
- Violinkonzert (1950)
- Konzert für Cembalo und kleines Orchester (1951/52)
- Etudes für Streichorchester (1955–1956)
- Die vier Elemente, Orchestersuite (1963)
- Cellokonzert (1965)
- 2. Klavierkonzert (1968)
- Polyptyque für Violine und zwei Streichorchester (1973)
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1965: Mozartmedaille durch die Mozartgemeinde Wien[7]
- 1974: Aufnahme als assoziiertes Mitglied in die Königliche Akademie von Belgien[8]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- André Baltensperger: Fragen des Métiers bei Frank Martin: Zu den Skizzen des Violinkonzerts. In: Quellenstudien I: Gustav Mahler, Igor Strawinsky, Anton Webern, Frank Martin. Amadeus-Verlag, Winterthur 1991, S. 157–234. (Veröffentlichungen der Paul Sacher Stiftung 2).
- Bernhard Billeter: Die Harmonik bei Frank Martin. Untersuchungen zur Analyse neuerer Musik. P. Haupt, Bern 1971. (Diss. Univ. Zürich 1971).
- Bernhard Billeter: Frank Martin. Werdegang und Musiksprache seiner Werke. Schott, Mainz etc. 1999, ISBN 3-7957-0017-5.
- Siglind Bruhn: Frank Martin’s Musical Reflections on Death. Hillsdale, NY: Pendragon, 2011, ISBN 978-1-57647-194-4
- Gerd Michael Dausend: Frank Martin: Quatre Pièces Brèves und andere Werke mit Gitarre. In: Gitarre & Laute 9 (1987), Heft 2, S. 22–26 (gegengelesen und autorisiert von Maria Martin, der Witwe Frank Martins).
- Harald Kaufmann: Frank Martins Cornet schreibt einen Brief. In: Von innen und außen. Schriften über Musik, Musikleben und Ästhetik. Hg. von Werner Grünzweig und Gottfried Krieger. Wolke, Hofheim 1993, ISBN 3-923997-52-3, S. 104–107.
- Harald Kaufmann: Gespräch mit Frank Martin. In: Von innen und außen, S. 177–180.
- Rudolf Klein: Frank Martin – sein Leben und Werk. Verlag Lafite, Wien 1960, 72 S.
- Maria Martin-Boeke: Souvenir de ma vie avec Frank Martin. Éditions L'Âge d'Homme, Lausanne 1990, ISBN 2-8251-0102-8.
- Regula Puskás: Martin, Frank. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Hanspeter Renggli: Frank Martin. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 2, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 1190 f.
- Kerstin Schüssler-Bach: Frank Martins Musiktheater. Ein Beitrag zur Geschichte der Oper im 20. Jahrhundert. Bosse Verlag, Kassel 1996. (Kölner Beiträge zur Musikforschung; Bd. 193). (Diss. Universität zu Köln 1995).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Publikationen von und über Frank Martin (Komponist) im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Tondokumente von und über Frank Martin (Komponist) im Katalog der Schweizerischen Nationalphonothek
- Literatur von und über Frank Martin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Société Frank Martin/Frank Martin Stichting
- Der Schweizerische Tonkünstlerverein 1900–2017 (PDF, 246,49 KB)
- Mirko Weber: Ein Zaubertrank, der klarer hören hilft. In: Die Zeit Nr. 13 vom 22. März 2007, S. 66 (über Le vin herbé, Martins kompositorisches Vermächtnis)
- Sammlung Frank Martin in der Datenbank HelveticArchives bzw. als Online-Inventar (EAD) des Schweizerischen Literaturarchivs
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gerd Michael Dausend: Frank Martin: Quatre Pièces Brèves und andere Werke mit Gitarre. In: Gitarre & Laute 9, 1987, Heft 2, S. 22–26; hier: S. 23.
- ↑ Der Schweizerische Tonkünstlerverein (1900-2017). Website von SONART - Musikschaffende Schweiz. Abgerufen am 4. September 2023.
- ↑ Gerd Michael Dausend (1987).
- ↑ Gerd Michael Dausend (1987), S. 25 f.
- ↑ a b Programme der ISCM World Music Days von 1922 bis heute
- ↑ a b Anton Haefeli: Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik – Ihre Geschichte von 1922 bis zur Gegenwart. Zürich 1982, S. 480 ff.
- ↑ Inschrift Deutschordenshof, Singerstraße: Frank Martin 1965 (abgerufen am 10. Juni 2014)
- ↑ Académicien décédé: Frank Martin. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 18. Oktober 2023 (französisch).
Personendaten | |
---|---|
NAME | Martin, Frank |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Komponist |
GEBURTSDATUM | 15. September 1890 |
GEBURTSORT | Eaux-Vives |
STERBEDATUM | 21. November 1974 |
STERBEORT | Naarden, Niederlande |