Kefir

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Ein Glas Kefir

Kefir (russisch кефи́р kefir; international auch kephir) ist ein dickflüssiges Sauermilchprodukt mit einem geringen Gehalt an Kohlensäure und Alkohol, das ursprünglich aus der Nordkaukasus-Region stammt. Ähnlich wie Joghurt entsteht Kefir durch einen Gärungsprozess (Fermentation), an dem aber neben Milchsäurebakterien wie Lactococcus lactis, Lactobacillus acidophilus und Lactobacillus kefiranofaciens auch Hefen wie Candida utilis, Saccharomyces fragilis, Kluyveromyces marxianus (alias Candida kefyr) und Kluyveromyces lactis beteiligt sind, die Kohlensäure und Alkohol bilden. Kefir ist neben Choormog und Kumys eines der Milchprodukte, bei deren Herstellung Hefe eingesetzt wird.

Während die Mikroorganismen im Kefir den Milchzucker umsetzen, basiert der sogenannte Wasserkefir auf der Vergärung von Haushaltszucker oder Fructose in wässriger Lösung.

Nachdem Kefir außerhalb der Kaukasus-Region zunächst wenig Verbreitung gefunden hatte, wurde er ab 1908 in Russland von Ärzten als heilsames Getränk Patienten mit z. B. Darmbeschwerden verabreicht.[1]

Kefir zeichnet sich gegenüber anderen Sauermilchprodukten durch ein charakteristisches Aroma aus. Wie alle Sauermilchprodukte besitzt er den Vorteil der (zumindest für Erwachsene) besseren Bekömmlichkeit und der gegenüber Rohmilch sehr viel längeren Haltbarkeit. Kefir hat einen typischen pH-Wert von 4,2 bis 4,6.[2]

Zu den Richtlinien über Kefir und Kefir, mild in der Milcherzeugnisverordnung und Handelsnamen siehe: Sauermilchprodukte#Kefir.

Milchkefir entsteht, indem man über ein bis zwei Tage Kuh-, Ziegen- oder Schafsmilch mit Kefirknollen versetzt. Für die Herstellung des verwandten Produkts Kumys wird Stutenmilch verwendet. Falls zur Herstellung keine H-Milch oder pasteurisierte Milch verwendet wird, empfehlen verschiedene Quellen, die Roh- oder Vorzugsmilch zuvor abzukochen, um die Vermehrung unerwünschter Mikroorganismen zu unterdrücken. Kefirknollen können auch ein bis zweimal Pflanzendrinks ansäuern, danach müssen sie sich wieder in Milch erholen.

Der Ansatz wird daraufhin stehengelassen. Viele Anleitungen sehen das einmalige Umrühren nach einigen Stunden vor. Optimale Temperaturen liegen zwischen 10 und 25 °C. Dabei wird die Milch fermentiert. Der Alkoholgehalt des fertigen Produkts kann je nach Gärdauer 0,2 bis etwa 2 % betragen.

Bei niedrigeren Temperaturen zwischen 8 und 18 °C überwiegt die Hefegärung und das Produkt ist milder, da es weniger Milchsäure enthält. Der Gehalt an Kohlendioxid und Ethanol ist hingegen höher. Wenn das Gefäß luftdicht verschlossen ist und der Kohlendioxidgehalt sich demzufolge erhöht, so beeinträchtigt dies das Wachstum der Hefen.[3]

Bei höheren Temperaturen zwischen 20 und 28 °C findet überwiegend durch Bakterien Milchsäuregärung statt. Der Ethanol-Gehalt ist geringer, der Milchsäure-Gehalt höher. Die Molke trennt sich eher vom Bruch bzw. Sauermilchquark, der oben aufschwimmt.[3]

Der Kefir sollte mindestens 16 Stunden fermentieren, besser jedoch 24 bis 36 Stunden.[3]

Der Fettgehalt entspricht etwa dem der verwendeten Milch. Die Milcheiweiße werden teilweise hydrolysiert, d. h., in Peptide umgewandelt.[4] Das cremige Getränk hat einen leicht säuerlichen Geschmack.

Der Kefir wird mit einem Sieb unter leichtem Schütteln von den blumenkohlartigen Kefirknollen getrennt. Es ist nicht unbedingt notwendig, die Knollen mit Wasser zu spülen. Dies wird jedoch gelegentlich empfohlen und führt zu einer etwas verzögerten Entwicklung des Kefirs.

Sollen die Knollen nicht sogleich wieder verwendet werden, können sie mit einer Wasser-Milch-Mischung bedeckt an einem kühlen und dunklen Ort bis zur nächsten Zubereitung aufbewahrt werden. Andere Quellen sprechen von einer Aufbewahrung in einprozentigem, abgekochten Salzwasser[5]. Zur längeren Aufbewahrung ist es unter günstigen Umständen möglich, die Knollen zu trocknen, während das Einfrieren unproblematisch ist und nur eine gewisse Regenerationszeit erfordert.[6]

Der säurehaltige Kefir kann Metallionen aus den Oberflächen von Metallgefäßen lösen. Dies kann zur Hemmung der Mikroorganismen in den Kefirknollen führen, Geschmacksbeeinträchtigungen erzeugen oder auch gesundheitsschädlich sein. Daher sollten ausschließlich Gefäße und Geräte aus Kunststoff, rostfreiem Stahl, Keramik oder Glas zur Herstellung und vor allem Lagerung benutzt werden.

Die Kefirkörner

Die Kefirknollen (Kefirkörner, Kefirpilz, tibetanischer Pilz) werden zwischen 0,3 cm und 3,5 cm groß.[7] Größere Knollen sind häufig aneinander „verklebte“ Kefirknollen. Kefirknollen haben eine gummiartige Konsistenz und bestehen aus Bakterien, Hefen, Eiweißen, Lipiden und aus Polysacchariden, die durch verschiedene der in den Knollen enthaltenen Bakterien produziert werden. Diese Knollen vergrößern sich im Laufe der Zeit und zerfallen teilweise in kleinere Knollen. Sie verdoppeln ihre Masse bei Raumtemperatur in etwa 14 Tagen. Kefirknollen können zur Aufbewahrung getrocknet oder eingefroren werden.

In Reformhäusern und Apotheken ist Kefirferment in Form von fast wasserfreiem, körnigem Pulver erhältlich, das in ungeöffneter Packung über Monate haltbar ist. Die Anwendung ist unkompliziert. Der Ansatz kann nach Packungsangabe meist 40–50 mal verlängert werden, bevor erneut ein Ansatz mit Kefirferment hergestellt werden sollte. Bei der Verwendung von Kefirferment bilden sich keine Kefirknollen.

„Kefir, mild“

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Industriell hergestellter Kefir trägt die Bezeichnung „Kefir, mild“. Damit das entstehende Getränk immer gleich schmeckt, wird mit einer definierten Mischung verschiedener Bakterien und Hefen gearbeitet.[8] Typische Kulturen in Kefir mild sind die Milchsäurebakterien Lactococcus lactis subsp. Cremoris, Lactococcus lactis subsp. Lactis, Lactococcus lactis subsp. lactis biovar diacetylactis, Streptococcus thermophilus und die Hefe Debaryomyces hansenii. Traditioneller Kefir ist regional und jahreszeitlich verschieden zusammengesetzt. „Kefir, mild“ enthält in der Regel kaum Alkohol, dafür aber pro 100 g noch ca. 2,7–3,9 g Laktose und ist somit bei Laktoseunverträglichkeit nicht geeignet. Der echte Kefir enthält im Vergleich mehr Alkohol, ist aber weitgehend laktosefrei.[9]

Sahnekefir wird aus diesem Kefir meist mit einer Fruchtzubereitung ohne laktosevergärende Hefen hergestellt. Er ist von etwas dünnflüssigerer Konsistenz als Sahnejoghurt und enthält rund 10 % Fett im Milchanteil.

Gesundheitlicher Wert

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Auf den Nobelpreisträger Metschnikow (1908) geht die Aussage zurück, Kefir verlängere das Leben

Die häufig anzutreffende Aussage über die angeblich lebensverlängernde Wirkung von Kefir geht auf eine probiotische Schrift des russischen Bakteriologen Ilja Iljitsch Metschnikow zurück.[10] Er hatte darin einen Zusammenhang zwischen dem relativ hohen Lebensalter von Rumänen und Bulgaren und deren regelmäßigem Verzehr von saurer Milch hergestellt. Da diese Publikation aus dem Jahr 1908 stammt, in dem Metschnikow den Nobelpreis verliehen bekam, wurde sie von einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen. Seitdem ist der Kefir oft auf seine gesundheitliche Wirkung hin untersucht worden.[11] Kefir hat die Fähigkeit, pathogene Mikroorganismen zu unterdrücken. Beispielsweise werden Listerien innerhalb von 24 Stunden um ca. 90 % reduziert.[12] Außerdem zeigen einige Studien, dass Milchkefir die Anzahl des Zahnkaries verursachenden Bakteriums Streptococcus mutans im Mundraum verringern kann[13][14][15]. Zudem scheint er krebshemmend zu sein[16]. Fermentierte Milchprodukte verweilen zudem länger im Darm als reine Milch, was möglicherweise zur besseren Verdaulichkeit beiträgt.[17]

Der in der Milch enthaltene Milchzucker (Lactose) wird zunächst von Milchsäurebakterien in Milchsäure[18], von Propionibakterien in Propionsäure und von weiteren Bakterien in Essigsäure, Diacetyl, Zitronensäure, Brenztraubensäure, Acetoin, Acetaldehyd und Aminosäuren umgewandelt, welche zum charakteristischen Geschmack des Kefirs beitragen[21].

Schließlich wird die verbleibende Lactose überwiegend von den langsameren Hefen in Alkohol und Kohlendioxid umgewandelt. Aufgrund des geringen Restgehalts an Milchzucker kann Kefir nach ausreichender Reifezeit ebenso wie Joghurt, Buttermilch und Dickmilch auch von den meisten Menschen mit Laktoseintoleranz konsumiert werden.

Russischen Legenden nach soll Mohammed orthodoxen Gläubigen im Kaukasus gezeigt haben, wie Kefir hergestellt wird.[22][23][24][25]

Wiktionary: Kefir – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Kefir – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. http://www.enzyme-facts.com/kefir-mystical-side.html
  2. G. Odet: Fermented Milks. In: IDF Bull. 300. Jahrgang, 1995, S. 98–100.
  3. a b c Was ist Kefir und wie kann ich ihn selber machen?, In: Fairment.de
  4. I. M. P. L. V. O. Ferreira, O. Pinho, D. Monteiro, S. Faria, S. Cruz, A. Perreira, A. C. Roque, P. Tavares: Short communication: Effect of kefir grains on proteolysis of major milk proteins. In: Journal of Dairy Science, Band 93, Nr. 1, S. 27–31.
  5. Siehe Beitrag vom 12. April 2002 im Chefkoch.de-Forum, abgerufen im November 2015
  6. Hinweise zur "Kefirpause" auf Kefir.at, abgerufen im November 2015
  7. Maria R. Prado, Lina Marcela Blandón, Luciana P. S. Vandenberghe, Cristine Rodrigues, Guillermo R. Castro: Milk kefir: composition, microbial cultures, biological activities, and related products. In: Frontiers in Microbiology. Band 6, 2015, ISSN 1664-302X, doi:10.3389/fmicb.2015.01177, PMID 26579086, PMC 4626640 (freier Volltext).
  8. Gesetzliche Regelungen für Kefir | Lebensmittelklarheit. Abgerufen am 26. September 2024.
  9. Kefir und Candida, PDF 359 kB
  10. Einige Worte über saure Milch, in C. r. Acad. Sci., 1908.
  11. Semih Otles, Ozlem Cagindi: Kefir: A probiotic dairy-composition, nutritional and therapeutic aspects. In: Pakistan Journal of Nutrition, Band 2, Nr. 2, 2003, S. 54–59 (PDF; 113 kB).
  12. M. Gulmez, A. Guven: Survival of Escherichia coli O157:H7, Listeria monocytogenes 4b and Yersinia enterocolitica O3 in different yogurt and kefir combinations as prefermentation contaminant. In: Journal of Applied Microbiology, Band 95, S. 631–636, doi:10.1046/j.1365-2672.2003.02016.x.
  13. Dilsah Cogulu, Asli Topaloglu-Ak, Esber Caglar, Nuket Sandalli, Cem Karagozlu, Nazan Ersin, Oktay Yerlikaya: Potential effects of a multistrain probiotic-kefir on salivary Streptococcus mutans and Lactobacillus spp. In: Journal of Dental Sciences. Band 5, Nr. 3, 1. September 2010, ISSN 1991-7902, S. 144–149, doi:10.1016/S1991-7902(10)60021-9 (sciencedirect.com [abgerufen am 2. Januar 2024]).
  14. Sevtap Alp, Zeliha Müge Baka: Effects of probiotics on salivary Streptecoccus mutans and Lactobacillus levels in orthodontic patients. In: American Journal of Orthodontics and Dentofacial Orthopedics. Band 154, Nr. 4, Oktober 2018, ISSN 0889-5406, S. 517–523, doi:10.1016/j.ajodo.2018.01.010.
  15. Maryam Ghasempour, Seyyed Ali Asghar Sefdgar, Ali Akbar Moghadamnia, Reza Ghadimi, Samane Gharekhani, Leila Shirkhani: Comparative study of Kefir yogurt-drink and sodium fluoride mouth rinse on salivary mutans streptococci. In: The Journal of Contemporary Dental Practice. Band 15, Nr. 2, 1. März 2014, S. 214–217, doi:10.5005/jp-journals-10024-1517 (englisch).
  16. SHARIFI, Mohammadreza et al. Kefir: a powerful probiotics with anticancer properties. Medical Oncology, 2017, 34. Jg., Nr. 11, S. 1–7.
  17. a b Edward R Farnworth: Kefir-a complex probiotic. In: Food Science and Technology Bulletin: Functional Foods. 2. Jahrgang, Nr. 1, 4. April 2005, S. 1–17, doi:10.1616/1476-2137.13938 (kefir.it (Memento des Originals vom 14. Mai 2014 im Internet Archive) [abgerufen am 20. Dezember 2014]).
  18. a b c de Oliveira Leite AM, Miguel MA, Peixoto RS, Rosado AS, Silva JT, Paschoalin VMI: Microbiological, technological and therapeutic properties of kefir: a natural probiotic beverage. In: Braz J Microbiol. 44. Jahrgang, Nr. 2, Oktober 2013, S. 341–9, doi:10.1590/S1517-83822013000200001, PMID 24294220, PMC 3833126 (freier Volltext).
  19. Z.B. Guzel-Seydim, T. Kok-Tas, A.K. Greene, A.C. Seydim: Review: functional properties of kefir. In: Crit Rev Food Sci Nutr. 51. Jahrgang, Nr. 3, März 2011, S. 261–8, doi:10.1080/10408390903579029, PMID 21390946.
  20. a b F. Altay, F. Karbancıoglu-Güler, C. Daskaya-Dikmen, D. Heperkan: A review on traditional Turkish fermented non-alcoholic beverages: microbiota, fermentation process and quality characteristics. In: Int J Food Microbiol. 167. Jahrgang, Nr. 1, Oktober 2013, S. 44–56, doi:10.1016/j.ijfoodmicro.2013.06.016, PMID 23859403.
  21. Handbook of Fermented Functional foods. 2nd Ed. Edward R. Farnsworth, Editor. CRC Press, 2008.
  22. Lynn Margulis: From kefir to death. In: Slanted Truths. Springer, New York 1997, S. 83–90.
  23. Adriana Paucean et al.: A study on sensory characteristics of a kefir type produced using starter cultures and brewer’s yeast. (PDF; 190 kB) In: Joumal of Agroalimentary Processes and Technologies Band 15, Nr. 2, 2009, S. 267–272.
  24. Karin Wehrmüller et al.: Jogurt ist nicht das einzige Sauermilchprodukt. In: Maillaiter der Schweizer Milchproduzenten SMP 2009.
  25. Yemoos Nourishing Cultures: Milk Kefir History 2012. Abgerufen am 13. November 2014.