Gemeinwohl-Bilanz

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Die Gemeinwohl-Bilanz ist in der Idee der Gemeinwohl-Ökonomie ein Bewertungsverfahren für Privatpersonen, Gemeinden, Firmen und Institutionen, mit dem geprüft werden soll, inwieweit sie dem Gemeinwohl dienen.[1] Bewertet werden unter anderem ökologische und soziale Aspekte.[2][3]

Gemeinwohl-Bilanzen sollen für jedermann gut verständlich sein;[4] Unternehmen können ihre Gemeinwohl-Leistung auf einer einzigen Seite transparent machen.[5][1] Dabei können die Unternehmen entscheiden, ob sie die Bilanz in Eigenregie erstellen, sich in einer Gruppe gegenseitig bilanzieren oder einen unabhängigen Prüfer bestellen.[6][1] Dies unterscheidet die Gemeinwohl-Bilanz von herkömmlichen Nachhaltigkeitsberichten, die von den Unternehmen selbst erstellt werden[2] – sie soll auch vergleichsweise preisgünstig erstellt werden können, für kleine Unternehmen werden ca. 1000 Euro veranschlagt.[7]

Bislang bilanzieren im deutschsprachigen Raum ca. 250 Unternehmen nach Gemeinwohl-Richtlinien,[2][8][9][10] in Europa sind es ca. 1100 Unternehmen (Stand: Anfang 2024).[11][12][13] Insgesamt gibt es 590 deutsche, 631 österreichische, 67 Schweizer und 70 Südtiroler Unternehmen, die sich als Unterstützer der Gemeinwohl-Bilanz registriert haben.[14] Alle in einer Peer-Gruppe und extern auditierten Gemeinwohl-Bilanzen sind öffentlich zugänglich.[15]

Ab 2017 sind alle börsennotierten Unternehmen[Anm. 1] mit mehr als 500 Mitarbeitern durch eine EU-Richtlinie verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen.[6][16] Dabei hat die EU mehrere Bilanzierungs-Standards explizit erwähnt, darunter auch die Gemeinwohl-Bilanz, so die Süddeutsche Zeitung.[17] Diese Erwähnung findet sich jedoch weder in der relevanten Erwägung 9 der Richtlinie 2014/95/EU, welche die empfohlenen Rahmenwerke aufführt,[18] noch in den ergänzenden „Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen“ (2017/C 215/01) der Europäischen Kommission, welche in ihrer Einleitung die Rahmenwerke benennt.[19] Sowohl die Richtlinie als auch die Mitteilung bilden die rechtliche Grundlage zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen durch große Unternehmen und Gruppen.[20] Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, der die EU-Organe berät, hat in einer Stellungnahme[21] empfohlen, dass Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen sollten: Ziel sei „der Wandel hin zu einer ethischen Marktwirtschaft“.[22]

In den USA und Italien ist der Geschäftstypus Gemeinwohlorientierte GmbH bereits gesetzlich verankert.[6]

Bekannte österreichische Unternehmen und Institutionen mit Gemeinwohl-Bilanz

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Bekannte deutsche Unternehmen und Institutionen mit Gemeinwohl-Bilanz

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Die Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz wird vom ÖkoBusinessPlan Wien und vom Ökomanagement Niederösterreich mit ca. 50 % gefördert.[39]

Auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert Gemeinwohl-Bilanzen.

Auf Antrag der Grünen wurden von der Stadt Stuttgart 100.000 Euro als Anschub-Finanzierung für die ersten Gemeinwohl-Bilanzen von städtischen und privaten Unternehmen bereitgestellt.[4][40]

Die Universitäten Flensburg und Kiel testen in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Forschungsprojekt bis Anfang 2018 die Erstellbarkeit der Gemeinwohl-Bilanz in Großunternehmen – unter anderem in drei DAX-Konzernen.[41][42]

Gemeinwohl-Ökonomie in Baden-Württemberg

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Auf Seite 15 des grün-schwarzen Koalitionsvertrags heißt es: „Die Koalitionspartner begrüßen neue Formen des Wirtschaftens wie Gemeinwohl-Ökonomien, weil sie als soziale Innovationen die Bürgergesellschaft stärken können. Mit einem Gemeinwohlbilanz-Pilotprojekt soll bei einem Unternehmen mit Landesbeteiligung dessen Wertschöpfung umfassend und transparent dargestellt werden. Diese Erkenntnisse wird das Land privatwirtschaftlichen Betrieben, die dies wünschen, zur Verfügung stellen und so Unternehmen fördern, die ihr wirtschaftliches Handeln mit Hilfe einer Gemeinwohlbilanz neu ausrichten möchten.“ Dabei verfolgen die Grünen in Baden-Württemberg das Ziel, dass landeseigene Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen.[43]

Unter den wenigen Unternehmen mit Landesbeteiligung war 2020 der landeseigene Staatsforstbetrieb ForstBW. Er erreichte eine Gesamtbewertung von 577 Punkten und wurde als „Erfahrenes Gemeinwohl-Unternehmen“ eingestuft. Die Auditoren hoben besonders die nachhaltige Bewirtschaftung als vorbildlich hervor.[44]

Gemeinwohl-Matrix für Unternehmen

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Für jeden der insgesamt 20 Gemeinwohl-Indikatoren[1] gibt es bis zu vier Sub-Indikatoren.[1][45]

Mit einem Bilanzrechner können die Ergebnisse für die einzelnen Sub-Indikatoren in Punkte umgerechnet werden. Die maximale Punktzahl pro Indikator und Sub-Indikator ist jeweils festgelegt.[46][1]

Menschenwürde Solidarität und Gerechtigkeit Ökologische Nachhaltigkeit Transparenz und Mitentscheidung
Lieferanten A1 Menschenwürde in der Zulieferkette A2 Solidarität und Gerechtigkeit in der Zulieferkette A3 Ökologische Nachhaltigkeit in der Zulieferkette A4 Transparenz und Mitentscheidung in der Zulieferkette
Eigentümer & Finanzpartner B1 Ethische Haltung im Umgang mit Geldmitteln B2 Soziale Haltung im Umgang mit Geldmitteln B3 Sozial-ökologische Investitionen und Mittelverwendung B4 Eigentum und Mitentscheidung
Mitarbeiter C1 Menschenwürde am Arbeitsplatz C2 Ausgestaltung der Arbeitsverträge C3 Förderung des ökologischen Verhaltens der Mitarbeiter C4 Innerbetriebliche Mitentscheidung und Transparenz
Kunden & Mitunternehmen D1 Ethische Kundenbeziehung D2 Kooperation und Solidarität mit Mitunternehmen D3 Ökologische Auswirkung durch Nutzung und Entsorgung von Produkten und Dienstleistungen D4 Kundenmitwirkung und Produkttransparenz
Gesellschaftliches Umfeld E1 Sinn und gesellschaftliche Wirkung der Produkte und Dienstleistungen E2 Beitrag zum Gemeinwesen E3 Reduktion ökologischer Auswirkungen E4 Transparenz und gesellschaftliche Mitentscheidung

Indikatoren und Sub-Indikatoren für Unternehmen

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A1 Beschaffungs-Management

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Zielsetzung dieses Indikators ist es, dass die Unternehmen ihre Verantwortung für die vorgelagerten Wertschöpfungsschritte wahrnehmen und nur gemeinwohlorientierte Zulieferer auswählen.[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Regionale, ökologische und soziale Aspekte / höherwertige Alternativen werden berücksichtigt (Relevanz hoch)
  • Auseinandersetzung mit den Auswirkungen zugekaufter Produkte / Dienstleistungen (Relevanz mittel)
  • Strukturelle Rahmenbedingungen zur fairen Preisbildung (Relevanz: niedrig)

B1 Ethisches Finanzmanagement

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Wesentliche Elemente eines gemeinwohlorientierten Finanzmanagements sind die Investition in Projekte und Unternehmen.[1]

C1 Arbeitsplatzqualität und Gleichstellung

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Hohe Arbeitsplatzqualität schafft die Grundlage dafür, dass sich die Mitarbeiter weiterentwickeln und einen Beitrag zur Entwicklung des Unternehmens leisten können.[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Faire Beschäftigungs- und Entgeltpolitik (Relevanz: mittel)
  • Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung einschließlich Work-life-Balance / flexible Arbeitszeiten (Relevanz: mittel)
  • Gleichstellung und Diversität (Relevanz: mittel)

C2 Gerechte Verteilung der Arbeit

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Derzeit arbeiten einige zu viel („leben um zu arbeiten“) und andere gar nicht („arbeitslos“). Ziel des Indikators ist die gerechte Verteilung der Erwerbsarbeit auf alle erwerbsfähigen Menschen.[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Senkung der Normalarbeitszeit (Relevanz: hoch)
  • Erhöhung des Anteils der Teilzeit-Arbeitsmodelle (Relevanz: mittel)
  • Bewusster Umgang mit (Lebens-)Arbeitszeit (Relevanz: mittel)

C3 Förderung des ökologischen Verhaltens der Mitarbeiter

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Zielsetzung eines gemeinwohlorientierten Unternehmens ist es, ökologisches Verhalten innerhalb des Betriebes zu ermöglichen.[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Ernährung während der Arbeitszeit (Relevanz: hoch)
  • Mobilität zum Arbeitsplatz (Relevanz: hoch)
  • Sensibilisierung und unternehmensinterne Prozesse (Relevanz: mittel)

C4 Verteilung der Einkommen

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Sub-Indikatoren:[1]

  • Innerbetriebliche Bruttoeinkommens-Spreizung in Unternehmen (Relevanz: hoch)
  • Mindesteinkommen (Relevanz: mittel)
  • Transparenz (Relevanz: niedrig)

C5 Mitbestimmung und Transparenz

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Das Ideal ist die Mitbestimmung bei allen wesentlichen Entscheidungen (zumindest im eigenen Arbeitsbereich) und eine Legitimation der Führungskräfte z. B. durch Wahl.[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Grad der Transparenz (Relevanz: gering)
  • Legitimierung der Führungskräfte (Relevanz: mittel)
  • Mitbestimmung bei Grundsatz- und Rahmen-Entscheidungen (Relevanz: hoch)
  • Mit-Eigentum der Mitarbeiter (Relevanz: mittel)

D Kunden, Produkte / Dienstleistungen

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D1 Kundenbeziehung

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Sub-Indikatoren:[1]

  • Gesamtheit der Maßnahmen für eine ethische Kundenbeziehung (Relevanz: hoch)
  • Fairer Preis und ethische Auswahl der Kunden (Relevanz: mittel)
  • Gemeinsame Produktentwicklung / Marktforschung (Relevanz: mittel)
  • Service-Management (Relevanz: mittel)

D2 Kooperation in der Branche

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Das Ziel sind überlebensfähige Verhaltensweisen, die Krisen, anstatt sie zu produzieren, solidarisch abfedern helfen.[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Offenlegung von Informationen und Weitergabe von Technologie (Relevanz: mittel)
  • Weitergabe von Arbeitskräften, Aufträgen und Finanzmitteln (Relevanz: hoch)
  • Kooperatives Marketing (Relevanz: mittel)

D3 Ökologische Gestaltung der Produkte und Dienstleistungen

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Bedingungen der ökologischen Nachhaltigkeit:[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Produkte / Dienstleistungen im ökologisch Vergleich zum Wettbewerb (Relevanz: hoch)
  • Produkt-Gestaltung für eine ökologische Nutzung und suffizienten Konsum (Relevanz: mittel)
  • Kommunikation ökologischer Aspekte (Relevanz: mittel)

D4 Soziale Gestaltung der Produkte und Dienstleistungen

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Weniger leistungsfähige Kunden sollen nicht benachteiligt werden.[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Erleichterter Zugang zu Informationen / Produkten / Dienstleistungen für benachteiligte Kunden-Gruppen (Relevanz: hoch)
  • Förderungswürdige Strukturen werden durch Vertriebspolitik unterstützt (Relevanz: mittel)

D5 Erhöhung des Branchenstandards

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Ziel ist, dass Unternehmen z. B. bestehenden Initiativen beitreten (z. B.: Label, freiwillige Branchenstandards).

Sub-Indikatoren:[1]

  • Kooperation in der Wertschöpfungskette (Relevanz: hoch)
  • Beitrag zur Erhöhung legislativer Standards (Relevanz: mittel)

E Gesellschaftliches Umfeld

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E1 Sinn und gesellschaftliche Wirkung der Produkte / Dienstleistungen

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Zielsetzung der Gemeinwohl-Ökonomie ist es, dass global nur noch das produziert wird, was die Menschen für eine suffiziente Lebensführung wirklich benötigen.[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Produkte / Dienstleistungen decken den Grundbedarf oder dienen der Entwicklung der Menschen / der Gemeinschaft / der Erde und generieren positiven Nutzen (Relevanz: hoch)
  • Ökologischer und sozialer Vergleich der Produkte / Dienstleistungen mit Alternativen mit ähnlichem Endnutzen (Relevanz: mittel oder hoch)

E2 Beitrag zum Gemeinwesen

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Jedes Unternehmen soll seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und im Rahmen seiner Möglichkeiten einen angemessenen Beitrag leisten (z. B.: durch Spenden).[1]

E3 Reduktion ökologischer Auswirkungen

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Sub-Indikatoren:[1]

  • Absolute Auswirkungen (Relevanz: mittel)
  • Relative Auswirkungen im Branchenvergleich (Relevanz: hoch)

E4 Gemeinwohlorientierte Gewinnverteilung

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Ziel ist, dass die Gewinne eines Unternehmens so gerecht, sinnstiftend und gemeinwohlfördernd wie möglich verteilt / reinvestiert werden.[1]

Sub-Indikatoren:[1]

  • Ausschüttung (Relevanz: hoch)
  • Stärkung des Eigenkapitals sowie ökosoziale Reinvestitionen (Relevanz: hoch)

E5 Transparenz und Mitbestimmung

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Ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen informiert die Öffentlichkeit umfassend über alle wesentlichen Aspekte ihrer geschäftlichen Tätigkeiten.[1]

Sub-Indikatoren Transparenz:[1]

  • Umfang Gemeinwohl-Bericht (Relevanz: hoch)

Sub-Indikatoren Mitbestimmung:[1]

  • Art der Mitbestimmung (Relevanz: hoch)

N Negativ-Kriterien

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Einige gemeinwohlschädliche Verhaltensweisen sind legal (bzw. werden nicht sanktioniert) und werden durch Punktabzug berücksichtigt.[1]

N1a) ILO-Arbeitsrechte und Menschenrechte
In Staaten ohne Ratifizierung der Kernnormen (z. B. China, USA) ist ein lokaler Zugang des Unternehmens notwendig, um die Einhaltung der ILO-Arbeitsrechten und Menschenrechten sicherzustellen.[1]
N1b) Menschenunwürdige Produkte
Z. B. nach UN-Deklaration geächteter Rüstungsgüter[1]
N1c) Kooperation mit Unternehmen, welche die Menschenwürde verletzen[1]
N2a) Feindliche Übernahme
In der Gemeinwohl-Ökonomie soll der Stärkere den Schwächeren nicht „fressen“ dürfen.[1]
N2b) Sperrpatente
Manche Unternehmen melden sehr viel mehr Innovationen zum Patent an, als sie kommerziell verwerten, mit dem Ziel, die Forschung um ihr Patent zu blockieren. Ein plakatives Beispiel sind Autofirmen, die Patente für verbrauchsarme Motoren oder Solarautomobile halten aber nicht verwerten.[1]
N2c) Dumpingpreise
Dumpingpreise widersprechen der Kostenwahrheit und dem fairen Wettbewerb.[1]
N3a) Illegitime Umweltbelastungen
„Unangemessene“ Eingriffe in das Ökosystem[1]
N3b) Verstöße gegen Umweltauflagen
Z. B. Überschreiten von Grenzwerten[1]
N3c) Geplante Obsoleszenz
Produktionstechnisch vorgenommene Verkürzung der Lebensdauer von Produkten und Nicht-Reparierfähigkeit[1]
N4a) Verstöße gegen Umweltauflagen[1]
N4b) Arbeitsplatzabbau trotz Gewinn
Ein Unternehmen, das dem Gemeinwohl dient, wird bei stabiler Gewinnlage weder Arbeitsplätze abbauen noch Standorte schließen.[1]
N4c) Umgehung der Steuerpflicht
Die OECD listet eine Reihe von „harmful tax practices“ auf, die auf globaler Ebene dazu führen, dass Steuern hinterzogen werden.[1]
N4d) „Unangemessene“ Verzinsung von Kapital[1]
N5a) Nichtoffenlegung von Beteiligungen
Es sollte offengelegt werden, welche Sub-Firmen existieren und wer (Mit-)Eigentümer welches Unternehmens ist.[1]
N5b) Verhinderung eines Betriebsrats[1]
N5c) Nichtoffenlegung von Lobby-Aktivitäten
Unternehmen in der EU können sich in das EU-Lobbyregister eintragen.[1]
N5d) Exzessive Einkommensspreizung
Ziel: Kein Einkommen bei voller Arbeitszeit überschreitet das Zwanzigfache des Mindestlohnes des jeweiligen Landes.[1]

Gemeinwohl-Matrix für Gemeinden und Regionen

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Menschenwürde Solidarität Ökologische Nachhaltigkeit Soziale Gerechtigkeit Mitbestimmung & Transparenz
A – C: dito Unternehmens-Matrix
Bürger / ortsansässige Firmen D1 Beziehung zu Stakeholdern D2 Solidarität mit benachbarten Gemeinden D3 Ökologische Gestaltung der Dienstleistungen D4 Soziale Gestaltung der Dienstleistungen D5 Erhöhung des Standards
Gesellschaftliches Umfeld E1 Beschlüsse des Gemeinderats E2 Beitrag zum Gemeinwesen E3 Reduktion ökologischer Auswirkungen E4 Haushalts- und Sozialpolitik E5 Transparenz und Mitbestimmung
Negativ-Kriterien N1
* Verletzung der ILO-Arbeitsnormen / Menschenrechte
* menschenunwürdige Produkte
* Kooperation mit Unternehmen, welche die Menschenwürde verletzen
N2
N3
* illegitime Umweltbelastungen
* Verstöße gegen Umweltauflagen
* Entrechtung der Bevölkerung
N4
* Schrumpfung des öffentlichen Raums
* Arbeitsplatzabbau und Krankenstand
* soziale Ausgrenzung
* fehlende Transparenz
N5
* Verhinderung eines Betriebsrats
* Nichtoffenlegung von Lobby-Aktivitäten
* exzessive Einkommensspreizung

Indikatoren und Sub-Indikatoren für Gemeinden und Regionen

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Gemeinden und öffentliche Körperschaften sind weniger klar nach außen abgegrenzt als Unternehmen. Deshalb wird empfohlen, zu Beginn des Bilanzierungsprozesses eine Systemanalyse durchzuführen.[47] Ziel ist es, die Abgrenzung des Betrachtungsgegenstandes möglichst an objektive Größen (Rechnungsabschluss) zu binden.[48]

D Kunden, Produkte / Dienstleistungen

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D1 Beziehung zu Stakeholdern (Bürger, Einwohner, Bewohner, Eigentümer, Firmen)

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Bürger, die im Mittelpunkt der Bemühungen einer Gemeinde stehen sollten, werden häufig nicht als gleichwertiger Partner behandelt (im Verwaltungsprozess), sondern als „Vorgang“.[49]

Sub-Indikatoren:[50]

  • Gesamtheit der Maßnahmen für eine ethische Bürger-Beziehung (Relevanz: hoch)
  • Umfang der Bürger-Mitbestimmung / gemeinsame Leistungsentwicklung / Befragung (Relevanz: mittel)
  • Leistungs- und Projekttransparenz, faire Preise, Abgaben und Steuern sowie ethische Auswahl der Ansiedlungen / Projekte (Relevanz: mittel)
  • Service-Management (Relevanz: mittel)

D2 Solidarität mit benachbarten Gemeinden

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Sub-Indikatoren:[51]

  • Offenlegung von Informationen und Weitergabe von Technologie (Relevanz: mittel)
  • Weitergabe von Arbeitskräften, Kooperationen (Relevanz: hoch)
  • Kooperatives Standortmarketing (Relevanz: mittel)

D3 Ökologische Gestaltung der Dienstleistungen

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Sub-Indikatoren:[52]

  • Inwieweit entsprechen die Dienstleistungen den Kriterien der Nachhaltigkeit (Konsistenz, Effizienz, Suffizienz und Resilienz) (Relevanz: hoch)
  • Kommunikation ökologischer Aspekte (Relevanz: mittel)

D4 Soziale Gestaltung der Dienstleistungen

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Sub-Indikatoren:[53]

  • Erleichterter Zugang zu Informationen / Dienstleistungen für benachteiligte Bürger (Relevanz: mittel)
  • Förderungswürdige Strukturen werden unterstützt (Relevanz: hoch)

D5 Erhöhung des Standards

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Sub-Indikatoren:[54]

  • Kooperation mit anderen Gemeinden und Partnern (Relevanz: hoch)
  • Beitrag zur Erhöhung legislativer Standards (Relevanz: mittel)

E Gesellschaftliches Umfeld

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E1 Beschlüsse des Gemeinderats

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siehe[55]

E2 Beitrag zum Gemeinwesen

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Sub-Indikatoren:[56]

  • Wie ausgeprägt ist die Kooperation mit anderen Gemeinden? (Relevanz: hoch)
  • Wie ausgeprägt ist die Kooperation mit Bürgerinitiativen, Non-Profit-Organisationen und Ehrenamtlichen? (Relevanz: hoch)
  • Wie ausgeprägt und fair ist die Kooperation mit Privaten? (Relevanz: hoch)

E3 Reduktion ökologischer Auswirkungen

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Sub-Indikatoren:[57]

  • Absolute Auswirkungen (Relevanz: hoch)
  • Relative Auswirkungen im Vergleich zu anderen Gemeinden (Relevanz: hoch)

E4 Haushalts- und Sozialpolitik

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Sub-Indikatoren:[58]

  • Anteil Partizipation und Zufriedenheit (Relevanz: hoch)
  • Gemein-Güter Rekommunalisierung (Relevanz: hoch)
  • Schuldentilgungsdauer (Relevanz: hoch)
  • Förderung innovativer Projekte und Prozesse (Relevanz: hoch)

E5 Transparenz und Mitbestimmung

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Sub-Indikatoren:[59]

  • Umfang Gemeinwohl-Bericht (Relevanz: hoch)
  • Art der Mitbestimmung (Relevanz: hoch)
  • Umfang der Mitbestimmung (Relevanz: hoch)

Weitere Gemeinwohlbilanzen

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Neben den zuvor beschriebenen Vollbilanzen und Gemeindebilanzen, existiert noch eine Kompaktbilanz, eine Bilanz für Privatpersonen, eine Bilanz für Bildungseinrichtungen und ein Leitfaden für Kleinstunternehmen.

Eine Studie des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) verglich mehrere NFI-Rahmenwerke auf mögliche Anforderungen eines einheitlichen gesetzlichen NFI-Standards, bei dem die Gemeinwohl-Bilanz am besten abschnitt.[60][61] Ein Vergleich von Instrumenten zur Umsetzung der SDG in KMU bescheinigte der Gemeinwohl-Bilanz ein „hohes Ambitionsniveau“.[62]

Der ideologische Überbau[63] der Methode ist geeignet manche Unternehmen zu irritieren, andere trennen diesen Überbau von der Gemeinwohl-Bilanzierung und konzentrieren sich auf die Vorteile des Messinstruments, so die Einschätzung der Wochenzeitschrift Der Spiegel.[6]

  1. Offiziell heißt es „Unternehmen von öffentlichem Interesse“, siehe Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, vom 22. Oktober 2014, was in vielen Zeitschriften-Artikeln mit „börsennotierten Unternehmen“ gleichgesetzt wird.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am an ao ap aq ar as at au av aw ax ay az ba bb Arbeitsbuch zur Voll-Bilanz, Version 5.0, Stand: 2018
  2. a b c d Öko-Versorger Polarstern zieht eine Gemeinwohlbilanz, von Jonas Gerding, Wirtschafts-Woche, 29. Februar 2016
  3. 3. Internationale Gemeinwohl-Bilanz-Pressekonferenz (Memento vom 2. Juni 2016 im Internet Archive), Fona, Bundesministerium für Bildung und Forschung, 24. April 2014, abgerufen am 15. April 2024.
  4. a b Profit ohne Maximierung, von Markus Klohr, Stuttgarter Nachrichten, 10. März 2016
  5. Gemeinwohl-Ökonomie und Energiewende, PV Magazin, 24. Februar 2016
  6. a b c d e Wie nachhaltig ist mein Unternehmen?, von Anne Haeming, Spiegel online, 26. Mai 2016
  7. Punkten für Gemeinwohl-Bilanz, Merkur.de, 9. Juli 2015
  8. Ein Banker geht aufs Ganze, enorm, Ausgabe 1/2016
  9. Gemeinwohl-Bilanz: Darum will eine Freiburger Firma mitmachen, Badische Zeitung, 16. Dezember 2014
  10. Die Gemeinwohl-Bilanz, Unternehmen sollen Nutzen stiften, nicht nur Rendite, Forum Nachhaltig Wirtschaften, 1. Januar 2015
  11. Das aktuelle Wirtschaftssystem produziert eine Endlosreihe von Kollateralschäden, Die Farbe des Geldes, online-Magazin der Triodos Bank, 3. Juni 2016
  12. Gemeinwohl-Orientierung bringt Unternehmen langfristig Vorteile, Schwäbische.de, 22. April 2016
  13. Ökonomen wollen Ex-Attac-Aktivist Felber aus Lehrbuch streichen, von Andreas Sator, Der Standard, 8. April 2016
  14. Die Saubermänner, von Elena Witzeck, Süddeutsche Zeitung, 10. März 2016
  15. GWOe-Berichte, Gemeinwohl-Ökonomie
  16. Südtiroler Öko-Pioniere: Zum Wohl!, Spiegel online, 25. April 2016
  17. Nicht die beste aller Welten, von Andrea Rexer, Süddeutsche Zeitung, 6. April 2016
  18. Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen Text von Bedeutung für den EWR, abgerufen am 24. September 2020
  19. MITTEILUNG DER KOMMISSION Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen (Methode zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen) (2017/C 215/01), abgerufen am 24. September 2020. In: Amtsblatt der Europäischen Union.C, Nr. 215, 5. Juli 2017, S. 3–4.
  20. Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen Text von Bedeutung für den EWR, abgerufen am 24. September 2020
  21. Economy for the Common Good. 3. März 2015, abgerufen am 18. November 2019 (englisch).
  22. Die Deutschen misstrauen der Unternehmenselite, von Anke Henrich, Rebecca Eisert, Martin Seiwert und Cornelius Welp, Wirtschafts-Woche, 30. Oktober 2015
  23. Gemeinwohl-Ökonomie: Wirtschaften zum Wohle aller, Das Wirtschaftsmodell mit Zukunft bei Sonnentor
  24. Gemeinwohlbilanz der FH-Burgenland
  25. Gemeinwohl-Ökonomie: Wirtschaften zum Wohle aller, Das Wirtschaftsmodell mit Zukunft bei der Sparda-Bank München eG, Sparda-Bank, o. J.
  26. Der Utopist, Helmut Lind Sparda-Bank, brand eins, Ausgabe 08/2011
  27. Mich hat mein Ehrgeiz fast krank gemacht, Interview von Andrea Rexer und Uwe Ritzer, Süddeutsche Zeitung, 21. März 2016
  28. Ethik im Geldgeschäft, von Petra Schafflik, Süddeutsche Zeitung, 8. Mai 2016
  29. VAUDE erhält DNWE Preis für Unternehmensethik
  30. Bessere Zukunft mit Gemeinwohlökonomie?, von Norbert Leister, Reutlinger Nachrichten, 7. März 2016
  31. Bioland hat 2015 als erster landwirtschaftlicher Verband eine Gemeinwohlbilanz erstellt., Bioland, o. J.
  32. Die Gemeinwohlbilanz der taz (Memento des Originals vom 3. Juni 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/blogs.taz.de, taz, 28. April 2015
  33. Gemeinwohl-Bilanz auf greenpeace.de@1@2Vorlage:Toter Link/www.greenpeace.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., 23. Dezember 2017
  34. Fairmondos Gemeinwohlbilanz
  35. Polarstern ist der erste Energieversorger mit Gemeinwohl-Bilanz, Polarstern, 25. Februar 2016
  36. Erste Hochschule mit Gemeinwohl-Bilanz in Deutschland, HSB, 18. Dezember 2014
  37. Wie grün muss ein Gabelstapler sein, von Uta Jungmann, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. November 2016
  38. Die Wirtschaft ist für alle da. In: Frankfurter Rundschau. 25. Juni 2020, abgerufen am 15. November 2020.
  39. Gemeinwohlbilanz – das Herzstück nachhaltiger Unternehmensentwicklung, Workshop – Reihe, Oktober 2013
  40. Wider den Kapitalismus, von Nicole Mohn, Der Teckbote, 27. April 2016
  41. Flensburg
  42. Das Ringen um Gallische Dörfer, von Christian Felber, Observer – Die österreichische Wochenzeitung, 11. Februar 2016, S. 52
  43. So gut waren unsere Chancen noch nie, Haller Tagblatt, 12. Dezember 2015
  44. Gemeinwohl-Bilanzierung. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
  45. Matrix 5.0
  46. Bilanzrechner
  47. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 15
  48. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 16
  49. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 78
  50. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 80
  51. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 85
  52. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 92
  53. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 96
  54. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 101
  55. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 104
  56. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 111
  57. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 116
  58. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 125
  59. Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz für Gemeinden, Version 1, Stand: Dezember 2015, S. 130
  60. Der Weg zum globalen Nachhaltigkeitsbericht | Institute for Advanced Sustainability Studies. Abgerufen am 17. Mai 2021.
  61. Dorothea Brockhoff, Gudrun Engelhardt, Hanna Yabroudi, Ludwig Karg, Anja Aschenbrenner, Christian Felber: Publizitätspflicht zur Nachhaltigkeit. Entwicklung eines Anforderungskatalogs für einen universellen Standard (PuNa-Studie), IASS Study 09/2020, S. 31.
  62. Giesenbauer, B., Müller-Christ, G. (2018). Sustainable Development Goals für und durch KMU. Ein Leitfaden für Unternehmer und Unternehmerinnen. Broschüre im Auftrag von RENN.nord, Bremen, S. 15.
  63. Die Gemeinwohl-Ökonomie, Das Wirtschaftsmodell der Zukunft?, von Ulrike Reisach, www.fortschrittszentrum.de, 27. Februar 2012