Germanophilie
Germanophilie (von lateinisch Germani „Germanen“ und altgriechisch φιλία philia „Freundschaft“), im negativen Sinne auch als Deutschtümelei bezeichnet, beschreibt eine allgemeine Affinität zur deutschen Kultur, Geschichte oder zum deutschen Volk und steht somit im Gegensatz zur Germanophobie.[1] Die Gleichsetzung von „Germanen“ und „Deutschen“ erfolgte erstmals im 16. Jahrhundert[2] durch den Historiker Johannes Turmayr, bekannt als Aventinus.[3] Im Deutschen existiert der Begriff jedoch hauptsächlich als wörtliche Übersetzung des im Englischen häufiger verwendeten Begriffs germanophilia und wird für unterschiedliche kulturgeschichtliche, soziale und literarische Phänomene verwendet.
Im Unterschied zum pejorativ verwendeten Begriff „Germanomanie“[4] war „Germanophilie“ im 19. Jahrhundert wenig gebräuchlich und wurde in Wörterbüchern und Enzyklopädien wie dem Grimmschen Wörterbuch, dem Brockhaus oder Pierers Universallexikon nicht definiert. Dagegen wurde der Begriff „Deutschthum“ im Deutschen Wörterbuch von 1860 folgendermaßen erklärt: „Deutschthum n. [nomen] für deutschheit ist erst in der letzten zeit aufgekommen, doch wird es meist ironisch gebraucht: man will damit übertriebene anhänglichkeit an deutsches wesen bezeichnen, so auch Deutschthümelei, f. Deutschthümler, Deutschthümlich und Deutschthümlichkeit.“[5]
Literarische germanophile Bestrebungen wurden insbesondere durch die Literatur des Sturm und Drang geprägt. So gründeten zum Beispiel um 1800 junge russische Literaten in Moskau die „literarische Freundesgesellschaft“, zu der es heißt: „Empfindsamkeit und Sturm und Drang, emotionalistische Ästhetik und das Pathos der Leidenschaft in den Werken Goethes und Schillers waren die Leitsterne dieser Gruppe. (…) Im Gefühl der Kongenialität oder doch wenigstens der Seelenverwandtschaft wurden Übersetzungen der Werke Goethes, Schillers, Kotzebues und andere als geistige Freundschaftsdienste angefertigt.“[6]
Ebenso gab es im deutschen Judentum des 19. Jahrhunderts germanophile Bestrebungen als Prozess der nationalen Identitätsbildung und Assimilation. Nach Dirk Baecker[7] impliziert Germanophilie „ein Wissen um andere Sitten und Verhaltensweisen außerhalb der eigenen Kultur, das durch die Operation des Vergleichs menschlicher Lebensformen produziert ist“.[8]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jörg Marquardt: Germanophilie im deutschen Judentum im 19. Jahrhundert. Mainz, 18. März 2011 (ieg-ego.eu).
- Helmut Wurm: Die Bedeutung antiker Berichte über die Germanen für den deutschen Nationalismus und die germanophile Anthropologie in Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 14, 1996, S. 369–401.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Germanophilie. In: .wissen.de. Wissen Media Verlag, 7. Juni 2010, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 1. Dezember 2011; abgerufen am 15. Juli 2011. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Johannes Aventinus: Chronica vom ursprung, thaten und herkommen der uralten Teutschen. Nürnberg 1541.
- ↑ Helmut Wurm: Die Bedeutung antiker Berichte über die Germanen für den deutschen Nationalismus und die germanophile Anthropologie in Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 14, 1996, S. 369–401; hier: S. 376.
- ↑ Germanomanie. In: Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. 5. Auflage. Band 1. Brockhaus, Leipzig 1911, S. 670 (Digitalisat. zeno.org).
- ↑ deutschthum. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 2: Biermörder–D – (II). S. Hirzel, Leipzig 1860, Sp. 1053 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ Sandra Kersten, Manfred F. Schenke: Spiegelungen. Entwürfe zu Identität und Alterität. Frank & Timme, 2005, S. 163 (books.google.de).
- ↑ Baecker, Kultur 2003, S. 65 f.
- ↑ Jörg Marquardt: Germanophilie im deutschen Judentum im 19. Jahrhundert. EGO European History Online, 18. März 2011, abgerufen am 15. Juli 2011.