Geodaten zu dieser Seite vorhanden

Geschlossene Heimunterbringung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die geschlossene Heimunterbringung ist eine Sonderform der Heimerziehung in Deutschland.

Situation in Deutschland

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die geschlossene Heimunterbringung besteht in Deutschland neben den Formen Wohngruppen, Kinderdorf und Betreutes Jugendwohnen.

Rechtliche Voraussetzungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im wesentlichen Unterschied zu den oben genannten Gruppen kann ein Kind oder Jugendlicher nur mit richterlicher Genehmigung auf Antrag des Sorgeberechtigten (Eltern, -teil oder Vormund) in einem geschlossenen Heim untergebracht werden. Es handelt sich um eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung nach § 1631b BGB.

Hintergrund für die geschlossene Unterbringung ist oft Jugendkriminalität, aber auch Selbst- und/oder Fremdgefährdungssituationen, die jedoch keine psychiatrische Unterbringung erfordern. Unter besonderen Umständen kann auch häufiges Entweichen und mangelnde Erreichbarkeit mit anderen Betreuungsformen der Anlass sein.

Die Kosten für die Unterbringung sind im Allgemeinen hoch, sie können 300 bis 500 Euro pro Tag und untergebrachter Person betragen.

In den letzten Jahren ist eine Zunahme der Unterbringung in geschlossenen Heimen zu beobachten, was sich u. a. in langen Wartezeiten bei bestehenden Einrichtungen bzw. in Neugründungen entsprechender Einrichtungen abbildet. Die Zahl der geschlossenen Unterbringungen lag 2013 in Deutschland bei 389 Kindern und Jugendlichen.[1] Darüber hinaus gibt es noch Einrichtungen mit teilgeschlossener Unterbringung, welche innerhalb rechtlicher Grauzonen unter ähnlichen Bedingungen arbeiten.

Die taz berichtete: „Seit 1980 ist ein starker Rückgang der Plätze zu verzeichnen, der ab 2004 wieder anstieg. Derzeit gibt es bundesweit etwa 370 Plätze, dabei etwa 110 für Mädchen, 160 für Jungen und 100 gemischte. Bundesländer, die geschlossene Heime haben, sind Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg und Bayern. Bayern hat mit 126 Plätzen die größte Anzahl.“[2]

Zu ihnen zählen:[3]

Name Ort Bundesland Plätze[4] Träger Bemerkung
Caritas Mädchenheim Gauting Gauting Bayern 57 Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V.
Sozialpädagogische Einrichtung Niefernburg Niefern-Öschelbronn Baden-Württemberg 18 Diakonisches Werk der Evangelischen Landeskirche in Baden
St. Franziskusheim Rheinmünster Baden-Württemberg 14
Schloss Dilborn – Die Jugendhilfe Brüggen Nordrhein-Westfalen Maria Hilf NRW gGmbH
Rummelsberger Dienste für junge Menschen gGmbH Rummelsberg Bayern 12 Rummelsberger Diakonie e.V.
Martinistift gGmbH Nottuln Nordrhein-Westfalen
Jugendhilfezentrum St. Anton Riegel am Kaiserstuhl Baden-Württemberg 8 Gemeinnützige Einrichtung der öffentlichen Jugendhilfe im Sinne des §§ 51ff AO
Jugendheim Mühlkopf Rodalben Rheinland-Pfalz 16 Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.
Jugendeinrichtung Schloss Stutensee Stutensee Baden-Württemberg 7 Kinder- und Jugendhilfe
Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung Hamburg Hamburg kommunale Jugendhilfeträger der Freien und Hansestadt Hamburg
Evang. Kinder- und Jugendhilfe Würzburg Würzburg Bayern 13 Teil des Diakonischen Werks Würzburg e. V.
Kinderzentrum St. Vincent Regensburg Bayern 7 Katholische Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e.V.
Jugendwerk Birkeneck gGmbH Hallbergmoos Bayern
Karl-Schreiner Haus Essen Nordrhein-Westfalen Diakoniewerk Essen gemeinnützige Jugend- und Familienhilfe GmbH
Caritas-Sozialwerk Lohne Lohne Niedersachsen Kirchliche milde Stiftung des privaten Rechts
Jugendhilfezentrum Don Bosco Sinntal Hessen 8

Die geschlossene Unterbringung als Form der sozialpädagogischen Betreuung ist stark umstritten und wird in vielen Bundesländern nicht angewendet. Sie steht im Sozialgesetzbuch weder als besondere Maßnahme, noch wird sie dort ausgeschlossen.

Seit Ende 2012 lösten die Heime der Trägergesellschaft Haasenburg in Brandenburg eine Debatte über Menschenrechtsverletzungen in geschlossenen Heimen aus.[5] Im November 2013 wurde aufgrund der Zustände die Schließung angekündigt.

Im Juli 2013 sprach sich ver.di gegen die geschlossene Heimunterbringung aus.[6] Auch der Kriminologe Christian Pfeiffer, ehemaliger Justizminister Niedersachsens, sprach sich im Juli 2013 gegen geschlossene Unterbringungen aus.[7]

Der Sozialwissenschaftler Timm Kunstreich, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen geschlossene Unterbringung (AGU) mit Sitz in Hamburg,[8] schlägt vor, erfahrene Mitarbeiter verschiedener Träger in Pools zusammenzuführen, um gemeinsam eine Lösung zu finden, statt die Jugendlichen aus ihrem Umfeld zu reißen.[9]

Der Erziehungswissenschaftler Werner Thole hoffte nach der im November 2013 angekündigten Schließung der Standorte des Unternehmens Haasenburg auf eine Wende.[10]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Der Horror am Waldrand. die tageszeitung, 15. Juni 2013, abgerufen am 28. Juli 2013.
  2. Debatte Geschlossene Heime. Zwang und Schutz. die tageszeitung, 27. Juli 2013, abgerufen am 13. September 2013.
  3. Heime mit freiheitsentziehenden Maßnahmen (AK GU14plus). Website des St. Franziskusheimes in Rheinmünster Schwarzach, abgerufen am 11. Mai 2017.
  4. Plätze in geschlossener Unterbringung
  5. Schwerpunkt Haasenburg. die tageszeitung, abgerufen am 28. Juli 2013.
  6. Freiheitsentziehende Jugendhilfe-Maßnahmen überprüfen. Pressemitteilung von ver.di Berlin-Brandenburg, 8. Juli 2013.
  7. Kriminologe Pfeiffer gegen geschlossene Unterbringung. In: Hamburger Abendblatt, 12. Juli 2013.
  8. Aktionsbündnis gegen geschlossene Unterbringung
  9. Wegsperren ist keine Lösung. In: die tageszeitung, 25. April 2013 (online)
  10. Pädagoge über Haasenburg: „Es wird härter durchgegriffen“. In: die tageszeitung, 8. November 2013.