Großrechner

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein Großrechner (englisch mainframe computer) bzw. eine Großrechenanlage ist ein kompaktes und umfangreiches Computersystem, das weit über die Datenverarbeitungsleistung von Personal Computern und Serversystemen hinausgeht.

Sie sind für die parallele Abarbeitung sehr vieler ähnlicher, einfacher Datenverarbeitungsvorgänge optimiert, etwa von Flugbuchungen.

Großrechner unterscheiden sich von Supercomputern (Hochleistungsrechnern) in ihrem Aufgaben- und Einsatzgebiet und daraus folgend auch ihrer Konstruktion. Supercomputer sind für die schnelle Berechnung komplexer naturwissenschaftlicher oder technischer Aufgaben optimiert.

IBM-704-Großrechner (rechts) mit Magnetband-Laufwerken (links) aus den späten 1950ern
Großrechner von Datasaab mit Peripherie aus den 1960ern
Großrechner IBM System z9 Typ 2094
System z9 Typ 2094, mit geöffneten Fronttüren und ausgeklapptem Support-Element

In einem Großrechner sind aufeinander abgestimmte, robuste und hochgradig redundante Komponenten verbaut. Üblicherweise wird die Wartung dieser Rechner im laufenden Betrieb durchgeführt, auch Hardwareaustausch und Aufrüstungen führen zu keiner Beeinträchtigung oder gar Unterbrechung des Betriebs.

Ein Großrechner zeichnet sich vor allem durch seine Zuverlässigkeit und hohe Ein-Ausgabe-Leistung aus. Er kann im Online-Betrieb (Time Sharing) eine große Anzahl von Benutzern bedienen, im Batch-Betrieb aber auch komplizierte und aufwendige Aufgaben durchführen. Die Benutzer erhalten beim Online-Betrieb Zugang zu einem Großrechner über Computer-Terminals. Seit sich Personal Computer (PCs) durchgesetzt haben, werden solche Terminals meistens durch entsprechende Emulationen auf den PCs ersetzt.

Anwendungsbereich

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Gegensatz zu Supercomputern, die auf hohe Rechenleistungen hin entwickelt werden, ist ein Großrechner auf Zuverlässigkeit und hohen Datendurchsatz ausgelegt. Die typischen Anwendungen eines Großrechners sind in Banken, Versicherungen, großen Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung gegeben. Typische Einsatzgebiete sind die hochzuverlässige Verarbeitung von Massendaten, z. B. Kundendaten von Versicherungen, oder unternehmenskritischen Daten, z. B. ERP-Systeme, oder Massentransaktionssysteme, z. B. Computerreservierungssysteme, Zahlungskarten.

Ein relativ neues Einsatzgebiet für Großrechner stellt die Konsolidierung von Serverfarmen dar. Mit einem Großrechner und einem entsprechenden Betriebssystem ist es dabei möglich, viele virtuelle Server zu starten. So können Platz und Strom gespart und die Administration vereinfacht werden.

Für viele Aufgaben, bei denen erhöhte Zuverlässigkeit notwendig, ein Großrechner jedoch überdimensioniert oder technisch ungeeignet ist, wird auch sogenannte Mittlere Datentechnik benutzt, zum Beispiel auf der Basis von OS/400, VMS, UNIX und immer öfter auch Linux.

Röhrencomputer stellten die erste Generation dar und lösten hauptsächlich militärische Aufgaben. Darauf folgende Großrechner hielten mit der Erfindung des Transistors Mitte der 1950er-Jahre zunächst hauptsächlich in Forschungseinrichtungen Einzug, etwa zur Lösung von Differentialgleichungen. Dort beanspruchten sie meist einen ganzen Raum für sich alleine, der klimatisiert werden musste, um der Hitzeentwicklung der Geräte entgegenzuwirken.

Beim Personal wurde unterschieden zwischen den Programmierern und den Operatoren. Letztere bedienten die Rechenanlage: Sie fütterten die Lochkartenleser, holten nach Anweisung des Konsolendruckers/-fernschreibers gewünschte Magnetbänder herbei und legten sie ein und brachten sie später wieder zurück, fütterten Drucker und Lochstreifenstanzer mit Papier und entnahmen produzierte Medien. Das konnte mehrere Personen gleichzeitig auslasten.

Diese Funktionsweise wurde als Batch- oder Stapelverarbeitung bezeichnet. Die Arbeitsabläufe waren damals beispielsweise wie folgt:

Ein Operator brachte auf Lochkarten gestanzte Rechenaufgaben zu einem separaten Gerät, welches die Lochkarten einlas und die Daten auf einem Magnetband speicherte. Ein anderer Operator brachte dieses Magnetband zum eigentlichen Großrechner, der das Magnetband abarbeitete und die Ausgabe auf einem anderen Magnetband speicherte. Ein weiterer Operator brachte das Magnetband mit den Ergebnissen zu einem Drucker, welcher die Daten vom Magnetband auf Papier übertrug.

Mitte der 1960er-Jahre wurde das so genannte Multiprogramming (Mehrprogrammbetrieb) eingeführt. Man hatte festgestellt, dass zuvor die CPU selbst einen großen Teil der Zeit nicht benutzt wurde, da sie auf Ein- und Ausgabeoperationen der Bänder warten musste, bis sie ihren nächsten Auftrag abarbeiten konnte. Daher teilte man den Hauptspeicher in Teilbereiche auf und konnte so mehrere Bänder gleichzeitig bearbeiten.

Zu dieser Zeit hatten die meisten Computerhersteller zwei Systeme entwickelt:

  • wortorientierte Großrechner für den technisch-wissenschaftlichen Bereich
  • zeichenorientierte Großrechner für den kommerziellen Bereich

IBM vereinte als erster Hersteller beide Anwendungsbereiche in dem Betriebssystem OS/360.

Seit einigen Jahren versuchen auch Hersteller wie Hewlett-Packard (mit dem HP Superdome), mit speziellen Systemen auf UNIX-Basis im Marktsegment von Großrechnern erfolgreich zu sein.

Seit 2007 werden Mainframes auch im Bereich der Online-Spiele eingesetzt.[1] Hierbei steht vor allem der sehr hohe Datendurchsatz der Großrechner im Vordergrund – die nötige Rechenleistung zur Erzeugung des Spielflusses wird hingegen von dedizierten Servern erbracht. Die so resultierende Kombination wird auch als Gameframe bezeichnet.

Eingesetzte Betriebssysteme

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf Großrechnern wird als Betriebssystem unter anderem z/OS (inklusive USS), z/VM, z/VSE, Unicos, OS/360, OS/390, BS 3, BS2000, NOS, NOS/BE, Multics, KRONOS, Linux, MVS, Scope, TPF, UNIVAC 1100/2200, CMS, GCOS oder AIX (LPAR-Betrieb) eingesetzt.

Liste früher Großrechner

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Computermodell Land Inbetriebnahme Gleitkomma-
arithmetik
Binär Elektronisch Programmierbar Turingmächtig
Zuse Z3 Deutschland Mai 1941 Ja Ja Nein Ja, mittels Lochstreifen über Umwege, nie genutzt
Atanasoff-Berry-Computer USA Sommer 1941 Nein Ja Ja Nein Nein
Colossus UK 1943 Nein Ja Ja Teilweise, durch Neu­ver­kabelung Nein
Mark I USA 1944 Nein Nein Nein Ja, mittels Lochstreifen Ja
Zuse Z4 Deutschland März 1945 Ja Ja Nein Ja, mittels Lochstreifen keine bedingte Sprunganweisung
um 1950 Ja Ja Nein Ja, mittels Lochstreifen Ja
ENIAC USA 1946 Nein Nein Ja Teilweise, durch Neu­ver­kabelung Ja
1948 Nein Nein Ja Ja, mittels Wider­stands­matrix Ja
Mark I, rechtes Segment

Die deutschsprachige Fachzeitschrift Computerwoche titelte bereits 1992 „Die alte Mainframe-Dominanz geht unwiderruflich zu Ende“.[2] Als Gründe für eine Ablösung der oft als veraltet geltenden Systeme werden meist die hohen Kosten der Plattform sowie ein akuter Fachkräftemangel genannt. Die meisten Anwendungen basieren auf alten Programmiersprachen wie Assembler, PL/1 oder COBOL, Sprachen, die dem heutigen IT-Nachwuchs unbekannt sind und die nur noch wenige Programmierer beherrschen und die oftmals nicht mehr gelehrt werden.[3]

Demgegenüber stehen hohe Datenvolumina und Transaktionsraten, welche auf Mainframe-Systemen verarbeitet werden. Mit Zahlen von Anfang der 2000er-Jahre sind 60 Prozent aller geschäftsrelevanten Daten, auf die mittels des World Wide Web zugegriffen werden kann, in Mainframe-Datenbanken gespeichert, hauptsächlich DB2-, IMS- und VSAM-Dateien. Die Anzahl der weltweit pro Sekunde ausgeführten CICS-Transaktionen liegt in der gleichen Größenordnung wie die Anzahl der Zugriffe auf das WWW.[4]

So schrieb die Computerwoche 2006, dass nach wie vor zwischen 70 und 90 Prozent des weltweiten Datenbestands auf Mainframe-Installationen verwaltet werden.[4]

Die Fachpresse mit Stand der 2020er-Jahre berichtet einerseits über Mainframe-Ablöseprojekte wie beispielsweise bei der Provinzial-Versicherung,[5] aber andererseits auch von Ansätzen, etablierte Mainframes lieber in moderne Infrastrukturen einzubinden, statt sie generell durch neue Architekturen zu ersetzen.[3][6]

Die zukünftige Bedeutung von Mainframe-Systemen ist somit als ambivalent einzustufen.

Commons: Großrechner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Großrechner – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Sendung über die Geschichte der Mainframes und wie Linux auf den Mainframe kam; RadioTux.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. IBM kombiniert Mainframe und Cell Prozessor zum „Gameframe“. In: Computerwoche, 27. April 2007
  2. Uwe Tempelmann: Die alte Mainframe-Dominanz geht unwiderruflich zu Ende. In: Computerwoche. IDG Business Media GmbH, München, 15. Mai 1992, abgerufen am 15. August 2022.
  3. a b Robert Recknagel: Warum Mainframes heute integraler Bestandteil der IT-Landschaft bleiben sollten. In: it-finanzmagazin.de. 17. Februar 2017, abgerufen am 15. August 2022.
  4. a b Wilhelm G. Spruth: Einführung in das System z Mainframe. In: Institut für Informatik, Universität Leipzig,. 2. Juli 2007, abgerufen am 15. August 2022.
  5. Christiane Pütter: Provinzial verabschiedet sich vom Mainframe. In: cio.de. IDG Tech Media GmbH, 4. Februar 2022, abgerufen am 15. August 2022.
  6. Berthold Wesseler: Mainframes in der modernen IT: Mit Open Source die alten Silos öffnen. In: Heise Medien GmbH & Co. KG. 13. August 2022, abgerufen am 15. August 2022.