Hans Sträuli
Hans Emil Sträuli (* 31. Juli 1862 in Winterthur; † 6. Juni 1938 ebenda) war ein Schweizer Jurist und freisinniger Politiker.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Familie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hans Sträuli war der Sohn des Juristen und Politikers Heinrich Emil Sträuli und dessen Ehefrau Anna (geb. Ganzoni) (1836–1867) aus Celerina; er hatte noch mehrere Geschwister.[1]
Sein Grossvater war der Gründer der Seifenfabrik Sträuli, Johannes Sträuli. Seine Tante war die Frauenrechtlerin Ida Sträuli-Knüsli
Im Jahre 1900 schloss er den Bund der Ehe mit seiner Cousine Karolina Maria (* 1867; † 1950)[2], der Tochter von Benjamin Carl Sträuli (1839–1913) und von dessen Ehefrau Maria Haggenmacher (1840–1916) aus Winterthur; ihre Schwester Lilly war mit dem Unternehmer Fritz Schoellhorn (1863–1933) von der Brauerei Haldengut in Winterthur vermählt. Er hatte mehrere Kinder und wohnte mit seiner Familie in der Villa Sträuli in der Museumstr. 60 in Winterthur, die er von 1908 bis 1911[3][4] erbauen liess.
Werdegang
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hans Sträuli besuchte die Volks- und Kantonsschule (siehe Kantonsschule Rychenberg) in Winterthur. Er absolvierte 1881 seine Matura und immatrikulierte sich im selben Jahr zu einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich.[5] Er setzte das Studium fort, indem er die Universität Strassburg, die Universität Berlin und die Universität Heidelberg besuchte; am 25. Juli 1885 promovierte er mit seiner Dissertation Das Retentionsrecht nach dem Bundesgesetz über das Obligationenrecht zum Dr. jur.
Nach Beendigung des Studiums hielt er sich einige Zeit in Paris und London auf und beschäftigte sich dort mit Kunstgeschichte, bevor er von 1887 bis 1897 zuerst als Substitut, dann als Associé, im Anwaltsbüro von Hans Knüsli tätig war.
Von 1897 bis 1911 war er Mitglied des Obergerichts des Kantons Zürich und war dort von 1898 bis 1908 Schwurgerichtspräsident und von 1902 bis 1905 Vizepräsident sowie von 1906[6] bis 1909 Präsident des Obergerichts.
Eine Wahl an das Bundesgericht lehnte er 1902 ab.[7][8]
Er war von 1892 bis 1922 Mitglied im Verwaltungsrat der Schweizerischen Volksbank.
Politisches und gesellschaftliches Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hans Sträuli war ab 1892 Mitglied im Grossen Stadtrat (1897: I. Vizepräsident)[9] beziehungsweise ab 1921 im Gemeinderat von Winterthur und, als Nachfolger des verstorbenen Rudolf Geilinger, von 1911 bis zu seinem Rücktritt 1930,[10] Stadtpräsident von Winterthur. Er führte im Rahmen der Stadtvereinigung 1922[11] die Eingemeindung von fünf heutigen Quartieren durch, mit der er sich bereits frühzeitig[12] beschäftigt hatte. Während des Landesstreiks 1918 war er, gemeinsam mit Fritz Studer, als vermittelnder Politiker massgeblich daran beteiligt, dass es in Winterthur verhältnismässig ruhig blieb. Als es 1929 zu einem Arbeitskonflikt in der Maschinenindustrie kam, war er Mitglied der interkantonalen Schlichtungsstelle und leistete mit seinem Mitwirken eine wichtige Vorarbeit für das Friedensabkommen in der Schweizer Metall- und Maschinenindustrie von 1937.[13]
Anlässlich seines Rücktritts als Stadtpräsident stiftete er dem Stadtrat 20.000 Schweizer Franken zur Einrichtung des Hans-Sträuli-Fonds,[14] der bis heute Verwendung findet.[15][16] Sein Nachfolger als Stadtpräsident wurde Hans Widmer (1889–1939)[17].[18]
Von 1894 bis 1919 war er, als Nachfolger seines Vaters[19], im Zürcher Kantonsrat und präsidierte diesen 1904; 1895[20] war er zuständig für den Rechenschaftsbericht des Obergerichts. Als Nachfolger des verstorbenen Rudolf Geilinger war er vom 27. März 1911 bis zu seinem gesundheitsbedingten Rücktritt am 1. März 1934[21] im Nationalrat vertreten und 1929 deren Vizepräsident sowie 1930[22] deren Präsident; sein Nachfolger im Nationalrat wurde Oberst Hans Kern (1867–1940)[23].[24] Hans Sträuli präsidierte im Nationalrat die Kommission für die Revision des Obligationenrechts und verfasste Kommentare zum Gerichtsverfassungsgesetz, zur Zivilprozess- und zur Strafprozessordnung.
1898 trat er als Mitglied der Bezirksschulpflege zurück, deren Mitglied er seit 1888 war und deren Präsident er sieben Jahre lang war.[25]
Von 1907 bis 1914 war er Vorstandsmitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei der Schweiz.
Er setzte sich für die Gleichberechtigung und die Rechte der Frauen ein.[26][27]
1917 lehnte er die Wahl in den Bundesrat ab.[28]
Er war 1924 Präsident des Organisationskomitees[29] für die Kantonale Zürcherische Ausstellung für Landwirtschaft und Gartenbau[30].
Schriftstellerisches Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hans Sträuli beschäftigte sich mit Rechtsfragen und verfasste Studien über die zürcherische Rechtsgeschichte, unter anderem gab er einen Supplementband zum Kommentar zur zürcherischen Rechtspflege heraus, den sein Vater bereits Jahre vorher verfasst hatte.
Mitgliedschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hans Sträuli gehörte der Schülerverbindung Vitodurania an.
1890 war er Präsident des Stadtsängervereins Winterthur[31].[32]
Im Organisationskomitee für das Eidgenössische Schützenfest 1895 in Winterthur war er im Musik- und Unterhaltungskomitee vertreten.[33]
Ehrungen und Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät erneuerte Hans Sträuli das Doktordiplom, das sie ihm vor fünfzig Jahren verliehen hatte.[34]
Nach ihm wurde die Sträuli-Strasse in Winterthur benannt.
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Das Retentionsrecht nach dem Bundesgesetz üb.das Obligationenrecht. Winterthur, 1885 (Digitalisat).
- gemeinsam mit Emil Zürcher: Grundlagen und Ergebnisse der Statistik der Rechtspflege im Kanton Zürich. Zürich, 1895 (Digitalisat).[35]
- Veränderungen des Grundkapitals der Aktiengesellschaft: nach dem schweizer. Obligationenrecht. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Band 14. 1895. S. 1–58 (Digitalisat).
- Verfassung des Eidgenössischen Standes Zürich vom 18. April 1869. Zürich, 1902.[36]
- Über das Frauenstimmrecht. In: Frauenbestrebungen, Heft 1. 1911. S. 5–7 (Digitalisat).
- Das Zürcherische Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911. Zürich, 1911.[37][38]
- Gesetze betreffend die zürcherische Rechtspflege. 1913.
- Stadtpräsident Dr. Joh. Jakob Sulzer, 1821 bis 1897. Ein Lebensbild. In: Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Band 264. 1931. Buchdruckerei Geschwister Ziegler, Winterthur 1930.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hans Sträuli. In: Zürcherische Freitagszeitung vom 3. März 1911. S. 1 (Digitalisat).
- Der neue Stadtpräsident von Winterthur. In: Chronik der Stadt Zürich vom 18. März 1911. S. 121 (Digitalisat).
- Dr. Hans Sträuli 1862–1938 (Digitalisat).
- Nationalrats-Vizepräsident Dr. Sträuli. In: Briger Anzeiger vom 7. Dezember 1929. S. 1 (Digitalisat).
- Hans Sträuli. In: Neue Zürcher Zeitung vom 7. Juni 1938. S. 5 (Digitalisat).
- Emanuel Dejung: Zwei Winterthurer Stadtpräsidenten: Dr. jur. Hans Sträuli, 1862–1938, Dr. med. Hans Widmer, 1889–1939, Zürich 1940. S. 182–210 (Digitalisat).
- Hans Rüegg: Stadtpräsident Dr. Hans Sträuli. In: Winterthurer Jahrbuch. 1972, S. 41–73.
- Emil Hauser: Chronik der Familie Sträuli. Winterthur, 1959.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Urs Widmer: Hans Sträuli. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Hans Sträuli auf der Website der Bundesversammlung .
- Hans Sträuli. In: Schweizerische Eliten im 20. Jahrhundert.
- Dokumente von und über Hans Sträuli in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz.
- Hans Sträuli. In: Winterthur Glossar.
- Hans Sträuli. In: Deutsche digitale Bibliothek.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Historisches Familienlexikon der Schweiz - Personen. Abgerufen am 24. November 2023.
- ↑ Stammbaum Familie Sträuli. Abgerufen am 24. November 2023.
- ↑ Kurze Geschichte der Villa Sträuli. Stiftung Sulzberg, abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Sträuli'scher Familienverband. Abgerufen am 2. Dezember 2023.
- ↑ Matrikeledition. Abgerufen am 24. November 2023.
- ↑ Drahtberichte. In: Der Bund 14. Dezember 1905 Ausgabe 02. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Eidgenossenschaft. In: Neue Zürcher Zeitung 24. April 1902 Ausgabe 02. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Schweiz. In: Intelligenzblatt für die Stadt Bern 29. April 1902. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Kantone: Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung 2. Juni 1897 Ausgabe 02. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Kantone: Zürich. In: Neue Zürcher Nachrichten 22. Februar 1930 Ausgabe 02. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Stadtvereinigung 1922 - Winterthur Glossar. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Schweiz: Zürich. In: Der Bund 23. Dezember 1891 Ausgabe 02. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Vor 80 Jahren: Das «Friedensabkommen» in der Schweizer Metall- und Maschinenindustrie. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Kantone: Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung 16. Mai 1930 Ausgabe 02. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ 15'000 Franken für den Spielkiosk Eulachpark. 26. April 2019, abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Einmaliger Beitrag aus dem Dr. Hans Sträuli-Fonds für das Generationenwohnen «TownVillage» der Quellenhofstiftung — Stadtratsbeschlüsse. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Urs Widmer: Hans Widmer. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 15. Oktober 2021, abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Kantone: Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung 30. März 1930. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Kantonale Nachrichten: Zürich. In: Intelligenzblatt für die Stadt Bern 8. Mai 1894. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Zürich: Aus den Kantonsratsverhandlungen. In: Zürcherische Freitagszeitung 23. August 1895. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Kantone: Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung 19. März 1934 Ausgabe 03. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Die neuen Präsidenten. In: Der Bund 2. Dezember 1930. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Markus Bürgi: Hans Kern. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 6. Januar 2005, abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Letzte Meldungen. In: Neue Zürcher Nachrichten 20. März 1934. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Kantone: Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung 2. Februar 1898 Ausgabe 02. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Aus den Verhandlungen des Kantonsrates. In: Neue Zürcher Zeitung 25. Februar 1895 Ausgabe 03. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Zürich. In: Zürcherische Freitagszeitung 3. März 1911. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Beamtenstand. In: Chronik der Stadt Zürich 22. Dezember 1917. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Letzte Meldungen. In: Neue Zürcher Nachrichten 22. September 1924. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Kantonale Zürcherische Ausstellung für Landwirtschaft und Gartenbau 1924 - Winterthur Glossar. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Stadtsänger Winterthur - Winterthur Glossar. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Kantone: Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung 20. März 1890 Ausgabe 02. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Eidgenossenschaft. In: Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland 17. September 1893. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Lokales. In: Neue Zürcher Zeitung 25. Juli 1935 Ausgabe 03. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Schweiz: Zürich. In: Der Bund 18. Juli 1895 Ausgabe 02. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Inserat. In: Neue Zürcher Zeitung 26. Oktober 1902. Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG ZGB). Abgerufen am 25. November 2023.
- ↑ Inserat. In: Neue Zürcher Nachrichten 17. November 1911. Abgerufen am 25. November 2023.
Personendaten | |
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NAME | Sträuli, Hans |
ALTERNATIVNAMEN | Sträuli, Hans Emil (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Jurist und Politiker |
GEBURTSDATUM | 31. Juli 1862 |
GEBURTSORT | Winterthur |
STERBEDATUM | 6. Juni 1938 |
STERBEORT | Winterthur |
- Rechtsanwalt (Schweiz)
- Gerichtspräsident (Schweiz)
- Politiker (19. Jahrhundert)
- Politiker (20. Jahrhundert)
- Stadtpräsident (Winterthur)
- Kantonsrat (Zürich, Person)
- Nationalrat (Zürich)
- Nationalratspräsident (Schweiz)
- Sachbuchautor (Rechtswissenschaften)
- Literatur (Deutsch)
- Literatur (Schweiz)
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- Literatur (20. Jahrhundert)
- Stifter
- Korporierter (Schülerverbindung)
- Schweizer
- Geboren 1862
- Gestorben 1938
- Mann