Hans von Gierke

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Hans Karl Otto Gierke, ab 1910 von Gierke (* 17. April 1895 in Deutschwalde[1] (Krs. Hohensalza); † 14. Oktober 1939 in Hohensalza), war ein deutsch-polnischer Rittergutsbesitzer und wurde 1939 Opfer des NS-Regimes in der „Blutnacht von Hohensalza“.[2]

Geboren wurde Hans Gierke als ältestes von sechs Geschwistern.[3] Seine Eltern waren der vormalige Ansiedlungspächter,[4][5] dann Domänenpächter, Gutsherr und Oberamtmann Walter von Gierke (* 1854 in Bromberg; † 1925 in Wiesbaden) und dessen aus Frankfurt/Oder stammende Ehefrau Luise Schwedler (* 1868; † 1949 in Wernigerode). Die Hochzeit der Eltern 1894 war in Wirschkowitz Krs. Militsch. Der Jurist Otto von Gierke war der Bruder des Vaters. Anna von Gierke, Edgar von Gierke und Julius von Gierke sowie Hildegard von Gierke waren die Cousinen und Cousins des Hans von Gierke.

1910 wurde Gierkes Vater von Wilhelm II. in Posen nobilitiert, hauptsächlich wohl wegen der Stiftung eines Familienfideikommiss[6] Polanowitz[7] und somit der Stärkung des Deutschtums in der Provinz Posen.[8] Zu den Gütern des Vaters gehörten neben Polanowitz noch Gut Gustafowo, mit 54 ha und Gut Lojewo samt Vorwerk Königswerder mit 559 ha,[9] beide im Kreis Strelno gelegen. 1916 veräußerte der Vater die Bonislawer Stärkefabrik für 333.000 Mark an die Aktien-Gesellschaft für die Verwendung von Kartoffelfabrikaten mit Sitz in Berlin.[10] 1919 wurde aus dem Kreis Strelno der polnische Powiat Strzelno. Seit 1932 gehörte Gut Polanowitz zur Gmina Kruszwica im Powiat Inowrocławski. Die Familie von Gierke-Polanowitz gehörte somit zur Deutschen Minderheit in Polen.

Hans von Gierke erhielt zunächst kurz eine Hauserziehung und besuchte dann eine höhere Schule der Region um die Zulassungsbedingungen zur Offizierslaufbahn zu erhalten. Im Ersten Weltkrieg diente er im Ulanen-Regiment von Schmidt (1. Pommersches) Nr. 4,[11] mit Garnison in Thorn, seinem Wohnsitz bis 1921, er war dort zuletzt Leutnant d. R., nachfolgend Oberleutnant d. R.[12] Hans von Gierke heiratete zweimal, 1923 zuerst in Magdeburg Lieselotte Förster († 1981) aus Mangelsdorf bei Magdeburg, Nachfahrin von Gutsbesitzern in Klein-Mangelsdorf. Diese Ehe wurde Anfang Juni 1934 geschieden. Aus dieser Beziehung stammen drei Kinder, Sabine (* 1924), der Agrarwissenschaftler Klaus (* 1926; † 2011)[13] und Walter (* 1930), der später Arzt und Besitzer einer Kurklinik wurde. Die zweite Ehe schloss Gierke Mitte Juni 1934 in Posen mit Maria Antonia von Gośzyzynśka (* 1906 in Posen) aus polnischem Adel stammend. Diese Ehe blieb kinderlos.

Gutshaus Polanowitz/Polanowice. 30. August 2007.

1925 erbte Hans von Gierke den väterlichen Besitz Polanowitz.[14][15] Sein Bruder Konrad (* 1897), Oberleutnant d. R. im Husaren-Regiment „Fürst Blücher von Wahlstatt“ (Pommersches) Nr. 5, übernahm wiederum das Gut Lojewo. Der jüngste Bruder Fritz von Gierke († 1984) wurde Gutspächter in der Provinz Posen, heiratete nach dem Krieg die russischstämmige Bürgerin Nadja Mikolajewska und lebte mit ihr in den 1980er Jahren in Polen. Die Schwester Eva heiratete 1919 Hermann Loening,[16] späterer Geschäftsführer des Reichsverbands der Deutschen Industrie, Sohn des Edgar Loening; beide gingen 1933 ins Exil.

Hans von Gierke wurde Opfer des NS-Regimes und während der Blutnacht von Hohensalza verhaftet, schwer misshandelt und erschossen. Weitere 58 polnische Bürger wurden Opfer.[17][18] Die Täter waren der Jurist und Landrat Otto Christian von Hirschfeld sowie ein unbekannter Mittäter. Hirschfeld wurde 1940 in Posen vor Gericht gestellt, zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, seines Amtes enthoben und 1941 wieder begnadigt. Die Witwe und die Mutter des Hans von Gierke bemühten sich um Aufklärung, erstere wurde als Renegatin behandelt.[19][20]´Maria Antonia von Gierke bewohnte bis Anfang der 1940er Jahre Gut Polanowitz.[21][22]

  • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Briefadeligen Häuser 1913. 7. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1912, S. 257–258. (Erstaufnahme. Redaktion u. Druck Gotha jew. i. Vorjahr).
  • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Alter Adel und Brefadel. 1921. 15. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1920, S. 242–243.
  • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser 1940. Teil B. Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft (DAG). 32. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1939, S. 191 f. (Ohne Nennung seines Todesdatums).
  • Deutsches Adelsarchiv (Hrsg.), Red.: Walter von Hueck et al: Genealogisches Handbuch des Adels. Adelslexikon. Band IV: G-Har. Hrsg. Deutsches Adelsarchiv, C. A. Starke, Limburg an der Lahn 1978, S. 113. ISSN 0435-2408
  • Deutsches Adelsarchiv (Hrsg.), Red.: Walter von Hueck, Friedrich Wilhelm Euler et al: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser / B (Briefadel nach 1400 nobilitiert) 1980, Band XIII, Band 73 der Gesamtreihe GHdA, Hrsg. des Weiteren: Ausschuss für adelsrechtliche Fragen der deutschen Adelsverbände, C. A. Starke, Limburg an der Lahn 1980, S. 85–92. ISSN 0435-2408
  • Matthias Graf von Schmettow: Gedenkbuch des deutschen Adels. Nachtrag. In: Aus dem Deutschen Adelsarchiv, 6, C. A. Starke, Limburg an der Lahn 1980, S. 16.

Einzelnachweise

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  1. Deutschwalde, 1943 bis 1945 Deutschenwalde, Kreis Hohensalza, Wartheland, zeitweise Region Waltersmark, Warthegau; seit 1945: Wietrzychowice (Izbica Kujawska) im Powiat Włocławski, Woiwodschaft Kujawien-Pommern, Polen.
  2. Werner Röhr, Elke Heckert, Karin Rauhut: Die faschistische Okkupationspolitik in Polen (1939–1945), In: Nacht über Europa; Band 2, Teil der Anne-Frank-Shoah-Bibliothek, Pahl-Rugenstein, Köln 1989, ISBN 3-7609-1260-5, S. 180.
  3. Zur Familiengenealogie: Familien-Stammbaum, Hrsg. Familienverband von Gierke.
  4. C. Petersen (Hrsg.): Milch-Zeitung. Organ für die gesamte Viehhaltung und das Molkereiwesen. Nr. 22, 25. Jahrgang, M. Heinsius Nachfolger, Bremen, 30. Mai 1896, S. 347.
  5. Ansiedlungspächter Gierke Deutsch-Walde, In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen. Haus der Abgeordneten 1898. 13. Sitzung am 3. Februar 1898. 1. Band, W. Moeser, Berlin 1898, S. 343 f.
  6. Das von dem Oberamtmann Walter Gierke in Polanowitz unter dem Namen Gierkesches Familienfideikommiß Polanowitz errichtete Familienfideikommiß, in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 84a, Nr. 44516; in: Deutsche Digitale Bibliothek, 6. August 2024. Vgl. Polanowice (województwo kujawsko-pomorskie) in Polnischsprachige Wikipedia.
  7. Polanowitz, 1 Rg., Pr. Posen); Polanowitz, Strelno, Bromberg, Posen, Preussen, Hrsg. Meyers.gaz.org/Meyers Gazetter. 2024.
  8. Witwe Luise von Gierke geb. Schwedler, vormals Gut Polanowitz, Kr. Hohensalza und Eigentumsverhältnisse des Gutes Waltersmark/Polanowitz, Kreis Hohensalza: Bd. 2., in: Bundesarchiv, BArch R 49/50. AZ: C-6/8-6, in: Archivportal-D 6. August 2024.
  9. Ernst Seyfert: Güter-Adreßbuch für die Provinz Posen (1913). Verzeichnis. Handbuch der Königlichen Behörden. 2. Auflage, In: Niekammer`s Güter-Adreßbücher, Band VI, Reichenbach, Leipzig 1913, S. 246–247. Reprint: BoD Norderstedt, Klaus D. Becker, Potsdam 2021. ISBN 978-3-88372-253-5.
  10. Walter Roth: Handelsblatt der Chemiker-Zeitung 1916, Nr. 100/101, 40. Jahrgang, Hrsg. Dr. von Viettinghoff-Scheel, Köthen 19. August 1916, S. 712.
  11. Hans Martens, Ernst Zipfel (Hrsg.): Geschichte des Ulanen-Regiments von Schmidt (1. Pommersches) Nr. 4. Nach amtlichen Kriegstagebüchern und Berichten von Mitkämpfern, Zeichnungen: Erich R. Döbrich, Verlag Tradition Wilhelm Kolk, Berlin 1929.
  12. Ehrenrangliste des ehemaligen Deutschen Heeres. Auf Grund der Ranglisten von 1914 mit den inzwischen eingetretenen Veränderungen (1926). Hrsg. Deutscher Offiziers-Bund, Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Berlin 1926, S. 432, S. 445.
  13. Dr. Klaus von Gierke, RP Trauer.
  14. Dzieje rodziny von Gierke – właścicieli majątku Polanowice w latach 1897-1945, in: Nadgoplańskie Towarzystwo Historyczne. Historia Kruszwicy, Kujaw i Wielkopolski. 6. August 2024.
  15. Polanowice (Pałac) kujawsko-pomorskie, Kruszwica, in: Polskie Zabitky, Katalog Polskich Zamkow Pałaców i Dworów. 6. August 2024.
  16. Herrmann A. L. Degener (Hrsg.): Degeners Wer ists? X. Ausgabe, Selbstverlag, Berlin 1935, S. 988.
  17. Martin Broszat: Nationalsozialistische Polenpolitik 1939-1945, In: Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; 2, 1. Auflage, Stuttgart 1961, S. 44. („Blutnacht von Hohensalza“); 2. (Online)-Auflage (PDF), De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 1961, ISBN 3-486-70382-X.
  18. Vgl. Hans von Gierke (hier Hans Gierke), in: Polnischsprachige Wikipedia; Quellenangaben dort: "Gazeta Pomorska 2002 nr 265".; Tomasz Łaszkiewicz "Ziemia kujawska XV" Inowrocław 2004.
  19. Johannes Frackowiak (Hrsg.): Nationalistische Politik und Ressentiments. Deutsche und Polen von 1871 bis zur Gegenwart, in: Berichte und Studien; Band 064, Online-Ressource, V&R unipress, Göttingen 2013, S. 193, ISBN 978-3-8470-0152-2.
  20. Vgl. Johannes Frackowiak: Verordnete Germanisierung. Die Deutsche Volksliste in Westpolen 1939-1945., in: Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung. Hrsg. Uwe Backes, Thomas Lindenberger, in: Berichte und Studien; Band 87, Hrsg. Mike Schmeitzner, Online-Ressource, V&R unipress, Göttingen 2024, S. 60, ISBN 978-3-8470-1782-0. Teil-Digitalisat
  21. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Teil B. 1940. Justus Perthes, Gotha 1939, S. 192.
  22. Frühes Opfer des Zweiten Weltkrieges wurde auch des Schwager von Hans von Gierke, der Theologe und Autor Ernst Kienitz, Hrsg. DNB., verheiratet seit 1922 mit der Schwester Tina von Gierke (* 1901; † 1982).