Helvetia Konservenfabrik Groß-Gerau

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die Helvetia Conservenfabrik Gross-Gerau G.m.b.H (vor 1910)

Die Helvetia Konservenfabrik Groß-Gerau AG war eine Marmeladen-, Obst- und Gemüsekonservenfabrik in Groß-Gerau.[1] Sie war einst die größte Konservenfabrik Deutschlands,[2] nach anderen Quellen Europas[3].

Geschichte und Beschreibung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Unternehmen wurde 1898 als GmbH gegründet[4] und arbeitete als selbstständiges Tochterunternehmen der Conservenfabrik Lenzburg, vormals Henckell & Roth, heute Hero. Die Schweizer stellten dem Unternehmen ihr Produktions-Know-How zur Verfügung.[5] Als die Fabrik 1899 den Betrieb aufnahm, verfügte sie über eine eigene Stromversorgung.[6]

1909 erfolgte die Umwandlung in die Helvetia Conservenfabrik Gross-Gerau AG mit einem Stammkapital von 42 Mio. Mk.[7] Das Unternehmen gehörte nun zu 50 % der Interessengemeinschaft süddeutscher Zuckerfabriken, die später als Süddeutsche Zucker AG, heute Südzucker AG, firmierte und zu ca. 38 % der Conservenfabrik Lenzburg.

Ab 1912 bestand ein Gleisanschluss zum nahen Bahnhof Groß Gerau.[8] Ebenso gab es eine eigene Werkfeuerwehr.[9]

1922 erwarb die Helvetia Konservenfabrik Groß-Gerau die an ihren Betrieb angrenzenden Fabrikanlagen der Ölmühle Groß-Gerau-Bremen.[10] Dabei wurden sämtliche in Groß-Gerau gelegenen Grundstücke, Gebäude, Gleisanlagen, sowie die gesamten Maschinen, Apparate und Einrichtungen, soweit sie nicht unmittelbar der Oelfabrikation gedient haben, erworben. Der Kaufpreis lag bei 4 Mio. Mark.[11]

Unter dem Namen Hero-Konserven A.-G., Kulmbach wurde 1923 in Kulmbach eine Tochtergesellschaft zur Herstellung von Konserven aller Art sowie Obst und Beerenwein gegründet.[12]

1927, dem besten Geschäftsjahr des Unternehmens, hatte die Helvetia Konservenfabrik etwa 1000 Mitarbeiter.[2] Die Aktien des Unternehmens wurden im freien Börsenverkehr gehandelt.[13]

Aktie über 1000 RM der Helvetia Konservenfabrik Groß-Gerau AG vom Oktober 1931

Im Rahmen einer Sanierung erfolgte am 30. Oktober 1931 eine Kapitalherabsetzung im Verhältnis 100 : 1.[14] Das Stammkapital wurde dabei von 2 Mio. RM auf 20.000 RM herabgesetzt und anschließend wieder auf 1,5 Mio. RM heraufgesetzt.[15] Auch die Eigentümerverhältnisse änderten sich: Die Conservenfabrik Lenzburg hielt nun nur noch ca. 19 %, die Eidgenössische Bank AG ca. 41 % und die Süddeutsche Zucker-AG ca. 40 % der Aktien. Bereits 1926 gab es eine Kapitalherabsetzung, dabei wurde das Stammkapital in Höhe von 4 Mio. RM auf 2 Mio. RM reduziert.[16]

Im Zweiten Weltkrieg beschäftigte das Unternehmen über 300 Zwangsarbeiter.[17]

In den 1960er Jahren war Franck & Kathreiner Eigentümer der Helvetia Konservenfabrik. Das Unternehmen produzierte fortan unter dem Namen „Frosti“ das laufende Obst- und Gemüseprogramm.[18]

Produziert wurden Konserven, beispielsweise mit Marmeladen, Gurken, Spargel.[19] Das Unternehmen stellte auch Sojapräparate für Diabetiker her.[20]

1973 ging das Unternehmen in die Insolvenz und die Produktion in Groß-Gerau endete. 1983 erfolgte der Abriss der Fabrikations- und Verwaltungsgebäude samt dem 89 m hohen Fabrikschornstein, einem Wahrzeichen Groß-Geraus.[5] Kurz nach der Insolvenz wurde er etwa zur Hälfte abgetragen.

Im Westen grenzte eine Produktionsstätte des ehemaligen Anteilseigners Südzucker AG an das Fabrikgelände. Diese Produktionsstätte wurde 1883 eröffnet und 2007 geschlossen.[21]

1922 wurde das Direktorenwohnhaus Villa Hero in der Gartenstraße 2 erbaut, das heute unter Denkmalschutz steht.[22]

Veröffentlichungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Nahrhafte Gerichte aus Hero-Trockengemüse. Helvetia-Konservenfabrik, 1940, 8 S.
  • N. Bömmels (Helvetia Konservenfabrik): Die Konserve als Ernährungsfaktor In: Scheiz. med Wschr. 72, 1942, S. 967–968.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Klockhaus' kaufmännisches Handels- und Gewerbe-Adressbuch des Deutschen Reichs. Klockhaus, 1892, S. 6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. a b W. Christian Schmitt (Hrsg.): Das Beste aus Neumanns Bilderkiste Gesammeltes aus dem WIR-Magazin, Groß-Gerau, 2016, abgerufen am 10. August 2022 (PDF)
  3. Jörg Monzheimer: Arbeiten auf dem Gelände der ehemaligen Groß-Gerauer Zuckerfabrik haben begonnen. In: echo-online.de. 1. Oktober 2017, abgerufen am 10. August 2022.
  4. Adolf Rey: Die Entwicklung der Industrie im Kanton Aargau. E. Keller, 1937, S. 29/31 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. a b HELVETIA Konservenfabrik Groß-Gerau. In: hwph.de. Abgerufen am 9. August 2022.
  6. 100 Jahre Energie für eine starke Region. Festschrift anlässlich 100 Jahre Überlandwerk Groß-Gerau GmbH, abgerufen am 10. August 2022, S. 7 (PDF)
  7. Schweizerisches Finanz-Jahrbuch. Neukomm & Zimmermann, 1923, S. 457 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Walter Kuhl: Gleisanschlüsse in Groß-Gerau Abgerufen am 10. August 2022
  9. Peter Erfurth: Feuersbrunst in Groß-Gerau. In: Kreisblatt vom 24. April 1925
  10. Helvetia Conservenfabrik Groß-Gerau A.-G. In: Frankfurter Zeitung vom 27. April 1923 (Presseartikel 00026)
  11. Helvetia-Konservenfabrik A.-G. In: Frankfurter Zeitung vom 4. April 1922 (Presseartikel 00025)
  12. Helvetia-Konservenfabrik A.-G. In: Deutsche Bergwerks-Zeitung (Essen) vom 7. Juli 1923 (Presseartikel 00028)
  13. Helvetia Conservenfabrik Groß-Gerau A.-G. In: Frankfurter Zeitung vom 18. Oktober 1921 (Presseartikel 00014)
  14. Eugen Schmalenbach: Die Aktiengesellschaft. Springer-Verlag, 2013, ISBN 3-663-20317-4, S. 230 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  15. Kleiner Gewinn nach der vorjährigen Sanierung. In: Frankfurter Zeitung vom 1. Oktober 1932 (Presseartikel 00042)
  16. Helvetia Konservenfabrik Gross-Geraus A.-G. In: Deutsche Allgemeine Zeitung (Berlin) vom 4. September 1926 (Presseartikel 00031)
  17. Arnold Busch: Widerstand im Kreis Gross-Gerau 1933-1945. Kreisausschuss des Kreises Gross-Gerau, Kreisvolkshochschule, 1988, ISBN 3-927013-00-5, S. 105 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  18. Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk: Alles auf Wagnis: der Kaufmann gestern, heute und morgen. R. Wunderlich, 1963, S. 298 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  19. „Die Schlimmste Sache war die Angst, die andauernde Angst“. Die Stadt, 1986, S. 167 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  20. Erich Grafe: Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten und ihre Behandlung. Springer-Verlag, 2013, ISBN 3-642-86638-7, S. 741 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  21. Hans Mattes: Südzucker schließt Werk in Groß-Gerau. In: FAZ.net. 21. März 2007, abgerufen am 9. August 2022.
  22. Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege in Hessen. In: denkmalschutz.de. 25. November 2014, abgerufen am 9. August 2022.

Koordinaten: 49° 55′ 34,5″ N, 8° 28′ 38″ O