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Hill/Huntington-Verfahren

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Das Hill/Huntington-Verfahren (auch: Divisorverfahren mit geometrischer Rundung; in den USA: equal proportions (EP) method) ist eine Methode der proportionalen Repräsentation (Sitzzuteilungsverfahren), wie sie z. B. bei bevölkerungsproportionaler Sitzaufteilung auf regionale Distrikte oder bei stimmenproportionaler Sitzzuteilung an zur Wahl stehende Parteien (siehe Verhältniswahl) benötigt wird.

Der Chef-Statistiker der US-amerikanischen Zensusbehörde Joseph Adna Hill schlug das Verfahren 1911 vor, um die Sitze des Repräsentantenhauses im Verhältnis der Bevölkerungsanteile auf die Bundesstaaten zu verteilen. Edward Vermilye Huntington, Mathematikprofessor und mit Hill seit Studienzeiten bekannt, übernahm die Idee und propagierte sie unter der gewinnenden Bezeichnung equal proportions (EP) method.[1] Jahrzehntelange Debatten im Kongress fanden ihr Ende in einem 1941 verabschiedeten Gesetz, das die Verwendung des Hill/Huntington-Verfahrens für die Aufteilung der 435 Sitze des Repräsentantenhauses seither festschreibt.[2]

Verfahrensbeispiel: US-Repräsentantenhaus nach Volkszählung 2020

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Das Hill/Huntington-Verfahren wird in der nachfolgenden Tabelle beispielhaft vorgeführt. Gemäß der US-Volkszählung 2020 werden die 435 Sitze des Repräsentantenhauses auf die 50 Gliedstaaten verteilt.[3]

Hill/Huntington-Verfahren als Divisorverfahren mit geometrischer Rundung
Bundesstaat Bevölkerung 2020 Quotient Rundungs-
schwelle
Sitze
Kalifornien 39.576.757 51,9 52
Texas 29.183.290 38,2 38
Florida 21.570.527 28,3 28
New York 20.215.751 26,49523 26,49528 26
Pennsylvanien 13.011.844 17,1 17
Illinois 12.822.739 16,8 17
Ohio 11.808.848 15,48 15,49 15
Georgia 10.725.274 14,1 14
Nord-Carolina 10.453.948 13,7 14
Michigan 10.084.442 13,2 13
New Jersey 9.294.493 12,2 12
Virginia 8.654.542 11,3 11
Washington 7.715.946 10,1 10
Arizona 7.158.923 9,38 9,49 9
Massachusetts 7.033.469 9,2 9
Tennessee 6.916.897 9,1 9
Indiana 6.790.280 8,9 9
Maryland 6.185.278 8,1 8
Missouri 6.160.281 8,1 8
Wisconsin 5.897.473 7,7 8
Colorado 5.782.171 7,6 8
Minnesota 5.709.752 7,48333 7,48331 8
Süd-Carolina 5.124.712 6,7 7
Alabama 5.030.053 6,6 7
Louisiana 4.661.468 6,1 6
Kentucky 4.509.342 5,9 6
Oregon 4.241.500 5,6 6
Oklahoma 3.963.516 5,2 5
Connecticut 3.608.298 4,7 5
Utah 3.275.252 4,3 4
Iowa 3.192.406 4,2 4
Nevada 3.108.462 4,1 4
Arkansas 3.013.756 3,9 4
Mississippi 2.963.914 3,9 4
Kansas 2.940.865 3,9 4
New Mexico 2.120.220 2,8 3
Nebraska 1.963.333 2,6 3
Idaho 1.841.377 2,41 2,45 2
West Virginia 1.795.045 2,35 2
Hawaii 1.460.137 1,9 2
New Hampshire 1.379.089 1,8 2
Maine 1.363.582 1,8 2
Rhode Island 1.098.163 1,44 1,41 2
Montana 1.085.407 1,42 1,41 2
Delaware 990.837 1,3 1
Süddakota 887.770 1,2 1
Norddakota 779.702 1,02 1
Alaska 736.081 0,96 1
Vermont 643.503 0,8 1
Wyoming 577.719 0,8 1
Summe (Divisor) 331.108.434 (762.996) 435
Auf je 762.996 Personen entfällt rund ein Sitz.

Zu Beginn wird für jeden Bundesstaat seine Bevölkerungszahl durch ein- und denselben Divisor geteilt (hier: 762.996). Die Zwischenergebnisse (Spalte „Quotient“) bewahren zwar die Proportionalität unter den Bevölkerungsanteilen, werden aber fast nie ganzzahlig sein und können deshalb nicht als Sitzzahlen dienen. Denn für Sitzzahlen ist Ganzahligkeit unabdingbar.

Zum Abschluss des Verfahrens werden daher die Quotienten zu einer Ganzzahl gerundet, entweder zur Ganzzahl unter dem Quotient oder zur Ganzzahl darüber. Darauf verweist der Zusatz „rund“ in der Lösungsformel: Auf je 762.996 Personen entfällt rund ein Sitz.

Als Rundungsregel benutzt das Hill/Huntington-Verfahren die „geometrische Rundung“. Die Bezeichnung verweist darauf, dass die Rundungsschwelle, unterhalb der abgerundet und oberhalb der aufgerundet wird, gegeben wird durch das geometrische Mittel der beiden Ganzzahlen und , die den jeweiligen Quotienten einrahmen:

Das Anfangsintervall [0;1] hat Rundungsschwelle Null, hier fallen Rundungsschwelle und unterer Eckpunkt zusammen.[4] In diesem Intervall liegen alle Quotienten oberhalb ihrer Rundungsschwelle und werden zu Eins aufgerundet (Alaska, Vermont, Wyoming). In der Praxis bedeutet dies, dass mit dem Hill/Huntington-Verfahren jeder Bundesstaat mindestens einen Sitz bekommt; damit wird einer Vorgabe der US-Verfassung Genüge getan.

In allen anderen Intervallen befindet sich die Rundungsschwelle im Inneren: 1,414, 2,449, 3,464 usw. Die Nachkommareste der Rundungsschwellen sind größer als 0,4 und kleiner als 0,5.[5] Dieser Befund hat zwei wichtige Konsequenzen für alle Quotienten jenseits des Anfangsintervalls (d. h. für alle Quotienten größer als Eins).

Erstens wird ein solcher Quotient immer abgerundet, wenn sein Nachkommarest kleiner als 0,4 ist. Denn notgedrungen liegt der Quotient unterhalb seiner zugehörigen Rundungsschwelle. Zweitens wird ein Quotient mit Nachkommarest größer als 0,5 immer aufgerundet, weil er seine Rundungsschwelle garantiert übertrifft. Solche Fälle sind unkritisch, die Zellen in der Tabellenspalte „Rundungsschwelle“ können leer bleiben.

Kritisch sind nur Quotienten mit Nachkommaresten zwischen 0,4 und 0,5. Hier müssen so viele Nachkommastellen sowohl vom Quotienten als auch von der Rundungsschwelle bestimmt werden, bis klar wird, ob der Quotient die Rundungsschwelle unterschreitet oder übertrifft. Manchmal sind zwei Dezimalstellen ausreichend (Ohio, Arizona, Idaho, Rhode Island, Montana), manchmal braucht es mehr (New York, Minnesota).

Allgemeine Verfahrensvorschriften

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Zentral für den Vollzug des Verfahrens ist die Bestimmung eines geeigneten Zuteilungsdivisors. Jeder Divisorwert ist geeignet, für den die gerundeten Quotienten in Summe die gegebene Gesamtzahl der Sitze genau ausschöpfen. Es gibt keine Ein-Zeilen-Formel, die einen passenden Divisor direkt liefern könnte. Stattdessen muss ein Mehr-Schritt-Rechenweg durchlaufen werden.

Als Startdivisor dient der Bevölkerungsdurchschnitt pro Sitz, in obigem Beispiel 331.108.434 / 435 = 761.169. Damit werden allerdings 437 Sitze vergeben, zwei Sitze zu viel. Die Diskrepanz von 437 – 435 = 2 Sitzen wird in zwei Korrekturschritten beseitigt.

Im ersten Korrekturschritt zeigt eine Betrachtung aller zum Startdivisor gehörenden Quotienten, dass der Ohio-Quotient (11.808.848 / 761.169 = 15,51) nur knapp größer ist als die unterhalb liegende Rundungsschwelle (15,49193). Dies ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass der Startdivisor (761.169) kleiner ist als die „Ohio-Vergleichszahl“:[6]

Die Ohio-Vergleichszahl ist die kleinste unter allen Vergleichszahlen, die mit den 50 Bundesstaaten einhergehen. Eine Vergrößerung des Startdivisors (761.169) auf den Wert 762.259 hat zur Folge, dass der zugehörige Ohio-Quotient (15,49191) unter die Ohio-Rundungschwelle (15,49193) gerutscht ist und somit nicht mehr auf 16 aufgerundet, sondern auf 15 abgerundet wird. Dies geschieht bei Ohio, ohne dass bei einem der anderen Staaten der Quotient aus Bevölkerungsgröße und aktuellem Divisor seine zugehörige untere Rundungschwelle unterschreitet und sich dort die Rundung ändert. Mit dem neuen Divisor (762.259) bekommt Ohio einen Sitz weniger und die Gesamtsitzzahl sinkt um einen Sitz auf 436.

Im zweiten Korrekturschritt werden auf ähnliche Weise die Quotienten untersucht, die zum nun aktuellen Divisor 762.259 gehören. Hier erweist sich die New York-Vergleichszahl als ausschlaggebend:

Die New York-Vergleichszahl ist deshalb ausschlaggebend, weil sie unter den Vergleichszahlen aller 50 Bundesstaaten die kleinste ist. Ein Übergang vom momentanen Divisor (762.259) zum neuen Divisor 762.995 hat zur Folge, dass der New York-Quotient (26,49526) nunmehr abgerundet wird und bei den anderen Staaten die Sitzzahl gleich bleibt. Das Ziel von 435 Gesamtsitzen ist erreicht.

Der Rechenweg schließt mit einer Zusatzüberlegung. Die nächste Vergleichszahl, jenseits der die Gesamtsitzzahl auf 434 sinken würde und die deshalb eine obere Schranke für die Divisorauswahl bedeutet, ist die von Minnesota:

Jeder Wert im Bereich von 762.994,4 bis 762.997,7 taugt als Divisor, denn die Gesamtsitzzahl 435 wird jeweils genau ausgeschöpft. Für die Stabilität des rechnerischen Vollzugs empfiehlt sich die Bereichsmitte 762.996. Dies ist der „Zitierdivisor“, den obige Tabelle benutzt.

Vollzug als Höchstzahlenschema. Das Hill/Huntington-Verfahren kann auch als Höchstzahlenschema dargestellt werden. Vorteil eines Schemas ist, dass es sich schematisch abarbeiten lässt. Nachteil ist, dass die schematische Arbeit wenig zum Verständnis des Verfahrens beiträgt.

Das Höchstzahlenverfahren beginnt mit einem Startdivisor, der alle Bevölkerungszahlen übersteigt, im Beispiel etwa mit 40.000.000. Die damit berechneten Quotienten fallen alle in das Anfangsintervall [0;1] und werden zu Eins aufgerundet. Also werden beim Start 50 Sitze verteilt, jeder Bundesstaat bekommt einen Startsitz. Die Diskrepanz von 50 − 435 = −385 Sitzen wird in 385 Korrekturschritten abgearbeitet, indem der Startdivisor Schritt um Schritt verkleinert wird. Bei jedem Schritt überschreitet einer der größer werdenden Quotienten die oberhalb von ihm liegende Rundungsschwelle, weshalb der zugehörige Staat einen Sitz mehr bekommt und zum Abbau der Diskrepanz beiträgt.

Der erste Korrekturschritt schaut auf die Vergleichszahlen, die man erhält, wenn man die Bevölkerungszahlen durch die Rundungsschwelle des Intervalls [1;2] teilt, die über die Vergabe eines zweiten Sitzes entscheidet. Sobald der Divisor unter die höchste dieser Vergleichszahlen fällt (27.984.993), wird der einundfünzigste Sitz vergeben, er geht an Kalifornien.

Im zweiten Korrekturschritt wird für Kalifornien (und zwar nur für Kalifornien) die Vergleichszahl mit der Rundungsschwelle des Intervalls [2;3] aktualisiert, weil Kalifornien nun dem dritten Sitz nahe kommt. Die Vergleichszahlen der anderen Staaten bleiben gleich, denn diese warten auf ihren zweiten Sitz. Sobald der Divisor die höchste der aktualisierten Vergleichszahlen passiert (20.635.702), wird der zweiundfünfzigste Sitz zugeteilt, diesmal an Texas.

Im dritten Korrekturschritt wird für Texas die Vergleichszahl mit der Rundungsschwelle des Intervalls [2;3] aktualisiert, weil der nächste Sitz für Texas der dritte wäre. Die Vergleichszahlen der anderen Staaten bleiben unangetastet. Sobald der Divisor kleiner wird als die höchste dieser Vergleichszahlen (16.157.143), wird der dreiundfünfzigste Sitz vergeben und zwar wieder an Kalifornien.

So geht es weiter, bis im dreihundertfünfundachzigsten Korrekturschritt der letzte, vierhundertfünfunddreißigste Sitz Minnesota zugewiesen wird. Die Arbeit ist erledigt.

Die Gesamtheit der Korrekturschritte lässt sich schematisieren. Von allen sukzessiven Vergleichszahlen werden die 385 höchsten identifiziert, die „Höchstzahlen“. Jeder Bundesstaat bekommt zum Startsitz so viele Sitze hinzu, wie oft er zu den 385 Höchstzahlen beiträgt. Die anhängende Tabelle umfasst einen Ausschnitt dieses Vorgehens.

Hill/Huntington-Verfahren als Höchstzahlenschema
Bundesstaat Kalifornien Texas New York Minnesota
Bevölkerung 2020 39.576.757 29.183.290   20.215.751   5.709.752  
Bev. / 40.000.000 0,99 0,73   0,51   0,14  
Startsitze (insges. 50) 1 1   1   1  
Vergleichszahlen
Bev. / 51 27.984.993 52 20.635.702   55 14.294.695   97 4.037.404  
Bev. / 53 16.157.143 56 11.914.028   64 8.253.046   152 2.330.996  
           
Bev. / 78 5.288.667 99 3.899.781   133 2.701.443   435 762.998  
           
Bev. / 227 1.493.728 306 1.101.452   (436) 762.994   215.501  
           
Bev. / 433 768.517 566.693   392.557   110.874  
Bev. / 753.877 555.897   385.079   108.762  
Spaltenweise Auszählung der Höchstzahlen
Endsitze (insges. 435) 52 38   26   8

Verfahrenseigenschaften

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Grundeigenschaften. Das Hill/Huntington-Verfahren ist ein Divisorverfahren und besitzt als solches sechs elementare und grundlegende Eigenschaften. Das Verfahren ist

  • anonym (die Sitzzahlen sind unbeeinflusst von Reihenfolge oder Benennung der Distrikte),
  • balanciert (die Sitzzahlen gleichstarker Distrikte unterscheiden sich höchstens um Eins),
  • konkordant (die Sitzzahl eines stärkeren Distrikt ist nicht kleiner als die eines schwächeren),
  • homogen (Relativanteile für die Bevölkerungen führen zu denselben Sitzzahlen wie Absolutzahlen),
  • exakt (bei Ganzzahligkeit aller Zwischenergebnisse entfällt der Rundungsschritt) und
  • kohärent (Teilsysteme von Distrikten haben Lösungen, die mit dem Gesamtsystem harmonieren).

Vertretungsgewichte der Sitze. Was das Hill/Huntington-Verfahren auszeichnet, ist sein Optimalitätsverhalten hinsichtlich der Vertretungsgewichte der Mandatsträger. Innerhalb eines Distrikts ist das „Vertretungsgewicht eines Sitzes“ die durchschnittliche Zahl von Bürgern und Bürgerinnen in diesem Distrikt, die von einem der dortigen Abgeordneten repräsentiert werden. Vertretungsgewichte variieren somit von Distrikt zu Distrikt. Im Idealfall sind die Vertretungsgewichte überall gleich, in welchem Fall sie mit dem Vertretungsgewicht im Gesamtgebiet zusammenfallen.

In obigem Beispiel ist das Vertretungsgewicht eines Sitzes in Kalifornien 39.576.757 / 52 = 761.091,48, in Texas 29.183.290 / 38 = 767.981,32, …, in Wyoming 577.719 / 1 = 577.719 und idealerweise im Gesamtgebiet 331.108.434 / 435 = 761.168,81.

Minimierung globaler Ungleichheit. Wegen der unterschiedlichen Bezugsgesamtheiten wird das reale Vertretungsgewicht eines Distrikts wohl immer vom idealen Vertretungsgewicht im Gesamtgebiet abweichen. Eine bewährte Art, solche Abweichungen zu messen, ist das Quadrat der Differenz. Durch Quadrieren wird die Richtung der Abweichung (ob real mehr als ideal oder ob real weniger als ideal) bedeutungslos. Zudem werden größere Abweichungen stärker gewichtet als kleinere. Innerhalb eines Distrikts sammeln sich so viele Abweichungsquadrate an, wie es dort Sitze gibt. Die Summe über alle Distrikte ist ein zahlenmäßiges Kriterium für die Ungleichheit, die einer Sitzzuteilung mit Blick auf die Vertretungsgewichte der Sitze innewohnt.

Sainte-Laguë bewies im Jahr 1910, dass die Sitzzuteilung, die das Hill/Huntington-Verfahren liefert, dieses Ungleichheitsmaß so weit absenkt wie möglich. Stärker noch: nur die Zuteilungen dieses Verfahrens und keine anderen minimieren das Kriterium.[7]

Diese Optimalitätseigenschaft ist bemerkenswert. In obigem Beispiel, in dem 435 Sitze auf 50 Distrikte zu verteilen sind, übersteigt die Anzahl möglicher Sitzzuteilungen das menschliche Vorstellungsvermögen, diese Zahl hat 68 Stellen. Aus diesem Meer von Alternativen fischt das Hill/Huntington-Verfahren genau die eine Sitzzuteilung heraus, die dem Ideal gleicher Vertretungsgewichte so nahe (im gerade präzisierten Sinn) kommt wie irgend möglich.

Paarweise Vergleiche anhand relativer Unterschiede. Ein anderer Ansatz zum Studium von Ungleichheiten betrachtet für Paare von je zwei Distrikten den Unterschied ihrer Kennzahlen.[8] Eine Sitzzuteilung ist „stabil“, wenn für alle Paarungen der Transfer eines Sitzes von dem einen Distrikt zum anderen dazu führt, dass der Unterschied eher größer wird oder günstigstensfalls gleich bleibt. In solchen Fällen sollte ein Sitztransfer tunlichst unterbleiben, weil die neue Situation niemals kleinere Unterschiede mit sich bringt und nicht besser wäre als die alte. Gesucht sind „stabilitätssichernde“ Verfahren, deren Sitzzuteilungen sich immer als stabil erweisen.[9]

Huntington warb dafür, dass der Vergleich zweier Distrikte nicht am (absoluten) Unterschied ihrer Kennzahlen auszurichten sei, sondern am relativen Unterschied.[10] Die Zuteilungsproblematik würde nämlich viele Kennzahlen anbieten; Huntingtons Liste – angeführt vom Vertretungsgewicht der Sitze und dem Erfolgswert der Wählerstimmen – umfasste 32 Varianten. Vom Bezug auf absolute Unterschiede sei abzuraten, weil damit die Vielfalt der Varianten zu einem Wirrwarr von verschiedenen Zuteilungsverfahren führe und zudem für manche Kennzahlen gar kein stabilitätssicherndes Verfahren existiere. Ganz anders sei die Lage, wenn der Vergleich mit relativen Unterschieden durchgeführt werde. Dann sei das Ergebnis konstruktiv und für alle 32 Kennzahlvarianten dasselbe: das eindeutig bestimmte stabilitätssichernde Verfahren ist das Hill/Huntington-Verfahren.[11]

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Siehe die ausführliche Darstellung in Chapter 6 "The Controversy over Bias", insbesondere auch Anmerkung 5 auf Seite 181, in Michel L. Balinski / H. Peyton Young: Fair Representation – Meeting the Ideal of One Man, One Vote. New Haven CT, 1982. Second Edition (mit identischer Seitenzählung): Washington DC, 2001.
  2. Bis 1941 wurde zu diesem Zweck das Webster-Verfahren verwendet. Bis 1900 wurde die Größe des Repräsentantenhauses so festgelegt, dass die Sitzaufteilungen nach Webster-Verfahren und Hamilton-Verfahren identisch waren. Bis 1880 wurde ausschließlich das Hamilton-Verfahren verwendet, bis 1840 das Jefferson-Verfahren.
  3. United States Census Bureau, 26. April 2021: 2020 Census Apportionment Results. Abgerufen am 19. Oktober 2023 (englisch). – Die Spalte "Bevölkerung 2020" enthält die sog. apportionment population. Die Regelung, welche Personengruppen zur apportionment population gezählt werden oder nicht, ist eine diffizile Verfahrensentscheidung, die gelegentlich erst durch Anrufung von Gerichten geklärt wird. Die apportionment population unterscheidet sich geringfügig von den üblichen Einwohnerzahlen.
  4. Denn .
  5. Der Nachkommarest einer Rundungsschwelle ist gegeben durch . Diese Folge beginnt für n=2 mit 0,414, ist streng wachsend und konvergiert gegen 0,5.
  6. Die Ungleichung ist gleichbedeutend mit der Ungleichung
  7. André Sainte-Laguë: La représentation proportionnelle et la méthode des moindres carrés. Annales scientifiques de l'École normale supérieure, Troisième série 27 (1910) 529–542. Siehe auch Chapter 10 „Appraising Electoral Equality: Goodness-of-Fit Criteria“ in Friedrich Pukelsheim: Sitzzuteilungsmethoden – Ein Kompaktkurs über Stimmenverrechnungsverfahren in Verhältniswahlsystemen. Springer-Verlag, Berlin 2015, doi:10.1007/978-3-662-47361-0, ISBN 978-3-662-47361-0 (E-Book), ISBN 978-3-662-47360-3 (Softcover).
  8. Der (absolute) „Unterschied“ der Zahlen a und b ist der Absolutbetrag ihrer Differenz, |a - b|.
  9. Die Analyse paarweiser Vergleiche wurde von Joseph A. Hill initiiert (Method of apportioning representatives, House Reports, 62d Congress, 1st Session, Vol. 1, No. 12 (1911) 43–108), auch von Ladislaus von Bortkiewicz verwendet (Ergebnisse verschiedener Verteilungssysteme bei der Verhältniswahl, Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung 6 (1919) 592–613) und schließlich von Edward V. Huntington perfektioniert (The apportionment of representatives in Congress, Transactions of the American Mathematical Society 30 (1928) 85–110).
  10. Der „relativer Unterschied“ der Zahlen a und b dividiert den Absolutbetrag ihrer Differenz durch die kleinere der beiden Zahlen, |a - b|/min{a, b}.
  11. Thomas L. Bartlow: Mathematics and politics – Edward V. Huntington and apportionment of the United States Congress. Proceedings of the Canadian Society for History and Philosophy of Mathematics 19 (2006) 29–54.