Hugo F. Koenigsgarten

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Hugo Friedrich Koenigsgarten, auch Hugo Frederick Garten, (geboren 13. April 1904 in Brünn; gestorben 23. Juni 1975 in London) war ein britisch-österreichischer Autor, Journalist, Librettist und Dozent.

Familie, Ausbildung und Jahre bis 1938

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Hugo F. Koenigsgarten ist Nachkomme einer wohlhabenden, jüdischen Brünner Familie und war ein Sohn des Unternehmers Fritz Königsgarten (1869–1908), der das von seinem Vater Ignatz (1836–1927) gegründete Metallbearbeitungsunternehmen weiterführte. Dieses Unternehmen war beispielsweise am Bau der Salzkammergutbahn beteiligt.[1]

Hugo hatte einen 1908 geborenen Bruder namens Heinrich, von dem sich später herausstellte, dass dessen biologischer Vater nicht Fritz Königsgarten, sondern dessen Bruder Ernst war. Fritz Königsgarten starb 1908, und seine Witwe Lisi zog 1911 mit ihren Söhnen nach Wien. 1915 heiratete sie den Berliner Börsenmakler Max Bohne (1883–1943) und folgte ihrem Ehemann mit den Kindern nach Berlin. Dort besuchte Hugo Koenigsgarten das Bismarckgymnasium; zu seinen Schulkameraden zählte der spätere Komponist Mark Lothar. Zu seinen Freunden gehörte der ebenfalls in Brünn geborene Schriftsteller Oskar Jellinek, dessen Schwester Helene mit einem Bruder von Fritz verheiratet gewesen war.

1923 nahm Königsgarten ein Studium an den Universitäten Jena, Wien, Berlin und Heidelberg auf, das er 1930 mit der Promotion abschloss. Ab 1928 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin und arbeitete vorrangig für das Theater: So hatte 1928 die Oper Tyll von Mark Lothar in Weimar Premiere, für das Königsgarten – laut Lothar sein „überaus musikalischer und musisischer Freund aus Kindertagen“ – nach dem Roman Tyll Ulenspiegel des belgischen Autors Charles De Coster das Libretto verfasst hatte.[2]

Zwei Jahre später folgt die Uraufführung von Lothars Oper Lord Spleen an der Dresdner Staatsoper mit dem Text von Königsgarten, den dieser auf der Basis des Stückes Epicoene or The Silent Woman des englischen Bühnenautors Ben Jonson (1572–1637) verfasst hatte.[3][4] Er schrieb eine Abhandlung über den Dramatiker Georg Kaiser, mit dem er befreundet war, und von 1930 bis 1933 war er Regieassistent bei Max Reinhardt.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging Königsgarten nach Wien zurück, in der Hoffnung, dort sicher zu sein. Dort schrieb er Texte für das politische Kabarett „Der liebe Augustin“, für die als besonders scharf geltende Kleinkunstbühne ABC und 1937 für Erich Zeisl das Libretto von „Leonce und Lena“.[5]

Leben in London

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Am 13. März 1938, einen Tag nach dem Anschluss Österreichs an das NS-Deutschland, konnte Hugo Koenigsgarten dank seines tschechischen Passes aus Wien nach England fliehen, wo sein Bruder Heinrich schon lebte und für ihn bürgte. Tatsächlich kam die Gestapo zwei Tage nach seiner Flucht in seine Wiener Wohnung, um ihn zu verhaften. Während des Krieges, so berichtete Mark Lothar später, habe ihn der Autor Gerhart Hauptmann nach einer Aufführung im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt „bekümmert“ gefragt: „Haben Sie etwas von unserem Freund Königsgarten gehört?“[6]

In London wurde Koenigsgarten bald Mitglied des österreichischen Exilkabaretts „Laterndl“ und schrieb für die Deutsche Zeitung. Er blieb nach Ende des Zweiten Weltkriegs in England, nahm die britische Staatsbürgerschaft an und änderte seinen Namen in Hugo Frederick Garten. Er arbeitete als Lehrer für Englische Literatur, Geschichte, Deutsch, Französisch und Latein, zuletzt für fast 20 Jahre an der renommierten Westminster School in London. Königsgarten blieb weiterhin auch literarisch tätig: So schrieb er unter anderem für die BBC und The Times Literary. Er promovierte ein zweites Mal, über das deutsche Drama im Zweiten Weltkrieg, eine Arbeit, die in England zum Standardwerk wurde, und schrieb über Gerhart Hauptmann, über Carl Zuckmayer, Max Frisch und über Friedrich Dürrenmatt. Er war Mitglied von PEN International, der englischen Goethe-Society und der Gerhart-Hauptmann-Gesellschaft.[7][8]

In der „Westminster School“ inszenierte Garten jedes Jahr eine Schultheateraufführung, unter anderem Hugo von HofmannsthalsJedermann“. Berühmt waren offenbar seine „Kulturellen Nachmittage“, an denen er seinen Schülern die europäische Theater- und Opernliteratur näherbrachte.[9]

Hugo Frederick Garten starb am 23. Juni 1975 in London. Er hinterließ seine Frau Anne, geborene Leonard Smith, die er 1952 geheiratet hatte. Das Paar hatte keine Kinder.[8]

Sein Nachlass wird im Archiv der University of London aufbewahrt, weitere Dokumente befinden sich in der Österreichischen Nationalbibliothek.[10][11][7][12]

  • Georg Kaiser. G. Kiepenheuer, Potsdam 1928.
  • Mit Elsa Margot Hinzelmann: Wo bist du, Rosinchen? : Ein Weihnachts-Spiel von Pfefferkuchen, Autos u. Indianern. Arcadia, Berlin 1932.
  • Grundvorstellungen der amerikanischen Wirtschafts-Ethik : zur Ideologie der „Prosperity“. Egelsbach, Frankfurt a.M./St. Peter Port 1934. zugleich Wien, Univ., Diss., 1934
  • Mark Lothar (Komponist): Tyll. Eine Ulenspiegel-Oper in 3 Akten, op. 12. Musikverlag Ries & Erler, Berlin.
  • Modern German Drama. Methuen, London 1959.
  • Wagner. Calder, London 1977.
  • Hugo F. Koenigsgarten. In: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit. Abgerufen am 20. September 2024.

Einzelnachweise

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  1. Irena Loskotová: Ignatz Königsgarten Internet-Enzyklopädie zur Geschichte Brünns, 13. Mai 2004.
  2. Göhl/Müller/Palm, Mark Lothar, S. 22.
  3. Göhl/Müller/Palm, Mark Lothar, S. 24.
  4. Claudia Maurer Zenck (Hrsg.): Neue Opern im 'Dritten Reich'. Waxmann Verlag, 2016, ISBN 3830983352 S. 135 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Die deutschsprachige Uraufführung dieser Oper fand 2021 im Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz statt. Zuvor war das Stück nur in einem College in den USA aufgeführt worden: "Leonce und Lena" von Erich Zeisl in Annaberg-Buchholz. In: mdr.de. 22. September 2021, abgerufen am 20. September 2024.
  6. Göhl/Müller/Palm, Mark Lothar, S. 36.
  7. a b Königsgarten, Hugo. In: felix-bloch-erben.de. Abgerufen am 20. September 2024.
  8. a b Garten, Hugo Frederick (1904-1975) - European Jewish Archives Portal. In: yerusha-search.eu. Abgerufen am 20. September 2024 (englisch).
  9. Anneleen Hasselwander: Hugo Königsgarten. In: Leonce und Lena. Grosses Theater. Deutsche Erstaufführung. 2021 (opern.news [PDF]).
  10. Nachlassverzeichnis - H. F. Koenigsgarten. In: data.onb.ac.at. Abgerufen am 20. September 2024.
  11. Garten, Hugo Frederick (1904-1975) German scholar;: University of London Archives. Hugo Frederick Garten papers. In: archives.libraries.london.ac.uk. Abgerufen am 20. September 2024 (englisch).
  12. Hugo Frederick Garten papers - Archives Hub. In: archiveshub.jisc.ac.uk. 13. April 1904, abgerufen am 20. September 2024.