Hyperboloidkonstruktion
Eine Hyperboloidkonstruktion ist ein Fachwerk oder Tragwerk in Form eines Rotationshyperboloids.
Ihre äußere Hülle wird gitterartig aus ein oder zwei Scharen von geraden Elementen gebildet. Trotz der freien Form sind keine gekrümmten Bauteile erforderlich. Selbst hohe Hyperboloidtürme haben minimalen Windwiderstand.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Obwohl die mathematischen Eigenschaften des Hyperboloids seit langem bekannt sind, hat die Form erst in der Moderne Eingang in die Architektur gefunden. Die erste Hyperboloid-Konstruktion entwarf der russische Ingenieur, Wissenschaftler und Architekt Wladimir Schuchow. Es war ein Wasserturm, der für die Allrussische Industrie- und Handwerksausstellung 1896 in Nischni Nowgorod erbaut wurde. Die Konstruktion, in der ein Wasserbehälter mit 9500 Wjodra (über 120.000 Litern) Fassungsvermögen von einer eleganten 26 Meter hohen Konstruktion getragen wurde, erregte seinerzeit großes Aufsehen.[1]
Heute sind die meisten Kühltürme nach diesem Prinzip gebaut; neben dem einfachen Schalungsbau haben sie gute strömungstechnische Eigenschaften (Kamineffekt bei Ausdehnung des abkühlenden Dampfes).
Trotz der unterschiedlichen Herangehensweise wird auch Gaudís Ansatz der Katenoiden-Konstruktion (Kettenlinien), die er für die Sagrada Família gewählt hat, in Zusammenhang mit den rotationshyperbolischen Konstruktionen nach Schuchow gesehen.[2]
Beispiele für hyperbolische Konstruktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Heute existieren in Russland noch sieben der von Schuchow konstruierten Türme, darunter der 160 Meter hohe Schuchow-Radioturm in Moskau. Der 128 Meter hohe Stromleitungsmast am Fluss Oka unweit Nischni Nowgorod ist der einzig erhaltene Freileitungsmast dieser Bauform.
- USS Colorado, USS West Virginia – Beobachtungstürme (1920er Jahre)
- Fernseh- und Aussichtsturm Guangzhou, China
- NIGRES-Stromleitungsmast an der Oka, Russland
- Adschihol-Leuchtturm, Ukraine
- Lörmecke-Turm, Warstein, Deutschland
- Jübergturm, Hemer, Deutschland
- Schlossbergturm, Freiburg, Deutschland
- Mae West (Kunstwerk), München, Deutschland
- Fernsehturm Ještěd, Tschechien
- Wasserturm (Ciechanów), Polen
- TBZ-Turm, Zürich, Schweiz
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Ciechanów Wasserturm, Jan Bogusławski, 1972
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Messe Wien Messeturm
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Oscar Niemeyer: Catedral Metropolitana Nossa Senhora Aparecida, Brasilia, 1970
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Karel Hubáček: Fernsehturm Ještěd, Liberec, 1966–1973
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E. Verner Johnson a. Ass.: James S. McDonnell Planetarium, St. Louis Science Center, 1991
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rainer Graefe[3], M. Gappoev, O. Pertschi (Hrsg., Bearb.): Vladimir Grigor'evič Šuchov 1853–1939 – Die Kunst der sparsamen Konstruktion. Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart, 1990, ISBN 3-421-02984-9 (Mit Beiträgen von Klaus Bach, Jos Tomlow[4], u. a., russisch Moskau 1994)
- Elizabeth Cooper English[5]: “Arkhitektura i mnimosti”: The origins of Soviet avant-garde rationalist architecture in the Russian mystical-philosophical and mathematical intellectual tradition. Dissertation, University of Pennsylvania, 2000. (abstract)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hyperboloid-Turm in Kobe
- Hyperboloid-Turm in Zürich (PDF-Datei)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ I. I. Černikov: Мачты системы Шухова (Mačty sistemy Šuchova). Dt. Übersetzung des maschinenschriftlichen Manuskripts Masten nach Šuchovs System. Übers. Pertschi, 2003 (pdf, elib.uni-stuttgart.de), S. 1
- ↑ J. Tomlow: Die Einführung einer neuen Konstruktionsform durch Suchov und Gaudí. In: Lit. Graefe, Gappoev, Pertschi: Die Kunst der sparsamen Konstruktion. 1990, S. 110–114
- ↑ o.Univ.-Prof. Dr. Rainer Graefe, Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege, Architekturfakultät der Universität Innsbruck, Curriculum Vitae ( vom 21. Februar 2009 im Internet Archive)
- ↑ Jos Tomlow, Hochschule Zittau/Görlitz, Literatur ( des vom 12. April 2009 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Stand Mai 2008
- ↑ Elizabeth Cooper English, spec.lib.vt.edu