Jüdischer Friedhof (Hanau)
Der Jüdische Friedhof in Hanau ist ein historischer, heute nicht mehr genutzter Friedhof in der Stadt Hanau.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Über die Geschichte der mittelalterlichen Jüdischen Gemeinde in der Stadt Hanau ist wenig bekannt. Eine jüdische Gemeinde in Hanau wurde in den Pestpogromen des Jahres 1349 vernichtet. Aber schon 1351 verlieh König Karl IV. an Ulrich III. von Hanau das Judenregal, was nur Sinn ergibt, wenn sich zu diesem Zeitpunkt in der Herrschaft Hanau Juden aufhielten. Im 16. Jahrhundert existierte jedenfalls keine jüdische Gemeinde in Hanau mehr. Wo der mittelalterliche jüdische Friedhof in Hanau genau lag, ist unbekannt. Der Flurname „Alter Judenkirchhof“ lässt die ungefähre Lage einen Kilometer südöstlich des erhaltenen vermuten.
Im Dezember 1603 erließ Graf Philipp Ludwig II. im Rahmen seiner Wirtschaftsförderungspolitik für die Grafschaft Hanau-Münzenberg ein Privileg zur Ansiedlung einer jüdischen Gemeinde in Hanau. Zwischen der Alt- und der Neustadt entstand im Bereich des Zwingers der Altstadtbefestigung die Judengasse (heute: Nordstraße). Die Gemeinde war direkt der gräflichen Verwaltung unterstellt, nicht einer der beiden Stadtverwaltungen von Alt- oder Neustadt Hanau. Diese Gemeinde gründete den heute noch erhaltenen Friedhof. Ein erster schriftlicher Beleg von seiner Existenz stammt aus dem Jahr 1616, der älteste erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahr 1637. 1758 kam es zu erheblichen Zerstörungen durch französische Soldaten, die im Zuge des Siebenjährigen Krieges aus Grabsteinen Schanzen errichteten.
Die letzte Bestattung fand im Sommer 1938 statt. Im Novemberpogrom 1938 wurde die am Mühltorweg gelegene Leichenhalle durch Brandstiftung zerstört. Sonst aber überstand der Friedhof die Zeit des Nationalsozialismus weitgehend unbeschadet.
Anlage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1712 und 1856 wurde der Friedhof erweitert, 1856 auch mit einer massiven Mauer umfriedet. Das Areal ist nahezu rechteckig und liegt heute mitten im bebauten Stadtgebiet. Durch seinen alten Baumbestand bildet er eine grüne Insel im nordöstlichen Teil der Innenstadt. Seit 1940 befindet sich der Friedhof im Besitz der Stadt. Er ist allgemein nicht zugänglich, kann aber im Rahmen gelegentlicher Führungen besichtigt werden.
Bedeutung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erhalten sind heute noch 1261 Grabdenkmäler. Eine Besonderheit des Hanauer Friedhofs sind die älteren Grabsteine mit „Hauszeichen“. Sie zeigen oft als figürliches Relief ein Symbol für das jeweilige Wohnhaus des Bestatteten. Der Friedhof ist ein Kulturdenkmal nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz.[1]
Grabsteine mit Hauszeichen (Auswahl)
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Jehuda Löb Wetzlar (1772), Haus Zum Krebs[2]
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Frumet, Tochter des Jakob Schlomo, Ehefrau des Perle (1705), Haus Zum Karpfen[3]
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Sara Sonneberg, geborene Flörsheimer (1846), Haus Zum Bären[4]
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Jutle, Tochter des Naftali ha-Levi, Ehefrau des Süßle (1730), Haus Zur Waage[5]
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Meir Bacharach (1733), Haus Zum goldenen Schiff[6]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Der Jüdische Friedhof in Hanau [Sammelband] = Hanauer Geschichtsblätter 42. Hanau 2005 u. Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen Wiesbaden 2005, ISBN 978-3-921434-25-3.
- Carolin Krumm: Kulturdenkmäler in Hessen – Stadt Hanau. Herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2006, ISBN 3-8062-2054-9 (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in Hessen), S. 245.
- Eckhard Meise: Hanaus Jüdischer Friedhof. In: Stadtzeit 6. 700 Jahre Stadtrecht, 400 Jahre Judenstättigkeit. Hanau 2003, ISBN 3-9806988-8-2, S. 261f.
- Eckhard Meise: Für jede Gemeinde einen Totenhof. Historische Friedhöfe in Hanau. In: KulturRegion Frankfurt RheinMain gGmbH (Hrsg.): Garten RheinMain. Vom Klostergarten zum Regionalpark. Societäts-Verlag, Frankfurt 2006, ISBN 3-7973-0981-3, S. 180f.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Jüdischer Friedhof In: DenkXweb, Online-Ausgabe von Kulturdenkmäler in Hessen
- Jüdischer Friedhof Hanau bei Alemannia Judaica
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Krumm, S. 245.
- ↑ „Wetzlar, Jehuda Löb (1772) – Hanau“. Jüdische Grabstätten in Hessen (Stand: 19. März 2015). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 3. September 2015.
- ↑ „Frumet, Tochter des Jakob Schlomo, Ehefrau des Perle (1705) – Hanau“. Jüdische Grabstätten in Hessen (Stand: 18. Juni 2015). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 5. Mai 2016.
- ↑ „Sonneberg, Sara, geboren Flörsheimer (1846) – Hanau“. Jüdische Grabstätten in Hessen (Stand: 16. Juni 2016). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 5. Mai 2016.
- ↑ „Jutle, Tochter des Naftali ha-Levi, Ehefrau des Süßle (1730) – Hanau“. Jüdische Grabstätten in Hessen (Stand: 19. März 2015). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 5. Mai 2016.
- ↑ „Bacharach, Meir (1733) – Hanau“. Jüdische Grabstätten in Hessen (Stand: 21. Januar 2016). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 5. Mai 2016.
Koordinaten: 50° 8′ 3,1″ N, 8° 55′ 29,8″ O