Jan Thorn Prikker (Künstler)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Pfarrkirche St. Georg in Köln (1930)

Jan (Johan) Thorn Prikker (* 5. Juni 1868 in Den Haag; † 5. März 1932 in Köln) war ein niederländischer Künstler, der im Jahr 1904 nach Deutschland übersiedelte und dort aus seinen Jugendstil-beeinflussten Anfängen heraus eine eigene monumentale Kunst entwickelte, die sich vor allem in Glasmalereien, Mosaiken und Wandbildern ausdrückte.

Rekonstruierte Wandbemalung in der altkatholischen Friedenskirche in Essen (1916)

Jan Thorn Prikker war vermutlich ein Nachfahre skandinavischer Einwanderer und besuchte von 1883 bis 1887 die Kunstakademie in Den Haag. 1890 wurde er durch Jan Toorop in die belgische Künstlergruppe Les XX eingeführt, 1892 durch Joséphin Péladan in die Rosenkreuzer-Gemeinschaft. Ab 1898 war er künstlerischer Leiter der Kunsthandlung Arts and Crafts in Den Haag, bis er schließlich im Jahr 1904 nach Deutschland übersiedelte.

Durch Vermittlung des damaligen Museumsdirektors Friedrich Deneken kam der niederländische Maler und Gestalter 1904 als Lehrer an die neu gegründete Handwerker- und Kunstgewerbeschule Krefeld (heute: Hochschule Niederrhein), wo Hans Kruzwicki, Helmuth Macke, Heinrich Campendonk, Heinz von der Way[1] und Wilhelm Wieger zu seinen ersten Schülern zählten. Thorn Prikker gehörte zu den charismatischen und vielfältigen Künstlerpersönlichkeiten der Zeit, deren Arbeit sich im Grenzbereich von freier und angewandter Kunst bewegte. So schuf er sowohl Landschaftsbilder und monumentale Wandgemälde als auch Entwürfe für Möbel und Textilien im Stil des Art Nouveau. Mit seinen jungen Studenten unternahm er zahlreiche Ausflüge in die Umgebung von Krefeld, um ihnen dort in der Natur die Prinzipien der Pleinairmalerei zu vermitteln.

1910 verließ Thorn Prikker die Krefelder Kunstgewerbeschule, um sich im westfälischen Hagen aktiv an den künstlerischen Reformbestrebungen der Werkbund-Bewegung um den Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus, den Begründer des Folkwang-Museums, zu beteiligen. Kurz darauf erhielt er zahlreiche Aufträge für Wandgemälde, Mosaike und vor allem Farbverglasungen, unter anderem 1912 für das von Peter Behrens entworfene Gesellenhaus in Neuss. Während seines Aufenthaltes in Hagen arbeitete er von 1913 bis 1916 als Lehrer an der Essener Handwerker- und Kunstgewerbeschule, der späteren Folkwang-Schule Essen.

Verschiedene Studienreisen dieser Schaffensperiode führten ihn nach Italien (1906), Dänemark (1908) und Frankreich (1913).

Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Überlingen (1919/1920) unterrichtete er anschließend für drei Jahre als Lehrer für Glasmalerei beziehungsweise Monumentalkunst an der Königlichen Kunstgewerbeschule München, dann von 1923 bis 1926 an der Kunstakademie Düsseldorf, und von 1926 bis zu seinem Tod als Professor an den Kölner Werkschulen.

Sein Sohn Hein (1911–1998) war in den 1940er- und 1950er-Jahren erfolgreicher Motorradrennfahrer.[2]

Die Braut (1892–1893)

Jan Thorn Prikker war in seiner niederländischen Zeit vor allem beeinflusst von japanischer Holzschnittkunst ebenso wie von Expressionismus und französischem Neoimpressionismus, ließ sich aber in seiner gesamten künstlerischen Entwicklung nie ganz festlegen. Nach ersten pointillistischen Versuchen hatte er sich früh der linearen Spielart des Jugendstils zugewandt.

Er war tief religiös und ein überzeugter Christ, der stark von den religiösen Ideen der Nabis beeinflusst wurde. Ein erster Versuch 1895, ein großes Triptychon Dreifaltigkeit mit mystischer Interpretation zu malen, war noch gescheitert, Thorn Prikker zerstörte das Werk. Später experimentierte er mit Motiven des Mystizismus und des katholischen Ideals und malte mehrere biblische Szenen. Mit seinen Werken gilt er als Erneuerer der religiösen Kunst mit expressionistischen Einflüssen.

Bleibenden Einfluss hat er auf die Entwicklung und Erneuerung der Glasmalerei in Deutschland gehabt. So bezog er zum Beispiel die Bleistege seiner monumentalen Kunstwerke mit in die Gestaltung der Fenster ein und setzte vor allem in dem von ihm leidenschaftlich geliebten Gebiet am Niederrhein bestimmende Impulse. Viele seiner Entwürfe, darunter die besonders bekannten Fenster für die Dreikönigenkirche in Neuss, die 1912 auf der Kölner Sonderbund-Ausstellung gezeigt wurden, wurden in Berlin von dem Unternehmen Vereinigte Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei Puhl & Wagner, Gottfried Heinersdorff ausgeführt. Heinersdorff hatte auf Grund seiner guten Kontakte zum Deutschen Werkbund und zu Osthaus Aufträge unter anderem für den Bahnhof in Hagen vermittelt. Die innere Ausgestaltung der altkatholischen Friedenskirche in Essen (erbaut 1914 bis 1916) war ebenfalls Thorn Prikkers Werk. Das Gotteshaus gilt vielen als wichtigste Jugendstilkirche in Deutschland. 2006 wurde ein Teil der im Krieg zerstörten Wandmalereien rekonstruiert. 1923 beauftragte ihn der Direktor des Kaiser-Wilhelm-Museums Max Creutz mit monumentalen Wandbildern. Prikker hatte den Zyklus Lebensalter in Secco-Technik geschaffen.[3] In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Bilder zum Schutz zugemauert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie zunächst wieder sichtbar gemacht, 1976 abermals hinter einer Schutzwand versteckt und 2015 wieder sichtbar gemacht.[4]

Später ließ Thorn Prikker auch in der Werkstatt von Hein Derix in Kevelaer fertigen, in der sich noch heute der Raum bewundern lässt, in dem Thorn Prikker und Derix sen. diskutiert und auch gefeiert haben.

Jan Thorn Prikker vollzog in den 1920er Jahren einen Stilwandel von einer dem Jugendstil entlehnten Formensprache mit teilweise figurativen Motiven hin zu einer strengeren konstruktiven Bildauffassung mit geometrischen Formen. Diese Entwicklung lässt sich anhand der im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum ausgestellten Fenster gut nachvollziehen. Die Auswahl dort umfasst alle Schaffensphasen seiner letzten beiden Jahrzehnte, von dem frühen „Christuskopf – Ecce Homo“ (1913, ehemals Folkwang-Museum Hagen) bis zu dem in strahlendem Blau leuchtenden „Phos Zoä – Licht und Leben“ (1931/1932). Weitere Werke des Künstlers finden sich im Deutschen Glasmalerei-Museum in Linnich.

Seit dem 13. November 2010 lief eine große Retrospektive im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam mit dem Titel „Mit allen Regeln der Kunst“ und vom 26. März 2011 bis zum 7. August 2011 fand im Museum Kunstpalast in Düsseldorf die erste „große Ausstellung in Deutschland“ statt.

„Der Künstler als Lehrer für Handel und Gewerbe“ (1911)

Nach Thorn Prikker wurden in Köln, Krefeld, Hagen, Rotterdam und Slotervaart Straßen benannt.

In Erinnerung an den lange in Krefeld wirkenden Künstler stiftete die Stadt Krefeld 1949 die Thorn-Prikker-Ehrenplakette für Künstler aus dem niederrheinischen Raum.[12]

  • Christiane Heiser: Thorn Prikker, Johan. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 200 (Digitalisat).
  • Jörg Metzinger: Thorn-Prikker, J(oh)an. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 11, Bautz, Herzberg 1996, ISBN 3-88309-064-6, Sp. 1488–1489.
  • Gerd Presler: Johann Thorn Prikker in der Pfalzgalerie Kaiserslautern. In: WELTKUNST 1982, 1/64f.
  • Helmut Geisert, Elisabeth Moortgat (Red.): Wände aus farbigem Glas. Das Archiv der Vereinigten Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei Puhl & Wagner, Gottfried Heinersdorff. Berlinische Galerie, Berlin 1989, ISBN 3-927873-01-2 (Katalog zur Ausstellung vom 8. Dezember 1989–21. Januar 1990 im Martin-Gropius-Bau Berlin; Gegenwart Museum. Nr. 9).
  • Christiane Heiser-Schmid: Kunst – Religion – Gesellschaft. Das Werk Johan Thorn Prikkers zwischen 1890 und 1912. Vom niederländischen Symbolismus zum Deutschen Werkbund. Dissertation, Rijksuniv. Groningen 2008, ISBN 978-90-367-3586-5.
  • Johan Thorn Prikker: Mit allen Regeln der Kunst. Publikation anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam und Museum Kunstpalast, Düsseldorf 2010, ISBN 978-90-6918-251-3.
  • „mit der Sonne selbst malen“ – Johan Thorn Prikker und der Aufbruch der Moderne in der Glasmalerei, Publikation anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Deutschen Glasmalereimuseum Linnich, Myriam Wierschowski (Hrsg.), Ausst.-kat.: Linnich 2007, ISBN 3-9810046-2-0.
  • Gerda Breuer, Sabine Bartelsheim, Christopher Oestereich (Hrsg.): Lehre und Lehrer an der Folkwang-Schule für Gestaltung in Essen. Von den Anfängen bis 1927. Tübingen/Berlin 2012, ISBN 978-3-8030-3213-3.
  • Mit allen Regeln der Kunst. Johan Thorn Prikker in der Stadthalle Mülheim. Die Glasmosaiken Johan Thorn Prikkers im Foyer der Mülheimer Stadthalle. Eine Neuinterpretation von Dr. Jörg Schmitz. Mülheim 2011.
Commons: Johan Thorn Prikker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Kultur in Krefeld
  2. Michael Schuh: Künstlersohn erklimmt Motorradolymp. derwesten.de, 5. Januar 2011, abgerufen am 28. Juni 2014.
  3. Max Creutz: Die neuen Monumentalbilder Thorn-Prikkers im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum., Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, März 1924, S. 184–189
  4. Sebastian Peters: Krefeld legt Wandgemälde von Johan Thorn Prikker frei., in Rheinische Post vom 23. Februar 2015, abgerufen am 13. Mai 2016
  5. Innendekoration, Heft 11/1913 (Digitalisat)
  6. a b Hans Schliepmann: Die Farbe in der Monumentalkunst. In: Berliner Architekturwelt. Nr. 2/3, Mai 1916, S. 63, 67, 73 (zlb.de).
  7. Innendekoration, Heft 3/1920
  8. Holger Rescher: Backsteinarchitektur der 1920er Jahre in Düsseldorf. Diss., Bonn 2001
  9. Das Thorn Prikker-Zimmer im Kaiser-Wilhelm-Museum: Der vierteilige Wandbildzyklus Lebensalter (Darstellung von Lebensphasen in vier Bildern) des niederländischen Künstlers Johan Thorn Prikker aus dem Jahr 1923 ist hier erstmals nach fast 40 Jahren wieder zu sehen. Die Werke waren seit 1976 hinter einer Schutzwand verborgen. (Memento vom 13. Mai 2016 im Internet Archive)
  10. Auf dem Gelände des Ehrenhofs, an den sich gegenüberliegenden Torportiken von Museum Kunstpalast und NRW-Forum Düsseldorf, schmücken zwei monumentale Mosaike die Wände: „Der Tag“ und „Die Nacht“ 1925 von Johan Thorn Prikker (1868–1932). art-in-duesseldorf.de; abgerufen am 13. Mai 2016
  11. Richard Klaheck: Neue Baukunst in den Rheinlanden. Düsseldorf 1929
  12. Beschreibung der Auszeichnung aus kulturpreise.de (abgerufen am 31. Dezember 2012)