Jean Rudolf von Salis
Jean Rudolf von Salis (* 12. Dezember 1901 in Bern; † 14. Juli 1996 in Brunegg) war ein Schweizer Historiker, Schriftsteller und Publizist.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jean Rudolf von Salis entstammte dem Bündner Uradelsgeschlecht von Salis aus der Linie Soglio. Er war ein Sohn des Berner Arztes Adolf von Salis und der Marie Pauline geb. Hünerwadel (aus einer Lenzburger Patrizierfamilie, die seit 1815 das Schloss Brunegg bei Lenzburg im Aargau besass, welches Jean Rudolf von Salis 1945 erbte). Er wuchs zweisprachig (deutsch/französisch) in Bern auf, geprägt vom Milieu des alten Berner Patriziats.[1] Nach seiner Gymnasialzeit in Bern studierte er Geschichte in Montpellier, Berlin, Bern und Paris. Von 1925 bis 1935 lebte er in Paris und arbeitete unter anderem als Korrespondent für die Schweizer Zeitungen Der Bund und Die Weltwoche. 1935 kehrte er in die Schweiz zurück und trat den Lehrstuhl für Geschichte an der ETH Zürich an, den er in den folgenden 33 Jahren innehatte.
Nach zweijähriger «Abstinenz» vom Journalismus ergriff Salis 1938 wieder in verschiedenen Schweizer Zeitungen das Wort. Als die Schweiz unter einer innen- und aussenpolitischen Zerreissprobe stand, plädierte er für Vernunft, emotionale Distanz, «Stillesitzen» und für die schweizerische Neutralität. Da er sich journalistisch im Sinne der Staatsräson bewiesen hatte, betraute ihn Bundesrat Marcel Pilet-Golaz 1940 mit der heiklen Aufgabe der aussenpolitischen Berichterstattung aus dem Studio Zürich des Landessenders Beromünster.[2]
Von Salis wurde während des Zweiten Weltkrieges mit seiner wöchentlichen Sendung Weltchronik über Radio Beromünster weit über die Schweiz hinaus als einer der ganz wenigen unzensierten deutschsprachigen Kommentatoren des aktuellen Zeitgeschehens bekannt. Seine freitags gesendeten Berichte waren in ruhigem, verständlich erläuterndem, sachlichem Ton verfasst.[3] Trotz der bundesrätlichen Pressezensur[4] gelang es ihm unter dem Motto «Analyse ist die beste Polemik» und «Zensur verfeinert den Stil» mit einer strengen Sachlichkeit und Unparteilichkeit vielen Menschen in Deutschland und den besetzten Gebieten Trost und Hoffnung zu spenden.[5][6][7]
Wegen seiner klaren Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus, in der er allerdings negative Vorkommnisse in Deutschland und den Holocaust nicht thematisieren durfte, forderte die deutsche Regierung den Schweizer Bundesrat mehrmals auf, von Salis zu ersetzen.[8] Sein Wunsch, in die Redaktion der freisinnigen NZZ einzutreten, zerschlug sich und hing mit der zeitweise kritischeren Haltung der NZZ gegenüber dem NS-Regime zusammen.[9]
Von 1952 bis 1964 war er Präsident der Stiftung Pro Helvetia, die 1939 als Organisation zur Förderung der Geistigen Landesverteidigung gegründet wurde.
Er war verheiratet mit Elisabeth Huber und hatte einen Sohn, den Arzt Thomas von Salis. Lange wohnte er auf Schloss Brunegg, das heute sein Sohn bewohnt. Er war – bis zu dessen Tod – ein enger Freund und Vertrauter des Kulturphilosophen Jean Gebser. Sein Cousin war der Komponist, Maler und Publizist Peter Mieg.
Seinen Nachlass vermachte er durch testamentarische Verfügung dem Schweizerischen Literaturarchiv.
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jean Rudolf von Salis erhielt den Literaturpreis der Stadt Bern, den Aargauer Literaturpreis, die Friedrich-von-Schiller-Medaille, den Kulturpreis der Stadt Zürich und denjenigen des Kantons Graubündens, den Preis der Académie française, das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Er war Offizier der Französischen Ehrenlegion, trug das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland und war Ehrendoktor der Universitäten Genf, Wien, Hamburg und Lausanne.
Schriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jean Charles Léonard Simonde de Sismondi: Lettres et documents inédits: suivis d'une liste des sources et d'une bibliographie. Dissertation an der Universität Paris 1932, OCLC 493551115.
- Rainer Maria Rilkes Schweizer Jahre, geschrieben zum 10. Jahrestag seines Todes am 29. Dezember 1936. Huber, Frauenfeld / Leipzig 1936, DNB 362218463.
- Die Einigung Europas: Sammlung von Aussprüchen und Dokumenten zur Versöhnung und Organisation Europas aus eineinhalb Jahrhunderten, ausgewählt und eingeleitet von Elisabeth Rotten, mit einem Geleitwort von J. R. von Salis. Haus der Bücher, Basel 1942, DNB 993166148.
- Weltgeschichte der neuesten Zeit, 3 Bände, Zürich 1951–60; 6 Bändige Neuausgabe: Orell Füssli, Zürich 1980, ISBN 3-280-01154-X.
- Im Laufe der Jahre, Zürich 1962.
- Weltchronik 1939–1945. Radiokommentare während des 2. Weltkrieges, 1964.
- Schwierige Schweiz. Beiträge zu einigen Gegenwartsfragen, Zürich 1968 (Sammlung von Reden und Essays).
- Geschichte und Politik, Zürich 1971.
- Worte über die Schweiz, Schallplatte 33/min, Stereo, 30 cm. Ausschnitte aus Werken von Walter Matthias Diggelmann, Walter Vogt, Erica Pedretti, J. R. von Salis, Ernst Eggimann, Sergius Golowin, Ernst Kappeler, Katharina von Arx, Beat Jäggi, Musik: Six Trutt. Atelier Walter, Derendingen 1975, DNB 100802953X.
- Grenzüberschreitungen. Lebensbericht, 2 Bände, Zürich 1975/78.
- Notizen eines Müssiggängers, Zürich 1983.
- Innen und Aussen. Notizen 1984–1986, Zürich 1987.
- Kriege und Frieden in Europa. Politische Schriften und Reden 1939–1988, Orell Füssli, Zürich / Wiesbaden 1989, ISBN 3-280-01921-4.
- Letzte Aufzeichnungen, Ammann. Zürich 1996, ISBN 3-250-10357-8.
- Jean Gebser: Eine Freundschaft. Der Briefwechsel mit Jean-Rudolf von Salis, Essays und Vorlesungen, Zürich 2022. ISBN 978-3-0340-1687-2
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Thomas von Salis: Von berühmten Menschen umgeben – Jean Rudolf von Salis und seine Gäste auf Brunegg. Kranich-Verlag, Zollikon-Zürich 2019.
- Urs Bitterli, Irene Riesen (Hrsg.): Jean Rudolf von Salis – Ausgewählte Briefe 1930–1993. Buchverlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2011, ISBN 978-3-03823-669-6.
- Urs Bitterli: Jean Rudolf von Salis – Historiker in bewegter Zeit. Buchverlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2009, ISBN 978-3-03823-477-7.
- Franz Menges: Salis, Jean Rudolf von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 376 f. (Digitalisat).
- „Dem Leben recht geben“. Jean Rudolf von Salis im Gespräch mit Klara Obermüller (= Pendo Pocket, Band 27). Pendo, Zürich 1999, ISBN 3-85842-527-3 (erschien zuvor in Weltwoche, Zürich 1993, ISBN 3-85504-146-6).
- du, Die Zeitschrift der Kultur: Jean-Rudolf von Salis. Ein Zeitalter wird besichtigt. Heft Nr. 577, du Verlag, TA Media, Zürich, März 1989, ISSN 0012-6837 (112 Seiten).
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Publikationen von und über Jean Rudolf von Salis im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Nachlass Jean Rudolf von Salis in der Datenbank HelveticArchives bzw. als Online-Inventar (EAD) des Schweizerischen Literaturarchivs
- Jean Rudolf von Salis in der Archivdatenbank des Schweizerischen Bundesarchivs
- Literatur von und über Jean Rudolf von Salis im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Sibylle Birrer: Jean Rudolf von Salis (Soglio). In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Die «Weltchronik» – ein Hoffnungszeichen während des Weltkriegs In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 21. September 2019 (Audio)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Thomas von Salis, Brunegg: mitten in Europa
- ↑ NZZ vom 8. Dezember 2001: Die «Stimme der Nation» und ihr Nachklang
- ↑ Kommentar zur Landung der Alliierten in der Normandie Audio-Clip aus dem Archiv von Radio DRS.
- ↑ Im Gegensatz zur Nachzensur bei der Presse unterlag er der strengeren Vorzensur
- ↑ Wendelgard von Staden: Nacht über dem Tal. Eine Jugend in Deutschland. Einführung von Marion Gräfin Dönhoff, 2. Auflage, dtv, München 1996, S. 45, ISBN 3-423-25114-X.
- ↑ Der Weltchronist Artikel aus der Coopzeitung
- ↑ Geschichte Schweiz: Die Weltchronik von Professor J. R. von Salis im Zweiten Weltkrieg
- ↑ Siehe Tages-Anzeiger, 21. Juli 2011 [1].
- ↑ NZZ vom 31. Dezember 2004: Gegen den braunen Totalitarismus
Personendaten | |
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NAME | Salis, Jean Rudolf von |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Historiker, Schriftsteller und Publizist |
GEBURTSDATUM | 12. Dezember 1901 |
GEBURTSORT | Bern |
STERBEDATUM | 14. Juli 1996 |
STERBEORT | Brunegg |
- Autor
- Familienmitglied des Adelsgeschlechts Salis
- Landeshistoriker (Schweiz)
- Historiker
- Hochschullehrer (ETH Zürich)
- Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern
- Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich
- Mitglied der Ehrenlegion (Offizier)
- Ehrendoktor der Universität Wien
- Literatur (Deutsch)
- Literatur (Schweiz)
- Schweizer
- Geboren 1901
- Gestorben 1996
- Mann