Johann Stieglitz

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„Obermedicinalrath und Leibmedicus“: Johann Stieglitz nebst Unterschrift;
Lithographie von Julius Giere, um 1840

Johann Stieglitz (auch: Johannes Stieglitz, * als Israel Stieglitz am 10. März[1] 1767 in Arolsen; † 30. Oktober[2] 1840 in Hannover) war ein deutscher Arzt und Autor, der ab 1789 in Hannover wirkte.[3]

Israel Stieglitz wurde als Sohn des Schutzjuden und Fürstlich-Waldeckschen Kammeragenten Lazarus Stieglitz und dessen Ehefrau Friederike Luise, geb. Marc geboren[4] und war der Bruder des späteren Bankiers Ludwig Stieglitz. Der Dichter Heinrich Wilhelm Stieglitz war sein Neffe zweiten Grades.

Israel Stieglitz besuchte das Gymnasium in Gotha, studierte anfangs Philosophie in Berlin und ab November 1786 Medizin in Göttingen.[3]

Seit seiner Studienzeit in Göttingen war er mit Wilhelm von Humboldt befreundet, dem er beim Baden sogar das Leben rettete: „Er (Humboldt) badete mit seinem Freunde Stieglitz, dem nachherigen hannöverschen Leibarzt, bei Göttingen abends in der Leine und geriet in einen Strudel, der ihn fortriß; nach vergeblichem Ringen hielt er sich für verloren und rief dem Freunde zu: ‚Stieglitz, ich ertrinke, aber es tut nichts!‘ Doch dieser sprang ihm nach und rettete ihn.“ ([5])

Stieglitz wurde 1789 in Göttingen promoviert und ließ sich anschließend als Arzt in Hannover nieder. 1792 heiratete er Jente (Sophie Jeanette) Ephraim (1764–1843),[6] Tochter des Berliner Unternehmers Benjamin Veitel Ephraim und seiner Frau Gutche, geb. Philipp (1743–1812).[7] Im Jahre 1800 konvertierte das Ehepaar mit den beiden Söhnen vom Judentum zum Christentum. Sie ließen sich in der evangelisch-lutherischen Michaeliskirche in Ronnenberg durch den Ronnenberger Superintendenten Johann Konrad Achaz Holscher, zu dessen Sprengel die selbständige Neustadt vor Hannover gehörte, taufen.[8] Taufzeuge war u. a. der Konsistorialrat Johann Christoph Salfeld, Abt des Klosters Loccum. Israel Stieglitz hieß seitdem Johannes Stieglitz,[3] seine Frau erhielt die Namen Jeanette Sophie, seine Söhne hießen Carl Ludwig und Wilhelm Adolph.[8] 1802 wurde der Christ Johann Stieglitz zum Hofmedikus ernannt, 1806 zum ersten Leibmedikus, 1820 Hofrat und schließlich 1832 Obermedizinalrat und Direktor des Obermedizinalkollegiums in Hannover,[3] und somit „erstes und vorsitzendes Mitglied aller in Hannover errichteten ärztlichen Collegien für Civil und Militär“.[9] Diese bürgerliche Karriere wäre ihm ohne christliche Taufe nicht möglich gewesen.

Bereits 1805 war Stieglitz mit dem Beinamen Philumenus IV. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina (Matrikel-Nr. 1031) und in die Göttinger Akademie der Wissenschaften[10] aufgenommen worden.

Stieglitz veröffentlichte längere Zeit „ausführliche Beurtheilungen wichtiger medicinischer Erscheinungen“ und bekämpfte erfolgreich Irrlehren der Medizin wie das Brown’sche System und den Mesmerismus,[9] etwa bei der Behandlung des Scharlachfiebers,[11] wodurch sein Name weit über die Grenzen des Königreichs Hannover bekannt wurde.[3]

Grabmal auf dem Neustädter Friedhof

Johann Stieglitz’ denkmalgeschütztes Grabmal auf dem Neustädter Friedhof[12], für das der Hofbaumeister Georg Ludwig Friedrich Laves nachweislich einen Entwurf lieferte,[13] trägt die Inschrift:

„Zu helfen der leidenden Menschheit, zu streben nach Wahrheit, zu beglücken die Seinen,
war bis zum letzten Athemzuge seines schönen Lebens heiliger Zweck.“[14]

Vom Ärzteverein Hannover gestiftete, vom Medailleur Franz Brandt auf den 25. April 1839 datierte Bronzemedaille mit dem Porträt von Stieglitz nach links;
Science Museum, London
  • Dissertatio inavgvralis De morbis venereis larvatis, Dissertation, Göttingen 1789
  • Ueber das Zusammenseyn der Aerzte am Krankenbett, und über ihre Verhältnisse unter sich überhaupt, Hahn, Hannover 1798
  • Versuch einer Prüfung und Verbesserung der jetzt gewöhnlichen Behandlungsart des Scharlachfiebers, Hahn, Hannover 1807
  • Ueber den thierischen Magnetismus, Hahn, Hannover 1814
  • Pathologische Untersuchungen, 2 Bände, Hahn, Hannover 1832
  • Über die Homöopathie, Hahn, Hannover 1835
  • Walther Killy, Rudolf Vierhaus: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 9, S. 527
  • Hermann Frölich: Stieglitz, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 180.
  • Peter Hertel und Christiane Buddenberg-Hertel: Die Juden von Ronnenberg – Eine Stadt bekennt sich zu ihrer Vergangenheit. Hrsg.: Region Hannover. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2016, ISBN 978-3-7752-4903-4.
  • Systematisches Verzeichniß der Bücher-Sammlung des verstorbenen Königlich Hannoverschen Herrn Ober-Medicinal-Raths und Leibarztes Dr. J. Stieglitz, besonders aus dem Gebiete der Medicin, Chirurgie und Natur-Wissenschaften. Auktionskatalog. Hannover 1841.
  • Karl Friedrich Heinrich Marx: Zum Andenken an Dr. Johann Stieglitz. Königl. Hannoverschen Obermedicinalrath und Leibarzt. Mit einem Facsimile seiner Handschrift. Göttingen: Dieterich 1846.
  • Waldemar R. Röhrbein: Jüdische Persönlichkeiten in Hannovers Geschichte, 1998, S. 14f.
  • Dirk Böttcher: Stieglitz, Johannes (Israel), in: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 351.
  • Dirk Böttcher: Stieglitz, Johannes (Israel). In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 605.
  • Wilhelm Rothert (Hrsg.): Allgemeine Hannoversche Biographie, Bd. 2, Sponholtz Verlag, Hannover 1914, S. 584
  • Olga Stieglitz: Die Ephraim. Ein Beitrag zu Geschichte und Genealogie der preußischen Münzpächter, Großunternehmer und Bankiers und ihre Verbindungen zu den Itzig und anderen Familien. Unter Mitarb. von Daniela Musser. Neustadt an der Aisch: Degener 2001 (Deutsches Familienarchiv. 131/132), ISBN 3-7686-5179-7 (darin besonders: S. 145–163: Die Töchter des Benjamin Veitel Ephraim mit besonderer Berücksichtigung Jeannettes, verh. Stieglitz, ihres Mannes und ihrer Nachkommen: S. 148–152: Jente = Jeannette (nach der Taufe Sophie Jeannette); S. 152–157: Dr. Johann Stieglitz, Ehemann von Jeannette, geb. Ephraim).
Commons: Johann Stieglitz – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Bei dem von Olga Stieglitz 2001, S. 152, angeführten Geburtsdatum (31. März) handelt es sich um einen Druckfehler. Das korrekte Geburtsdatum ist im Genealogischen Teil ihres Werks, Deszendentenübersicht, S. 354 erwähnt und entspricht damit der Angabe bei Böttcher: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 351 (auch in: Stadtlexikon Hannover, S. 605, und Marx: Zum Andenken an Dr. Johann Stieglitz, S. 3).
  2. Das Todesdatum, das auf Stieglitz’ Grabstein 31. Oktober lautet, widerspricht dem Eintrag im Sterbebuch der Schloßkirche Hannover (zitiert bei Olga Stieglitz 2001, S. 156).
  3. a b c d e Dirk Böttcher: Stieglitz, Johannes (Israel). In: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 351
  4. Olga Stieglitz: Die Ephraim. Ein Beitrag zu Geschichte und Genealogie der preußischen Münzpächter, Großunternehmer und Bankiers und ihre Verbindungen zu den Itzig und anderen Familien. Unter Mitarb. von Daniela Musser. Neustadt an der Aisch: Degener 2001, S. 152. Die Angabe bei Böttcher: HBL, ist unrichtig.
  5. Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen. Bd. 1: Briefe aus der Brautzeit 1787–1791. Nachdruck der Ausgabe 1907–1918. Osnabrück: Zeller 1968, S. 83, Fußnote (überliefert von Varnhagen).
  6. Hannah Lotte Lund: Der Berliner „jüdische Salon“ um 1800. Emanzipation in der Debatte. Berlin: de Gruyter 2012 (Europäisch-jüdische Studien. Beiträge 1), S. 551. Jente Ephraim war eine Jugendliebe von Carl Friedrich Zelter, der sie 1823 in Hannover besuchte. Über diesen Besuch berichtete er Goethe in einem Brief vom 11. Oktober 1823. Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Bd. 20: Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1799 bis 1832. Bd. 1: Text 1799–1827. Hrsg. von Hans-Günter Ottenberg und Edith Zehm. München 1991, S. 753.
  7. Liliane Weissberg (Hrsg.): Benjamin Veitel Ephraim – Kaufmann, Schriftsteller, Geheimagent. Gesammelte Schriften. de Gruyter, Berlin 2021 (Frühe Neuzeit; 242), ISBN 978-3-11-073979-4, S. 433.
  8. a b Peter Hertel und Christiane Buddenberg-Hertel: Die Juden von Ronnenberg - Eine Stadt bekennt sich zu ihrer Vergangenheit. Hrsg.: Region Hannover. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2016, ISBN 978-3-7752-4903-4, S. 25.
  9. a b Hermann Frölich: Stieglitz, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 36 (1893), S. 180
  10. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 234.
  11. Johann Stieglitz: Versuch einer Prüfung und Verbesserung der jetzt gewöhnlichen Behandlungsart des Scharlachfiebers, 1807
  12. Gerd Weiß, Marianne Zehnpfennig: Die nördliche Vorstadt-Bebauung. In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 1, Bd. 10.1, hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt - Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig/Wiesbaden 1983, ISBN 3-528-06203-7, S. 80; sowie Brühlstraße. In: Mitte, Anlage zu Bd. 10.2: Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege) / Stand: 1. Juli 1985 / Stadt Hannover, S. 3.
  13. Henrike Schwarz u. a.: Der St. Nikolai-Friedhof und der Neustädter Friedhof, hrsg. von der Landeshauptstadt Hannover, Fachbereich Umwelt und Stadtgrün, Hannover 2003, S. 33, Broschüre zum Friedhof (pdf; 2,4 MB) (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  14. Dirk Böttcher: Stieglitz .... In: Stadtlexikon Hannover, S. 605