J. M. Coetzee

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J. M. Coetzee (2006)

John Maxwell Coetzee [kʊtˈsiː, kʊtˈsiə][1] (* 9. Februar 1940 in Kapstadt als John Michael Coetzee[2]) ist ein südafrikanischer Schriftsteller; seit 2006 ist er australischer Staatsbürger.[3] Er wurde als erster Autor zweimal mit dem Booker Prize ausgezeichnet und erhielt im Jahr 2003 den Literaturnobelpreis.

Leben und Werdegang

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Coetzee hat väterlicherseits niederländische Wurzeln, wuchs jedoch in einer englischsprachigen Familie auf. Seit seiner Kindheit war er auch mit der südafrikanischen Sprache Afrikaans vertraut.[4] Seine Mutter Vera Coetzee, geborene Wehmeyer, hatte deutsche und polnische Vorfahren und war Grundschullehrerin; sein Vater Zacharias, ein Jurist, hat während des Zweiten Weltkriegs auf Seiten der Alliierten in Nordafrika gekämpft. 1943 wurde J. M. Coetzees Bruder David geboren. Bis 1948 war der Vater als Rechtsanwalt bei der Stadtverwaltung in Kapstadt angestellt, verlor jedoch dann diesen Posten aufgrund seiner apartheidkritischen Haltung, woraufhin die Familie für drei Jahre auf einer Farm in Worcester lebte.[5]

J. M. Coetzee studierte an der Universität Kapstadt Englisch (BA Honours 1960) und absolvierte parallel dazu ein zweites Hauptstudium in Mathematik (BA Honours 1961).[6] Danach war er in England zunächst für IBM und dann für International Computers Limited in Bracknell, Berkshire, als Programmierer tätig, eine Zeit, die er im zweiten Band seiner romanhaften Memoiren (Youth. Scenes from Provincial Life II, 2002) schildert. Mit einer Arbeit über Ford Madox Ford erwarb er 1963 den M.A.-Grad in Englisch der Universität Kapstadt. Im gleichen Jahr heiratete er Philippa Jubber (1939–1991), mit der er zwei Kinder hatte, Nicolas (1966–1989) und Gisela (* 1968). Die Ehe wurde 1980 geschieden.

1965 nahm Coetzee im Rahmen des Fulbright-Programms Doktoratsstudien in Englisch und Linguistik an der University of Texas at Austin auf, wo er 1969 aufgrund einer Computeranalyse des Stils der frühen Prosa Samuel Becketts zum PhD promoviert wurde. Daran schloss sich eine Lehrtätigkeit an der State University of New York at Buffalo an. 1972 wurde sein Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in den Vereinigten Staaten abgelehnt, nachdem er sich im März 1970 an Protesten gegen den Vietnamkrieg beteiligt hatte[7] und nach der Besetzung eines Hörsaals seiner Universität in Buffalo mit 44 anderen Angehörigen des Lehrkörpers wegen „krimineller Besitzstörung“ verhaftet worden war.[8] Daraufhin kehrte die Familie nach Südafrika zurück, wo Coetzee einen Lehrauftrag für Englisch, Linguistik und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Kapstadt erhielt. 1984 wurde er dort zum Professor berufen. Daneben lehrte er wiederholt in den USA: an der State University of New York, der Harvard University, der Johns Hopkins University in Baltimore, der Stanford University und an der University of Chicago. Neben seiner Lehr- und Schriftstellertätigkeit arbeitete er auch als Übersetzer von Romanen und Lyrik aus dem Niederländischen und Afrikaans. Mit seiner Lebensgefährtin Dorothy Driver, die er 1980 kennengelernt hatte, lebt er seit 2002 in Adelaide in Australien;[9] beide haben Professuren an der University of Adelaide.[10] Am 6. März 2006 wurde Coetzee australischer Staatsbürger.

1974 veröffentlichte J. M. Coetzee sein erstes literarisches Werk, Dusklands, bestehend aus The Vietnam Project und The Narrative of Jacobus Coetzee. Die Zusammenstellung der beiden an sich unabhängig erzählten Teile verweist auf Parallelen zwischen den US-Amerikanern in Vietnam heute und der niederländischen Besiedlung Südafrikas im 18. Jahrhundert. Coetzees Werke nehmen oft sehr deutlich Bezug auf die sozialen und politischen Missstände und Probleme seines Landes und stellen die Menschlichkeit auf einem hohen ästhetischen Niveau in den Mittelpunkt. Einzelschicksale werden allegorisch für alle Menschen dargestellt.

Coetzee ist Vegetarier[11] und Schirmherr der australischen Tierrechtsorganisation Voiceless.[12] Explizit wird die Tierrechtsthematik in den Romanen Elizabeth Costello und Schande behandelt.

Am bekanntesten ist Coetzee für seine Romane (die nie umfangreich sind), er arbeitet jedoch auch in anderen Genres. So veröffentlichte er zahlreiche Essays, die sich häufig mit literaturtheoretischen Fragen beschäftigen. Teilweise vermischt er die Genres Essay und Roman. So ist Elizabeth Costello eine Aneinanderreihung von Vorlesungen einer fiktiven australischen Schriftstellerin, die nur durch einen losen Handlungsfaden zusammengehalten werden; in seinem Buch Tagebuch eines schlimmen Jahres hingegen werden Essays und eine fiktive Romanhandlung gleichzeitig auf derselben Seite wiedergegeben. Fragestellungen, mit denen Coetzee sich in seinen Essays beschäftigt, tauchen häufig in seinen Romanen wieder auf.

Einige Werke von Coetzee tragen autobiografische Züge, sind aber meist so stark fiktionalisiert, dass eine klare Trennung in „wahre“ Begebenheiten und Fiktion nicht möglich ist; Boyhood und Youth etwa sind jedoch offen autobiografische Werke.[13] Auch Coetzee selbst tritt in diesen Texten stets als Kunstfigur auf. Außerhalb seiner Literatur ist er mit Äußerungen zu seiner Person und seinen eigenen Werken sparsam, lediglich in dem von David Attwell herausgegebenen Band Doubling the Point äußerte er sich ausführlicher. Coetzee vertritt jedoch die Meinung, dass jede Literatur per se autobiografische und politische Aspekte hat.[14]

1977, 1980 und 1984 erhielt Coetzee jeweils den Central News Agency Literary Award, den höchsten südafrikanischen Literaturpreis, für die Romane Im Herzen des Landes, Warten auf die Barbaren und Leben und Zeit des Michael K. 1983 wurde er für Leben und Zeit des Michael K. mit dem Booker Prize, 1987 mit dem Jerusalempreis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft und 1999 für Schande erneut mit dem Booker Prize ausgezeichnet. Er wurde des Weiteren mit dem Lannan Literary Award for Fiction, The Irish Times International Fiction Prize und dem Commonwealth Literary Award ausgezeichnet und zum Chevalier dans l’Ordre des Arts et des Lettres ernannt. 1991 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen. 2003 erhielt Coetzee den Nobelpreis für Literatur als ein Autor, „who in innumerable guises portrays the surprising involvement of the outsider“ („der in zahlreichen Gestaltungen das erstaunliche Wirken von Außenseitern darstellt“).[15] 2005 erhielt er den südafrikanischen Order of Mapungubwe in Gold für „exceptional contribution in the field of literature and for putting South Africa on the world stage“ (etwa: „für seinen außergewöhnlichen Beitrag auf dem Gebiet der Literatur und dafür, Südafrika auf die Weltbühne zu bringen“).[16] 2006 wurde er zum Mitglied der American Philosophical Society[17] und zum auswärtigen Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters[18] gewählt.

Coetzee hält Ehrendoktorwürden der University of Strathclyde (1985),[19] der University of Natal (1996),[20] der Rhodes University (1999),[21] der University of Oxford (2002),[22] der La Trobe University (2004),[23] der University of Adelaide (2005),[24] der University of Technology, Sydney (2008),[25] der American University of Paris (2010),[26] der Adam-Mickiewicz-Universität Posen (2012)[27] der University of the Witwatersrand (2012)[28] der School of Oriental and African Studies in London (2015)[29] und der Universidad Iberoamericana (2016).[30]

Schon mit seiner ersten Veröffentlichung Dusklands im Jahr 1974 gelang Coetzee der internationale Durchbruch. Seitdem sind alle seine Bücher Gegenstand zahlloser Rezensionen, Interpretationen und literaturwissenschaftlicher Arbeiten und erreichen hohe Verkaufszahlen. Auf internationaler Ebene war Coetzee niemals ein besonders kontroverser Schriftsteller, in seiner Heimat Südafrika stieß er hingegen teilweise auf Ablehnung. Seine Literatur wurde dort während der Apartheid als elitär angesehen und mit dem Vorwurf der politischen Konturlosigkeit konfrontiert. Im Ausland wurde er hingegen eher als oppositioneller Autor wahrgenommen. Teilweise wurde auch hinter der Vergabe des Nobelpreises an Coetzee im Jahr 2003 eine politische Motivation vermutet.[31][32]

Romane und Erzählungen

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Sachbücher, Essays und Briefe

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  • 1988: White Writing. On the Culture of Letters in South Africa
  • 1992: Doubling the Point. Essays and Interviews
  • 1996: Giving Offense. Essays on Censorship
  • 1997: What is Realism?
  • 2001: The Humanities in Africa (Vortrag, gehalten in der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung am 15. März 2001)
    • Die Geisteswissenschaften in Afrika, Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung, München 2001.
  • 2001: Stranger Shores. Essays 1986–1999
  • 2007: Inner Workings. Essays 2000–2005
  • Was ist ein Klassiker? Essays, dt. von Reinhild Böhnke, S. Fischer, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-10-010818-3 (enthält verschiedene zwischen 1981 und 2001 entstandene literarische Essays).
  • 2013: Here and Now. Letters 2008 – 2011, zusammen mit Paul Auster, Viking Penguin Group, New York; Faber&Faber sowie Harvill Decker, London, ISBN 978-0-571-29927-0.
Commons: J. M. Coetzee – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Catherine Sangster: How to Say: JM Coetzee and other Booker authors. BBC News, 14. September 2009, abgerufen am 16. Juli 2014 (englisch).
    „The first syllable is pronounced kuut (uu as in book); debate rages about the pronunciation of the "ee" at the end. Many South Africans, whether Afrikaans speakers or not, pronounce this as a diphthong EE-uh, as in the word "idea".
    Indeed, kuut-SEE-uh was the Unit's original recommendation in the early 1980s, based on the advice of the South African Broadcasting Corporation and his London publisher, Secker and Warburg. However, that vowel can also be pronounced as a monophthong (kuut-SEE), especially by those from the south of the country, and this is the pronunciation that the author uses and prefers the BBC to use too.“
  2. Coetzee änderte seinen zweiten Namen von Michael zu Maxwell, bevor er sich schließlich entschied, nur noch unter seinen Initialen aufzutreten; Rory Carroll: Nobel prize for JM Coetzee - secretive author who made the outsider his art form, Guardian am 3. Oktober 2003, gesehen am 1. Dezember 2017
  3. J. M. Coetzee becomes an Australian citizen. (Memento vom 5. Februar 2009 im Internet Archive) Mail & Guardian (englisch)
  4. Ulrich Horstmann: J. M. Coetzee. Peter Lang, Frankfurt am Main 2005, S. 20.
  5. Manfred Loimeier: J. M. Coetzee. edition text + kritik, München 2008, S. 46.
  6. The Nobel Prize in Literature 2003
  7. Manfred Loimeier: J. M. Coetzee. edition text + kritik, München 2008, S. 48.
  8. A rare interview with literary giant J. M. Coetzee. Buffalo News vom 13. Oktober 2002.
  9. John Coetzee (Memento vom 30. Juni 2017 im Internet Archive) bei whoswho.co.za (englisch; Archivversion)
  10. John Coetzee und Dorothy Driver bei adelaide.edu.au (englisch), abgerufen am 23. Juli 2017
  11. James Meek: All about John. In: The Guardian. 5. September 2009, abgerufen am 28. April 2022.
  12. http://www.oya-online.de/article/read/955-ich_fuehle_also_bin_ich.html
  13. Fokke Joel: Der Junge, deutschlandfunk.de, 27. August 1998, abgerufen am 11. Juli 2024.
  14. Manfred Loimeier: J. M. Coetzee. edition text + kritik, München 2008, S. 8ff.
  15. „… der in zahlreichen Verkleidungen die überrumpelnde Teilhabe des Außenseitertums darstellt“ lt. offizieller Übersetzung; Der Ständige Sekretär der Schwedischen Akademie, Der Nobelpreis in Literatur des Jahres 2003. John Maxwell Coetzee, nobelprize.org, Pressemitteilung, 2. Oktober 2003.
  16. National orders bei brandsouthafrica.com (englisch), abgerufen am 23. Juli 2017
  17. Member History: J. M. Coetzee. American Philosophical Society, abgerufen am 23. Juni 2018 (englisch).
  18. Honorary Members: J. M. Coetzee. American Academy of Arts and Letters, abgerufen am 8. März 2019.
  19. Coetzee, J(ohn) M(axwell). In: Douglas Killam und Alicia L. Kerfoot: Student Encyclopedia of African Literature. Greenwood, Westport, CT 2007, S. 92–93, ISBN 0-313-33580-X.
  20. John M. Coetzee. University of Texas at Austin, archiviert vom Original am 24. April 2016;.
  21. SA writer honoured by Rhodes (Memento des Originals vom 24. August 1999 im Internet Archive) In: Daily Dispatch, 12. April 1999. Abgerufen im 2. August 2009 
  22. Oxford honours arts figures, BBC News, 21. Juni 2002. Abgerufen im 23. Juli 2017 
  23. Honorary degrees. La Trobe University, archiviert vom Original am 15. September 2009; abgerufen am 2. August 2009.
  24. JM Coetzee receives honorary doctorate, University of Adelaide, 20. Dezember 2005. Abgerufen im 2. August 2009 
  25. New honour for Nobel laureate, University of Technology, Sydney, 1. Oktober 2008. Abgerufen im 23. Juli 2017 
  26. Commencement 2010 (Memento des Originals vom 16. Januar 2013 im Internet Archive) In: AUP Magazine, American University of Paris, 15. Oktober 2010. Abgerufen im 17. November 2012 
  27. The ceremony of awarding the title of doctor honoris causa to professor J.M. Coetzee, Adam Mickiewicz University in Poznań, 13. Juli 2012. Abgerufen im 12. Januar 2014 
  28. Katharada and Coetzee honoured. wits.ac.za vom 1. Dezember 2012 (englisch), abgerufen am 23. Juli 2017
  29. Professor J.M. (John) Coetzee. soas.ac.uk (englisch), abgerufen am 23. Juli 2017
  30. La Ibero otorga el honoris causa a Coetzee In: El Economista, 6. April 2016. Abgerufen im 23. Juli 2017 
  31. Ulrich Horstmann: J. M. Coetzee. Peter Lang, Frankfurt am Main 2005, S. 8.
  32. Manfred Loimeier: J. M. Coetzee. edition text + kritik, München 2008, S. 7f.