Joseph Stephan Kauser

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Joseph Stephan Kauser, auch Joseph Etienne Kauser, (* 22. Dezember 1830 in Pest; † 1. April 1905 in New Orleans) war ein ungarisch-amerikanischer Architekt und Bauingenieur.

Die Geschichte der Familie Kauser lässt sich anhand von Dokumenten lückenlos zurückverfolgen bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts. Damals lebten die Kauser in Ungarn.[1] Ab Ende des ausgehenden 18. Jahrhunderts brachte die Familie zahlreiche Steinmetze und Architekten hervor, darunter auch Joseph Kauser (geboren 1848 in (Buda-)Pest; gestorben 1919 in Budapest), der den Bau der Stephans-Basilika in Budapest 1905 beendet hat.[2]

Das biographisch wohl interessanteste Mitglied dieser Familie ist Joseph Stephan (Etienne) Kauser, auch er ein Architekt und Bauingenieur. Er wurde am 22. Dezember 1830 in Pest (heute Budapest) geboren, Sohn von Joseph Kauser und Katharina Tonner.[3] 1848/1849 nahm er an der ungarischen Revolution teil: als Leutnant der Artillerie in der Legion der Universität Pest.[4] Nach der Niederlage Ungarns wurde die Pester Universitäts-Legion als 90. Honved-Bataillon in die k.k. Armee überführt[4], ihre Soldaten zum Kriegsdienst verpflichtet, etliche Soldaten (vor allem Offiziere) eingekerkert oder hingerichtet.

J. E. Kauser floh deswegen ins Ausland und besorgte sich in Hamburg einen falschen Pass. Von Spitzeln der österreichischen Regierung verfolgt, wurde er in Bayern aufgegriffen, sein falscher Pass eingezogen. Aus München sollte er nach Salzburg abgeschoben und den Österreichern ausgeliefert werden. Wiederum gelang ihm die Flucht: über Zürich nach Paris.[5] Von 1850 bis 1854 studierte er an der École des Beaux-Arts (Paris) Architektur[6] und arbeitete anschließend als Architekt in Paris. 1855 wurde er durch ein in verschiedenen ungarischen und österreichischen Zeitschriften veröffentlichtes Edikt der habsburgischen Regierung zur Rückkehr nach Budapest aufgefordert, um sein Fortgehen zu rechtfertigen. Widrigenfalls wurden ihm strengste juristische Konsequenzen angedroht.[7] Statt der Aufforderung Folge zu leisten, nahm Joseph Etienne[8] Kauser im Januar 1857 in Liverpool das Steamboat „Atlantic“ und emigrierte nach Amerika. Am 24. Januar 1857 erreichte das Schiff New York;[9]

Am 16. Februar 1857 beantragte er am Supreme Court der Stadt New York seine Einbürgerung.[10] Am 5. Januar 1859 heiratete er in Franklin (Ohio) Emelia Friederichs.[11] In den Staaten Ohio und New York arbeitete er als Architekt.[12] Am 10. Oktober 1860 erwarb er die amerikanische Staatsbürgerschaft[13], beantragte noch am gleichen Tag einen Pass[14] und kehrte 1860 mit seiner Frau nach Europa zurück, um sich der zu Garibaldis Truppen gehörenden „internationalen Legion“[15] in Italien als Oberleutnant anzuschließen. Die 500 Ungarn, die zu dieser Legion gehörten, wurden von Colonel István Türr angeführt. Bei dieser Legion blieb Kauser bis 1864 / 1865.[16]

Danach kam er als amerikanischer Bürger nach Ungarn und arbeitete in Budapest als Architekt. Hier stand er in den folgenden Jahren unter permanenter Beobachtung durch österreichische Spitzel, die über jeden seiner Schritte, seine Reisen nach Italien, Frankreich u. a., seine Bekanntschaften, Lebensgewohnheiten und beruflichen Tätigkeiten nach Wien berichteten.[17] Wahrscheinlich auf Vermittlung István Türrs (inzwischen durch Garibaldi zum General avanciert) wurde Etienne Kauser amerikanischer Konsul in Budapest (1869–1874)[18]. Das weitere Schicksal seiner ersten Frau (Emelia Friedrichs) ist nicht bekannt. Am 16. Mai 1870 heiratete er in Košice ein zweites Mal: Berta Gerster, eine gefeierte, von Franz Liszt verehrte Sopranistin.[19] Am 21. November 1871 wurde in Budapest Tochter Alice Berta geboren[20], am 27. August 1873 sein Sohn George Washington.[21] In Budapest entwarf er ab 1871 etliche Häuser; am interessantesten davon ist wohl sein Plan, nach amerikanischem Vorbild in der Nähe des Ostbahnhofs „Hundert Häuser“ („szàz hàz“), eine Arbeitersiedlung, zu bauen.[22] Gemeinsam mit István Türr und Béla Gerster, seinem Schwager, arbeitete Etienne Kauser an der Planung und am Bau des Kaiser-Franz-Kanals / Ferenc-csatorna (in Ungarn)[23] und später an Planung und Bau des Kanals von Korinth (Griechenland).[24] 1883 / 1884 verließ Etienne Kauser endgültig Ungarn und begab sich mit seiner Familie nach Paris, wo am 7. April 1885 Sohn Benjamin Franklin geboren wurde.[25] Zwei Wochen später, am 23. April 1885, starb Berta Gerster.[26]

1888 kehrte Etienne Kauser mit seinen drei Kindern endgültig nach Amerika zurück und ließ sich in der Hafenstadt Pensacola (Florida) nieder.[27] 1893 veröffentlichte er eine Flurkarte von Ost-Pensacola, auf die noch heute (2015) bei Grundstückskäufen Bezug genommen wird.[28] Im gleichen Jahr, am 14. Februar, wurde seine Erfindung eines Unterwasser-Baggers (dredging-apparatus) patentiert.[29] Er fand Anstellung als Dredging-Inspektor und Aufseher im Hafen von Pensacola (1893), in Warrington / Pensacola (1897) und im Fort McRee/Pensacola (1899)[30]. 1901 erwarb er ein 80 acres (ca. 32.000 m²) großes Grundstück, das damals noch unbebaut im Norden von Pensacola lag und – als public domain – zum Bau für Heimstätten für Neusiedler bestimmt war.[31] Es ist zu vermuten, dass Etienne Kauser die Absicht hegte, auf diesem Grundstück seinen alten Plan einer Arbeitersiedlung zu verwirklichen. 1905 starb Etienne Kauser in New Orleans.[32] Seit wann, warum und wie lange er sich dort aufgehalten hatte, ist nicht bekannt.

Die Kinder Etienne Kausers verließen nach und nach das Haus ihres Vaters in Pensacola. Alice Kauser ging nach New York und wurde dort eine berühmte Theater- und Literatur-Agentin.[33] 1910 beendete sie ihre Tätigkeit als Nachlassverwalterin ihres Vaters in Pensacola.[34] Sie blieb unverheiratet. Benjamin Kauser, zunächst Rechtsanwalt, folgte seiner Schwester nach New York, wurde Schauspieler und Theater-Direktor am Broadway.[35] Er war zweimal verheiratet; beide Ehen blieben kinderlos. Auch George Kauser, Ingenieur, war einige Zeit Mitarbeiter seiner Schwester in New York, landete aber schließlich in Chicago als Grundstücksmakler.[36] 1906 heiratete er Elsie Buchan. Seine Nachkommen leben heute in den Vereinigten Staaten von Amerika.

  • Partizipation bei Planung und Bau des state-house in Erie / Philadelphia.
  • Partizipation bei Planung und Bau des Kaiser-Franz-Kanals (Ferenc csatorna) in Ungarn.
  • Partizipation bei Planung und Bau des Kanals von Korinth, Griechenland.
  • Mémoire à l'appui d'un projet soumis à M. Le général Türr, traitant de la fondation d'une colonie agricole aux Etats-Unis sur certains terrains devant être exploités au préalable pour leurs richesses forrestieres, par J.-E. Kauser (Imprimerie des apprentis orphelins, Paris 1888).
  1. Ungarisches Staatsarchiv (Budapest): Kirchenbücher, Ratsprotokolle, Steuerlisten u. a.
  2. Es gibt einige Veröffentlichungen zur Familie Kauser, darunter sogar in Architektur-Fachzeitschriften, die alle die gleichen unbelegten, nachweislich falschen Behauptungen wiederholen. Danach würden die Kauser aus Andolsheim im Elsass stammen, schon am Bau der Straßburger Kathedrale beteiligt gewesen sein und gegen Ende des 18. Jahrhunderts nach Ungarn ausgewandert sein. Aber weder in den protestantischen noch in den katholischen Kirchenbüchern von Andolsheim lässt sich der Name Kauser entdecken. Die Kauser lebten seit Mitte des 17. Jahrhunderts bereits in Ungarn (Győr), und die frühen Kauser waren weder Steinmetze noch Architekten. Agidius Franziskus Kauser (1703 in Győr geboren; 1748 in Pest gestorben) und sein Sohn Paul (1742 in Pest geboren; 1818 in Pest gestorben) waren Kürschnermeister. Erst Joseph Kauser (1787 in Pest geboren; 1841 in Pest gestorben), Sohn von Paul Kauser, war Steinmetzmeister. Mit seinen Söhnen Johannes (1817 in Pest geboren; 1871 in Pest gestorben), Leopold (1818 in Pest geboren; 1877 in Budapest gestorben), Joseph Stephan (1830 in Pest geboren; 1905 in New Orleans gestorben) und Jakob (1833 in Pest geboren; 1893 in Budapest gestorben) beginnt die Zeit der Kauser-Architekten. Belege dafür finden sich in katholischen Kirchenbüchern von Győr und Pest / Budapest, die man im Ungarischen Staatsarchiv in Budapest (Magyar orszagos leveltar: anyakönyvek) einsehen kann.
  3. Ungarisches Staatsarchiv (Budapest): anyakönyvek: (katholische Kirchenbücher): Budapest, Theresienstadt (Terezvaros).
  4. a b Tibor Acs: A tudományegyetem hadi tanfolyama és a pesti Egyetemi Legio 1848–1849; hadtörténelmi közlemények 2000/3; 501-537.
  5. Österreichisches Außenministerium, Informationsbüro 1848–1867, Akten A3386 und A3481.
  6. Zunächst als Aspirant, dann – ab 1852 – als Élève. David de Penanrum: Les architectes élèves de l'école des beaux arts 1793–1907, Paris 1907 (online, Matrikelnummer 1654); Ecole nationale et spéciale des beaux arts, No 5842 du Registre Matricule.
  7. Wiener Zeitung vom 14. Oktober 1855, S. 28: Ediktal-Vorladung.
  8. So nannte er sich seit seinen Jahren in Paris.
  9. www: Familysearch.org/search/collection/1849782: New York Passenger Lists, 1820–1891; Film 170 (2. Januar 1857 – 10. Februar 1857), Aufnahme 174. Abgerufen am 26. November 2015.
  10. www:Ancestry.com: New York, Petitions for Naturalization, 1794–1906: Joseph Etienne Kauser, 1857, City New York. Abgerufen am 26. November 2015.
  11. www: Familysearch.org/search/collection/1614804: Ohio, County Marriages, 1789–2013, Franklin, Marriage index and records 1857–1862, vol. 7, Aufnahme 152. Abgerufen am 26. November 2015.
  12. Cleveland Morning leader, 7. August 1860; s. auch: www: Familysearch.org/search/collection/1473181: United States Census 1860: Etienne Kauser. Abgerufen am 26. November 2015.
  13. www: Familysearch.org/search/collection/2043782: New York, Naturalization Index (Soundex) 1794–1906, K241-K323, Aufnahme 3036. Abgerufen am 26. November 2015.
  14. www: Familysearch.org/search/collection/2185145: United States passport applications, 1795–1925, Roll 92, vol 199-200, 1860 Sep-Nov, Aufnahme 1806. Abgerufen am 26. November 2015.
  15. Diese Legion wird auf Englisch als International Legion bezeichnet; in ungarischen Veröffentlichungen wird sie allerdings „olaszorszagi magyar légio“ (ungarische Legion in Italien) genannt. So z. B.: Lukács Lajos: Az olaszorszagi magyar légio története és anyakönyvei, Budapest 1986.
  16. Karoly Maria Kertbeny: Alphabetische Namenliste ungarischer Emigration, 1848–1864; Brüssel-Leipzig 1864 (online)
  17. Österreichisches Außenministerium; Informationsbüro 1848–1867; Akte BM 1867:64.
  18. Official Congressional Directories: 1869, 41. Congress, 1. session, p.95; 1870, 41. Congress, 3. session, p.95; 1871, 42. Congress, 1. session, p.95; 1872, 42. Congress, 2. session, p.104; 1873, 42. Congress, 3. session, p.104; 1874, 43. Congress, 1. session, p.121. Abgerufen am 26. November 2015.
  19. www: Familysearch.org/search/collection/1554443: Slovakia, Church and Synagogue books 1592–1910, Roman Catholic, Kosice, Kosice, Marriages 1843–1886, Aufnahme 311. Abgerufen am 26. November 2015.
  20. Ungarisches Staatsarchiv Budapest: Anyakönyvek (katholische Kirchenbücher ): Budapest. Josephstadt (Józsefváros)
  21. Ungarisches Staatsarchiv Budapest: Anyakönyvek (katholische Kirchenbücher ): Budapest. Josephstadt (Józsefváros).
  22. Fövaros leveltar Budapest: HU BFL-XV.17.b.312-2863 / 1871. Die Siedlung sollte sich von der heutigen Dózsa-György-ut über die Murányi-utca zur Szàz-hàz-utca erstrecken. Der Plan wurde nicht verwirklicht, nur der Straßenname Szàz-hàz-utca erinnert heute noch daran.
  23. Magyar vasuti könyvek:1.évf./1878 (Budapest 1878), S. 552; 2.évf./1879 (Budapest 1879), S. 321; 3.évf./1880 (Budapest 1880), S. 349; 4.évf./1881 (Budapest 1882), S. 347; 5.évf./1882 (Budapest 1883), S. 595.
  24. István Türr; fr:Béla Gerster; s. auch Béla Gerster: l'isthme de Corinthe et son percement, Budapest 1896 (online), er erwähnt ausdrücklich - S. 67 und S. 70 - Istvan Kauser; aufschlussreich auch: Journal des débats politiques et littéraires 7. Mai 1882, édition de Paris (online, Spalte ganz rechts).
  25. www: canadp-archivesenligne.paris.fr/archives_état_civil/1860-1892_tables_décennales: acte de naissance, 1883–1892, 17e arrondissement: Kauser. Abgerufen am 26. November 2015.
  26. www: canadp-archivesenligne.paris.fr/archives_état_civil/1860-1892_tables_décennales: acte de décès, 1883–1892, 17e arrondissement: Kauser. Abgerufen am 26. November 2015.
  27. Gertrude Atherton: The living present – the work of French women in wartime, New York 1917, S. 290ff. (online)
  28. Als Beispiel: Archivlink (Memento des Originals vom 12. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.escambiasunpress.com November 2013. Abgerufen am 26. November 2015.
  29. Patent US491843A: Dredging Apparatus. Angemeldet am 9. April 1892, veröffentlicht am 14. Februar 1893, Anmelder: Siemens AG, Erfinder: Joseph E. Kauser.
  30. The Official Register of the United States: 1893, vol.1, p.370; 1897, vol.1, p.392; 1899, vol.1, p.492.
  31. The United States of America, Homestead Certificate No 15685; Application 26155.
  32. www: Files.usgw.archives.net/la/orleans/vitals/deaths/index/1905digk.txt: J.E. Kauser. Abgerufen am 26. November 2015.
  33. Gertrude Atherton: The living present – the work of French women in wartime, New York 1917; hier: The highly specialized II: Alice Berta Josephine Kauser.
  34. Pensacola Journal, 24. Oktober 1909.
  35. New York Clipper, 4. März 1916.
  36. Chicago Tribune, 7. April 1923.